[131] [Aus »Sudelbuch« G]

Der Verstand scheint das Band zu sein, wodurch wir mit der Welt überhaupt und mit ihren Absichten zusammenhängen, nicht unser Gefühl allein. Wenigstens muß der Verstand vorher erkannt haben, und dann können sich seine Schlüsse endlich, zur Klarheit herabgestimmt, mit andern Gefühlen durch Assoziation verbinden. Schlüsse von Schönheit auf Vollkommenheit zu machen, ist nicht besser, als von den Konvulsionen und Gesichtsverzerrungen eines Sterbenden auf seine schrecklichen Empfindungen zu schließen. Er kann gerade in einer Art von wollüstigem Gefühl liegen, wie der Mann, von dem in den Pariser Memoiren (für das Jahr 1773) erzählt wird, der einem in mephitischer Luft erstickten Menschen zu Hülfe eilen wollte, und selbst ohne Empfindung hinfiel, und nur durch die sorgfältige und anhaltende Bemühung einiger Ärzte ins Leben zurückgebracht wurde. Hier heißt es in dem Berichte:

»Entre le moment de son entrée dans cette cave et celui, où il perdit connoissance, il ne s' écoula qu'environ deux minutes. Pendant cet espace de tems il ne ressentit ni douleur, ni oppression, et l'instant, qu'il perdit connoissance, il éprouva une sensation des plus voluptueuses, un délire inexprimable; il goûtoit avec plaisir, à la porte du tombeau, une satisfaction délicieuse, absolument exemte des horreurs, que l'on a ordinairement de la mort. Il perdit enfin tout mouvement, tout sentiment, et resta dans cette situation environ une heure et demie au pied de l'escalier de la cave, où il étoit tombé etc.«

[G 1]


Ich muß mich immer freuen, wenn die guten Seelen, die den Sterne mit Tränen des Entzückens in den Augen lesen, glauben, der Mann spiegele sich in seinem Buche. Die Sternische Einfalt der Sitten, sein warmes gefühlvolles Herz, seine mit allem, was edel und gut ist, sympathisierende Seele, und wie die Phrasen alle heißen, und der Seufzer alas poor Yorick! der alles zugleich sagt, sind unter uns Deutschen zum Sprüchwort geworden. Man hat dies vermutlich einem Manne, der mehr Geschmack als Kenntnis der Welt hatte, nachgesagt, ohne die Sache weiter zu untersuchen. Denn die, die Sternen am meisten im Munde führen, sind eben nicht die, die einen äußerst witzigen, schlauen und biegsamen Kenner der Welt zu beurteilen im Stande sind. Man kann den Eindruck von zehn Sprüchwörtern auf einen Kopf leichter auslöschen, als den von einem einzigen [131] auf das Herz, und neulich hat man ihm sogar den redlichen Asmus nachgesetzt. Das geht zu weit. Die nicht bloß aus Schriften, sondern aus Taten bekannte rechtschaffene Seele des Wandsbeckers soll Sternen nachstehen, weil uns ein falscher Spiegel ein angenehmes Bild von diesem zurückwirft, oder zurückzuwerfen scheint? Ein Buch kann die ganze Seele seines Verfassers zurückwerfen, aber es verrät eine große Unbekanntschaft mit der Welt und dem menschlichen Herzen, wenn man dieses von Yoricks Schriften glaubt. Yorick war ein kriechender Schmarotzer, ein Schmeichler der Großen, und eine unausstehliche Klette am Kleide derer, die er zu beschmausen sich vorgenommen hatte. Er kam uneingeladen zum Frühstück, und wenn man ausging, um ihn loszuwerden, so ging er mit aus, und mit in andere Gesellschaft, weil er glaubte, er könne nirgends unangenehm sein. Ging man nach Hause, so ging er wieder mit, und setzte sich endlich zu Tisch, wo er gern allein und von sich selbst sprach. Ein gelehrter und sehr rechtschaffener Mann in England fragte mich einmal: was halten sie in Deutschland von unserem Yorick? Ich sagte, er würde von einer großen Menge angebetet, und Kenner dieser Art Schriften, die ihn eben nicht anbeteten, hielten ihn doch alle für einen außerordentlichen und einzigen Mann in seiner Art; ich fände nicht, daß man in England so von ihm dächte. – »Um Verzeihung, war die Antwort, man denkt in England eben so von ihm; nur weil wir ihn näher kennen, so wird das Lob durch die Häßlichkeit seines persönlichen Charakters sehr gemildert; denn er war ein Mann, der seine außerordentlichen Talente größtenteils anwandte, niederträchtige Streiche zu spielen.« – Ich weiß, viele, vielleicht die meisten meiner Leser werden dieses für wahre Lästerung halten. Ist es nicht eine Schande, werden sie sagen, Nesseln auf das Grab desjenigen zu pflanzen, der sie so liebevoll von Lorenzo's Grab ausriß? Aber nicht ausgerissen haben würde, möchte ich antworten, wenn ihn ein Herzog eingeladen hätte, oder Nesseln ausreißen dem unerreichbar angenehmen Schwätzer und Maler von Empfindungen nicht so vortrefflich geklungen hätte. Mit Witz, verbunden mit Weltkenntnis, biegsamen Fibern und einem durch etwas Interesse gestärkten Vorsatz, eigen zu scheinen, läßt sich viel sonderbares Zeug in der Welt anfangen, wenn man schwach genug ist, es zu wollen, unbekannt mit wahrem Ruhm es schön zu finden, und müßig genug, es auszuführen.

[G 2]


[132] Es war entweder in der Nacht vom 14. auf den 15., oder vom 15. auf den 16. Oktober (1779), als mir träumte, ich sehe eine feurige Wolke unter den Plejaden herfliegen; zugleich läutete die große Glocke zu Darmstadt, und ich fiel auf die Knie und sprach die Worte: heilig, heilig etc. aus. Meine Empfindungen waren dabei unaussprechlich groß, und ich hätte mich derselben kaum mehr fähig geglaubt.

[G 3]


Die Schwachheiten großer Leute bekannt zu machen, ist eine Art von Pflicht; man richtet damit Tausende auf, ohne jenen zu schaden. Der Brief von d'Alembert über Rousseau im Mercure de France, Sept. 1779. verdient bekannter zu sein.

[G 4]


An Werthern gefällt mir das Lesen seines Homers nicht. Es ist subtile Prahlerei, daß der Mann etwas Griechisches lesen konnte, während andere Leute etwas Deutsches lesen müssen. Daß deutsche Schriftsteller so oft ihre Helden mit einem Griechen in der Hand spazieren lassen, ist deutsche Prahlerei, Zeitungs- und Journalenleserei. Literärisches Verdienst ist in Deutschland leider der Maßstab von wahrem Wert geworden, weil Schulfüchse den Thron des Geschmacks usurpieren. Anstatt einen Helden immer inseinem Homer lesen zu lassen, wollte ich ihn lieber in das Buch sehen lassen, aus dem Homer selbst lernte; das wir ganz ohne Varianten, ohne Dialekte vor uns haben. Es ist von diesen tiefen Kennern des Geschmacks gar nicht schön, daß sie eine Kopie studieren, während sie das Original vor sich haben.

[G 5]


Die Menschen versprechen sich jetzt so viel von Amerika und dessen politischem Zustande, daß man sagen könnte, die Wünsche, wenigstens die heimlichen, aller aufgeklärten Europäer hätten eine westliche Abweichung, wie unsere Magnetnadeln.

[G 6]


Statt Quod erat demonstrandum, κυριε ελεισον! unter eine psychologische Demonstration.

[G 7]


Mein Aide de Camp – Adelungs Wörterbuch.

[G 8]


Von dem Erziehungsbuche bis zum Erziehungsbesen.

[G 9]


[133] Eine Jungfer Hausfrau, oder eine Frau Hausjungfer.

[G 10]


Herr Camper erzählte, daß eine Gemeinde Grönländer, als ein Missionair ihnen die Flammen der Hölle recht fürchterlich malte, und viel von ihrer Hitze sprach, sich alle nach der Hölle zu sehnen angefangen hätten.

[G 11]

Physiognomische Missionsberichte, oder Nachrichten von dem Zustande und Fortgang der Physiognomik zu Tranquebar

Es wird unsern Lesern noch aus den Erlanger Zeitungen im Andenken liegen, daß um die Mitte des Jahrs 1778 das Schiff la Divineuse, unter Führung des Capitains Sebastian Brant, geladen mit Storchschnäbeln, Stirnmessern und fünfhundert Ballen Silhouetten, aus dem Texel nach Ostindien abgegangen, um das Licht der Physiognomik in jenen finstern Gegenden zu verbreiten. Am Bord desselben befanden sich drei Eingeweihete; nämlich: Don Zebra Bombast, eigentlich ein geborner Spanier, der aber in Deutschland erzogen ist; ein Mann von edlem hohen Sinn, in Gang und Stil von recht krönungsmäßigem Wesen. Von der Wahrheit der Physiognomik überzeugt, oder doch so gut als überzeugt, achtete er keine Einwürfe mehr. Herr Lavater hätte auf keinen würdigeren Mann verfallen können; hauptsächlich weil er mit dem utili nicht allein das dulce, sondern auch das amarum zu verbinden weiß.

Der zweite war Peter Kraft, ein auserwählter physiognomischer Gläubiger, der durch Herrn Lavaters Stil überzeugt worden war, weil er glaubte, in solcher Begeisterung könne man keine Unwahrheiten reden. Der kaltblütige Mensch allein irre eigentlich nur, weil Kälte, Erde und Irrtümer Synonyma wären; hingegen sei der warme Mensch gottesbesessen, sei Planzug des Ganzen, ohne freien Willen, und also offenbar Triebwerk des Weltzwecks. Weissagungen aus Überlegung wären ipso facto keine. Nur allein Gott weissage aus Raisonnement, das Geschöpf nur durch ihn; und das geschehe allemal, wenn es koche.

Don Zebra und Peter Kraft waren die besten Freunde, und deswegen von Herrn Lavater gewählt worden. Es war auch nicht leicht möglich, daß sie hätten Feinde werden können; denn in der Überzeugung von der Wahrheit der Physiognomik waren sie [134] schon eins, und hatten also nicht nötig, sich auf die Gründe einzulassen; daher sie die meiste Zeit nur in starken, zuweilen witzigen Ausdrücken wider die Gegner der Physiognomik sprachen.

Der dritte Friedrich Weiß aus Berlin, ebenfalls ein Verteidiger der Physiognomik, wiewohl kein warmer. Nach einem einstimmigen Zeugnis aller, die die Reisegesellschaft gekannt haben, war er der beste Kopf unter ihnen. Er hatte in der Tat über Physiognomik nachgedacht. Herr Lavater hatte ihn, ohne es sich merken zu lassen, gewählt, um Leute zu überzeugen, in denen die Gnade nicht wirken wollte; hingegen Don Zebra und Peter Kraft, diejenigen zu überzeugen, die ohne Überzeugung glauben.

[G 12]


Es ist fast unmöglich, die Fackel der Wahrheit durch ein Gedränge zu tragen, ohne jemandem den Bart zu sengen.

[G 13]


Die Suppe schmeckte so abscheulich, daß, um zu glauben, es sei auf eine Vergiftung abgesehen, man nur nötig gehabt hätte, ein großer General oder ein König zu sein.

[G 14]


Welch ein Unterschied, wenn ich die Worte: »Ehe denn die Berge wurden, und die Erde und die Welt geschaffen worden, bist du Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit« – in meiner Kammer ausspreche, oder in der Halle von Westminstersabtei! Über mir die feierlichen Gewölbe, wo der Tag immer in einer heiligen Dämmerung trauert, unter mir die Reste zusammengestürzter Pracht, der Staub der Könige, und um mich her die Trophäen des Todes! Ich habe sie hier und dort ausgesprochen; in meinem Schlafgemach haben sie mich oft erbaut; ich habe sie von Kindheit an nie ohne Rührung gebetet, aber hier durchlief mich ein unbeschreibliches, aber angenehmes Grauen; ich fühlte die Gegenwart des Richters, dem ich auf den Flügeln der Morgenröte selbst nicht zu entrinnen vermöchte, mit Tränen, weder der Freude noch des Schmerzes, sondern mit Tränen des unbeschreiblichen Vertrauens auf ihn. Glaubt nicht, ihr, die ihr überall mutmaßet und mehr mutmaßet als leset, daß ich aus modischer Schwermut dieses dichte. Ich habe den Young nicht ganz lesen können, als es Mode war, ihn zu lesen, und halte ihn noch jetzt für einen großen Mann, da es Mode ist, ihn zu tadeln.

[G 15]


[135] Die Augen eines Frauenzimmers sind bei mir ein so wesentliches Stück, ich sehe oft darnach, denke mir so vielerlei dabei, daß, wenn ich nur ein bloßer Kopf wäre, die Mädchen meinetwegen nichts als Auge sein könnten.

[G 16]


Was man feine Menschenkenntnis nennt, ist meistens nichts als Reflexion, Zurückstrahlung eigener Schwachheiten von anderen.

[G 17]


Wer sich selbst recht kennt, kann sehr bald alle anderen Menschen kennen lernen. Es ist alles Zurückstrahlung.

[G 18]


Es ist doch sonderbar, daß das, was die Menschen im Genie vortrefflich nennen, so selten ist. Ein Shakespeare, Ein Newton, Ein Franklin usw. Warum sind dieser Menschen so wenige, da es doch Gott gleich leicht war, den Dummkopf und das Genie zu schaffen? Ich weiß keine andere Antwort, als daß das Genie allezeit eingeschränkt ist und es nötiger war, Menschen zu haben, die zu allem, als die zu Einem Dinge taugen.

[G 19]


Wer sich nicht auf Mienen versteht, ist immer grausamer oder gröber, als andere Leute; deswegen kann man auch gegen kleine Tiere eher grausam sein.

[G 20]


Ich sagte bei mir selbst: das kann ich unmöglich glauben, und während dem Sagen merkte ich, daß ichs schon zum zweitenmal geglaubt hatte.

[G 21]


Menschen, die sich auf die Beobachtung ihrer selbst gut verstehen und sich damit heimlich groß wissen, freuen sich oft über die Entdeckung eigner Schwachheit, wo die Entdeckung sie betrüben sollte. So sehr viel mehr gilt bei manchen der Professor als der Mensch.

[G 22]


Es ist zwar sehr wahr, daß die meisten Menschen, die keiner Liebe fähig sind, auch für die Freundschaft wenig taugen. Man sieht aber doch auch oft das Gegenteil.

[G 23]


[136] Es ist der gemeine Fehler aller Leute von wenig Talenten und mehr Belesenheit als Verstand, daß sie eher auf künstliche Erklärungen verfallen als auf natürliche.

[G 24]


Das ganze Knochengebäude unserer Denkungsart und unsers Glaubens wird formiert aus unseren Helden, und Musterwahl geht zu einer Zeit vor, wo wir die wenigste Erfahrung und Überlegung haben, und wirkt doch am Ende auf unsere Überlegung, wo nicht auf die Folgen unserer Erfahrung.

[G 25]


Der schmeichlerische Elende, ich möchte fast sagen der Feigherzige, der unter jedem Streich des Schicksals winselt, der sich mit demütigen Gebärden naht, Brod fordert, und sich auf Gnade und Ungnade sei nem Wohltäter ergibt, ist leicht erkannt; der Jagdjunker im Vorbeisprengen versteht Mienensprache genug, ihn zu kennen. Der andere, stille, nur für ein paar Stationen geschaffene Mann, dessen Elend nicht geschwätzig ist, der mehr denkt, und wo er auch immer an der gemeinen Last angespannt wird, besser zieht, ist schwerer zu kennen. Es gehört ein geübtes Auge dazu, seine ungekünstelte Bescheidenheit vom heimlichen Stolz und seine Kürze in allem vom Trotz zu unterscheiden.

[G 26]


Man muß nie den Menschen nach dem beurteilen, was er geschrieben hat, sondern nach dem, was er in Gesellschaft von Männern, die ihm gewachsen sind,spricht.

[G 27]


Die Menschen haben immer Witz genug, wenn sie nur keinen haben wollen.

[G 28]


Es ist ja doch nun einmal nicht anders: die meisten Menschen leben mehr nach der Mode als nach der Vernunft.

[G 29]


Es gibt Gesichter in der Welt, wider die man schlechterdings nicht Du sagen kann.

[G 30]


Die Muttermilch für den Leib macht die Natur; für den Geist wollen unsere Pädagogen sie machen.

[G 31]


[137] Wenn England eine vorzügliche Stärke in Rennpferden hat, so haben wir die unsrige in Rennfedern. Ich habe welche gekannt, die mit einem einzigen Satz über die höchsten Hecken und breitesten Gräben der Kritik und gesunden Vernunft hinübersetzten, als wären es Strohhalmen.

[G 32]


Ist es nicht sonderbar, daß man das Publikum, das uns lobt, immer für einen kompetenten Richter hält; aber sobald es uns tadelt, es für unfähig erklärt, über Werke des Geistes zu urteilen?

[G 33]


Es ist schade, daß man bei Schriftstellern die gelehrten Eingeweide nicht sehen kann, um zu erforschen, was sie gegessen haben.

[G 34]


Conrad Photorins (p.t. Fotorins) Sendschreiben an die Herausgeber des Magazins, die Abschaffung der Hosen betreffend.

Ew. Wohlgeboren rühmlichst bekannter Eifer für unsere neue Orthographie oder, wie sie sie jetzt schicklicher nennen, Cäno- oder Kainographie, um sie nicht mit der alten so genannten Orthographie zu verwechseln, hat mich aufgemuntert, Denenselben einen Plan zur Bekanntmachung vorzulegen, der mit dem Kainographischen viel Ähnlichkeit hat, nämlich, die Beinkleider abzuschaffen; und sollte dieser Ihren erwünschten Beifall erhalten, so sollen Dieselben ein Werk von mir bekommen, wovon ich Ihnen jetzt nichts weiter sagen kann, als daß es eine Reformation der deutschen Sprache ist, und unsere Cänographie mußte notwendig darauf leiten. Denn welches ist törichter, der zu schreiben, und dähr zu lesen, oder zu sagen, ich drehe, ich drehete; ich stehe, ich stand; ich sehe, ich sah; ich gehe, ich ging? Dieses macht den Ausländern und Kindern unendliche Mühe. Daher auch die Juden, die zwar ein unterdrücktes Volk sind, aber doch zuweilen über uns aufrechtstehend wegsehen, manchmal sagen: es sehete unvergleichlich aus; es wäre am besten, er gehete hin etc. Ich muß Ew. Wohlgeb. gehorsamst um Vergebung bitten, daß ich mich der Cänographie in meinem Briefe nicht bediene. Mein Geist ist zwar stark, allein aber das Fleisch ist schwach. Ich bin nicht mehr jung, und verschreibe mich jeden Augenblick; auch weiß ich zwar immer, wie ich spreche, allein ich weiß es nicht immer zu schreiben. Z.B. recht darf ich nicht, und rächt [138] kann ich nicht schreiben, denn es wird ja nicht gesprochen wie Hecht, usw.

Forschlach künftig keine Bainklaider mer zu tragen

Der schönste Teil des menschlichen Geschlechts trägt keine, so wenig als der zarteste, nämlich das weibliche Geschlecht und die Kinder. Die größten Menschen haben keine getragen, weder die Erzväter, noch der pius Aeneas, noch Tullus und Ancus. Cicero, Pompejus und Cäsar trugen keine, auch hat vermutlich Sokrates keine getragen. Ja die gesündesten Völker, ich meine die ungesitteten, tragen bis auf diese Stunde keine; auch die gesitteten Bergschotten nicht. Daß es einem auffallend sein würde, jetzt einen Minister oder General ohne Beinkleider herumgehen zu sehen, das ist bloß die Ungewohnheit, lächerliches Vorurteil. Es ist nicht mehr, als statt des einfältigender und physisch jetzt där und füsisch zu schreiben, welches recht ist. Ohne Beinkleider zu gehen, soll Leuten sehr dienlich sein, die sich verändern wollen, indem es ein gelindes kaltes Bad ist. Das beständige Auf- und Zuknöpfen ist wirklich sehr beschwerlich. Wer an einer Kirche wohnt, darf nur die Leute beobachten, die am Tage die einwärtsgehenden Winkel derselben stehend einnehmen; was das oft für Umstände setzt, einige müssen sogar den Stock wegstellen, und beide Hände brauchen. Ich riete eine Art kleiner Schürze, die rund herum ginge, so wie die Bäckerschürzen am Rhein etc.

Was die Engländer in der Füsik, die Franzosen in der Metafüsik sind, sind die Deutschen unstreitig in der Ortokrafi. Das Süstem, das uns H.K ... hierüber gegeben hat, ist vortreflich. Fürz gleich nicht überall Überzeugung bei sich, so fürz doch auf Einigkeit, und hilfz nichz, so schatz doch auch nichz. Vorzüglich Dank ferdint Herr Mülius in Berlin, der auch in seinem zerdeutschten Gil Blas Hüpokrates schreibt, und also auch vermutlich Filüppus und Hippotese schreiben würde. – – Neulich entstand bei einem Testament ein entsetzlicher und fast skandalöser Streit über folgende Worte: »Auch vermache ich das Heu von meinen Wiesen den jedesmaligen drei Stadtfarren zu O ...« Es wurde nämlich gestritten, ob Testator die Prediger des Orts, oder die Bullen gemeint habe; und weil die letztern einen bessern Advokaten erhielten, als die erstern, so fiel das Heu dem Bullenstall zu. Der Advokat für die Prediger wußte nichts beizubringen, als daß man einem unvernünftigen Vieh nichts vermachen [139] könne; nur sei bekanntlich Testator ein Anhänger von Herrn K ... und dessen prosaischen Werken gewesen, und habe daher farren statt pfarrern geschrieben. Dagegen erwies der Advokat für die Bullen mit unwidersprechlichen Zeugnissen, Testator sei zwar ein eifriger K-ianer, aber, da er selbst Pfeiffer geheißen, auch ein hartnäckiger Verteidiger des Pf gewesen, weshalb er wohl oft Klopfstock und Trepfe gesagt, aber sich nie Feiffer unterzeichnet habe. Die Sache wäre also klar. Überdies habe der Selige bekanntlich nicht viel auf die dasigen Herren Prediger gehalten, und da die Wiesen gegen 300 Taler abwerfen, so wäre es gar nicht wahrscheinlich, daß er sie gemeint hätte, usw.

[G 35]


Es gibt eine wahre und eine förmliche Orthographie.

[G 36]


Der eine hat eine falsche Rechtschreibung und der andere eine rechte Falschschreibung.

[G 37]


Ist das nicht ein herrlicher Zug in Rousseau's Bekenntnissen, wo er sagt, er habe mit Steinen nach Bäumen geworfen, um zu sehen, ob er selig oder verdammt würde? Großer Gott, wie oft habe ich Ähnliches getan, ich habe immer gegen den Aberglauben gepredigt und bin für mich immer der ärgste Zeichendeuter. Als N ... auf Tod lag, ließ ich es auf den Krähenflug ankommen, wegen des Ausgangs mich zu trösten. Ich hatte, wenn ich am Fenster stand, einen hohen Turm mir gegenüber, auf dem viele Krähen waren. Ob rechts oder links vom Turm die erste Krähe erschien. Sie erschien von der linken, allein da tröstete ich mich wieder damit, daß ich nicht festgesetzt hatte, welches eigentlich die linke Seite des Turms genannt zu werden verdiente. Es ist vortrefflich, daß Rousseau sich mit Fleiß einen dicken Baum aussuchte, den er also nicht leicht fehlen konnte.

[G 38]


In allen Dingen in der Welt gibt es ein Coup d'Oeil, das heißt, jeder vernünftige Mensch, der etwas hört oder sieht, urteilt instinktmäßig darüber. Er schließt z.B. aus dem Titel des Buchs und dessen Dicke auf den innern Wert. Wohlverstanden, ich sage nicht, daß diese Dinge sein eigentliches Urteil lenken, sondern nur, daß er mit dem ersten Anblicke einer Sache auch ein, dieser geringen [140] Information proportioniertes, Urteil von ihr verbindet, oft ohne daß er sich dessen deutlich bewußt wird. Auch hebt die Erfahrung der nächsten Sekunde das Urteil oft wieder auf. Alles dieses sind Samenkörner von Wissenschaften, aus denen ein Lambert etwas hätte ziehen können; allein so wie nicht aus jedem Samen ein Baum oder Küchenkraut wird, so eben auch hier. Indessen sind diese Winke nie aus der Acht zu lassen; sie sind die Resultate vieler empfangenen Eindrücke in der verständlichsten Summe konstruiert.

[G 39]


Das Möserische Mehl und nicht die Mühle ist vortrefflich; Früchte der Philosophie und nicht die Philosophie. Wenn wir fragen, wie viel Uhr es ist, so wollen wir nichts von der Einrichtung der Taschenuhr wissen. Die Kenntnis der Mittel ist heutzutage eine rühmliche Wissenschaft geworden, und niemand gebraucht sie zu seinem Glück und dem Glücke der Welt. Kenntnis der Mittel ohne eine eigentliche Anwendung, ja ohne Gabe und Willen sie anzuwenden, ist, was man jetzt gemeiniglich Gelehrsamkeit nennt.

[G 40]


Man irrt sich, wenn man glaubt, daß alles unser Neues bloß der Mode zugehörte, es ist etwas Festes darunter. Fortgang der Menschheit muß nicht verkannt werden.

[G 41]


Mir ist es unbegreiflich, warum der Zustand der unendlichen Herrlichkeit nicht lieber gleich angeht, da doch dieses Leben nur überhaupt ein verschwindender Punkt ist.

[G 42]


Ich glaube, es ist ein großer Unterschied zwischenVernunft lehren und vernünftig sein. Es kann Leute geben, die nichts weniger als eigentlich gesunden Verstand besitzen, und doch vortrefflich über die Regeln nachdenken, die er befolgen muß; so wie ein Physiologe den Bau des Körpers kennen, und selbst sehr ungesund sein kann. Die großen Analysten des menschlichen Kopfs waren nicht immer die Praktisch-Vernünftigen. Ich rede hier nicht von Moral, sondern von Logik.

[G 43]


So lange die verschiedenen Religionen nur verschiedene Religionssprachen sind, so ist alles recht gut; nur muß die Absicht, der [141] Sinn einerlei und gut sein. Was liegt endlich daran, ob einer vor einem hölzernen Christus niederfällt, wenn er nur dadurch zum Guten geleitet wird. Nur muß die Religion an sich selbst die Prüfung aushalten, damit sie in jedem Dialekt, wie sich Semler ausdrückt, Gutes wirken kann. Es verrät wenig Weisheit bei manchen Leuten, daß sie sich über die religiösen Gebräuche anderer lustig machen; sie beweisen durch ihre Aufführung, daß sie dengan zen Sinn der Bibel nicht fassen. Wenn bei dem Volke Zweifel entstehen, so muß sie der Gelehrte zu heben wissen; allein es verrät unbeschreiblichen Unverstand, wenn Gelehrte gegen die Religion des Volks schreiben und daran zu Helden werden wollen. Semler sagt sogar 6: nicht alle Menschen müssen unsere christliche Religion haben.

[G 44]


Die Menschen glauben überhaupt schwerer an Wunder, als an Traditionen von Wundern, und mancher Türke, Jude usw. der sich jetzt für seine Traditionen tod schlagen ließe, würde bei dem Wunder selbst, als es geschah, sehr kaltblütig geblieben sein. Denn in dem Augenblicke, da das Wunder geschieht, hat es kein anderes Ansehen, als das ihm sein eigener Wert gibt; es physisch erklären, ist noch keine Freidenkerei, so wenig als es für Betrug halten, Blasphemie. Überhaupt ein Faktum leugnen, ist an sich etwas Unschuldiges; es wird nur in der Welt gefährlich in so fern, als man andern dadurch widerspricht, die seine Unleugbarkeit in Schutz genommen haben. Manche Sache, die an sich sehr unwichtig ist, wird dadurch wichtig, daß sich Leute von Ansehen ihrer annehmen, die man für wichtig hält, ohne eigentlich zu wissen warum. Wunder müssen in der Ferne gesehen werden, wenn man sie für wahr, so wie Wolken, wenn man sie für feste Körper halten soll.

[G 45]


Es gibt einen Zustand, der wenigstens bei mir nicht sehr selten ist, da man die Gegenwart und Abwesenheit einer geliebten Person gleich wenig ertragen kann; wenigstens bei der Gegenwart nicht das Vergnügen findet, welches man, aus der Unerträglichkeit der Abwesenheit zu schließen, von ihr erwarten sollte.

[G 46]


Die determiniertesten Philosophen sind zuweilen abergläubisch, und halten etwas auf das Ominöse.

[G 47]


[142] Sonderbar ist die allmählige Entwickelung des Künftigen, welche die Spieler der plötzlichen Enthüllung vorziehen. Bei Hazardspielen, wobei umgeschlagen wird, betrachten sie die Karte, die sie frei ansehen dürften, lieber erst gegen ein schwaches Licht von hinten. Selbst Kinder tun dies.

[G 48]


Jemand geht lange unentschlossen in seiner Stube auf und ab; auf einmal findet er eine hölzerne Walze, auf der er Kupferstiche erhalten hatte, und dieser Prügel gibt seinem Geist Stärke, und er entschließt sich. Vielleicht hielt er es für einen Marschallsstab, ohne es deutlich zu denken.

[G 49]


Aus der Narrheit der Menschen in Bedlam müßte sich mehr schließen lassen, was der Mensch ist, als man bisher getan hat.

[G 50]


Wovon das Herz nicht voll ist, davon geht der Mund über, habe ich öfters wahr gefunden, als den entgegengesetzten Satz.

[G 51]


Das respice finem ist einer weit fruchtbarern Erklärung fähig, als man ihm gewöhnlich gibt. Der Mensch, der den Himmel erfunden hat, rechnet aufs Künftige. Wer bei jeder Handlung den Einfluß bedenkt, den sie auf sein Künftiges haben kann, und sie nicht unternimmt, wenn sie ihm nicht im Künftigen Vorteil bringt, wird gewiß glücklich leben. Alle großen Leute haben bloß des Künftigen wegen das Gegenwärtige unternommen, und schlechte Menschen haben immer, wie die Tiere, bloß das Gegenwärtige vor Augen; ja sie erniedrigen sich unter die Tiere, weil diese aus Instinkt manches fürs Künftige tun, und also die Natur gewissermaßen ihre Beseelung über sich nimmt.

[G 52]


Ich glaube auch an den Helvetiusschen Satz: Man kann, was man will, aber nicht alles, was man sich ruhig wünscht zu können, will man. Die Art zu wollen, die Helvetius meint, ist unwiderstehliche Begierde, die fast nie ohne die erforderliche Fähigkeit ist.

[G 53]


Es ist gewiß ein sicheres Zeichen, daß man besser geworden ist, wenn man Schulden so gerne bezahlt, als man Geld einnimmt.

[G 54]


[143] Es gibt eine gewisse Jungferschaft der Seele bei den Mädchen, und eine moralische Entjungferung; diese findet bei vielen schon sehr frühzeitig statt.

[G 55]


Woher mag wohl die entsetzliche Abneigung des Menschen herrühren, sich zu zeigen, wie er ist, in seiner Schlafkammer, wie in seinen geheimsten Gedanken? In der Körperwelt ist alles wechselseitig, das, was es sich sein kann, und zugleich sehr aufrichtig. Nach unsern Begriffen sind die Dinge gegen einander alles Mögliche, was sie sein können, und der Mensch ist es nicht. Er scheint mehr das zu sein, was er nicht sein sollte. Die Kunst sich zu verbergen, oder der Widerwille, sich geistlich oder moralisch nackend sehen zu lassen, geht bis zum Erstaunen weit.

[G 56]


Es ist wirklich nichts abscheulicher, als wenn sich selbst zugezogene Strafgerichte noch einlaufen, nachdem man schon lange angefangen hat, sich zu bessern.

[G 57]


Der Geldgeiz der beim Ehrgeiz steht, verdiente allemal ein besseres Wort.

[G 58]


Die Helden der alten Dichter sind sehr von denen im Milton z.B. verschieden. Sie sind tapfer, klug und weise, aber selten nach unseren Sitten liebenswürdig und barmherzig. Milton hat die seinigen aus der Bibel entnommen. Sollte vielleicht unsere christliche Moral ihren Grund in einer gewissen Schwachheit haben, in einer jüdischen Feigheit, da sich die andere auf Stärke gründet? Allgemeine Verträglichkeit ist vielleicht ein schönes Hirngespinst und was sich nie wird erreichen lassen.

[G 59]


In jedes Menschen Charakter sitzt etwas, das sich nicht brechen läßt – das Knochengebäude des Charakters; und dieses ändern wollen heißt immer, ein Schaf das Apportieren lehren.

[G 60]


Man kennt manchmal einen Menschen genauer, als man sagen kann, oder wenigstens als man sagt. Worte, Grad der Munterkeit, Laune, Bequemlichkeit, Witz, Interesse – alles drückt und leitet zur Falschheit.

[G 61]


[144] Wo Mäßigung ein Fehler ist, da ist Gleichgültigkeit ein Verbrechen.

[G 62]


Ich kenne die Miene der affektierten Aufmerksamkeit, es ist der niedrigste Grad von Zerstreuung.

[G 63]


Ich bin überzeugt, daß der Zank Homerischer Helden manchen Zank im Parlamente hervorgebracht hat. Mancher, der gegen Lord North sprach, dachte, er redete gegen den Agamemnon. Es ist der menschlichen Natur sehr angemessen.

[G 64]


Den Menschen so zu machen, wie ihn die Religion haben will, gleicht dem Unternehmen der Stoiker; es ist nur eine andere Stufe des Unmöglichen.

[G 65]


Es war wohl niemals ein Mann von irgend einigem Wert, auf den kein Pasquill gemacht worden wäre, und nicht leicht eine schlechte Seele, die keins auf irgend einen Mann von Verdienst gemacht hätte.

[G 66]


Über nichts wird flüchtiger geurteilt, als über die Charaktere der Menschen, und doch sollte man in nichts behutsamer sein. Bei keiner Sache wartete man weniger das Ganze ab, das doch eigentlich den Charakter ausmacht, als hier. Ich habe immer gefunden, die so genannten schlechten Leute gewinnen, wenn man sie genauer kennen lernt, und die guten verlieren.

[G 67]


Wer sich nur etwas Mühe geben will, wird leicht bemerken, daß es eine gewisse Menschenkenntnis, eine Philosophie und eine Theorie des Lebens gibt, die, ohne weiter untersucht zu werden, doch vielen zum Leitfaden im Handeln sowohl als Sprechen dient. Es gibt sogar berühmte Leute, die weiter nichts vorzuweisen haben. So hält man in mittelmäßig großen Städten immer den Professor für einen Pedanten; ja sogar das Universitätsmäßige hat da die Bedeutung von Steifigkeit. Der Landjunker ist auch ein bekannter Charakter, und doch sind die meisten Landjunker das gar nicht. Schwache Köpfe sind in dieser Philosophie gemeiniglich sehr zu Hause. Man muß zuweilen wieder die Wörter untersuchen, denn [145] die Welt kann wegrücken, und die Wörter bleiben stehen. Also immerSachen und keine Wörter! Denn sogar die Wörter unendlich, ewig, immer haben ja ihre Bedeutung verloren.

[G 68]


Man irrt sich gar sehr, wenn man aus dem, was ein Mann in Gesellschaft sagt oder auch tut, auf seinen Charakter oder Meinungen schließen will. Man spricht und handelt ja nicht immer vor Weltweisen; das Vergnügen eines Abends kann an einer Sophisterei hängen. Beurteilt ja auch kein Vernünftiger Cicero's Philosophie aus seinen Reden.

[G 69]


Man sollte nicht glauben, daß der unnatürliche Verstand so sehr weit gehen könnte, daß sich Leute beim Einsteigen in die Trauerkutsche komplimentieren könnten.

[G 70]


Er wunderte sich, daß den Katzen gerade an der Stelle zwei Löcher in den Pelz geschnitten wären, wo sie die Augen hätten.

[G 71]


Die recht guten offenherzigen Leute muß man nie unter den Phrasesdrechslern suchen, wie Sterne.

[G 72]


Wenn die Menschen sagen, sie wollen nichts geschenkt haben, so ist es gemeiniglich ein Zeichen, daß sie etwas geschenkt haben wollen.

[G 73]


Man muß keinem Menschen trauen, der bei seinen Versicherungen die Hand auf das Herz legt.

[G 74]


Wie glücklich würde mancher leben, wenn er sich um anderer Leute Sachen so wenig bekümmerte, als um seine eigenen.

[G 75]


In jedem Menschen ist etwas von allen Menschen. Ich glaube diesen Satz schon sehr lange; den vollständigen Beweis davon kann man freilich erst von der aufrichtigen Beschreibung seiner selbst erwarten, nämlich, wenn sie von vielen unternommen wird. Dieses, was man von allen hat, mit gehöriger Genauigkeit zu scheiden, ist eine Kunst, die gemeiniglich die größten Schriftsteller verstanden [146] haben. Man braucht nicht viel von jedem Menschen zu besitzen. Es gibt geschickte Leute, die ihre chymischen Versuche im kleinen anstellen, und richtigere Sachen herausbringen, als andere, die sehr viel Geld darauf zu verwenden haben.

[G 76]


Jedes Gebrechen im menschlichen Körper erweckt bei dem, der darunter leidet, ein Bemühen, zu zeigen, daß es ihn nicht drückt: der Taube will gut hören, der Klumpfuß über rauhe Wege zu Fuß gehen, der Schwache seine Stärke zeigen, usw. So verhält es sich in mehreren Dingen. Dieses ist für den Schriftsteller ein unerschöpflicher Quell von Wahrheiten, die andere erschüttern, und von Mitteln, einer Menge in die Seele zu reden.

[G 77]


Es ist wahr, alle Menschen schieben auf, und bereuen den Aufschub. Ich glaube aber, auch der Tätigste findet so viel zu bereuen als der Faulste; denn wer mehr tut, sieht auch mehr und deutlicher, was hätte getan werden können.

[G 78]


Es gibt Leute, die können alles glauben, was sie wollen; das sind glückliche Geschöpfe!

[G 79]


Ein Mädchen, die sich ihrem Freund nach Leib und Seele entdeckt, entdeckt die Heimlichkeiten des ganzen weiblichen Geschlechts; ein jedes Mädchen ist die Verwalterin der weiblichen Mysterien. Es gibt Stellen, wo Bauernmädchen aussehen wie die Königinnen, das gilt von Leib und Seele.

[G 80]


Er hat bloß Feinheit genug, sich verhaßt zu machen, aber nicht genug, sich zu empfehlen.

[G 81]


Es gibt wirklich sehr viele Menschen, die bloß lesen, damit sie nicht denken dürfen.

[G 82]


Es gibt eine Art enthusiastisch bußfertiger Sünder, die schon in der Erzählung ihrer Missetaten mit Einschiebseln zu büßen anfangen, und eine Beruhigung darin finden, sich anzuklagen. Rousseau könnte in diesem Falle gewesen sein; alle Verteidigungen sind zu früh – das muß aus dem Ganzen beurteilt werden. Es ist hiermit als [147] wenn man einer Erfahrung nicht glauben wollte, weil sie einer lang angenommenen Theorie widerspräche. Ein Leben, so wie Rousseau, allem Ansehen nach, das seinige beschrieben hat, muß man nicht nach der moralischen Etiquette beurteilen wollen, oder aus Leben, die nicht wie das Rousseauische beschrieben sind. So lange wir nicht unser Leben so beschreiben, wie es vor Gott erscheint, kann man nicht richten. Ich bin davon so sehr überzeugt aus dem, was ich von berühmten Männern gesehen habe, daß ich glaube, eine solche Lebensbeschreibung eines großen Mannes, wie ich sie mir denke, würde dem Etiquettenmanne aussehen, als käme sie aus dem Monde. Wir kennen uns nur selbst, oder vielmehr, wir könnten uns kennen, wenn wir wollten; allein die andern kennen wir nur aus der Analogie, wie die Mondbürger. Man sehe nur zwei Leute an, die einander freundlich begegnen, einander mit Frau und Kind besuchen, wenn sie sich überwerfen, was da für Vorwürfe aussprudeln, Anekdoten etc. – alles das schlief vorher in ihnen, wie das Pulver in der Bombe, und wenn sie sich gegen einander bückten, so bückte es sich mit. So lange wir nicht unser Leben so beschreiben, alle Schwachheiten aufzeichnen, von denen des Ehrgeizes bis zum gemeinsten Laster, so werden wir nie einander lieben lernen. Hiervon hoffe ich eine gänzliche Gleichheit. Je härter es wider den Strich geht, desto getreuer muß man gegen sich selbst sein. Dieses scheint unsern Zeiten aufbehalten zu sein. Es wird nie sehr gemein werden; allein es wird doch manchen trösten, und manchen klüger machen, und das ist schon Gewinn genug. Auch der Philosoph sollte denken: dulce est pro patria mori, es ist süß, den Kredit, den man im Leben gehabt hat, für die Philosophie aufzuopfern. Vor Gott machen wir doch nichts schlimmer damit. – Jeder Mensch schließt zwar schon von sich auf den andern, aber vermutlich oft falsch. Es ist eine unbegreifliche Modealfanzerei, daß wir den einzigen Gegenstand in der Natur, den wir recht kennen, ich meine unser moralisches Selbst, nur nach einem einfältigen philosophischen Polizeiformular beschreiben, auf daß der Menge kein Schaden geschieht. In der Kindheit der Welt, worin wir leben, sollte man nicht ruhen, und Tätigkeit immer vorziehen. Die Zeit des allgemeinen Sinismus ist für unser Klima, Philosophie und Religion noch lange nicht da. Es sollte mir leid tun, wenn ein anderes Volk oder eine andere Zeit uns diesen Zweig von Wissenschaft weghaschte.

[G 83]


[148] Gewiß ist die Anbetung der Sonne zu verzeihen. Jedermann sieht schon unwillkürlich nach einem hellen Fleck. Das tun auch die Tiere, und was bei Katzen, Hunden unwillkürliches Starren, ist bei den Menschen Anbetung.

[G 84]


Irren ist auch in so fern menschlich, als die Tiere wenig oder gar nicht irren, wenigstens nur die klügsten unter ihnen.

[G 85]


Die gesundesten und schönsten, regelmäßigst gebauten Leute sind die, die sich alles gefallen lassen. Sobald einer ein Gebrechen hat, so hat er seine eigne Meinung.

[G 86]


Die Geistlichen machen einen Lärm, wenn sie einen Mann sehen, der frei denkt, wie Hennen, die unter ihren Jungen ein Entchen haben, welches in das Wasser geht. Sie bedenken nicht, daß Leute in diesem Elemente eben so sicher leben, als sie im Trocknen.

[G 87]


Ein großes Genie wird selten seine Entdeckungen auf der Bahn anderer machen. Wenn es Sachen entdeckt, so entdeckt es auch gewöhnlich die Mittel dazu.

[G 88]


Von dem seltsamen Geschmacke der Menschen zeugt auch dieses, daß bei belagerten Städten Leute sowohl heraus als hinein desertieren.

[G 89]


Nichts zeigt so kräftig, wie sehr man sich durch die Gewohnheit über alles wegsetzen lernt, als die Perücken, die selbst Geistliche in einer von dem natürlichen Haarwuchs so sehr abweichenden Form tragen, ohne dadurch lächerlich zu werden.

[G 90]


Es ist eine alte Regel: Ein Unverschämter kann bescheiden aussehen, wenn er will, aber kein Bescheidener unverschämt.

[G 91]


Den Streich, den Parrhasius dem Zeuxis, und Zeuxis den Vögeln spielte, spielen täglich Tausende ihren Nebenmenschen mit ihren Gesichtern.

[G 92]


Ich gebe zu, daß die ganz großen, und die ganz schlechten Menschen gezeichnet sein mögen – ist das aber zu einer Physiognomik [149] genug? Die meisten und minder monströsen Menschen liegen gewiß in der Mitte, und erst die Gelegenheit und der Zufall wirft sie in eine von beiden Klassen.

[G 93]


Ein aufgeblasener Mensch kann sehr schwindsüchtig aussehen. – Die Hoffnung, die man sich von Physiognomik macht, hat sehr viel mit den Träumen Fontenelles gemein, der von dem Fliegen in der Luft auf das Fliegen nach dem Monde fällt. Die Damen glaubten ihm auch.

[G 94]


Von allem, was ich über Physiognomik geschrieben habe, wünschte ich bloß, daß zwei Bemerkungen auf die Nachwelt kämen. Es sind ganz einfältige Gedanken, und niemand wird mich darum beneiden. Der eine, daß ich die Ähnlichkeit zwischen Physiognomik und Prophetie erkannt habe; der andere, daß ich überzeugt gewesen bin, die Physiognomik werde in ihrem eigenen Fette ersticken.

[G 95]


Wenn die Pockeninokulation allgemeiner wird, so werden wir um eine ganze Klasse von Gesichtern kommen. Überhaupt, wenn Krankheiten ausstürben, so würden viele Gesichtsgeschlechter untergehen.

[G 96]


Der Zweck aller Erziehung ist, tugendhafte, verständige und gesunde Kinder zu ziehen. In wie weit stimmt dieses mit unserer Methode überein? Unser Einbläuen der Geographie scheint keines von allen Dingen sonderlich zu befördern. Es kann einer in seinem zwanzigsten Jahre noch glauben, daß das Königreich Preußen eine Insel sei, und deswegen doch ein in allem Betracht trefflicher Mensch sein. Ich habe einen solchen gekannt. Man soll zwar immer bei der Erziehung auf die konventionellen Schönheiten des Geistes Rücksicht nehmen, aber es sind doch die letzten.

[G 97]


Kinder zu kuppeln, wie die Hunde oder die Schweine in England. Es wird in der Welt nicht eher gut gehen, bis man die Kinder kuppelt.

[G 98]


Es ist in der Tat verkehrt, wenn man unsern Kindern alles mit Liebe beibringen will, da in dem höheren Leben, wenn wir älter [150] werden, uns das wenigste zu Gefallen geht, und wir uns immer unter einen Plan demütigen müssen, den wir nicht übersehen. Also je eher je lieber zu jenem künftigen Leben gewöhnt!

[G 99]


Ich wünschte ein Kind zu haben, das ich mir ganz eigen machen könnte; ich wollte es zu allem anhalten, wovon ich jetzt zu spät einsehe, daß ich es versäumt habe. Die Eltern halten ihre Kinder nicht genug zu dem an, was sie nun erkennen müssen versäumt zu haben. Überhaupt glaube ich, daß es sehr wenige Lehrer gibt, die so unterrichten, daß sie das vermeiden zu lehren, was sie selbst, wenn sie bei jetzigem Verstande jung wären, vermeiden würden zu lernen.

[G 100]


Es war ein vortrefflicher Junge, als er kaum sechs Jahr alt war, konnte er schon das Vater Unser rückwärts herbeten.

[G 101]


Früher Unterricht gewährt eine Zeitlang den Anschein des Genies, erhält sich aber nicht. Die Stillstände erfolgen bald früher bald später.

[G 102]


Es ist ein schlechter Lohn, wenn ein Junge, auf den man etwas verwandt hat, am Ende ein Poet wird. Ein Viertelstündchen Nachtmusik für einen jahrelangen Dienst. Eltern, die bemerken, daß ihr Junge ein Poet von Profession werden will, sollten ihn so lange peitschen, bis er das Versemachen aufgibt, oder bis er ein großer Dichter wird.

[G 103]


Dr. Forster sagt, die Vielweiberei bringe mehr Mädchen als Knaben hervor. Diese Behauptung (in wie weit sie gegründet ist, weiß ich nicht) bestätigt eine alte Meinung von mir, daß es sich mit dem menschlichen Geschlecht verhalte, wie mit dem einzelnen Menschen. Es bequemt sich zu allem. Dies ist wiederum eine Folge seiner Perfektibilität. Vielleicht würde Vielmännerei mehrere Knaben erzeugen, weil da die Reihe an einen desto seltener käme. Es versteht sich von selbst, wenn der Mann eine Untreue beginge, so wäre dieses nicht mehr Vielmännerei. Wozu ließe sich nicht das menschliche Geschlecht bringen!

[G 104]


[151] Das Land, wo die Kirchen schön und die Häuser verfallen sind, ist so gut verloren, als das, wo die Kirchen verfallen und die Häuser Schlösser werden.

[G 105]


Daß man so viel wider die Religion und die Bibel schreibt, geschieht mehr aus Haß gegen eine gewisse Klasse von Menschen. Wenn Philologen anfangen sollten zu herrschen, so könnte leicht den alten Klassikern Homer, Virgil, Horaz und andern eine ähnliche Ehre mit größerem Vorteil widerfahren. Wir dürften nur einmal einen philologischen Pabst bekommen.

[G 106]


Über nichts könnte sich die Satyre mit glücklicherem Erfolge ausbreiten, als über das abscheuliche Übersetzen zu unserer Zeit. Die meisten deutschen Gelehrten sind die Dolmetscher der Müßiggänger und die Mäkler der Buchhändler. Man übersetzt, um, wie man sagt, nützliche Kenntnisse gemeiner zu machen, und die Kenntnisse werden gemeiner, ohne nützlich zu sein. Ewig Mittel gesammelt und kein Endzweck erreicht! Es ist zum Erstaunen, wie manche Gelehrte in Deutschland Kenntnisse anhäufen, bloß um sie vorzuzeigen.

[G 107]


In den ganz alten Werken der Bibel, in griechischen und lateinischen Schriftstellern findet man eine Menge von Tugendlehren, so viele seelenstärkende Sentenzen, die von den erleuchtetsten Köpfen aus der Erfahrung gesammelt, und mit dem Zug einer ganzen Lebensbahn verglichen, endlich in diesen Schatz niedergelegt worden sind. Im Salomo stehen eine Menge vortrefflicher Lehren, die wohl nicht von ihm sind – Eingebungen; vielleicht Hefte, die ihm seine Lehrmeister diktiert haben. Eben dieser Verstand der Alten, die Gabe, die sie haben, einem Beobachter seiner selbst ins Herz zu reden, ist es, was mir die Lesung der Bibel so angenehm macht. Es sind die Grundzüge zu einer Weltkenntnis und Philosophie des Lebens, und die feinste Bemerkung der Neuern ist gemeiniglich nichts als eine mehr individualisierte Bemerkung jener Alten.

[G 108]


Ein Mann von Weltkenntnis und Verstand belehrt oder unterhält mich immer, wenn es auch gleich manchmal nicht gerade von der besten Seite geschehen sollte. Bei einer Schlacht zwischen Engeln [152] und Teufeln hat Milton mehr Schönes gesagt, als andere bei ihrem Sonnenwagen. Lamberts Abhandlung über Dinte und Papier ist für mich unterhaltender, als Zimmermanns ganzer Nationalstolz.

[G 109]


Durch unser vieles Lesen gewöhnen wir uns nicht allein Dinge für wahr zu halten, die es nicht sind, sondern unsere Beweise bekommen auch eine Form, die oft nicht sowohl die Natur der Sache mit sich bringt, als unser unvermerkter Anhang an die Mode. Wir beweisen aus den Alten, was wir mit Beispielen aus unserm Ort eben so kräftig unterstützen könnten; auch werden Sentenzen zitiert, die nichts beweisen, und Sätze, aus denen man nichts Neues lernt. Es ist sehr schwer, eine Sache neu anzusehen, nicht durch das Medium der Mode, oder mit Rücksicht auf unser Modesystem. Es wird immer Ansehen gebraucht, wo man Gründe brauchen sollte, immer geschreckt, wo man belehren sollte, und Götter werden zu Hülfe genommen, wo Menschen hinreichend wären.

[G 110]


Garrick dankte sehr weislich ab, um nicht das Schicksal des Schauspielers Aesopus zu haben, der noch bei Einweihung des Theaters des Pompejus agieren wollte. Die Stimme fehlte ihm, und man weiß noch jetzt, daß man wünschte, er wäre weggeblieben. Middleton Tom. I. pag. 470.

[G 111]


Unter den Gelehrten sind gemeiniglich diejenigen die größten Verächter aller übrigen, die aus einer mühsamen Vergleichung unzähliger Schriftsteller endlich eine gewisse Meinung über einen Punkt festgesetzt haben. Auch dieses muß freilich geschehen, und sie verdienen desto aufrichtigern Dank, je mehr es ausgemacht ist, daß wir an ihrer Stelle eben das tun und denken würden. Vieles Wachen und Lesen, denkt man, verdient den Lohn des Ruhms. Allein diese Leute müssen auch bedenken, daß gerade mit eigenen Augen in die Welt hineinsehen, auch ein Studium ist, wozu sie nicht aufgelegt sind. Denn ob ich Bemerkungen hinter dem Buche, oder hinter den Fensterscheiben mache, ist wohl gleichviel. Nehmet alles mit Dank an, und verachtet keinen. Es ist alles gut, und alles kann zu einem großen Endzweck genutzt werden. In Büchern nach den Menschen suchen, sollte ich deswegen für eine schlechtere Arbeit [153] halten, als selbst beobachten, weil die wenigsten im Stande sind, den Menschen, so wie er ist, zu Buch zu bringen; und dasselbe Geistesgebrechen, welches macht, daß man den Menschen falsch beobachtet, macht, daß man ihn auch falsch im Buche erkennt; also ist bei dem letztern Studium die Wahrscheinlichkeit zu fehlen doppelt so groß, als bei dem erstern.

[G 112]


Alles was unsere Schriftsteller noch zu schildern vermögen, ist etwas Liebe; und auch diese wissen sie nicht in die etwas entfernten Verrichtungen des menschlichen Lebens zu verfolgen. Bemerkungen in einem Roman anzubringen, die sich auf die längste Erfahrung und tiefsinnigsten Betrachtungen gründen, soll sich kein Mensch scheuen, der solche Bemerkungen vorrätig hat. Sie werden gewiß ausgefunden; durch sie nähern sich die Werke des Witzes den Werken der Natur. Ein Baum gibt nicht bloß Schatten für jeden Wanderer, sondern die Blätter vertragen auch noch das Mikroskop. Ein Buch, das dem Weltweisen gefällt, kann deswegen auch noch dem Pöbel gefallen. Der letzte braucht nicht alles zu sehen; aber es muß da sein, wenn etwa jemand kommen sollte, der das scharfe Gesicht hätte.

[G 113]


Die traurigste Art Schriften ist die, die weder Raisonnement genug enthalten, um zu überzeugen, noch Witz genug, um zu ergötzen; dahin gehören einige Schriften des Herrn Leibmedicus Zimmermann in Hannover.

[G 114]


Wenn einem die Meinungen der Besten über eine Sache alle bekannt geworden sind, so läßt sich mit bloßer Schlauigkeit oder wenigstens sehr geringer Fähigkeit noch etwas darüber sagen, was die Welt in Erstaunen setzt. Bloßer Vorsatz, etwas zu sagen, kann da schon viel tun.

[G 115]


Es ist jeder Zeit eine sehr traurige Betrachtung für mich gewesen, daß in den meisten Wissenschaften auf Universitäten so vieles vorgetragen wird, das zu nichts dient, als junge Leute dahin zu bringen, daß sie es wieder lehren können. Griechisch wird gelehrt, auf daß man es wieder lehren könne; und so geht es vom Lehrer zum Schüler, der, wenn er gut einschlägt, höchstens wieder Lehrer wird und [154] wieder Lehrer zieht. Bergmans vortreffliche Terminologie, die man nicht annehmen will, und nimmt man sie an, doch mit der alten verbinden muß, gehört hierher.

[G 116]


Mir ist es immer vorgekommen, als wenn man den Wert der Neuern gegen die Alten auf einer sehr falschen Waage wäge, und den letztern Vorzüge einräumte, die sie nicht verdienen. Die Alten schrieben zu einer Zeit, da die große Kunst, schlecht zu schreiben, noch nicht erfunden war, und bloß schreiben hieß gut schreiben. Sie schrieben wahr, wie die Kinder wahr reden. Heutzutag finden wir uns, wenn wir im sechzehnten Jahre zu uns selbst kommen, schon, möcht ich sagen, von einem bösen Geist besessen; und diesen erst durch eigene Beobachtung und Streit gegen Ansehen und Vorurteil und gegen die Macht einer vierzehnjährigen Erziehung auszutreiben, und dann noch wieder die eigene Haushaltung der Natur anzufangen, erfordert sicherlich mehr Kraft, als in den ersten Zeiten der Welt, natürlich zu schreiben, jetzt da natürlich schreiben, möcht ich sagen, fast unnatürlich ist. Homer hat gewiß nicht gewußt, daß er gut schrieb, so wenig wie Shakespear. Unsere heutigen guten Schriftsteller müssen alle die fatale Kunst lernen: zu wissen, daß sie gut schreiben.

[G 117]


Es gibt keine Art von Gelehrsamkeit, und keine Art literärischer Beschäftigung, die man nicht mit irgend einem Handwerk oder sonst einer Handarbeit vergleichen könnte. Wir haben im Reiche der Gelehrsamkeit Wegeverbesserer, ein sehr nützliches Geschäfte, das wenig einbringt; Sklaven, die mit blutigem Schweiß Zucker pressen und sieden, den andere Leute verschmausen; Leute, die griechische Münzen einschmelzen, um modernes Zeug daraus zu gießen; Gassenreiniger; Bettelvögte; Ausrufer; Bader, die sich für Wundärzte ausgeben, u.a.m. Allein ich habe nie eine Gattung finden können, die so viel mit dem Kesselflicker gemein hätte, als die Leute, die unter dem Schein, ein nützliches Handwerk zu treiben, herumziehen, um die Leute zu betriegen und zu bestehlen.

[G 118]


Ich habe immer gefunden, je weniger ein Schriftsteller in der Naturlehre im Stande ist, in seinem Werke seine eigene Größe zu [155] beweisen, desto geneigter ist er, beständig die Größe Gottes zu zeigen. Und die fromme Welt findet sich von ihrer Seite wiederum geneigter beim Letztern, als beim Erstern den guten Willen für die Tat anzunehmen.

[G 119]


Es wäre gewiß sehr nützlich, der Welt die Schriftsteller anzuzeigen, die mit Kenntnis anderer, die vor ihnen gewesen sind, aus sich selbst allein geschöpft haben. Durch diese allein lernt man, und es sind ihrer gewiß sehr wenige, die also jedermann leicht lesen könnte. Die andern prägen nach und sind im eigentlichen Verstande Falschmünzer.

[G 120]


Swift kleidet die Kinder seiner Phantasie freilich oft seltsam genug heraus, daß man sie kaum von Hanswursten und Luftspringern unterscheidet; allein Zeuge, Borten und Steine, die er darauf verwendet, sind immer echt.

[G 121]


Der Gemeinspruch, daß das Leben eines Gelehrten in seinen Schriften bestehe, verdient sehr eingeschränkt zu werden.

[G 122]


Es ist leider in Deutschland der allgemeine Glaube, doch nur Gottlob! unter den eigentlich Unmündigen, daß jemand von demjenigen viel verstehen müsse, worüber er viel geschrieben hat. Gerade das Gegenteil! Die Leute, die keine Denker sind, und bloß schreiben, um zu schreiben und im Meßcatalogus zu stehen, verstehen of 14 Tage nachher weniger von dem, was sie geschrieben haben, als der erbärmlichste ihrer Leser. Gott bewahre alle Menschen vor dieser Art von Schriftstellerei! es ist aber leider die gemeinste.

[G 123]


Populairer Vortrag heißt heutzutage nur zu oft der, wodurch die Menge in den Stand gesetzt wird, von etwas zu sprechen, ohne es zu verstehen.

[G 124]


Es ist wie die tägliche Erfahrung lehrt, sehr wenig Anstrengung nötig, etwas zu sagen, das eine ganz beträchtliche erfordert, es zu verstehen. Hingegen erfordert es außerordentlich viel Talent, einem vernünftigen Manne etwas Neues und Wichtiges so leicht [156] vorzutragen, daß er sich freut, es jetzt zu wissen, und sich schämt, es nicht selbst bemerkt zu haben. Letzteres ist ein so charakteristisches Zeichen von einem großen Schriftsteller, daß wenige solcher Bemerkungen einen ganzen Band alltäglicher Dinge veredeln können.

[G 125]


Die simple Schreibart ist schon deshalb zu empfehlen, weil kein rechtschaffener Mann an seinen Ausdrücken künstelt und klügelt.

[G 126]


Ein Volk kann in seinen Schriften vernünftiger scheinen, als es ist, denn es kann noch lange die Sprache seiner Väter schreiben, wenn ihm schon ihr Geist zu mangeln anfängt. Die Metaphern in unserer Sprache entstanden alle durch Witz, und jetzt gebraucht sie der Unwitzigste. Die Morgenländer denken bei ihren vielen Bildern nicht mehr als wir. So fassen auch oft Leute das Äußere der Sitten rechtschaffener Leute, ohne daß sie es wissen. Die bilderreichste Sprache muß mit der Zeit das Bildliche verlieren, und bloß zu Zeichen erkalten, die den willkürlichen nahe kommen. So kann Sprachkenntnis sehr nützlich werden.

[G 127]


Es ist fast durchaus der Fehler unserer Schriftsteller, daß sie sich aus anderen Schriften bilden, und bloß zusammensetzen. Die Gradus ad Parnassum-Methode habe ich es genannt. Sie lesen nach, ehe sie über eine Sache nachgedacht haben, und so wird endlich ihre ganze Wissenschaft die Kenntnis dessen, was andere gewußt haben.

[G 128]


Ihre Kritik ist bloß experimental, sie bewundern, was sie haben bewundern hören.

[G 129]


Es ist nur schade, daß Leute die an Höfen und in großen Städten leben, nicht wenigstens ein paar Tage in der Woche der Auslegung alter Weltweisen und Schriftsteller überhaupt widmen. Ich glaube, sie würden alle Schulfüchse auf einmal niederschlagen können.

[G 130]


Ich habe in meinen Universitätsjahren und nachher enthusiastische Bewunderer von Haller und welche von Klopstock gekannt. Die von Haller, ich rede hier bloß von dem Dichter, waren gemeiniglich [157] Leute von Geist und Nachdenken, die ihre Brotwissenschaft nie vernachlässigten. Hingegen mit Klopstocks enthusiastischen Bewunderern verhielt es sich gerade umgekehrt. Die meisten waren unausstehliche Pinsel, denen vor den Wissenschaften, die sie eigentlich erlernen sollten, ekelte. Musenalmanache waren eine Hauptlektüre für sie. Waren es Juristen, so lernten sie nichts, waren es Theologen, so wurden es frühzeitige Prediger, und die kamen noch am besten fort. Mediziner, die enthusiastisch für Klopstock eingenommen gewesen wären, habe ich nicht gekannt. Mir ist nicht bewußt, daß ein deklarierter Bewunderer von Haller und der seine Gedichte mit vorzüglichem Vergnügen gelesen, hernach etwas frappant Einfältiges geschrieben hätte, hingegen ist es eine ganz bekannte Sache, daß unter Klopstocks eifrigsten Bewunderern einige der größten Flachköpfe der Nation sind. Das Faktum ist wahr. Erklären kann ich es selbst nicht.

[G 131]


In einem Lande, wo der zuletzt Schreibende bei den meisten Recht behält, muß man nicht antworten, sobald man sich einiges Übergewichts bewußt ist. Diejenigen, für die der Mann von Verstand allein schreibt, haben ohnehin entschieden, ehe die Duplik erscheint. So habe ich bei der Physiognomik gedacht.

[G 132]


Wenn man sich einmal einen Gedanken eines andern ein wenig zu Nutze macht, so schreien alle Rezensenten: halt den Dieb. Dieses kommt mir vor, als wie, wenn sich ein Knabe hinten auf eine Kutsche setzt, so rufen alle anderen, die die Freude nicht haben können, dem Kutscher zu: es sitzt einer hinten auf.

[G 133]


Ich mag immer den Mann mehr lieben, der so schreibt, wie es Mode werden kann, als den, der so schreibt, wie es Mode ist.

[G 134]


Ist es nicht sonderbar, daß eine wörtliche Übersetzung fast immer eine schlechte ist? und doch läßt sich alles gut übersetzen. Man sieht hieraus, wie viel es sagen will, eine Sprache ganz verstehen; es heißt, das Volk ganz kennen, das sie spricht.

[G 135]


Despaviladura heißt eine Lichtputze auf Spanisch. Man sollte glauben, es hieße wenigstens ein kaiserlicher Generalfeldmarschalllieutenant.

[G 136]


[158] Wenn ein witziger Gedanke frappieren soll, so muß die Ähnlichkeit nicht bloß einleuchtend sein, das ist noch das Geringste, ob es gleich unumgänglich nötig ist; sondern sie muß auch von andern noch nicht gefunden worden sein, und doch muß alles, was dazu gehört, jedem so nahe liegen, daß es ihn Wunder nimmt, daß er sie noch nicht ausgefunden hat. Das ist die Hauptsache. Hat man die Bemerkung schon dunkel gemacht, so wohl die eigentliche, als die, womit die Vergleichung angestellt wird, aber noch nie deutlich gedacht, so steigt das Vergnügen aufs höchste. Die Menschen sehen täglich eine Menge von Dingen, die sie zur Regel erheben könnten, es geschieht aber nicht; sie bringen sie nicht zu Buch, und das ist die rechte Fundgrube des Witzes.

[G 137]


Ich glaube, die Zeit des deutschen Hexameters kommt erst durch Gewohnheit. Wenn man erst recht viel Gutes in deutschen Hexametern zu lesen haben wird, so wird er sich durch Assoziation empfehlen. Diese Zeit ist noch nicht da. Besser wäre es unstreitig, durch liebliches Sylbenmaß selbst dem mittelmäßigsten Gedanken Anmut zu verschaffen, als einem widrigen Sylbenmaß durch Größe der Gedanken aufhelfen zu wollen. Es ist etwas Verkehrtes in der Absicht. Warum haben Engländer und Franzosen keine berühmten Hexameter? Unberühmte mögen sie wohl genug haben; ich habe selbst dergleichen gesehen; sie schienen mir abscheulich, und ich habe Ursache zu glauben, daß es unzähligen andern nicht besser damit gehen würde. Warum halten diese Nationen nichts darauf? Ich fürchte, der Grund davon liegt sehr tief. Bewahre Gott, daß so etwas eine Regel für Deutsche werden sollte, aber ein Wink ist es allemal. Mit Raisonnement muß man nicht kommen; Gefühl geht hier darüber, und nur dieses hat ein Recht, zu entscheiden. Warum will man etwas einführen, das dem Gefühl erst durch Assoziation von Begriffen erträglich wird? Bei den Engländern bekümmert man sich nicht um Raisonnement, wo es auf Gefühl ankommt. Ein wohlklingender Hexameter ist ja deswegen noch nicht ein wohlklingender Vers überhaupt. Was den Griechen und Römern gefallen hat, muß uns deswegen nicht auch gefallen. Indessen verdienen diejenigen unter unsern Dichtern, die etwas Schönes in schönen Hexametern gesagt haben, Dank, indem sie dadurch vermutlich der Ergötzung unserer Nachkommen ein größeres Feld verschafft haben.

[G 138]


[159] Es ist etwas, was, dünkt mich, unsere besten Romanendichter von den großen Männern der Ausländer in diesem Fach unterscheidet (auch der größte Teil unserer dramatischen Schriftsteller gehört mit dahin), daß man, um ihren Wert und die Schwierigkeit, so zu schreiben, ganz zu fühlen, Lektüre haben muß. Sie sollten aber ihre Charaktere so entwerfen, daß man glaubte, man fände sich unter Lebendigen, und ginge mit ihnen um, und lebte mit ihnen. Es scheint, als wenn der Fleiß auch sogar den Dichter bei den Deutschen machte und machen müßte. Es ist, glaube ich, eine gute Erinnerung für unsere Landsleute, wenn sie auf Eminenz Anspruch machen wollen, sich Fächer zu wählen, wo bloß Fleiß und Urteilskraft den Wert des Werks ausmachen, und lieber da wegzubleiben, wo ein Senfkorn von Genie die vierzigjährige Arbeit des studierten Nachahmers verdunkeln kann. Das Fliegen muß man den Vögeln überlassen.

[G 139]


Die Künste üben die Empfindung und Phantasie, und verfeinern sie. Diese Fähigkeiten aber und ihre Vervollkommnung sind zur Erreichung des Zwecks menschlicher Natur unentbehrlich, wir mögen nun diese in die Glückseligkeit, oder in die Ausübung der Tugend setzen.

[G 140]


Die Nachtigallen singen und wissen wohl dabei nicht, was für Lärm die Verliebten und Dichter aus ihren Gesängen machen und daß es eine Gesellschaft höherer Wesen gibt, die sich ganz mit Philomelen und ihren Klagen unterhalten. Vielleicht hält ein höheres Geschlecht von Geistern unsere Dichter wie wir die Nachtigallen und Kanarienvögel; ihr Gesang gefällt ihnen eben deswegen, weil sie keinen Verstand darin finden.

[G 141]


Von den meisten Widersachern des Reims gilt wohl, was Dryden von Milton sagt, sie besitzen die Talente zum Reimen nicht.

[G 142]


Fünf Komödien von Einem Akt zu schreiben, ist nicht halb so schwer, als eine einzige von fünf Akten.

[G 143]

[160] Nachahmung der englischen Cross-readings 7

Gestern disputierte unter dem Vorsitz des Herrn Leibmedicus –
Ein Hengstfüllen mit einem weißen Pleß vor dem Kopf.

Eine Jungfer von gutem Herkommen wünscht als Kammermädchen anzukommen –
Hinten steht die Jahrzahl 1719.

Es wird eine Köchin gesucht, die mit Backwerk umzugehen weiß –
Zu zwei Personen eingerichtet, nebst etwas Kellerraum.

Ein junger starker Kerl, der schon als Reitknecht gedient –
Vertreibt Vapeurs und Mutterzufälle in kurzer Zeit.

Heute wurde Frau N ... von Zwillingen entbunden –
Wer auf zehne pränumeriert, kriegt eines umsonst.

Dem Förster zu W ... ist gestern ein junges Rind von der Weide entlaufen –
Um künftigen Sonntag seine Antrittspredigt zu halten.

Neulich gab der Churfürst dem Capitel ein splendides Diner –
Drei Personen wurden gerettet, die übrigen ersoffen.

Die drei Damen, deren gestern Erwähnung geschehen –
Können immer eine Stunde vor der Auktion besichtigt werden.

Am 13. dieses schlug der Blitz in die hiesige Kreuzkirche –
Und setzte Tages darauf seine Reise weiter fort.

Die Vermählung des Grafen v.P ... ist glücklich vollzogen worden –
Er hat aber Gottlob! nicht gezündet.

[161] Den 12. starb ein Mann in seinem 104. Jahre –
Und bekam in der Taufe die Namen Friderica Sophia.

Die neue Galanteriekrämerin am Markte verkauft –
Schnupfen, Kopfweh und andere Zufälle.

[G 144]

Der Schuh und der Pantoffel

Ein Schuh mit einer Schnalle redete einen Pantoffel, der neben ihm stand, also an: Lieber Freund, warum schaffst du dir nicht auch eine Schnalle an? es ist eine vortreffliche Sache. Ich weiß in Wahrheit nicht einmal, wozu die Schnallen eigentlich nützen, versetzte der Pantoffel. Die Schnallen! rief der Schuh hitzig aus, wozu die Schnallen nützen? Das weißt du nicht? Ei, mein Himmel, wir würden ja gleich im ersten Morast stecken bleiben. Ja, liebster Freund, antwortete der Pantoffel, ich gehe nicht in den Morast.


A. Sie müssen sich notwendig Cramers Er und über ihn anschaffen, es ist ein unentbehrliches Buch.

B. Warum unentbehrlich?
A. Ei, mein Gott! Sie verstehen ohne dasselbe nicht eine Zeile in Klopstocks Oden.
B. Ja, mein Freund, ich lese Klopstocks Oden nicht.

[G 145]

Das Sprachrohr und der Mund

Man würde dich gewiß nicht auf fünfhundert Schritte hören, sagte das Sprachrohr zum Munde, wenn ich nicht den Schall zusammenhielte.

Und dich würde man nirgends hören, versetzte der Mund, wenn ich nicht spräche.


Ihr Geschichtschreiber, rückt den Helden nicht auf, daß ohne euch ihre glänzendsten Taten nach hundert Jahren vergessen sein würden, denn ohne diese glänzenden Taten hätte man nie etwas von euch erfahren.

[G 146]


Er hatte ein paar Warzen auf seiner Nase, die so saßen, daß man sie leicht für die Köpfe der Nägel hätte halten können, womit sie am Gesicht angeheftet war.

[G 147]


[162] Ein Ball en Masque zum Besten der Armen.

[G 148]


Da steht er, wie Niobe, unter den Kindern seines Witzes, und muß sehen, wie ihm Apoll eines nach dem andern über den Haufen schießt.

[G 149]


Das Buch, das in der Welt am ersten verboten zu werden verdiente, wäre ein Katalogus von verbotenen Büchern.

[G 150]


Jetzt, da wir Buchdruckereien haben, brauchen wir kein stehendes Heer von Abschreibern, Mönche, zu halten.

[G 151]


Die Bücher in einen Hofstaat zu ordnen: Lalande wäre mein Premierminister, Robinson mein Kammerdiener, gelehrte Zeitungen die Jagdhunde usw.

[G 152]


Von einem, der nur immer auf das Gegenwärtige denkt, könnte man sagen, er hat die Unsterblichkeit der Seele nicht erfunden.

[G 153]


Es war nur schade, wenn er auch ein noch so niedliches Kleid trug, so machte sein ökonomisches, submisses Gesicht, daß man immer glaubte, es sei sein einziges.

[G 154]


In einem Lande, wo den Leuten, wenn sie verliebt sind, die Augen im Dunkeln leuchteten, brauchte man des Abends keine Laternen.

[G 155]


Weil er seine eigenen Pflichten immer vernachlässigte, so behielt er Zeit genug übrig, zu sehen, wer von seinen Mitbürgern seine Pflichten vernachlässigte, und es der Obrigkeit anzuzeigen.

[G 156]


Harlequin will sich selbst ermorden, und nachdem er gegen jede Todesart etwas einzuwenden findet, entschließt er sich endlich, sich tod zu kitzeln.

[G 157]


Es ist kein lustigerer Charakter, als der von einem Universalpatron ohne Kenntnisse.

[G 158]


[163] Andere lachen zu machen, ist keine schwere Kunst, so lang es einem gleich gilt, ob es über unsern Witz ist, oder über uns selbst.

[G 159]


Das Werkchen ist bei aller seiner Dicke so leer, daß man es fast für kein Buch, sondern für ein Futteral halten sollte. – Charteke so viel als Chartae Theca.

[G 160]


Dieser Mann arbeitete an einem System der Naturgeschichte, worin er die Tiere nach der Form der Exkremente geordnet hatte. Er hatte drei Klassen gemacht: die zylindrischen, sphärischen und kuchenförmigen.

[G 161]


Es ist doch nichts als eine bloße Verwechselung vomMein und Dein bei beiden, beim ehrlichen Manne sowohl, als bei dem Spitzbuben. Der eine sieht jenes an, als wäre es dieses, und der andere hält dieses für jenes.

[G 162]


Die Gelehrten haben seit jeher ihre Hypochondrie oder ihre Augenkrankheit lieber beschrieben, als die Krankheiten des innern Kopfes.

[G 163]


Man sollte Katarr schreiben, wenn er bloß im Halse, und Katarrh, wenn er auf der Brust sitzt.

[G 164]


Manche Leute behaupten eine philosophische Unparteilichkeit über gewisse Dinge, weil sie nichts davon verstehen.

[G 165]


Wenn einmal jemand dem größten Schelm in Deutschland 100 000 Louisd'or vermachte, wie viele Prätendenten zur Erbschaft würden sich nicht finden!

[G 166]


Die menschliche Haut ist ein Boden, worauf Haare wachsen; mich wunderts daß man noch kein Mittel ausfindig gemacht hat, ihn mit Wolle zu besäen, um die Leute zu scheren.

[G 167]


Condamine soll in Amerika einige Affen gesehen haben, die seine Operationen nachmachten: nach einer Uhr liefen, dann nach einem [164] Perspektiv, dann taten, als schrieben sie etwas auf, u. dergl. m. – Solcher Philosophen gibt es viele.

[G 168]


Bahrdt im Ketzeralmanach und der Verfasser des Almanachs für Belletristen sagen freilich öfters die Wahrheit, aber doch tun sie es in den meisten Fällen wie die Narren und die Kinder.

[G 169]


Die Wilden haben dieses im Gebrauch, und die Zahmen in manchen Gegenden Deutschlands auch.

[G 170]


Wenn sich Prügel schreiben ließen, schrieb einmal ein Vater an seinen Sohn, so solltest du mir gewiß dieses mit dem Rücken lesen, Spitzbube!

[G 171]


Der Vater. Mein Töchterchen, du weißt, Salomon sagt: wenn dich die bösen Buben locken, so folge ihnen nicht.

Die Tochter. Aber, Papa, was muß ich dann tun, wenn mich die guten Buben locken?

[G 172]


Unter die größten Entdeckungen, auf die der menschliche Verstand in den neuesten Zeiten gefallen ist, gehört meiner Meinung nach wohl die Kunst, Bücher zu beurteilen, ohne sie gelesen zu haben.

[G 173]


»Die Antwort wird verbeten« – was man so häufig unter die Trauerbriefe setzt, wäre unter den Rezensionen recht schicklich.

[G 174]


Wer ein Gewitter, und nur ein paar hunderttausend Hornisse kommandieren könnte, der könnte mehr tun als Alexander, oder auch nur eine halbe Million Menschen.

[G 175]


Die Leute, die das y so gern aus dem ABC verbannen wollen, kann ich wenigstens so viel versichern, daß, als in den Jahren funfzig die Worte: Seid fromm! am Himmel standen, das Wort seid mit einem y geschrieben war.

[G 176]


Wenn uns der liebe Gott ferner Leben und Gesundheit schenkt, so hoffe ich sollen wir alle hier begraben werden. Rede in einem Familienbegräbnisse.

[G 177]


[165] Das Faustrecht ist heutzutage verschwunden bis auf die Freiheit, jedem eine Faust in der Tasche zu machen.

[G 178]


Die seltsamsten Ideen schwärmten seinem Kopfe zu, als wenn ihre Königin darin säße, und das war auch wahr.

[G 179]


Gestern Nachmittag 33/4 Uhr ist meine Taschenuhr ganz sanft verstorben. Sie hatte schon seit drei Monaten gekränkelt.

[G 180]


Er exzerpierte beständig, und alles, was er las, ging aus einem Buche neben dem Kopfe vorbei in ein anderes.

[G 181]


Um dieses Gebäude gehörig aufzuführen, muß vor allen Dingen ein guter Grund gelegt werden, und da weiß ich keinen festern, als wenn man über jede Schicht pro gleich eine Schicht contra aufträgt.

[G 182]


Der Amerikaner, der den Kolumbus zuerst entdeckte, machte eine böse Entdeckung.

[G 183]


Unter allen den Kuriositäten, die er in seinem Hause aufgehäuft hatte, war er selbst am Ende immer die größte.

[G 184]


Er erfand alles etwa so, wie die wilden Schweine und die Jagdhunde die Salzquellen und Gesundbrunnen.

[G 185]


Das Außerordentlichste bei diesem Gedanken ist unstreitig dieses, daß, wenn er ihn eine halbe Minute später gehabt hätte, so hätte er ihn nach seinem Tode gehabt.

[G 186]


Er las immer Agamemnon statt »angenommen«, so sehr hatte er den Homer gelesen.

[G 187]


Er hatte gar keinen Charakter, sondern wenn er einen haben wollte, so mußte er immer erst einen annehmen.

[G 188]


Was den Weg zum Himmel betrifft, so mögen wohl, auf und ab, Religionen gleich gut sein, allein der Weg auf der Erde, das ist der Henker.

[G 189]


[166] Er hatte immer so viel mit den Geistlichen zu schaffen, daß sich endlich die Leiblichen der Sache annahmen, und ihn aus der Stadt schafften.

[G 190]


Da liegen nun die Kartoffeln, und schlafen ihrer Auferstehung entgegen.

[G 191]


In einem Aufsatze, worin ein neuer Brunnenkurort empfohlen wird, wird auch angezeigt, daß ein schöner geräumiger Kirchhof da sei.

[G 192]


Seine Bedienten waren noch so ziemlich weichmäulig, sie kamen beim zweiten Klingelzug allemal.

[G 193]


Er hatte einige Jahre mit ihr im Stande der unheiligen Ehe gelebt.

[G 194]


Die Schulen – gelehrte Raspelhäuser. – Er raspelte die auctores classicos seine ganze Lebenszeit durch.

[G 195]


Franklin, der Erfinder der Disharmonica zwischen England und der neuen Welt.

[G 196]


Lieber Gott, ich bitte dich um tausend Gotteswillen.

[G 197]


Als unsere selige Kuh noch lebte, sagte einmal eine Frau in Göttingen.

[G 198]


Es gibt eine Art von Prosa, die man die Staatsperuque nennen könnte.

[G 199]


Sie ist zwar noch nicht verheiratet, hat aber promoviert.

[G 200]


Jedes Zeitalter hat eine Menge Eigenheiten, die die Nachwelt mit Vergnügen aufgezeichnet sehen würde, und die viel zu klein für den Geschichtschreiber sind, die immer wechselnden Torheiten der Zeit etc. Für diese ist Hogarths Grabstichel das beste Medium sie aufzubewahren. Wer in aller Welt kann einen Parlamentswahlschmaus, [167] oder eine Midnight conversation so schildern, wie er getan hat, und wie lehrreich kann nicht eine solche Schilderung gemacht werden!

[G 201]


Die Deutschen lesen zu viel. Darüber, daß sie nichts zum zweitenmal erfinden wollen, lernen sie alles so ansehen, wie es ihre Vorfahren angesehen haben. Der zweite Fehler ist aber gewiß schlimmer, als der erste.

[G 202]


Keine Nation fühlt so sehr, als die deutsche, den Wert von andern Nationen, und wird leider! von den meisten wenig geachtet, eben wegen dieser Biegsamkeit. Mich dünkt, die andern Nationen haben recht: eine Nation, die allen gefallen will, verdient von allen verachtet zu werden. Die Deutschen sind es auch wirklich so ziemlich. Die Ausnahmen sind bekannt, und kommen nicht in Betracht, wie alle Ausnahmen.

[G 203]


Warum gibt sich nicht leicht irgend jemand, der es nicht ist, für einen Deutschen aus, sondern gemeiniglich, wenn er sich für etwas ausgeben will, für einen Franzosen oder Engländer? Das ist in dieser Welt ausgemacht. Aber das sind Hasenfüße. Gut, aber warum gibt es keine Hasenfüße unter andern Nationen, die sich für Deutsche ausgeben? Es ist seltsam. Es ist ein Irrtum. Aber Irrtum von Nationen, wer will ihn richten? Es werden Kriege geführt über Ursachen, die im gemeinen Leben den Galgen verdienen. Aber wer will richten?

[G 204]


Der deutsche Gelehrte hält die Bücher zu lange offen, und der Engländer macht sie zu früh zu. Beides hat indessen in der Welt seinen Nutzen.

[G 205]


Ein gutes Mittel, gesunden Menschenverstand zu erlangen, ist ein beständiges Bestreben nach deutlichen Begriffen, und zwar nicht bloß aus Beschreibungen anderer, sondern so viel möglich durch eigenes Anschauen. Man muß die Sachen oft in der Absicht ansehen, etwas daran zu finden, was andere noch nicht gesehen haben; von jedem Wort muß man sich wenigstens einmal eine Erklärung gemacht haben, und keines brauchen, das man nicht versteht.

[G 206]


[168] Durch eine strikte Aufmerksamkeit auf seine eigenen Gedanken und Empfindungen, und durch die stärkstindividualisierende Ausdrückung derselben, durch sorgfältig gewählte Worte, die man gleich niederschreibt, kann man in kurzer Zeit einen Vorrat von Bemerkungen erhalten, dessen Nutzen sehr mannichfaltig ist. Wir lernen uns selbst kennen, geben unserm Gedankensystem Festigkeit und Zusammenhang; unsere Reden in Gesellschaften erhalten eine gewisse Eigenheit wie die Gesichter, welches bei dem Kenner sehr empfiehlt, und dessen Mangel eine böse Wirkung tut. Man bekommt einen Schatz, der bei künftigen Ausarbeitungen genützt werden kann, formt zugleich seinen Stil, und stärkt den innern Sinn und die Aufmerksamkeit auf alles. Nicht alle Reichen sind es durch Glück geworden, sondern viele durch Sparsamkeit. So kann Aufmerksamkeit, Ökonomie der Gedanken und Übung den Mangel an Genie ersetzen.

[G 207]


Man kann nicht leicht über zu vielerlei denken, aber man kann über zu vielerlei lesen. Über je mehrere Gegenstände ich denke, das heißt, sie mit meinen Erfahrungen und meinem Gedankensystem in Verbindung zu bringen suche, desto mehr Kraft gewinne ich. Mit dem Lesen ist es umgekehrt: ich breite mich aus, ohne mich zu stärken. Merke ich bei meinem Denken Lücken, die ich nicht ausfüllen, und Schwierigkeiten, die ich nicht überwinden kann, so muß ich nachschlagen und lesen. Entweder dieses ist das Mittel, ein brauchbarer Mann zu werden, oder es gibt gar keines.

[G 208]


O, wenn man die Bücher und die Kollektaneen sähe, aus denen oft die unsterblichen Werke erwachsen sind – (ich habe die Geständnisse einiger vertrauten Schriftsteller für mich, die nicht wenig Aufsehen gemacht haben) – es würde gewiß Tausenden den größten Trost gewähren! Da nun dieses nicht leicht geschehen kann, so muß man lernen durch sich in andere hinein sehen. Man muß niemanden für zu groß halten, und mit Überzeugung glauben, daß alle Werke für die Ewigkeit die Frucht des Fleißes und einer angestrengten Aufmerksamkeit gewesen sind.

[G 209]


Laß dich deine Lektüre nicht beherrschen, sondern herrsche über sie.

[G 210]


[169] Von den jedermann bekannten Büchern muß man nur die allerbesten lesen, und dann lauter solche, die fast niemand kennt, deren Verfasser aber sonst Männer von Geist sind.

[G 211]


Jeden Augenblick des Lebens, er falle, aus welcher Hand des Schicksals er wolle, uns zu, den günstigen, so wie den ungünstigen, zum bestmöglichen zu machen, darin besteht die Kunst des Lebens, und das eigentliche Vorrecht eines vernünftigen Wesens.

[G 212]


Es wäre ein guter Plan, wenn einmal ein Kind ein Buch für einen Alten schriebe, da jetzt alles für Kinder schreibt. Die Sache ist schwer, wenn man nicht aus dem Charakter gehen will.

[G 213]


Ein Mädchen, 150 Bücher, ein paar Freunde und ein Prospekt von etwa einer deutschen Meile im Durchmesser, war die Welt für ihn.

[G 214]


Mit wenigen Worten viel sagen heißt nicht, erst einen Aufsatz machen, und dann die Perioden abkürzen; sondern vielmehr, die Sache erst überdenken, und aus dem Überdachten das Beste so sagen, daß der vernünftige Leser wohl merkt, was man weggelassen hat. Eigentlich heißt es, mit den wenigsten Worten zu erkennen geben, daß man viel gedacht habe.

[G 215]


Die Rolle des Pajazzo, die allerdings etwas sehr Sonderbares hat, könnte in andern Dingen nachgeahmt werden. Die Nachahmer Sterne's sind gleichsam die Pajazzi desselben, und so ist Zimmermann Lavaters Pajazzo.

[G 216]


Das Ja mit dem Kopfschütteln, und das Nein mit dem Kopfnicken wird einem sehr schwer, bekommt aber doch nachher eine eigene Bedeutung, wenn man es kann.

[G 217]


Twiss hatte sich mit seiner Tour through Ireland so verhaßt gemacht, daß man sein Portrait auf dem Boden der Nachttöpfe mit offenem Munde und Auge vorstellte mit der Umschrift:


Come let us piss
On Mr. Twiss.

[G 218]


[170] Könnte man nicht vierteljährige Kalender herausgeben, oder gar für jeden Monat einen, mit einer niedlichen Vignette, Nachrichten und Gedichten, geziert?

[G 219]


Er hatte den Brief erst mit Oblaten, und oben darauf mit Lack gesiegelt, aus einer ähnlichen Absicht, wie Merkur die Grundsätze der Geometrie auf Säulen aus Ton und Erz grub. Denn ward der Brief zu nahe an den Ofen gelegt, so hielt ihn die Oblate zu, und fiel er ins Wasser, das Lack.

[G 220]


Die meisten Leute halten die Augen zu, wenn sie rasiert werden. Es wäre ein Glück, wenn man die Ohren und andern Sinne so verschließen könnte, wie die Augen.

[G 221]


Wenn man einem vernünftigen Manne einen Hieb geben kann, daß er toll wird, so sehe ich nicht ein, warum man einem tollen nicht einen sollte geben können, daß er klug wird.

[G 222]


Wenn eine Geschichte eines Königs nicht verbrannt worden ist, so mag ich sie nicht lesen.

[G 223]


Swift ging einmal mit Dr. Sheridan verkleidet auf eine Bettlerhochzeit; letzterer stellte einen blinden Musikanten vor, und Swift war sein Handleiter. Da fanden sie das größte Wohlleben, sie bekamen Geld und Wein im Überfluß. Tags darauf ging Swift auf der Landstraße spazieren, und fand da Blinde, die auf der Hochzeit recht gut gesehen, und Lahme, die recht gut getanzt hatten. Er schenkte ihnen das auf der Hochzeit erworbene Geld, sagte ihnen aber zugleich, wenn er sie noch einmal hier, oder irgendwo in diesem Gewerbe anträfe, so würde er sie insgesamt einstecken lassen; worauf sie alle eiligst davon liefen. – So wurden die Blinden sehend, und die Lahmen gehend.

[G 224]


Als es den Goten und Vandalen einfiel, die große Tour durch Europa in Gesellschaft zu machen, so wurden die Wirtshäuser in Italien so besetzt, daß fast gar nicht unterzukommen gewesen sein soll. Zuweilen klingelten drei, vier auf einmal.

[G 225]


[171] Daß wir unsere Augen so leicht, und unsere Ohren so schwer verschließen können, wenigstens nicht anders, als wenn wir unsere Hände davor bringen, zeigt unwidersprechlich, daß der Himmel mehr für die Erhaltung der Werkzeuge, als für das Vergnügen der Seele gesorgt hat. Doch sind die Ohren noch unsere besten Wächter im Schlafe. Was für eine Wohltat wäre es nicht, die Ohren so leicht verschließen und öffnen zu können, als die Augen!

[G 226]


Im Deutschen reimt sich Geld auf Welt; es ist kaum möglich, daß es einen vernünftigern Reim gebe; ich biete allen Sprachen Trotz!

[G 227]


Wenn jemand alle glücklichen Einfälle seines Lebens dicht zusammen sammelte, so würde ein gutes Werk daraus werden. Jedermann ist wenigstens des Jahrs einmal ein Genie. Die eigentlich so genannten Genies haben nur die guten Einfälle dichter. Man sieht also, wie viel darauf ankommt, alles aufzuschreiben.

[G 228]


Es erleichtert die Korrespondenz, wenn man weiß, daß der Korrespondent eine schöne Frau hat.

[G 229]


Wer eine Wissenschaft noch nicht so inne hat, daß er jeden Verstoß dagegen fühlt, wie einen grammatikalischen Fehler in seiner Muttersprache, der hat noch viel zu lernen.

[G 230]


In den Bibelerklärungen kommt mir vieles vor, wie in den Erklärungen der Figuren in der Baumannshöhle. Man hat da betende Jungfrauen, Taufsteine, Paten, Mönche, Rindszungen, Säulen, Eierstücke, Himmelfahrt Christi, Pauken usw. Man muß aber gemeiniglich schon wissen, was es sein soll, um es darin zu erkennen.

[G 231]


Ich habe einmal in einem ökonomischen Schriftsteller folgenden Einfall gelesen, der sehr artig ist, und auch auf menschlichen Umgang angewandt werden könnte. Unter allen Vögeln, sagt der Verfasser, scheinen die Sperlinge die größten Vertrauten der Bauern zu sein, und keine Art wird von Bauern so sehr gehaßt als diese.

[G 232]


[172] Der schwarze Mann der Kinder gehört mit in die Klasse von Erfindungen, worin die Höllenstrafen stehen. Es ist, glaube ich, nicht möglich, den Aberglauben auszurotten.

[G 233]


Die Neigung der Menschen, kleine Dinge für wichtig zu halten, hat sehr viel Großes hervorgebracht.

[G 234]


Einer glaubt genauen Umgang mit Kästner gehabt zu haben, und am Ende wars der Waisenhauspräzeptor Kestner zu Göttingen.

[G 235]


Warum kann jedermann ohne Vorwurf von Stolz sagen: ich bin ein ehrlicher Mann, aber nicht: ich bin ein Mann von Genie, oder ein witziger Kopf? Ist etwa jenes weniger, oder schimpft das Wort Spitzbube nicht so viel als Dummkopf? Und doch dürfen Rezensenten es den Leuten nicht allein in das Gesicht sagen, daß sie Dummköpfe sind, sondern es ihnen sogar auch beweisen.

[G 236]


Es gibt Leute, die das r wie ein w aussprechen, sie sind mir unerträglich. Z.B. Fwiktion, Fwage, Bweite, statt Friktion, Frage, Breite.

[G 237]


So viel ist ausgemacht, die christliche Religion wird mehr von solchen Leuten verfochten, die ihr Brod von ihr haben, als solchen, die von ihrer Wahrheit überzeugt sind. Man muß hier nicht auf gedruckte Bücher sehen, das ist das Wenigste, die bekommen Tausende nicht zu lesen, sondern auf die Personen, die täglich an ihrer Aufrechterhaltung schnitzeln und stümpern, und auf Universitäten vom Freitische an dazu erzogen und verzogen werden.

[G 238]


Es ist doch sonderbar, daß wir so viele Mittel kennen, eine Krankheit zu befördern, und so wenige, sie zu heilen.

[G 239]


Den Esel macht seine Ähnlichkeit mit dem Pferde nur desto lächerlicher, aber das Pferd wird nicht lächerlich durch den Esel.

[G 240]


Ein untrügliches Mittel wider das Zahnweh zu erfinden, wodurch es in einem Augenblick gehoben würde, möchte wohl so viel wert sein und mehr, als noch einen Planeten zu entdecken.

[G 241]

[173]

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TextGrid Repository (2012). Lichtenberg, Georg Christoph. Aufzeichnungen und Aphorismen. [Aus den »Sudelbüchern«]. [Aus »Sudelbuch« G]. [Aus »Sudelbuch« G]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-EADB-D