Zweyter Gesang

Colonna war der Freund und der Beschützer
Von unserm Helden, und dabey Besitzer
Von Titteln, Rang und Gütern. Und sein Freund
Arm wie der Mond, der nur von fremder Güte scheint.
Aus seinem Vaterland vertrieben – fein erzogen –
Und so schiffbrüchig nun – im Herzen Wogen
Der höchsten Leidenschaft, von aussen keinen Stern
Und keinen Rath, als seinen Freund und Herrn.
Colonna liebte Lauren. Und vertraute
Dem Dichter seine Gluth, der auf den Boden schaute.
Er schaute auf den Boden und stand da
Wie einer, der den Blitz hart vor sich treffen sah.
Dann lief er an den Felsen hin und wieder
Die an Vaucluse gränzten, auf und nieder.
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»Ein Mann von vierzig Jahren ihr die Hand!
Und insgeheim, weil ihm sein Ritterstand
Die Ehe untersagt? Um reich zu erben
Soll Laura elend leben, elend sterben?
O tauber Himmel dies für Lauren! – und Petrarch
Nähm' den Gedanken mit sich in den Sarg?
Colonna hat Geschmack – wär' das für sie nicht wenig?
Nein, er verdient sie nicht, wär' er ein König.
Er, der der Schönheit und des Lebens satt,
Nun ausgeliebt und ausgelebet hat,
Er Lauren! – Gott, der du die Demuth ehrest
Gott, ist er ihrer würdig? Du empörest
Dies arme Herz selbst gegen meinen Freund.
Mein Unmuth ist gerecht, so strafbar er auch scheint.
Darf aber ein Vertriebner, ein Verbannter,
Hier nur geduldet, darf ein Unbekannter –
Ach zehnmal mehr vertrieben, mehr verbannt,
In keiner Brust hat das für sie gebrannt.
Ein Schatz kann nie in schlimmre Hände fallen
Als in des Reichen. Gott du weißts, von allen
Die jemals liebten, härmte niemand sich
Mit tiefrer innrer Sehnsucht ab als ich. –
Was schwärmst du, Unbescheidner! was erhöhest
Du die Begierden so? bedenke wo du stehest!
Bist du nicht Ixion, der Jupitern
Um seine Göttin neidte? steh von fern
Und fühl' es wer du seyst. – Ach kann ich ringen
Mit meiner Leidenschaft? die seidnen Locken bringen
Mich um den freyen Willen. Was kan ich dafür,
Daß diese Nerven ihr nur zittern? War es mir
Beym ersten Anblick doch, als ob für meine Mängel
Und Leiden der Ersatz nur möglich wäre. – Engel!
Wenn sich dein Licht auf mich herunterwälzt,
Wird all mein Unglück Schnee, der an der Sonne schmelzt. –
Zwar ist das Leben kurz und kühn das Unternehmen,
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Das kühnste – doch sie selbst spornt mich hinan.
O Grämen
Laß ab! daß ich den Weg, den nie ein Fuß betrat,
Empor an Felsen aufwärts hüpfe. – Hat
Er, der die Sterne lenckt, umsonst geschaffen?
Er weiset mir den Weg, giebt mir die Waffen!
Dies Herz, das er in diese Brust gelegt,
Ist auch sein Werk, wie die, für die es schlägt.
Mit ihrer Reitze unermeßnen Schätzen
Soll mein Gesang die Welt in Tränen setzen,
Bis die von Lieb' und Wollust trunkne Welt
Zum allgemeinen Glück auch mich gesellt.«
Derweil Petrarca so mit Furcht und Hoffnung kämpfte,
Stand, fiel und wieder aufstand, lag der abgedämpfte
Colonna schon in Laurens Zauberschloß
Beym ersten Schritt dem Glück im Blumenschooß.
Sobald er das erfuhr, sah unser Dichter
An allen die ihm nahten, Furiengesichter.
Von jedem Menschenblick gepeinigt, schoß der Strom
Ins Meer zurück, er flog ins Vaterland, nach Rom.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Lenz, Jakob Michael Reinhold. Gedichte. Gedichte. 43. Petrarch. Zweyter Gesang. Zweyter Gesang. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-E3FD-A