[153] [157]6. Clorinda bedenckt das grosse Ubel der Hoffart/ und die Hochschatzung der Demuht: schätzet sich glückselig in ihrer Demühtigung

Custodiens parvulos Dominus: humiliatus sum, & liberavit me.

Psal. 114. v. 6.


Der Herr bewahret die Kleinen: Ich bin gedemühtiget worden/ und Er hat mir geholffen.


1.
Lucifer gläntzend' über alle Engel/
Welchen erschaffen Gott hat ohne Mängel/ 1
Weilen er aber schön/ und auserlesen
Trutzig aus Hoffart gegen Gott gewesen/
Wurde vom Himmel neben einer grossen
Menge verstossen/ 2
Mußte mit seinen bösen Mit-Gesellen
Fahren zur Höllen.
2.
Kaum da geschloffen Adam aus der Erden/
Wolte den Göttern er schon ähnlich werden/ 3
Wordurch in Ungnad Gottes er gefallen/
[157]
Nicht ohne grossen Schaden unser allen/
Wurde/ weil er demühtig nicht geblieben/
Ewig vertrieben;
Mußte dem schönen Paradeiß absagen/
Seuffzen/ und Klagen.
3.
Jenes aus Hoffart hocherhebte Babel 4
Wolte zuhoch mit seinem Ehren-Schnabel/
Suchte biß in den Himmel auffzusteigen/
Gott aber zeigt ihm früh genug die Feigen/
Massen es bald von Ubermuht bethöret/
Wurde verstöret/
Mußte zum Hon-Spiel (ohne Spitze) werden
Billich auff Erden.
4.
Boßheit/ und Hoffart/ beyde Schwestern haben
Den mehr als stoltzen Pharaon begraben/ 5
Weilen er Gott nur hönisch hat getrutzet/
Wurde sein Hochmuht unerhört gestutzet/
Massen er mit vielen kümmerlichen Plagen/
Wurde geschlagen/
Mußte/ wie Bley/ sammt seinem Heer versincken/ 6
Spöttlich ertrincken.
5.
Grausam entsetzlich haben endlich müssen
Die Sodoms-Kinder ihre Hoffart büssen/ 7
Himmlisches Feur hat ihre Städt' verzehret/
[158]
Alles in lauter Wüsteney verkehret/
Niemand/ als Loth mit Seinen/ ist entrunnen/
Alle verbrunnen:
Geilheit/ und Hoffart kamen in die Flammen
Beyde zusammen. 8
6.
Arphaxad dort ein schöne Stadt erbaute/ 9
Welcher er mehr/ als seinem Gott/ vertraute/
Hatte den Feind zu seinem höchsten Schaden
Mit seinem Hochmuht reitzend' eingeladen/
Mußte von seinen schön- und hohen Mauren
Fort mit Bedauren/
Wurde gestürtzt von seinem Ehren-Wagen/
Elend erschlagen/
7.
Hätte Darîus seinen Stand erkennet/ 10
Niemal sich einen Götter-Sohn genennet/
Nicht Schmach erwiesen eine auff die ander
Dem/ seinen Knecht genennten/ ALEXANDER,
Er noch ein Herr des Reiches unvertrieben
Wäre geblieben;
Seinen Hals aber haben ihm zerbrochen
Trutzen/ und Pochen.
8.
Hoffart ist gleich den hoch gewachsnen Eychen/
Welche der Wolcken blaues Hauß erreichen/
[159]
Weil sie bey ihnen aber Wohnung machen/
Pflegen sie hefftig wider die zu krachen/
Plitzen erzörnt mit unerhörten Toben
Auff sie von oben/
Dann sie durchaus nicht bey sich haben wöllen
Solche Gesellen.
9.
Also kan Gott auch keine Stoltze leyden/
Müssen auff ewig seinen Hofe meyden/
Wann sie zu hoch-auff ihre Köpffe richten/
Macht er sie/ gleich dem Sonnen-Staub/ zu nichten/ 11
Stürtzet herunder mit Unglückes-Streichen
Solche Berg-Eychen:
Niemal ist Hoffart/ Ubermuht/ und Prangen
Glücklich abgangen.
10.
Gleich wie der Rauch zu nichte sich versteiget:
Gleich wie der Thon nur währet/ da man geiget:
Gleich wie die Liechter scheinend' Ehr erwerben/
Aber unrühmlich auch mithin abserben/
Also auch sich die schnöde gröster Ehren-
Dünste verzehren:
Billich ein Brand die Schöne seiner Flammen
Solte verdammen.
11.
Wann die Ragueten nach der Höhe ziehlen/
Sie zwar alldorten schöne Sachen spiehlen/
[160]
Gleich darauff aber/ wie die Plitze/ knallen/
Mithin auch Ruhm-loß auff die Erde fallen:
Also ist auch der Ehr-verliebten Affen
Glücke beschaffen/
Unverhofft/ ehe sie gar hinauff gestiegen/
Fallen/ und ligen. 12
12.
Niemal ist Hoffart ohne Schand geblieben/
Hat zu dem Fall den Phaćton getrieben/
Welcher auff seinem schönen Ehren-Wagen
Meisterloß wolte durch die Höhe jagen/
Hochmuht hat aber seine Räiß verkürtzet/
Ihne gestürtzet/
Mußte im 13 mit unerhörtem Schaden
Zu tode baden.
13.
Icarus von dem Ubermuht betrogen/ 14
Ist hoch aus Hoffart übersich geflogen/
Wolte den Vatter muhtig überfliegen/
Fangte darauff an hin und her zu wiegen/
Könnte der Sonnen Hitze nicht erleyden/
Müßte sie meyden/
Biß er entflüglet ohne Krafft gesuncken.
Völlig ertruncken.
14.
Kleine hingegen hoch erhaben werden
[161]
Nicht nur im Himmel/ sonder auch auf Erden/ 15
Gott pfleget sie zu lieben/ und zu preisen/
Selbst die Prachthansen ihnen Ehr beweisen/
Welche die Demuht zwar in andern lieben/
Keine doch üben:
Hochmuht in andern (ohne selbst verlassen/)
Schelten/ und hassen.
15.
Unglück hat nächst sein Hause bey den Reichen/
Unverhofft pflegt es ihnen einzuschleichen;
Gnad herentgegen ruhet auff den Kleinen/
Welche bey sich selbst kleine Zwerge scheinen;
Daphnis setzt ab die/ so nach Ehren dürsten/
Keine Prachthansen neben ihm in Hulden
Kan Er erdulden.
16.
Gleich wie die Hennen ihre Jungen schützen
Immerdar wider dero Feinde glutzen/ 16
Also beschützt Gott die mit eignen Händen/
Welche demühtig sich zu ihme wenden/
Laßt ihnen nichts/ so schaden auch den Haaren
Möcht'/ wiederfahren:
Seine Verfolgung jener auff sich hetzet/
Der sie verletzet. 17
17.
Hoffart ist Ursach/ daß die Hölle brennet/
Der man unsinnig schaaren-weiß zurennet/
[162]
Hochmuht ist Ursach/ daß wir alle sterben/
Ja so viel tausend ewiglich verderben:
Hochmuht ist Ursach/ daß viel edle Christen
Seynd Atheisten: 18
Hochmuht hat Teutschland/ läider! umbgekehret/
Spöttlich entehret.
18.
Hochmuht ist stracks die grade Straß zur Höllen/
Weh' denen/ die sich nur erheben wöllen/
Welche nur stäts nach Glück/ und Ehren trachten/
Mithin ihr eignes Seelen-Heyl verachten/
Hoch werden solche sich betrogen finden/
Bleiben dahinden:
Prächtig mit Aman zwar auf Erden prangen/
Aber dort hangen.
19.
Eitle Welt-Kinder/ deren Hertz gefangen
Von schnödem Ehrgeitz höret auf zu prangen/
Wolt' ihr aus Gottes Lieb/ und Huld nicht fallen/
Ey so vermeydet diese Pest vor allen;
Aendert in Demuht/ selig einst zu werden/
Eure Geberden;
Suchet mit mir die wahre Glückes-Güter/
Edle Gemühter.
[163] 20.
Alles ist eitel/ nichtig alles alles/ 19
Nicht wohl ein Nachklang eines öden Halles/
Alles hinschleichet/wie der lähre Schatten/
Alles entweichet/was wir jemal hatten/
Himmlische Güter aber ewig währen/
Niemal erlähren:
Demuht ist/ so die Seligkeit erzwinget/
Höchst hinauff tringet.

Fußnoten

1 Isa. 4. v. 12.

2 Apoc. 8: v. 12.

3 Ecce Adam quasi unus ex nos his factus est. Gen. 3. v. 22. ibid. v. 23.

4 Gen. 11.

5 Exod. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

6 Exod. 15. v. 10.

7 Gen. 19.

8 Ezech. 16. v. 49.

9 Ecbatanis, Iudish. 1.

10 Lib. 2. Supplem. ad Q. Curt.

11 Isa. 1. v. 30. & 31.

12 Vidi impium superexaltatum, & elevatum, sicut cedros Libani, Es transivi, & ecce non erae. Psal. 36. v. 35. & 36. Vt casu graviore ruantsolluntur in altum.

13 Der Fluß Padus in Italia.

14 Icarus wolte mit wärinen Flüglen fliegend seinen Vatter Dædalus überwinden; ist aber gefallen/ und ertruncken.

15 In Cant. Magnificat. v. 7. Deposuit.

16 Deut. 32. v. 10. & 11.

17 Ezech. 2. v. 8.

18 Halten zeitliche Glückseligkeit/ und die Ehr für ihren Gott.

19 Eccl. 1. v. 2.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Laurentius von Schnüffis. Gedichte. Mirantisches Flötlein. Der Clorinden anderer Theil. [Lucifer gläntzend' über alle Engel]. [Lucifer gläntzend' über alle Engel]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-DB81-C