Vierte Scene.
Der Markt in Trilinik.
Viel Volks.
Gleba steht auf einem Gerüst, als Wundermann von Rotonier. Hat einen Stok in der Hand, hinter sich ein Tuch, wo allerley Gemählde drauf sind.
VOLK.
Wundermann von Rotonier, was hast du Neues?
GLEBA.
Pest, Kräze, Hunger, Krieg, Feuer und Wassers-Noth wird Euch quälen, so Ihr nicht von Euren Vorurtheilen ablaßt! Ich bin geschikt von den Göttern, Euch folgendes in ihrem Namen, die neue Regierung anbelangend, vorzutragen. Um kein Volk der Erde bekümmert sich Jupiter so sehr, als um Euch. Alles ließ [166] er stille liegen, und fertigte mich an seine geliebte Trilinikiner ab, um sie wieder in vorigen Stand zu sezen. Eile, sagte der Donnerer, mein geliebtes Volk lauft Gefahr, den Schwachen zum Raub zu werden! – Ich lief, was ich konnte, und bin nun da –
VOLK.
Rede! Rede! wir werden dem mächtigen Zevs tausend Ochsen opfern. Das Fett soll bis zum Olymp steigen. Was befiehlt Jupiter? – –
Es ist ein weiser Mann, der Rotonier, Ihr Bürger von Trilinik, er lebt mit den Göttern, wie wir beym Krug zusammen. Horcht, er fängt an!
GLEBA.
Ihr Bürger von Trilinik! Als Eure Voreltern herumzogen, zerstreut und Herrnlos, sich unter einander bekriegten, todt schlugen. Einer dem andern wegnahm, was ihn gelüstete, und sie geschlagen wurden, wenn ein benachbartes Volk sie angrif, so versammelten sich die erfahrensten und angesehensten im Volk, und sagten: Wir wollen einen wählen, der über uns herrsche, uns vertheidige, und unsre Zwistigkeiten entscheide. Dieser aber sey der stärkste, kühnste und gerechteste von uns! Denen Trilinikiner gefiel das wohl. Sie giengen zum weisen Mann, und begehrten einen König. Der weise Mann sagte: Meine Kinder, seht was Ihr thut. Ihr macht Euch einen zum Herrn, der wird Eure Töchter beschlafen, Euch Eure Weiber nehmen, Eure Güter an sich ziehen und sich von Eurem Schweiß nähren. Die Trilinikiner ließen sich nicht irre machen, und riefen: Wir wählen den Stärksten, Kühnsten und Gerechtesten, und so allemal, wenn dieser stirbt. Allemal [167] ihr Trilinikiner, sagten Eure Voreltern. Das merkt wohl.
VOLK.
Da hatten sie Recht, und bewiesen ihre Weisheit.
GLEBA.
Ja wohl hatten sie recht, liebe Trilinikiner! Sie wählten also den Stärksten, Kühnsten, Gerechtesten aus dem Volk, das war ein gemeiner Mann, der sich im Krieg und Schlichtung der Streitigkeiten hervorgethan hatte, und dieser Mann hieß Zed, und war der erste König in Trilinik. Er starb, und man wählte wieder den Stärksten, Kühnsten und Gerechtesten. Das nun dauerte so lange, bis es einem einfiel, die Krone an seine Familie zu bringen, wie ein Stük Land. Er sagte zum Volk: Meine geliebte Trilinikiner! Warum wollt Ihr immer einen neuen König wählen? Laßt die Krone meinem Sohne, und er wird Euch regieren nach Recht und Gerechtigkeit. – So schlug er den ältesten Sohn vor, und das Volk nahm ihn an, und es ward zum Gebrauch, daß allemal der älteste Sohn das Reich erben sollte. So bald sie aber nun dieses Recht unwidersprechlich hatten, legten sie sich auch auf die faule Seite, kümmerten sich nicht mehr um die Bürger von Trilinik, aßen, tranken, legten ihnen schwere Aufgaben auf, und thaten alles, wie's der weise Mann denen Trilinikiner vorausgesagt hatte.
VOLK.
Er hat Recht der Wundermann von Rotonier. Man hört daß Jupiter aus ihm spricht.
GLEBA.
O ihr gute Trilinikiner, glaubt, daß ich kein Wort sage, das mir nicht Zevs zu Eurem Besten anbefohlen [168] hat. Vielleicht glaubt Ihr, ich wollte Euch aufwieglen. Meint Ihr das, so will ich lieber schweigen, um den Königs-Kindern keinen Schaden zu thun.
VOLK.
Was, die Königs-Kinder? Rede was dir Jupiter anvertraute! Dies ist deine Pflicht!
GLEBA.
Ihr wollt es also, und glaubt, daß ich Euch nicht empören, sondern nur die Sache Eurer bekandten Weisheit vortragen will, so gehorche ich. –
Da es also bey dem neuen König nicht mehr darauf ankam, ob er der Würdigste, der Stärkste, der Gerechteste sey, und mancher dazu kam, der keine königliche Eigenschaft besaß, so suchte man diesen Mangel durch allerley Blendungen zu ersezen. Ihr wißt, meine liebe Trilinikiner, daß die Krone ein solch schwankendes, unsichres Ding ist, das im Grund, so sehr sie auch beneidet wird, so wenig Ehrfurcht und Großes in sich selbst mitführt, wenn sie nicht einen Scheitel voll gesundes und kräftiges Gehirn dekt – Also da nach der Erbfolge und dem noch fatalem Recht der Erstgeburt, nicht mehr darauf gesehen ward, ob der Thronbesteiger, von dem Euer Glük und Unglük abhängt, der Würdigste, Stärkste und Gerechteste sey, sondern nur gewählt ward, weil er aus königlichem Geschlecht, und neun Monate vorm zweiten kam, so mußte man freylich auf Mittel denken, wie man wohl dem Ding eine Art von Ehrwürdigkeit und Größe zusetzen könnte; da es im Grunde nur neun Monate vor sich hatte. Man darf nur sinnen, und Euch schmeichlen, so gelangt man zu seinem Zwek, und gehts so nicht, so tyrannisirt man. [169] Auf diese Art dachten die Regenten. Ja wie weit sie's thaten, oder Recht dazu hatten, wißt Ihr am besten; oder vielmehr, fühlt Ihr am besten!
VOLK.
Keins! wir sind ein freyes Volk, und wollen es seyn!
GLEBA.
Ereifert Euch nicht, meine liebe Trilinikiner! bleibt gelassen, ich will den Saamen der Zwietracht nicht unter Euch streuen. – Sonsten also mußte der Mann, der einstens die Trilinikiner führen wollte, sich durch Tapferkeit, sonderbare Thaten, und große Aufopferungen emporschwingen. Nun hatte der Prinz nichts vor sich, als daß er neun Monate vor seinen Brüdern gebohren worden, daß mit ihm alle königliche Eigenschaften gebohren würden, und daß heiliges Blut in seinen Adern lebe. So ward die Erbfolge zum unglücklichsten Institut für das Reich Trilinik. Der Prinz saß vermöge der neun Monate auf dem Thron. Hatte er die erforderliche Eigenschaften, so wars ein Glük. Hatte er sie nicht, wie sich denn keiner sonderlich um das bewirbt, was er gewiß hat, so sagte er: in meinen Adern lebt das Blut meiner Väter, und Ihr seyd zu meinen Sclaven gebohren, so wie ich zu Eurem Herrn. Er ließ sich selten sehen, legte sich göttliche Name und Ehre bey, donnerte Verderben um sich, fraß Euch auf, wie's ihm gefiel. Euch kennen zu lernen, war unmöglich, denn die Leute, die um ihn waren, hatten ihren Vortheil dabey. Also kannte er Eure Bedürfniß, Eure Gemüthsart nicht, und richtete Euch. Dem Stärksten also gehört das Recht der Krone; da es aber [170] einmal eingeführt ist, und all diese Vorzüge nichts gelten, so thut Ihr freylich besser, Ihr Trilinikiner, daß Ihr bey dem bleibt, der schon dazu gebohren zu seyn glaubt. Denn die neun Monate machen freylich einen Unterschied –
VOLK.
Weg mit den neun Monaten! Das wollen wir nicht, wir wählen.
GLEBA.
Ist das Euer Ernst? Ich will Euch nicht aufwieglen. Ihr müßt Euer Bestes kennen – Freylich wär jezo die Gelegenheit, da Zevs den König Caromasko zu sich genommen hat, und Euch dadurch Freyheit giebt, Eure alte Gerechtsame wieder hervorzusuchen. Denn bloß darum nahm ihn der Gott der Götter, wie er mir selbsten sagte. Meine Meinung ist also, bindet Euch an das königliche Blut, wenn Ihrs für tauglich haltet; aber nicht blindlings und knechtisch. Wollte ich Eure Gemüther durch Ueberredung auf meine Seite bringen, wie leicht würde es seyn! Hier seht Ihr Beyspiele die Menge!Er zeigt mit dem Stok, auf die hinter ihm hangende Gemählde. Aber Jupiter behüte mich gegen das königliche Haus zu reden! Mich treibt nichts als Euer Bestes, und der Wille der Götter.
VOLK.
Rede! Rede! wir sind schon aufrührisch –
GLEBA.
Hier seht Ihr eine ganze Succeßion von Fürsten! Dieser Mann, der mit allen Elementen kämpft, sich durch das Heer von Feinden schlägt, und sein Volk, das schon alles aufgiebt, errettet, ist werth es zu beherrschen. Seht ihn in Frieden und Ruh. Der Unglükliche hat Schuz, er wacht für die Geseze. Seht [171] wie die Bauern fett und dik sind, wie gut gekleidet! Ihnen fehlts an nichts. Zur Belohnung erwählen sie seinen Sohn zum Nachfolger. Noch gehts gut. Unter den folgenden hier nimmts immer ab! Seht nun diesen, wie schwach und kraftlos er da liegt! Auf dem weichen Sopha liegt er von Musik und üppigen Weibern umgeben. Seine Knochen sind weich. In der Stumpfheit seiner Sinnen macht er euch einen König. Wird der die Unterthanen schüzen, für sie wachen und sorgen? Er geisselt sie wie Hunde, weil er in Schwäche sonst nichts kann. Wie Hunde kriechen sie vor ihm. – Ihr dauert mich, und ich will nicht weiter reden, denn an Euren wehmüthigen und zornigen Bliken, seh ich, daß Ihr mit derley Scenen schon bekandt seyd. – Ihr mächtige Götter des Olymps! die Ihr durch Kraft und Stärke die Veste der Erden haltet! Ein unvermögender, krüpplichter, blödsinniger Mensch, soll Eure starke, nervigte Trilinikiner beherrschen! – Ich will keinen nennen. Aber ich weiß, Ihr Götter, ehe Ihr das zugebt, werdet Ihr Trilinik eher verstöhren, und auf den Knien werden Euch die Tapfern danken!
VOLK.
Wir wollen keinen von diesen. Rathe uns!
GLEBA.
Ich will keinen verachten. Folgt mir! Laßt alle Prinzen und große Männer, wer es auch sey, hier vor Euch treten, prüft sie, beurtheilt sie, hört sie an! Wählt dann! – Da ist Prinz Seiden-Wurm, er hat neun Monate vor sich –
VOLK.
Weg mit ihm! Er ist der Erstgebohrne. Es ist nichts mit dem Erstgebohrnen.
[172]GLEBA.
Prüft ihn bevor! Da ist noch Prinz Zed, ein edler Prinz.
VOLK.
Etwas besser. Er ist der zweyte. Wir wollen ihn anhören.
GLEBA.
Ruft die Competenten! Sie sollen sich Nachmittags hierher verfügen. Es lebt ein hier noch etwas unbekandter Mann, heißt Gleba. Hat alle königliche Eigenschaften. In der ganzen Welt berühmt. Jupiter liebt ihn. Ruft ihn auch auf!
VOLK.
Wir wollen. Bis Nachmittag sey alles hier. Lebe der Wundermann von Rotonier. Das Volk lauft aufrührisch herum und schreyt.
Wir wählen einen König.
GLEBA
schleicht ich weg.
GROSSER KÖNIG.
Ali, das Ding ist dumm, ich werd dem Kerl die Zung aus dem Hals schneiden lassen, und der Pöpel soll geschunden werden, denn ich vermuthe, Prinz Seiden-Wurm ist ein rechtschafner Mann.