30.
Wohl jauchz ich, wenn der Tag sein Werk bestellt,
Und helf ihm mit, die alte Zeit zerhämmern,
Doch soll noch manchmal mich umdämmern
Die alte, goldne Heidenwelt!
Denn stets beleidigt meine Phantasie
Ein Marmorchristus mit verrenkten Knochen,
Doch oft hat mir ins Herz gesprochen
Ein Jupiter Otricoli!
O schöne Zeit, als am Hymettoshang
Ein heilig Volk sein heilig Feuer schürte,
Als Phidias seinen Meissel führte
Und Pindar seine Hymnen sang!
Ihr Wallfahrtsweltort hiess Olympia
Und nicht von Holz war'n ihre Rosenkränze,
Wenn sie die priesterlichen Tänze
Sich seelenvoll verschlingen sah!
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Die Erde, nicht der Himmel, war ihr Traum,
Erst später lernte sie das dumme Knieen;
Sie spann nicht graue Theorieen,
Ihr Leben war ein grüner Baum.
Doch das ist lange, o schon lange her,
Die Opferschalen fielen und zerklirrten,
Und heut tönt nur das Lied der Hirten
Noch nächtlich übers Mittelmeer.
Das Volk des Perikles gab sich den Rest,
Doch wächst und blüht der Stammbaum des Eumäus –
Heut ist die Weltstadt am Pyräus
Ein elendes Barackennest!
Zwar ist der Himmel noch wie ehmals blau,
Der Urwald harft noch und das Weltmeer psaltert,
Doch ach, die Menschheit hat gealtert
Und pinselt nur noch grau in grau!
Der Schönheit goldner Springquell ist versiegt,
Fürwahr, wir leben in der Zeit des Spottes,
Da selbst die heilge Mutter Gottes
Auf Pflaumenbäume kriecht!
Drum zupft den Dichter nicht an seinem Kranz
Und titulirt ihn nicht gleich einen Narren,
Denkt er umqualmt mal von Cigarren
Der Götterwelt Altgriechenlands.