[97] Personen.
- Hollrieder, Maler.
- Musmann, Maler.
- La bella Cenci.
- Url.
- Professor Lipsius, Bildhauer.
- Der Präsident der Sezession. [97]
[97] Personen.
Nachdem die letzten Töne verklungen; die Hände noch auf den Tasten. Nun? ... Sitzen jetzt die sechzig Takte? ... Und meine Pose? ... Nochmal? ... Sich halb nach Url wendend. Oder sind Sie schon zu müde? Url: aus seiner Versunkenheit erwachend; er findet noch keine Worte; irritierte Bewegung, als ob ihm der Halskragen zu eng wäre; rechte Hand nach der Schläfe, La bella Cenci: auf ihrem Hocker jetzt ganz nach ihm umgedreht. Wo ... waren Sie wieder? Überhaupt: was ist Ihnen heute?
Sie ... hätten ...? Ach, so! Jaja! ... Mit dem Hocker sich ganz nach ihm hindrehend. Bin ich mal wieder n Bähschäfchen! Mit ändern Worten: Sie wünschten, Sie hätten mich nie gesehn!
Gut. Also rekapitulieren wir! Mit einer gewissen liebenswürdigen Unbarmherzigkeit ihn aufziehend, um sich an ihm zu »rächen«. Ein junger ... offenbar den wohlhabenderen Ständen der Bevölkerung angehörender ... besser gekleideter Herr ... der in seinem Zwanzigtausendmarkpelz ...
Ganz versunken ... vor dem großen Spielzeugschaufenster von Wertheim stand. Dazu ... eine nicht ... minder noch junge Dame ... die neben ihm plötzlich ... Fast dämonisch-boshaft triumphierend. »Drehn Sie sich nicht um! Reichen Sie mir Ihren Arm! Führen Sie mich zu einer Droschke!«
Worte! Nicht wahr? Die ruckten Sie nicht schlecht zusammen? So etwas war Ihnen noch nie passiert! Letzter »Hieb«.. Is ja auch!
Oh! Nicht nur das! Von dem Moment ab, wo ich mich Ihnen als der berühmte, international weltgefeierte, sagen wir ... »Stern von Paramaribo« entpuppt hatte, waren Sie von einer Amüsantheit ... von einer Liebenswürdigkeit, [102] und ... Url: leis abwehrend gequälte Geste. aber ganz unbedingt, ja!
Und ... versteht sich, bei aller gesitteten Wohlerzogenheit, die für mich noch immer eine Art Gloriole um Ihr Haupt webt ... von einer Laune, daß ich die instinktive Sicherheit, mit der ich meine schnelle Wahl getroffen, im stillen selbst bestaunte!
Und als ich dann noch gar auf mein kleines Hottehüh-Steckenpferdchen geklettert war, »die moderne Wiedererweckung des antiken Mimodrams« ...
Von dem herab Sie mir, und zwar in blühendsten Tintorettofarben, diese Sensationsnummer für meinen nächsten Winter improvisierten, jawohl ...
Kein Prestidigitateur hätte spielender Chrysanthemen aus seiner Manschette in die Soffitten schleudern und immer wieder zurückfangen können, als ich damals ... meine spirituellen Einfalle!
Gewiß! Mit allen diesen Vorzügen, und wenn Sie sie jetzt auch nachträglich noch so sehr selbst verspotten, waren Sie damals behaftet! ... Seitdem freilich, ich kann Ihnen das ja ruhig sagen, sind Sie zu mir fast nur noch ... von einer wachsenden Wunderlichkeit!
Pardon! ... Nicht erst »diese ganze Zeit über«. Ihre Absonderlichkeit setzte bereits ein, als ich Sie mir nach unsrer zweiten Veuve extra dry über das rote Seidenschirmchen weg aufs Korn nahm und dann plötzlich mit meiner Attacke überrumpelte, mir Ihre so keck sich steigernden Phantasien ... Bei jedem neuen Wort dessen betreffenden Inhalt durch Haltung und Ausdruck unwillkürlich leicht symbolisierend. Venus Coelestica, [103] Venus Genetrix, Venus Nutrix, Venus Perversa, Venus Dolorosa, Venus Ultrix, Venus Pandemos ... doch allerhöchst-eigenhändigst selbst einzustudieren! In dem Augenblick zogen Sie ein Gesicht, einen »Flunsch« ... na! ... So schnell, weltmännisch gefaßt, Sie sich auch wieder aufrappelten; Sie merktens ja: auch mir war der ganze Brei verhagelt! Daß ich mich über meinen Vorschlag mit Ihnen schließlich trotzdem einte, war nur noch ... rein äußerlich! Sie ... »wurden« nicht mehr, und ich ... hatte auch meinen Teil! Wir schieden und waren wohl beide überzeugt, daß sich unsere Wege zum zweitenmal ... nicht mehr kreuzen würden!
Ich bitte Sie! Wenn ich ... als »Mädchen an sich« auch nicht Psychologie studiert habe so viel »seelisches Einfühlungsvermögen« dürften Sie mir schon zutrauen: daß Sie mir über das Verzweifelte Ihrer Lage nicht gleich reinen Wein eingeschenkt hatten ...
Aber nichts war verzeihlicher! Ich begriff und verstand Sie sofort und vollkommen, als am übernächsten Vormittag statt Ihrer Ihr Brief kam.
Wem ein so schwerer Schicksalsschlag nicht einmal die eignen vier Wände gelassen, wenn Ihnen auch noch dies Asyl hier bei Ihrem Freunde geblieben war ...
Ich in meiner unglückseligen Verzwicktheit, nie an die gerade allereinfachsten Selbstverständlichkeiten zu denken! Sie mußten ja zu dieser für mich so beschämenden Auffassung gelangen!
Ein Mensch, der sich prahlerisch mit einer Existenz brüstet, die er schon längst nicht mehr ... führt, und der sich dann auf solchem verdrehten Schwindel ertappt sah ... Ein mich noch peinigenderes Mißverständnis ...
Ja, wie denn? Sie ... schrieben nur doch! Anderer Tonfall. Ihr so glücklich weltabgekehrt einziges, nur von Ihrem ehrwürdig silberhaarigen Turteltäubchen- Dienerehepaar »Philemon und Baucis« rührend unsichtbar betreutes, kleines, sonderbares Grandseigneurtum, in das ich mich schon beinahe halb wie verliebt hatte, existierte nicht mehr, Sie wieder Blick durch den Raum seien hier nur noch ...
Der Fallit meines Vetters Brockenhusen, der Verlust unseres ganzen altererbten Familienvermögens, lag an jenem Abend allerdings ... schon wochenlang hinter mir! La bella Cenci: noch ratloser. Aber noch nicht eine Stunde ... bevor Sie dann so plötzlich ... verschleiert neben mir standen ... hatte mir ... Wieder, wie vorhin, Blick durch den Raum. Herr Hollrieder ...
Herr Hollrieder ... der einzige Mensch, der sich meiner angenommen, obgleich er mich damals noch kaum [105] kannte ... die niederschmetternde Nachricht bringen müssen ... alle seine Bemühungen, mir wenigstens zu einem leidlichen Arrangement zu verhelfen, seien endgültig gescheitert! In gerechter Selbstverteidigung. Durch mein Haus mit seinen Sammlungen, durch erhebliche Liegenschaften noch von meinem Großvater her, durch allerhand beträchtliche Außenstände, die sich dann ... als illusorisch erwiesen, glaubte ich ganz bestimmt und mit gutem Fug und Recht hoffen zu dürfen ... Sich plötzlich selbst unterbrechend und das letzte zusammenfassende Fazit ziehend. Ich hatte die lächerliche Höhe der Verpflichtungen, die ich in meiner totalen Hilflosigkeit allem Geschäftlichen gegenüber zum Teil auch noch für ganz Wildfremde übernommen hatte, gar nicht übersehn!
Daß ich Ihren ... drängenden Worten ... gleich so willenlos gefolgt war ... steht in meiner Erinnerung ... immer noch wie ein Rätsel! Nach einer Verzweiflung, deren Abgründigkeit Sie jetzt ... vielleicht ermessen werden ... nach einem innern Niederbruch sondergleichen ... in einem Zustand und einer Verfassung ohne jedes Hoffen mehr ... war unser Beisammensein ... so kurz und so flüchtig es dauerte ... mir als der letzte Rausch erschienen, den mir das Leben ... noch hatte schenken wollen! ...
Nein. Ich hatte mir von ihm ... eine ganz falsche Vorstellung gebildet! Allmählich immer wärmer und eifriger. Hinter dem erbitterten Kunsteiferer, vor dem ich bis dahin eigentlich immer etwas ... wie Scheu empfunden, ja dessen, wie mir damals noch schien, denn doch vielleicht zu übertriebner Wirklichkeitsfanatismus mich oft ... geradezu von ihm abgestoßen hatte, spürte ich jetzt ... zum erstenmal ... den lebendigen Menschen: jene verstehendste Psyche jedes wahrhaft Schaffenden, die ich an ihm deutlich schon längst hätte bemerken müssen, wenn ich nicht durch die wiederholt schiefen Charakteristiken ...
Aha! Leicht ironisch-anklagend; jetzt ebenfalls Blick nach der Tür rechts. Der Herr Nachbar! Ich verstehe.
Um mich zu trösten ... wie ich wohl fühlte ... offenbarte er mir: seine mürrische Verschlossenheit, seine schroffe Härte, die ihn ... seit Monaten schon ... von jedem Verkehr mit anderen so gut wie isoliert hatte ... sei nur noch ... mühsame Maske! Es sähe in ihm ... wahrscheinlich noch schlimmer aus ... als in mir! Nach länger als zehnjährigem Ringen ... sei er mit seinem Glauben nicht bloß an sich, sondern auch an seine Kunst selbst ... zusammengebrochen! Aber das Leben ...
Sehr vernünftig! ... Anderer Tonfall. Wie grauenhaft muß man mit allem fertig sein, um ... Abbrechend, wie in einer unwillkürlichen Rückerinnerung.
Und er überzeugte mich so, er suggerierte mir seine zähe Widerstandskraft derartig, daß ich ihm aus freiem Antrieb ... das feierliche Versprechen gab, das heilige Ehrenwort ...
Und dieses »feierliche Versprechen«, dieses »heilige Ehrenwort«, würden Sie dann also noch an demselben Abend gebrochen haben ...
Wenn jener noch nicht sechzigste Teil einer Minute Sie nicht jäh daran erinnert hätte, daß es für Sie inzwischen ...
Dazu schon zu spät geworden war! ... La bella Cenci: aufgestanden und in den Raum links vom Tisch hin. Url: ihr nachblickend. Ja!
Trösten Sie sich! Es ist auch möglich, daß mir das alles nur so in der Erinnerung scheint! Sie waren damals anders, und ich war anders!
Um so schmerzlicher für mich ... die Gewißheit ... daß ich zu jenem befreienden Entschluß ... Unwillkürlich nach dem auf dem Hocker liegengebliebnen Mantel von ihr und dem Regal rüber. nun nie wieder den Mut finden werde!
Sie sind ... ein Mann! Url unter ihrem[108] Wort leicht zusammengezuckt .... Da scheint mir Ihr Freund ... Nach ihm voll zurückgedreht. Sie sollten dem Leben mehr die Zähne zeigen!
Mein Gott, Sich vom Tisch eine Zigarette ansteckend,. nun blasen Sie doch nicht wieder auf Ihrer alten Verzweiflungsflöte! Über irgend etwas in seinem Leben muß jeder weg! Sie können doch nicht ewig Ihren futschikato gegangenen Kupons nachweinen!
Sondern der hohe, edle, stolze, drolligerweise nie von dem geringsten Gasflämmchen oder gar elektrischen Fadenglühlämpchen profan erleuchtete, immer nur stil- und stimmungsvoll von IhrenLeichte, ironische Bewegung nach dem jetzt letzten dieser »Mohikaner«. vierundzwanzig silbernen, siebenarmigen, echten Rokokoleuchtern feenhaft durchstrahlte, anachoretisch einsame ... sagen wir »Elfenbeinturm« Entsprechende Geste nach dem Fußbelag. mit uralt ehrwürdigen Perser-Tierteppichen, den Sie sich dafür gebaut hatten! Als letztes Geheimsymbol der ganzen HerrlichkeitKopfbewegung nach dem kleinen Japanschränkchen über der Chaiselongue. Ihre Giftsammlung und hinter einem Florentiner Brokatvorhang als Allerheiligstes Ihre verflossne Geliebte, die Mona Lisa! ... Als ob ich das nicht alles längst auswendig wüßte! Url: leicht hilflos-abwehrende Geste. Andere Leute müssen sich doch auch ihr Brot verdienen! Glauben Sie, ich produziere mich Abend für Abend zu meinem Vergnügen vor einem Parkett in Zylindern als Trikotschönheit? Päh? ...
Wer von früh auf, wie ich, immer bloß in seinem vergoldeten [109] Käfig gesessen, mit instinktivem Grauen vor jeder Wirklichkeit ...
Erlauben Sie, wer hat Ihnen denn anvertraut, daß ich nicht auch mal in einem, solchen gesessen? ... Sie können das doch gar nicht wissen!
Ich sage gar nichts. Ich sage nur ... daß Sie nicht so ein Ebenfalls aufstehend. Troddelmops sein sollen. Url, der unter ihrem Wort fast wie unter einem körperlichen Schmerz gelitten, nach dem Fenster zu gegangen. Na ja, wenn Sie einen ... nervös machen. Ein bißchen mehr Hoppsassa hinter der Unken Brusttasche, und einem Intellekt wie Ihrem ... Abbrechend und sich nach rechts in den Vordergrund der Bühne in Bewegung setzend. Vielleicht hat Ihnen Ihr verewigter Herr Vetter mit seinem glorreichen Bankkrach sogar noch den allergrößten Dienst erwiesen! Allein dies eine Programm, das Sie mir geschenkt haben! Url: leicht abwehrende Bewegung; La bella Cenci, vorn in der Mitte der Bühne, stehngeblieben. Jawohl. Geschenkt. Bar geschenkt. Ein neuer Trick ein neuer Hunderttausendmarkschein. Mindestens! Es kann auch das Vier und Fünffache werden! Erst jetzt sollte das eigentliche Leben für Sie beginnen!
Und statt dessen ... La bella Cenci: nervös ungeduldig. Url: sich schmerzlich zurück im Raum umsehend. drücke ich mich hier bei meinem Freunde nun. Bei einem Menschen, der selbst nichts hat!
Ich habs Ihnen doch angeboten! Ich brauche eine Kraft! Um Ihre eigne Idee zu lanzieren! Wenn Sie ihr nicht helfen, und zwar permanent weiterhelfen wollen, wie Sie mir schon bei diesem ersten Anfang geholfen: aus sich selbst wird sich die »moderne Wiedererweckung« Ihres »antiken Mimodrams« nicht in die Welt setzen! Oder geniert Sie das? »Impresario einer Brettl-Diva«? Einigen wir uns auf »Sekretär«, und die Sache verliert vielleicht ihren Beigeschmack.
Wenn Sie glauben, daß Ihre Situation sich dadurch ändern wird ... Nach den Vasen hin. Die paar Trümmer, die Sie noch [110] gerettet haben, halten Sie bis an Ihr Lebensende nicht über Wasser. Besonders, wenn Sie Ihr generöses Wirtschaftssystem jetzt noch fortsetzen und alles zum Fenster hinauswerfen. Entweder ich übernehme In der Nähe des Regals. Ihr selten prächtiges, vollendet kunstvoll umgebautes Lieblingsinstrument zu seinem vollen Wert, oder Sie behalten den alten Kasten Auf die Tür links zu. Sie sollten dem Zufall unsrer Begegnung dankbarer sein. Den Friesvorhang links etwas zur Seite hebend. Margot? Die Tür wird geöffnet: »Madame?«. Vergessen Sie doch nicht nachher im Hotel. Der Portier soll streng darauf achten, daß sich niemand mehr mit einem photographischen Apparat einschleicht.»Oui, Madame!« Die Tür wird geschlossen. Ich habe heute einem Unverschämten seine Kamera aus der Hand schlagen müssen.
Ich bin den Eindruck, den Sie damals auf mich machten, gar nicht mehr losgeworden! Sie waren ganz aufgeregt. Sie zitterten ordentlich. Sie müssen es doch ... gewohnt sein, daß Ihnen die Männer auf der Straße nachgehn.
Nein. Denn von einer einzigen Episode abgesehn, die hier nichts zur Sache tut, sind Sie der [111] erste anständige Mensch in meinem Leben. Wenigstens bei dem ich wieder das Gefühl habe, daß er in mir nicht bloß das Weib sieht. Nur ... wie oft soll ich Ihnen denn das sagen? Ich kenne Berlin nicht. Ich bin zum erstenmal hier. Noch den Abend vorher war ich in den Folies-Bergères aufgetreten, kontraktlich am ersten Feiertag früh begann mein Engagement im Wintergarten, ich war also erst vor wenigen Stunden auf dem Potsdamer Bahnhof angekommen. Wieder nach dem Tisch zurück. Oder meinen Sie, daß jener geheimnisvolle Unbekannte, der Sie so überflüssig zu interessieren scheint, mir schon von Madrid oder Petersburg her gefolgt war? ... Lächerlich. Ein alter Beau, wie sie einem überall zu Dutzenden nachscharwenzeln. Mit dem Versuch zu lächeln. Wenns wenigstens ... noch n junger gewesen wäre! ...Ihren Zigarettenrest in den Aschbecher stoßend. Ich begreife Sie gar nicht!
Um so besser. Wieder in den Vordergrund getreten, wo sie den Mantel aufnimmt. »Die sieben Verwandlungen der Venus!« Nummer eins: Die heilige ... Käkilie! Nachdem sie sich den Mantel um die Schultern gehängt hat; sich in ihn einwickelnd; kurzer, gemacht schwärmerischer Augenaufschlag. Virgo Immaculata! Die Jungfrau an sich, oder das verklärte Gänseblümchen! An sich hinuntersehend. Bekleideter kann n Mädchen fürs erste nicht recht sein. Mit einer halben Bewegung nach dem Harmonium hin. Wollen wir fortfahren? ... Oder nein. Ich sehs: Sie sind noch immer in den Mantel zu verliebt. Dieser bunte Lappen hat Sie heute ganz ...
Ich finde auch. Der auf [112] dem van Eyckschen Altarflügel gleißt trotz seiner fünfhundertjährigen Patina kaum seraphischer. Wieder auf den Tisch zu. Na, ich kann ihn ja denn noch n Weilchen Parade tragen.
Wie ich mir einen besseren überhaupt ... Auf eine bescheiden abwehrende Bewegung von ihm; sich in ihren Sessel links setzend. Nun ja! Ein andrer als Sie hätte einen so altehrwürdigen Kunstgroßpapa doch gar nicht zu variieren gewagt. Und dazu noch, um das Sakrileg voll zu machen, als musikalisches Motto Unwillkürlich nach dem Regal blickend. dies Schubertsche G-Moll-Motiv:Sich in den Sessel zurücklehnend; aus tiefer, rührender, klagend-bitterer Schwermut. »Vorüber! ach, vorüber! geh, wilder Knochenmann! Ich bin noch jung, geh! Lieber! und rühre mich nicht an.«Sofort anderer Tonfall. Versprechender Anfang!
Ja, ich ... weiß wirklich nicht. Mein ... Sich setzend, mit entsprechender. Geste real massiges, schweres, gotisches Regal ... auf Wolken ...
Rechts oben, dahinter mit Harfe, Flöte, Kinngeige und Pandore, die vier musizierenden, quinquilierenden, psalmodierenden Weibsengel ...
Dieser blutend rosendurchrankte, einfassende Lilienwald in seinem zierlich maßwerkgekrönten Spitzbogenrahmen nur durch einen spielenden Scheinwerfer flach phantasmagorisch hingezaubert ...
Gewiß! Allerdings! Als ... visuell bildhaft mitten in einen dunklen Raum vor eine davon überraschte und überrumpelte Menge suggestiv hingehängtes erste Silbe betont Symbolen ... Aber ... rein technisch ... als Ganzes ...?!
Aus Licht und Leinwand läßt sich heute alles machen! Url eine das abermals in Zweifel ziehende [113] Geste. Noch bestimmter. Alles! Verlassen Sie sich: Ihr byzantinisches Goldmosaik, das zu irisieren beginnt, Ihr verblassender Renaissancegobelin, der sich in Nebel löst, Ihr pompejanisches Wandgemälde, aus dem ich vor allem Volke so angenehm dekolletiert ins Meer steige. Nach der Richtung sind wir Ihrem geliebten, altrömischen Pantomimenidol längst überlegen! Und die Hauptsache, die fortschreitende Verinnerlichung, markiert lediglich, wie Ihre treffsichern Berliner sagen würden, durch »Pelle«, ja, da helpt nix: das muß jetzt im Schweiße Ihres Angesichts eben von mir erarbeitet werden. Ich will mir die Welt erobern, und ich werde sie mir erobern!
Diese ewige »Lebende Statue«! Gräßlich! In prallweißer Seide bis an den Hals, das Gesicht und das Haar voll Kreide, und auf dem hohlen Postament ...
»Künstlerin«! Nach dem Vordergrund rechts zu; Url unwillkürlich ebenfalls aufgestanden. Wenn ich mich auch, gottseidank, nie an das üblich Abgedroschne hielt, wenn ich auch in meinem kleinen Weibshirn zum Glück noch immer so viel Grips besessen, um mir meine mehr oder minder »verführerischen«, sogenannten »Plastiken«, so im Grunde sie mich auch gleichgültig ließen, wenigstens aus Eigenem zu leisten: ich werde aufatmen, wenn ich das ganze Konditorzeug in der nächsten Saison nicht mehr zu tragieren brauche!
Bitte! Mit den Herrschaften ... Mir genügt, was ich von diesen »Edelsten« der Menschheit kennengelernt habe Wieder von ihm weggedreht.
Nur grade: weil ich Ihnen Ihre Höhen zu [114] gebe, ohne weiteres, um so ... Besonderer Tonfall. grauenhafter die Tiefen!
Sie sind nicht widerwärtig. Etwas hinter ihr vor diesen Bildern. Sie sind die leidenschaftlichsten Versuche, sich mit einer als Qual empfundenen Umwelt auseinanderzusetzen, denen ich begegnet bin. Dinge, die wir nie sahen, oder doch wenigstens an denen wir täglich vorübersahen, sind hier mit einer Wucht gepackt und wiedergegeben, daß man fühlt: so schmerzvoll empfänglich schwingt nur die Seele eines Autopersönlichsten.
Und doch hatten Sie von diesem »Qualvollen«, als Sie noch der verwunschene Glücksprinz waren, Ihrem »Autopersönlichsten« auch nicht ein einziges abgekauft? Während Sie seine pinselnden, meißelnden, kritzelnden ...
Darunter sogar den erbärmlichsten seiner Nachbeter, diesen durchwachsnen, armselig traurigen Tropf Musmann ...
Wie ein ... Unfruchtbarer einen Fruchtbaren, wie ein Überflüssiger einen Notwendigen überhaupt verstehn kann.
Plötzlich aus der berühmten, mirakulös schöpferischen Tiefe Ihres ... Plötzlich wieder anderer Tonfall. sonst aber und im übrigen von Gott und seinen sämtlichen Heiligen blamabelst verlassenen, sogenannten »Volkes« auftauchen! Summierend. Freuen Sie sich, daß ich kein Talent zur Eifersucht habe!
Erbitterter mit seiner Kunst hat noch keiner gerungen. Er hat, jetzt schon und heute, und zwar rein aus eigener Kraft, ohne auch nur ein einziges Mal je seinen Fuß in irgendeiner Zeichen oder Malklasse irgendeiner öffentlichen oder Privatakademie gesetzt zu haben, ein Niveau erklommen, daß längst alles neben ihm Zeitgenössische ...
Verzeihung. Auf die Tür zu. Ich habe die Empfindung ... Hat die Tür schnell aufgemacht. Aah, Herr Musmann. Da der Ertappte bereits die Flucht ergriffen hat, ihm nachrufend. Wünschten Sie was? ... Die Tür schließend, achselzuckend. Schon um die Ecke.
So peinlich mir dieser Zwischenfall auch ist, und so äußerst Sie das vielleicht auch überraschen mag, aber ich muß Ihnen gestehn, ich war auf Ähnliches schon die ganzen Tage gefaßt. Da sein Atelier hier von diesem nur durch meine Kammer getrennt liegt, bin ich überzeugt, sooft Sie bisher den Korridor passierten ...
[116]Lauerte dieser edle Dritte in Ihrem Bunde hinter seinem Schlüsselloch. Noch vorn links zu. Ich Schaf! Und in dieser Höhle ...
Wie kann nur Herr Hollrieder, dies Nonplusultrawesen, vor dem Sie ja fast knien ... mit einem nervösen Blick nach der Tür rechts; stehngeblieben Mir ist diese Freundschaft ganz unverständlich!
Es ist ihm inzwischen ... so tief zu wider geworden, daß er es längst ... Leichte Kopfbewegung nach der Tür rechts, mit dem er schon jetzt, noch bevor er seinen Satz fortsetzt, andeuten will, daß sich das Bild drüben bei Musmann befindet.
Mag es jetzt hängen, wo es Lust hat, das erklärt mir noch nichts! Da Url noch zögert. Wenn Sie aber natürlich vorziehn ...
Nein. Ich sehe jetzt im Interesse meine Freundes keinen Grund mehr. Wenn Herr Hollrieder nicht der traurigen Überzeugung lebte, daß dieser arme Bedauernswerte, wie er ihn nennt und an dem er seit Jahr und Tag in jeder Weise gradezu alles getan, eigentlich nur noch pathologisch zu nehmen sei ...
Im Gegenteil. Je mehr sich für ihn die Anzeichen gehäuft haben, daß die Psychose seines früheren Schülers, Schützlings, oder wie Sie sonst wollen, sich immer deutlicher gegen ihn richtet ...
Falls eine solche überhaupt vorhanden sein sollte ... mit Naturnotwendigkeit. Auf ihr erneut fragendes Erstaunen. Er stand ihm am nächsten.
[117]Sein Leben mit solchem Ballast behängen! Wie kann man nur! Als ob nicht jeder ... doch wahrhaftig schon grade immer genug mit sich allein zu tun hätte! ... Sich umdrehend. Haben Sie denn gar keinen Einfluß auf ihn?
Wie ich es sagte. Wörtlich. Der erste, der seine Begabung auch als Maler erkannte, und der ihm dann, rein materiell, seine frühsten Anfänge ebnete, war Herr Professor Lipsius. La bella Cenci: plötzlich maßlos überrascht, starrt ihn groß an; Url: dem diese erneute Veränderung in ihrem Wesen auffällt, stehngeblieben. »Deutschlands größter lebender Bildhauer«. Man mag diese Einschätzung überschwenglich finden. Auch über den Menschen braucht man vielleicht nicht einig zu sein. Wenigstens nicht in jeder Beziehung. Der neidloseste Förderer alles Aufstrebenden, der nobelste, hilfreichste Kamerad und Gentleman speziell in diesem Falle steht außer allem Zweifel.
Seltsam. Kleine Pause; ihre Stimme hat nicht mehr ganz den selben Klang. Kommt Herr Professor ... Lipsius manchmal her?
Da ich als Gast meines Freundes erst seit dem ersten Weihnachtstag hier hause, kann ich Ihnen wirklich nicht ... So viel ich weiß, weilt Herr Professor Lipsius jetzt in Italien.
Wenn ich nicht irre, schon seit Anfang Dezember. Er ist in einem besonderen Auftrage der Regierung für längere Zeit, ich glaube, nach Florenz gegangen.
Diese Mitteilung brachte die ganze europäische Presse. Ich habe sie seinerzeit im »Temps« gelesen. Scheinbar sehr für eins der[118] Bilder interessiert. Trotzdem waren der Herr Professor am Vierundzwanzigsten noch in Berlin.
Der Mann ist kein Rodin. Seiner ganzen Generation fehlte bei uns vielleicht das letzte original Schöpferische. Aber so viele jüngere ihm auch längst nachdrängen: er ist ganz zweifellos noch immer der verdienstvollste.
In diesem Punkt ... muß ich Ihnen leider widersprechen. Ich erinnere Sie nur an die eine Gruppe: jene Jungfrau, noch fast Kind, die den Drachen tötet. Etwas im tiefsten Sinne Wahreres kann aus Marmor und Bronze nicht geschaffen werden.
Sie ist unter unsern neueren Skulpturen die einzige, für die ich wirkliche Verehrung hege. Diskret weitertastend. Das Stückchen Romantik, das sich an sie knüpft, ist Ihnen bekannt.
Das Modell zu jener Figur ... deren Entstehung jetzt übrigens ... ja, zehn Jahre zurückliegt ... La bella Cenci: fragender Blick. dies Modell.., soll seine einzige Tochter gewesen sein.
Ich kann darüber wirklich nicht spotten. Sie voll anblickend. Die glänzend Begabte La bella Cenci: unruhig. die an ihrem Vater zärtlich hing, soll von diesem abgöttisch geliebt worden sein. Sie war, wie man sich erzählt, in allem das vollkommene Ebenbild ihrer ganz jung verstorbenen Mutter.
[119]Ihr Freund? ... Mit einem gleitenden, unwillkürlichen Blick über die Bilder. Herr Hollrieder? ... Inwiefern?
Er war damals noch nicht zwanzig. Er hatte seine Lehrzeit grade hinter sich und war eben als Hilfsarbeiter ... Ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, daß Herr Professor Lipsius bei seinen Riesenaufträgen ...
Er soll auch noch heute immer eine große Anzahl Leute beschäftigen. Die Ateliers lagen in einem alten Garten, der hinten ans Wasser stieß. Mein Freund hatte unter den vielen, zum Teil erst angefangenen Werken seine erste Nachtwache, und da alles um ihn still, und es nach einem außerordentlich heißen Julitag war, plötzlich die Absicht ...
Gott, wie man von so etwas ... hat läuten hören und es dann wieder ... Ich entsinne mich. Jener mißglückte dumme, kindliche Ertränkungs- und Selbstmordversuch des Mädels, und wie sie dann am nächsten Morgen schon verschwunden war. Plötzlich andrer Tonfall; unterdrückte Heftigkeit; rechts vor ihm vorbeigehend. Nur daß allerdings nach der Version, die ich kenne, die wider ihren Willen Gerettete ihren Retter himmelhoch gebeten haben soll, über die Affäre reinen Mund zu halten! ... Zu ihm zurückgedreht [120] stehngeblieben. Was starren Sie mich so an? ... Als ob Sie mich noch nie gesehn hätten! ...
Gewisse Dinge ... errät man. La bella Cenci: sich abwendend; Achselzucken. In keinem Falle würde er sein Wort gebrochen haben, wenn ihm nicht die grenzenlose Verzweiflung des unglücklichen Vaters bereits an jenem nächsten Morgen die Mitteilung des Erlebten einfach zur Pflicht gemacht hätte.
Erst viel später ergab sich, daß die Verschwundne nicht, wie man zuerst angenommen, doch noch Hand an sich gelegt hatte, sondern entflohen war. Nach einem kurzen Stocken. Wie sehr der Vereinsamte unter diesem Geschick auch als Künstler gelitten ...
Lassen wir ihn. Das Mädel wird ihren Grund gehabt haben. Der Herr Papa interessiert mich nicht. Ihren Zigarettenrest in den Aschbecher werfend; wieder in ihrem Mantel vor dem Regal; die Finger auf den Tasten; den alten Claudiusschen Text rezitierend. »Gib deine Hand, du schön und zart Gebild! bin Freund und komme nicht zu strafen.« Wie abwesend auf die Tasten starrend; aufstehend und den Mantel wieder zurücklassend. Nein! Ich bin nicht mehr aufgelegt. Dieses lächerliche Intermezzo mit Ihrem Herrn Musmann hat mich ganz aus dem Konzept gebracht! ... Sich abermals eine Zigarette nehmend. Beatrice, sich die Zigarette anbrennend. die schöne Zigarettenfresserin!
Beatrice Cenci. Jawohl! ... Sie sehn, ich paffe Ihren Herrn Freund noch ärmer, als Sies ohnehin schon alle beide sind.
Wissen Sie auch, daß ich zu unserer ersten Kostümprobe heut meine arme Friseuse fast zwei Stunden lang gequält habe?
Daß es gestern noch von sozusagen »strahlendstem Goldblond« war. Mit der Rechten über ihr Haar. Finger, die solche Probleme in fünfzehn Minuten erledigen, gibts doch eigentlich nur in Paris! ... Überhaupt ... Paris! ...Plötzlich, unvermittelt. Ich hätte nie wieder hierher zurückkommen sollen!
Sagen Sie nichts! Fragen Sie nichts! Denken Sie bei sich, was Sie wollen, nur halten jetzt wenigstens Sie reinen Mund! ... Auf ihn zu und ihm die Hand entgegenstreckend. Versprechen Sie mir das?
Gibts im Leben ... überhaupt einen Zufall? Url: nicht fähig, ihr zu antworten ... Seit Jahr und Tag bereits. Ich habs gewußt. Irgendwie ... würde es wieder ...auftauchen.
Ich will nicht! Ich habe einmal A gesagt, ich werde jetzt auch B sagen! Ich muß mit dem ... was hinter mir liegt ... mal endlich und für alle Zeit fertig werden! ... Wieder vor den Bildern links; andrer Tonfall. Wie sind Sie eigentlich miteinander bekannt geworden?
Der immer eifrigst auf seinen Ruhm Bedachte hatte sich mir gegenüber zwar stets als das Originalgenie aufgespielt, als ich dann aber zufällig ...
In diese betrunkne Alte ... war er verliebt. La bella Cenci: verständnislos. Wie Franz Hals in Hille Bobbe.
Scheußlich! Und diese entsetzlichen jungen Dinger hier! Das ist ja der Abschaum! Und die ... »Jöhrenschaft«! Trostlos! ... Und womöglich noch abschreckender als die Menschen, die Dinge!
Ich begreife nicht! Wie können Sie dieser peinigenden Häufung alles Abscheulichsten auch nur den geringsten Geschmack abgewinnen? ... Sie, grade Sie, der Sie bisher in einer Welt gelebt hatten ...
In der man sich selbst betrügt. Mit den Augen nach den Bildern. So gewiß dies hier auch noch nicht das Allerletzte sein mag: es genügte, um mir die ganze Leere meiner bisherigen, steril nichtigen Scheinexistenz grausam unbarmherzig ins Bewußtsein zu rücken.
Ich ... fasse es gar nicht! ... Wieder zu ihm hin. So mir unbegreifbar respektvoll Sie sich auch über alles dies vorhin äußerten ich frage wirklich: Gibts denn das? Den Blick nochmals auf den Bildern. Soviel Häßlichkeit auf einem Fleck und diese Häßlichkeit immer variiert? Das ist doch gar nicht möglich!
Er malt, was er sieht. Er ist der Entdecker unsrer Berliner Bannmeile. Und wie er seine Entdeckung büßen muß ... zeigt sein Erfolg. Von seiner gesamten Produktion fehlt hier auch noch nicht ein einziges Stück.
Nein! So etwas ist keine Kunst mehr. Das ist kein Arbeitsraum, das ist eine Folterkammer! ... Besitzen Sie eine neuere Photographie von ihm?
Schade! ... Was stellte jenes erste Bild, von dem Sie vorhin andeuteten, daß es jetzt drüben hängt, dar?
Zwei zerlumpte ... jugendliche Arbeitslose, die mit geschnürtem Bündel auf Berlin zu wandern, im Schnee. Der eine ... Sich ebenfalls setzend.
Der eine, zu dem der Kopfbewegung nach der Tür rechts rüber. damals noch verehrend zu ihm aufblickende »Gesunde« drüben ihm Modell gestanden hatte, bereits am Wegrand liegengeblieben und der andere, der die Züge ...
Um ihn bemüht und dabei wie nach Hilfe in die weite Ferne spähend, wo aus violetter, sinkender Dämmrung die erste, vorgeschobne Silhouette der Großstadt taucht.
Es hatte in Fachkreisen damals besonderes Aufsehen erregt, weil Schnee noch nie vordem so gemalt worden war.
Allerdings. Einzelnes ... Abermals vor ihnen; Url ebenfalls aufgestanden. wenn man sich Mühe gibt ...
Jedenfalls ... alles Landschaftliche ... und die Luft ... alles mehr Milieuartige ... immerhin! ... Trotz alles Abstoßenden von einer Wahrheit ...
[124]Merkwürdig. Noch schärfer hinblickend. Je länger man ... Erst jetzt sehe ich diesen ... fabelhaften ... direkt stupend gemalten ...
Regengrünnassen Baumstamm, der dies Wort in dieser Situation gradezu mit Wonne rausbringend hundsgewöhnlich und simpel glatt, durch den Bildrahmen brutal abgeschnitten ...
Warum blieb er immer von unsern Stunden weg? Geniere ich ihn? Ist er denn gar nicht n bißchen neugierig? Hat er mich mal auf der Bühne gesehn?
.. Nein. Erstens ... wissen Sie ja, gibt er, oder ... muß er vielmehr selbst Unterricht geben und ... dann ...
Mit plötzlichem Entschluß. Also riskieren wirs. Url: zurückgezuckt. La bella Cenci: auf sein Mienenspiel, in dem das [125] Gegenteil von Zustimmung zu lesen steht. Aber gewiß! Warum denn nicht? Bereits nach der Tür links gewandt. Ich kleide mich jetzt um und werde dann hier auf ihn warten.
Sie brauchen nach keiner Richtung hin irgendwie besorgt zu sein. Ich werde mich durchaus ... Abbrechend; lächelnd. Ich muß mir doch mal endlich Ihren Herrn und Meister ansehn.
Nach einer Weile; veränderte Stellung; ungefähr in der Mitte der Bühne; sich mit der Rechten über die Stirn fahrend; leise. »Beatrice«! ... »Beatrice Cenci«! ... In innerem Grauen sich wie fremd im Raum umblickend. Der eigne ... leibliche ... Vater? ...
Ach, bitte, den Mantel. Url ihn ihr reichend; sie hat das Kleid bereits abgelegt, man sieht nur ihren nackten Arm. Nur drei ganz kleine Minuten!
Schließlich vor dem Regal, gegen das er sich mit der Rechten stützt; sich dann langsam setzend; vor sich hinbrütend; den Ellbogen auf dem Regal, den Kopf in die Hand gestützt. Vorbei! ... Für mich ... vorbei! Die Hand sinken lassend; Kopf nach der Tür rechts; aufgestanden, immer noch mit dem Blick nach der Tür, unterdrückt-energisch. Nein! ... Er darf sie überhaupt ... erst gar nicht sehn! ... Sich langsam wieder setzend, mit gefalteten Händen zwischen den Knieen stumpf vor sich hin; nochmals aus noch ganz verständnislosem, aber tiefinnerstem Entsetzen. Der ... eigne ... Vater! ... Plötzlich ... von draußen rechts her schwere, müde Schritte, die er nicht hört.
Große kraftvolle [126] Erscheinung; das leicht gewellte Haar rötlich germanisches Blond; kurzer, etwas eckiger, ebensolcher Spitzbart. Dunkler bequemer Ulster; kleiner, schwarzer Schlapphut. Blauschwarze, doppellknöpfige Joppe, ebensolche Hose und kreisrund geschlossener Stehkragen. Die Hand noch auf der Türklinke; Url betrachtend; nach einer kleinen Pause; apathisch. Wir ... passen schon zu enander!
Du, ich ... Blick nach der Tür links; seine Stimme, wie überhaupt im Fortgang fast der ganzen folgenden Szene, etwas gedämpft. Sie ist noch hier!
Deine Prinzessin Chimay. »O« kurz und offen. No! Schon halb sich wieder abwendend. Denn geh ich wieder.
Du weißt doch schließlich noch gar nicht ... ob es ihr überhaupt ... Hollrieder: von seiner Attacke gar nicht Notiz nehmend. Du bist heute merkwürdig früh gekommen.
Elfter Januar! ... Fünfzehnten April letzter Ablieferungstermin ... Plötzlich nach Url zu rück Ich hab immer noch nichts!.
Und du hast mich damals ... als ich dies Ganze schon so gut wie hinter mir hatte ... ja, gradezu fast mit Gewalt hast du mich zurückgehalten?
Du bist nicht so ein Narr, den [127] die verrückte Zwangsvorstellung plagt, Bilder malen zu müssen! Mit einem Blick nach dem Fenster. Berlin! Sieht sich im Raum um. Ekelhaft!
Keine Angst. Werd se nich auffressen. Leichte Kopfbewegung nach dem Regal rüber. Wie weit seid ihr denn?
Wirst du den Posten nu antreten?Url gequält; ratlose Geste. Wonach andre sich die Pfoten lecken würden?
Eher hacke ich mir die Finger ab, als daß ich mich nochmal In der Mitte der Bühne nach seinen Bildern hin. mit solchem Zeug begnüge! ... Steinklopper hätt ich bleiben sollen! Mit m Priem im Maul, aber vergnügt! ... Haute ich drauf zu, daß die Funken spritzten, und hätte nischt auszustehn!
Wenn dich die Malerei so enttäuscht hat, du weißt: Deine ersten ... merkwürdig überzeugenden Arbeiterstatuetten ...
Nichts, nichts war mir gut genug. Selbst die Extremsten ...Zu seinen Bildern hoch. Da! Sardonisch-sarkastisch, sich selbst persiflierend. Japan, Dürer, die neuen Franzosen, Velasquez, deine frühsten Gotiker, alles, wie du es wünschst, in eins verschmolzen! Arbeiter, die mit Blechkannen »in de Fabrike ziehn«, Pennbrüder, die sich mit Bindfäden die Stiebel zusammenflicken, Liebespaare, daß einem übel wird, statt Kornfelder Schornsteine und Telegraphenstangen, statt deines Waldes Brezeliand die Hasenheide, und statt römischer Aquädukte oder der Thermen des Caracalla die liebliche Verbindungsbahn! Wieder aufgestanden. Nett!
Dir scheint wirklich bloß noch wohl zu sein, wenn du dich selbst quälst. Nur an diesen Dingen, weil sie noch unverbraucht waren, konntest du dir deine Technik erringen.
Und steh nun mit ihr da! Der Besitzer einer allerkompliziertesten Präzisionsmaschinerie, mit der er nichts zu präzisieren versteht! »Technik«! Der erste beste Grasfleck im Sonnenschein schlägt die ganze Malerei dot!
Ah ja so! Vor dem Cloisonneestück. Für dies eine Kranichbein schenk ich dir den gesamten Impressionismus! Mit einem erbitterten Blick nach seinen Bildern. Laß die bunte Photographie da sein, und ich bin der Grimmig. elendste Schmierer auf Gottes Erdboden gewesen! Es klopft; Url auf die Türe links zu und den Vorhang zur Seite schiebend.
[129]Mein Freund Hollrieder. Sie schlägt den Schleier zurück, Hollrieder steht wortlos da und starrt sie an. Url: aufs höchste gespannt; beide heimlich beobachtend.
Wollen Sie mir, bitte, einen Wagen besorgen? Da Url noch unentschlossen dasteht und zögert; an ihren Handschuhen knöpfend. Grad heut ... muß ich etwas pünktlich sein.
Wir brauchten nur wie immer ... Während Hollrieder, vor der Fenstertür sich zurückdrehend auf ihn und sie einen halb verwunderten Blick richtet. Der nächste Halteplatz, wie Sie wissen, ist von hier noch keine zwei Minuten.
Das ist deutlich. Kleine pikierte Pause; Hollrieder Zigarre. Hat Ihnen Ihr Herr Freund schon etwas mitgeteilt?
Die Meinung, die ich von meinem Freunde habe ... und über die ich niemand Rechenschaft schulde ... wird durch das, was ich gesagt habe, in keiner Weise tangiert. Nicht im geringsten!
Sie haben eine eigentümliche Art Wieder nach dem Tisch; zu ihm hin über die rechte Schulter. einem Komplimente an den Kopf zu werfen.
Es ist kein Kompliment, wenn ich eine Stearinkerze eine Stearinkerze nenne und ... eine Mücke eine Mücke.
[131]Sie sind der erste, der mir einen Korb erteilt. Vor dem Sessel rechts, noch stehend, ihm wieder voll zugewandt. Warum mißfalle ich Ihnen?
Es gibt überhaupt nur schöne Dinge auf der Welt. Vor sich in die Luft. Man muß sie bloß richtig sehn.
Weil er ein ... feiner Mensch ist. Weil er mehr Kultur in sich hat, als von meiner Sorte n halbes Dutzend!
Trotzdem er weder malt, noch schreibt, noch sonst etwas? Trotzdem er, außer zu seinem bißchen Musik, wie er sagt, zu eigentlich gar nichts taugt?
Das bliebe doch wohl erst abzuwarten. Dann zu ihr auf. Er hat in mir Zigarre, und sich nach links wieder in Bewegung setzend. rein durch sein Wesen Perspektiven geweckt, an die ich vordem nie auch nur gedacht hatte.
[132]Dann hätten Sie also ... so kurz Sie sich auch erst kennen, bereits, einer vom ändern, beide gelernt?
Und Herr Musmann? Hollrieder finster. Der bis in die letzte Zeit allen und jeden Vorteil von ihm gehabt hat? Hollrieder, der sich wieder in Bewegung nach rechts gesetzt hat, mit dem Blick folgend. Der von jenen Zuwendungen und Bildverkäufen vielleicht jetzt noch lebt? Warum hat der sich nicht um ihn bekümmert?
Sie sollten ... mit diesem HerrnHollrieder aufmerksam stehngeblieben wirklich .... etwas vorsichtiger sein!
Dann sind Sie wohl so gut ... Zigarre. das wieder zu vergessen. Ich habe mich mit diesem meinem ehemaligen Kameraden jahrelang durchgehungert Zigarre. er ist, so lang er für sich verantwortlich war Sich wieder nach rechts wendend. in ehrlichster Weise mit mir durch dick und dünn gegangen, und ich möchte nun nicht ... Abbrechend, ergrimmt vor sich in die Luft. Es gibt Angelegenheiten, die die Betreffenden am besten unter sich allein abmachen.
Dann will ich Ihnen nur wünschen ... daß Sie mit Ihrem rührenden Zartgefühl ... wenigstens nicht gleich die allzu bösesten ...
Weil mir meine Auftraggeber ihre Porträts sonst an den Kopf werfen würden. Zigarre. Leute, die zahlen, wollen geschmeichelt sein. Und dazu ist die Malerei nicht da. Dann hätte ich ebenso gut Schuster werden können. Links vorn stehngeblieben; Blick über beide Wände. Und das wäre vielleicht auch das gescheiteste gewesen! ...Zigarre.
Vielleicht gibt es Menschen, die auch von Ihnen gemalt ... Blick nach der Hille- Bobbe-Alten. nicht allzu scheußlich aussehn würden.
Ich habe eine Unmenge ... exakter Spezialaufnahmen von mir zu eigenen Studienzwecken. Obwohl öffentlich natürlich keine einzige davon existiert. Sie genügen mir jetzt nicht mehr. Ich möchte zum erstenmal ein ... wie soll ich sagen, genial abregiertes Abbild von mir zu einer Affiche. Würden Sie, wenn ich Sie darum bäte, einen solchen Auftrag annehmen?
Sie sind für mich weder eine römische Heilige, noch ... einen Augenblick, nach ihr zurückgedreht, stehngeblieben. erlauben Sie ... Wieder weiter eine griechische Hetäre. Ich würde Sie nur malen können, wie Sie sind.
Hört, wie sie sich entfernen. Schleudert seine Zigarre auf den Tisch in den Aschbecher, geht einigemal nervös auf und ab und wirft sich dann auf die Chaiselongue. Ich ... Rindvieh! ... Schnellt plötzlich auf, klinkt die Tür in dem großen Atelierfenster auf und blickt vom Balkon auf die Straße hinab, jedoch möglichst so, daß er von unten aus nicht bemerkt werden kann; leises, durch den Schnee gedämpftes Großstadtgeräusch.
Zieht sich wieder zurück, klinkt die Tür vorsichtig zu und klopft leise. Tritt dann ein und beobachtet ihn; ungefähr in der Mitte der Bühne. Mittelgroß. Kleidung genau wie Hollrieder, nur schmuddligsalopp. Schwarzes, glattglänzend gescheiteltes Slawenhaar; kurzer, »mottenzerfreßner« Vollbart mit Hängeschnurrbart. Gedunsen bleichbräunliches Gesicht mit schlaffen Zügen. Die schwarzen Augen zugleich glupend und stechend. Dreht in diesem Moment dem Zuschauer den etwas unadrett krummgehaltenen Rücken zu. Wem ... kuckste denn da so nach?
Man kloppt erst an!Musmann: nochmal das Atelier musternd; wobei man ihm anmerkt, daß ihn namentlich die neu hinzugekommenen Stücke Urls interessieren; Hollrieder, der wie in plötzlich angewiderter Abneigung hinter den Tisch links getreten. Hast du nicht gehört?
[135]Hast dich jetzt drei Wochen lang nicht mehr blicken lassen.Nach ihm zurückgedreht. Also, was willst du?
Biste schön dumm gewesen! ... N blutjunges ... nacktes, bildhübsches Mädel im Mondschein ... und du selbst ...
Paradiesisch ... Abbrechend und in seiner »praktischen Philosophie« weiter. Nachdem du se dir erst ... so schön paddelnaß ... aus m Schlingkraut gefischt! ... Könnteste heute der Schwiegersohn von nem mehrfachen Millionär sein!
Sich wieder nach dem Vordergrund links in Bewegung setzend. Jaja. Na! Alle dreimal »a« kurz; dann hinterdrein .... Scheinst ja dann später selbst etwas wie Absichten gehabt zu haben.
Hätte man doch bloß ... rauskriegen brauchen, wo se den berühmten ... Hochzeitsschmuck ihrer verstorbnen Frau Mutter gelassen!
Altersgrenze so bis höchstens Siebzehn! ... Und wenn einer mal ... aus Versehn ... was dagegen hat ... Heranwink mit dem Finger Bitte. meine Herren! ... Mit beiden Händen Geste; mit der rechten die des Schießens; ein Auge zugekniffen. Gleich quer übers Schnupptuch! ... Das mögen damals ... nette Dinge gewesen sein!
Du glaubst ... ich hab mich nicht mehr in der Gewalt? ... So weit ... hast du mich noch nicht! ... Und du wirst mich auch nicht ... soweit kriegen!
So. Na, wer hat mich denn immer ... vor soundsoviel Jahren ... bei zwölf Grad Kälte in »seinen« Schnee geschleppt?
Man kann das nie ... wissen! ... Aber das weiß ich! Und wenn du s mir auch noch so verborgen gehalten hast: deinem Alten seine Drachen-Donna, mit Sternenschleier und sonst, wie se noch heut ... auf allen Postkarten paradiert ... Kurzer, abgebrochner Grunzlaut. in seinem Schlafzimmer ... steht se anders! Porträtähnlich! Von Bademantel nich die Spur, und der Lindwurmkopp, in den se rinpiekst, is zufällig sein eigener! ... Zufällig!
Quack!Dann von neuem unruhig, während er seine Promenade längs den Bildern links wieder aufgenommen hat. Und kurz und gut, selbst einen Augenblick angenommen, es wäre so? Was willst du damit andeuten?
[138]Na denn weißt es ja! Nach einer kurzen Pause, da Musmann nicht geantwortet, ärgerlich hinterdrein; wieder, Vordergrund links, stehngeblieben. Scheinst also wieder schön rumspioniert zu haben!
Das ... willst du ja! ... Da Hollrieder ihn daraufhin verwundert ansieht. Dazu hältst du mich ... doch an! ... Daß das nicht ... aus mir selbst kommt ...
Natürlich! Das hab ich dir »suggeriert«! Um dich immer wieder hinter meine angeblichen Geheimnisse kucken zu lassen! Nach rechts. Ich bin schon einer!
Dieser ... glattrasierte Erzengel! Acht Tage geht das nu schon! Immer, wenn du weg bist! Und auf seiner alten Quetschkommode ... Glaubst du, ich hör und seh nichts?
Daß Gestreckter Daumen über die Schulter rechts nach dem Balkon hin. die nicht zu deinem ... Ähnlich nach dem Leuchter hin. gerupften Paradiesvogel kommt ... o nein, mein Lieber. Jetzt täuschst du mich nicht mehr! Heut hab ich dich beklappt! ... Plötzlich. Soll ichs dir sagen? ...Ihn gespannt beobachtend. Das ist se!
[139]Wieder mal! ... Von neuem nach rechts in Bewegung. Zum soundsovielten! Die alte Leier! Es braucht nur irgend n Weibsbild aufzutauchen, und der Dreh dich ist bei dir fertig!
Bis auf n Balkon biste jerannt! ... Wärst ihr am liebsten ... nachgesprungen! ... Hast dich doch sonst nicht so!
Du hast also noch nichts! ... Sieh, sieh! Tut! ... Hämisch. Seit wieviel Monaten ... kannste denn nu schon eigentlich nischt mehr?
Nein. Ich bin Bildhauer. Was ich die zehn Jahre zusammengepinselt habe, ist ohnmächtiger Kitsch!Wieder nach rechts. Dieser alte Schlaumeier von Lipsius hat mir meine ersten primitiven, bunt kolorierten Knetversuche, die ihm damals sicher und ganz zweifellos mit gutem Recht zu exzessiv malerisch vorgekommen waren, weshalb er mir lebhaft sofort riet ... Abbrechend und in seinem unterbrochenen Satz wieder weiter. nur deshalb ausgeredet, weil er in mir seinen künftigen Konkurrenten witterte! Wieder rechts angelangt und nach links zurück. Die ganze Welt steckt voller Gauner und Schurken, und jetzt möchte ich dich am liebsten wieder vergiften, weil du der »Heimliche Kaiser« bist und ich vor Neid auf deine kommende Größe fast platze!
[140]Möchtest du nicht ... bei dieser Gelegenheit ... mal endlich ... die große Güte haben ... mir offen zu sagen ... oder ... das heißt, wenn du ... ehrlich sein willst ... zu verraten ... was ich eigentlich ... so Schweres ... gegen dich verbrochen habe? ...
Immer ... deine Gedanken denken! ... Wenn ich aufwache ... stehst du da! ... Hollrieder in Haltung und Stimme in ein eingebildetes »Teuflisches« karikierend; immer ohne ihn dabei anzusehn. »Halts Maul! ... Kusch dich! ... Die ganze Malerei ...« Abbrechend; wieder in seinem eignen Ton; fast schäumend. So n ... Blödsinn! ... Als ob alles ... nach deiner Pfeife tanzen müßte! ... Ich bin Mensch! Ich ... will auch leben ... Ich kann malen! ... Ich hab Augen ... und Hände wie du! ... Ich kann mir sogar jetzt ... mein Geld verdienen! ... Ich brauch dich nicht mehr! ...Plötzlich umschlagend; weinerlich. [141] Ich hab dir doch ... nichts getan! Warum ... In sich hineinwimmernd.
Was? ... Zu Hollrieder, der sofort, nachdem er die Stimme Urls gehört, Musmann läßt und nach dem Fenster geht. Der ist schon wieder da? Zu Musmann, der mit kaum glaublicher Selbstbeherrschung sofort, bis auf einige Kleinigkeiten, seine ganze Haltung geändert hat. Ich habe Sie doch eben erst ...
»Pathologisch«! Damit läßt sich alles zudecken. Langsam etwas nach Hollrieder hin. Du mußt in eurer ersten Zeit von einer Blindheit gewesen sein ...
Laß. Nach einer kleinen Pause; wieder am Tisch, wo er von neuem seine Zigarre ansteckt. Du bliebst lange.
Zu der neugierigen Pute? ... Noch mehr nach dem Vordergrund. Es gibt wichtigere Dinge, die mich im Moment beschäftigen! ... Nischt mehr hören, nischt mehr sehn! Einsame Insel und n paar Meter hoch Stacheldraht drum rum! ...
Du darfst für die nächste Ausstellung nicht ohne ein neues Bild sein. Du kannst dich nur dann durchsetzen ...
Nach deinen ... Mißerfolgen ... Übrigens »Mißerfolge«! Als ob du schon je welche gehabt hättest! ... Über dein Können sind sich die Leute einig! Wenigstens die, an deren Urteil dir einzig und allein was Hegen darf! Weil sie selbst was können. Also darüber ... Geste, daß er sich nach der [143] Richtung nicht zu beklagen braucht. Jedenfalls nach deinen, sagen wir also rein äußeren Mißerfolgen ist deine Stimmung ja begreiflich.
Stimmung? Was nun schon länger, als ein ausgeschlagenes Jahr bei mir anhält? Was an mir rumfrißt? Seit du mit deinem verklausulierten Enthusiasmus über den Schund den Stein damals ins Rollen gebracht hast? Was mich zum Kretin gemacht hat? Was mich seit Monaten keinen Pinsel mehr in die Hand nehmen läßt? Nach den Bildern hin. An den ... Stumpfsinn hab ich geglaubt! An den ... Dreck hab ich mein Leben gesetzt! Wenn andre ihr Theater flunkerten, hab ich hinter einem alten Bauzaun gehockt und mich abgemartert, ein idiotisches Stück Vieh zu klecksen, das in widerlichem Kehricht nach Lumpen harkt! Wenn andre ihre »Seligen Inseln« schmierten, war ich so hirnverbrannt, mich in irgend so n Proletenwinkel zu verkrallen, vor dem mir jetzt die Haut schaudert! ... Natur!! Das eine packts nicht und das andre nicht! Das eine schießt rechts vorbei und das andre links! Wir sind alle Schwindler! Alle!! ... Gib mir einen Grund, auf dem ich wieder stehn kann, eine Idee, an die ich wieder »glauben« darf, ein einzjes, das alles umfaßt, die ganze Skala, und ... Erschöpft; auf den Sessel rechts zu, den er packt und an dem er sich hält. ich würde es ... nochmal ... versuchen.
Aus meinem Hirn ... wächst nichts mehr! Ein Kaputter mehr in einer Kunst, die vielleicht längst schon ...
Zum alten Eisen gehört! Weil »der erste beste Grasfleck« et cetera! Deine neuste Verzweiflungstheorie! Mit solchen Anforderungen, wie du sie stellst, hättest du dich überhaupt nie ...
Also hörst du? Ich bestehe darauf! Nach seinen Vasen zurück. [144] Ich brauch den Krempel nicht! Ich möchte wissen, was ich noch damit anfangen soll? Du mußt jetzt deine ganze Zeit haben! Und du wirst sie haben! Ich bleibe bei dir nicht einen Tag mehr, wenn du noch länger gegen dich in dieser Weise bis zur Selbstzerstörung wütest!
Zehn Jahre! ... Gearbeitet wie ein Sträfling, Qualen ausgestanden wie ein Verdammter, und das ... der Schluß! ... Wieder Mitte der Bühne. Kunst! Greifen, was sich nicht greifen läßt, einem Phantom nachjagen, das unerreichbar ist, auf einer Nadelspitze tanzen, auf der noch nicht mal Raum für den zehntausendsten Teil eines Stäubchens ist!Fast hysterisch; schon halb schluchzend. Auf solche ... Idiotie zu verfallen! ... Sich wieder zusammenraffend; verbissen. »Kunst«!! Kurzes, einmaliges Auflachen ... Und unterdessen Höhnisch. leben andre das Leben!! ...
Wie es der alte Lipsius gelebt hat! Url: aufblickend. Der hats gelebt! Gründlichst! Der hat sich vor nichts geekelt! ... Trotz seiner bereits Sechs oder Siebenundfünfzig! Der ist noch heute jünger, als wir beide zusammengenommen!
Weil ich zu dumm bin! Verpfuscht schon vor allem Anfang und noch mehr durch diese blödsinnigen ...In ohnmächtiger Wut zu seinen Bildern hoch' dann halb nach der Tür rechts. durch die ich auch andre noch verpfuscht habe! ... Wieder zu Url; stehngeblieben; von neuem; mit noch immer sich steigernder Heftigkeit. Und so ein Dummkopf ... siehst du?! Das Wort nochmal und allerheftigst. so ein Dummkopf ... bist du auch! Noch weiter in den Vordergrund rechts. Alles hättest du haben können! Alles! Und was hast du gehabt? Wie hast du dir die schönsten Jahre verfumfeit? ... Auf ihn zu. Zwischen deinen Mappen hast du gehockt, in deine Bücher hast du dich gewühlt, in nichts wie in deinen ganzen, alten, albernen, übergefahrnen,[145] schnurrpfeiferischen Krimskrams warst du verdöst! Nichts, nichts, nichts, was nicht ödester, blödester, hirnverbranntester, hirnverbrühtester, hirnverrammeltster Selbstbetrug war! Und jetzt? Jetzt bist du fertig! Fertig wie ich! Jetzt darfst du dort ... Stallknecht werden, wo wahrscheinlich andre ... im Sattel sitzen! Gratuliere!!
Was habt ihr ... gehabt? Sie war außer sich! Sie will ihren Fuß nicht mehr über diese Schwelle setzen!
Vor einer Viertelstunde! ... Jetzt kenne ich sie und weiß Mit letztem Grimm. was den, der ihr unter den Frachtwagen gerät, mit tödlichster Sicherheit erwartet.Nach ihm zurück. Ein Probestück, dem du, lieber Sohn, nicht gewachsen bist!
Ich gebe dir mein Wort! Was mich an sie fesselt, hat mit dem, was du mir jetzt unterschiebst, nichts mehr gemein! Seinem verwunderten Blick voll begegnend. Nicht das Geringste mehr!
Das glaub dir einer! ... Höhnisch nach ihm zurück. Seit fünf Minuten! Nicht wahr? Läufst ja schon diese ganzen Wochen wie so n Hypnotisierter rum!
[146]Kommt einem mal wirklich was in die Quere, wo man fast ahnt, was einem das Dasein Wieder mit einem Blick über seine Bilder. statt dieses vertrottelnden Hinvegetierens alles zu bieten hätte, und man benimmt sich, wie n ...Abbrechend. Wir sind schon n Paar stupide Burschen, alle beide! Url: wortlos von ihm abgewandt .... Jawohl. Du wirst sie nicht kriegen, und ich werd sie nicht kriegen! Du, weil man dir alles verbuttert hat, und ich, weil ich der kompletteste Idiot bin. Also in die Perücken brauchen wir uns deshalb nicht zu geraten. Gott sei Dank nicht! ... Da Url noch immer schweigt. Du! ... Ihn an die Schulter packend. Url! ... Mensch! ... Sei doch vernünftig! ... Durch die Zähne. Wegen solchem ...Das Wort nicht aussprechend.
Na, was is denn so n Weib? Gib ihr Rapid. zehn, zwanzig, dreißig, vierzig, meinetwegen fünfzigtausend Mark, und du hast se!
Elfter Januar! Mit beiden Unter armen und den ohnmächtig geballten Fäusten gegen die Wand schlagend. Elfter Januar!! ...Als ob sich alles gegen einen verschworen hätte! ... Wieder auf den Tisch zu. So ein Pech! Mußtest du ihr auch grade in den Weg rennen! Als ob es ausgerechnet nur die eine Straße gäbe! ... Was war denn das überhaupt für n ...Stehngeblieben; sich räuspernd-würgend, dann mit doppelter Wut das ihm infame Wort aus sich ausstoßend Stiesel? .... Alt oder jung? Schon n Tattrich, oder ... Sich plötzlich selbst unterbrechend. Im letzten Drittel der Bühne nach dem Fenster hin, durch das über den inzwischen immer blauer gewordenen Schneedächern jetzt ein tiefroter Sonnenuntergang [147] brennt; die Arme etwas seitlich nach hinten ausgestreckt, beide Fäuste gebaut; in die Dachlandschaft vor sich wie gebannt starrend. Herr Gott ... die ... Sonne!! ...
»Sonne«? ... »Sonne«?? ... Die Ellbogen auf den Knien, den Kopf in beiden Händen; aus seiner Stimmung dunkeldüster vor sich hin. Finsternis!
»Finsternis!« ... Plötzlich, wie elektrisiert, zu Url rüber. Du!! ... Url, von dem seltsam elementaren Ton, mit dem Hollrieder diese eine Silbe ausgerufen, aus seinem Brüten aufgeschreckt; Hollrieder, wieder nach dem Fenster blickend, noch wuchtiger. Ich habs! ... Wieder zu Url rüber; der unwillkürlich erwartungsvoll aufgestanden. Eben! ... Diese Sekunde! ... Wieder nach dem Fenster hin; mit dem Finger deutend; fast keuchend; zwischendurch immer wieder nach Url zurückblickend. Sieh! ... Sieh!! ... Das ist noch nichts! ... Das ist noch gar nichts!! ... Vor fünfzehn Jahren! ... Jene ... große Sonnenfinsternis!! ... Nach Url zurückgedreht; mit halb erhobenen Händen, wie an einer Vision formend. Berlin an jenem unvergeßbaren Augustmorgen! ... Hunderttausend, die früh auf den Kreuzberg gezogen waren ... aus allen Ständen, in allen Gruppen ... Menschen, Tiere ... der Himmel in hundert Farben, rund der qualmende Riesenhorizont ... das ganze Tempelhofer Feld, unabsehbar, eine wimmelnde Masse ... Erwartung ... auf schauernde Kühle, und dann, langsam ... das Grauen! Hier noch ein grelles Stück Sonnenlicht, leuchtendste Wipfel, Turmspitzen, die Gesichter lachend, fröhlich, dort schon die Dämmrung; die Tiere unruhig, die Menschen grünbleich, schwirrende Dunkelheit, Entsetzen! ... In diesem Moment stak alles! Alles!! ... Die ganze Skala!
Lichtwirkungen, Lichtausschüttungen, Lichtoffenbarungen,[148] daß einem vor Staunen und Grausen kaum noch ... das Herz schlug ... Mienen, Gebärden, Gesten, Bewegungen ... Szenen, die sich in die Seele ... wie Senkbleie gruben ... eine Idee, eine Zusammenballung ... eine Synthese, die Augen wie Hirn ... mit gleichem Zauber, mit gleichem Entzücken ... mit gleichem Schauer füllte ... die ein alles umfassendes, alles umreißendes, alles umgreifendes ... Symbol war ... und die dich ... mit ihrer zermalmenden Größe, ihrer schillernden Vielfalt ... ihrer unausschöpfbaren Tiefe ... bis in den letzten Nerv traf! Da gab es nicht einen, nicht einen ... keinen ... der nicht zitternd davon ... gepackt war! ... Das ... mal ich! ... Auf den Sessel zu, die Worte kaum noch aus sich rausbekommend. Sollte ich ... noch einmal ... Vor dem Tisch schluchzend zusammenbrechend ....
Er arbeitet noch an der Ecke rechts und ist also, namentlich sobald er etwas zurücktritt, für den ganzen Zuschauerraum sichtbar. Url einige Schritte vor Hollrieder nach dem Zuschauerraum zu in einer Haltung, der man anmerkt, daß er Hollrieder grade Modell steht. Hollrieder, der eben aufblickt, zu Url; Drehung mit der rechten Hand; scharf. Bitte! ... Etwas mehr ... Da Url die gewünschte Stellung bereits eingenommen hat So. Keine Sonne.
Als die Herren vom Vorstand der Sezession eben gingen, hat bei deinem Freund Musmann die Tür geknarrt.
Auch dein Kopf ... scheint mir jetzt wieder zu stimmen. Ihm leicht abwinkend. Danke dir. Diese verdammte Gruppe! Auf die ich den ganzen ... Kitsch überhaupt angelegt habe!
Alles auf die drei! Als ob sich das damals ... so abgespielt hätte! Auf die Stelle deutend, an der er eben gemalt hat. Ich stand allein auf dem Fleck! ... Aber das kommt davon, wenn man »komponiert«! Man soll nicht komponieren! Komponieren heißt fälschen!
Hab ich die ganzen ... drei Monate geschuftet ... so werd ichs doch wohl ... auch noch diesen einen Tag durchhalten!
[151].. verlaß dich drauf! Jetzt auch vor dem Bild ganz vorn rechts. Grade unsre Gruppe! So scheinbar nebensächlich du sie auch in die Ecke gerückt hast! Man merkt sofort: diese drei sind nicht bloß notwendige Bestandteile des Ganzen, wie die übrigen, sondern sie wachsen aus ihm heraus und genießen dieses ... grandiose Ganze gewissermaßen schon zugleich als Kunstwerk! Erst das ... gibt den letzten Tupf auf das Bild!
In einem Augenblick taugts überhaupt nichts, und im nächsten wirfts wieder die ganze moderne Malerei über den Haufen!
Du bist überreizt! Diese letzten Nachtarbeiten haben dir den Rest gegeben! ... Ganz vorn links stehngeblieben und nach der Decke hoch. Aber daran ist diese niederträchtige Lampe schuld! Ich habe dich gleich gewarnt! Du hättest früher nie bei solchem Licht gemalt! Das muß einen ja ... Geste.
Ich weiß es ist mehr [152] wert ... als was ich je gemacht habe! Aber ob es das ist, was es sein soll ... ob es das wirklich ist ... Sich wie unter einem körperlichen Schmerz windend mm! ... Gott sei Dank, daß sie heute noch mal kommt!
Nun, ich habe dir ja deinen Wunsch erfüllt, und ... allzu schwer hat sie s mir nicht grade gemacht. Sonne.
Es war ohne jede Frage ...Mit einem kleinen Anlauf. außerordentlich liebenswürdig von ihr, mir ihre Privat-Studienaufnahmen, die, von dir abgesehn, noch niemand bis dahin gekannt hatte ...
Hundert Stück an der Zahl, und zwar, noch ehe du ihr dann deine erste Antrittsvisite gemacht hattest, völlig überraschend und unaufgefordert hierher ins Haus zu schicken.
Und euer Programm ... habt ihr also inzwischen beide zu Ende geführt?Bissig. Das überwältigende Schlußtableau ist euch geglückt? Wieder dunkel.
Soweit ich dies als vorläufiger Nochnichtfachmann beurteilen konnte ...? Sie ist von einer Begabung, die selbst das Gewagteste ...
[153]Die ... Augen! ... Die werd ich ... nie rauskriegen! Die bleiben mir ... wie tot drin! Oder obs am Mund liegt? ... Ich hab sie immer bloß ... wie durch ne Glaswand gesehn! ... Gleich von jenem ersten Tage ab! ... Und das ist nie anders geworden! ... Wie sie in Wirklichkeit is ... was sie in Wirklichkeit is ...Mit einem plötzlichen Blick zu Url rüber. das weißt du auch nicht!
»Ihre Sache!« Geste: wie sich etwas vormachend. Man darf sich doch wohl noch ... da muß irgend etwas ... Aus seinem dunklen Verdacht raus, tastend-ausholend, weiterbohrend. Wer fähig ist ... mit seinem eignen Korpus ... mimoplastisch eine solche Reihe ... unbezweifelbarer Kunstwerke hinzupflanzen ... wie sie uns ... aus jenen geradezu fabelhaften Photographien ...Auf ein unwillkürliches Räuspern Urls, nach einem rapiden Blick auf ihn. die sie mir ... rein sachdienlich ... für mein Bild zur Verfügung gestellt ... ganz unwiderlegbar ad oculos bewiesen waren ... kann absolut unmöglich ... bloß die kommune, trivial übliche Modell Vergangenheit hinter sich haben! Sondern ein solches ... phänomenales ... ja in seiner Art einfach geradezu singuläres ... »Individibum« ... Von neuem helle Lichtstimmung.
Sagen wir, in einer Sphäre aufgewachsen sein ... die eine solche eminente Entwicklung ... ganz besonders begünstigte. Möglich. Warum nicht?
Sie muß nach meinem ... verlaß dich drauf ... untrüglichen, grade in diesem Punkt ... unfehlbaren Instinkt ...
Wozu für mich, abgesehn davon und außerdem, auch noch ihr direkt ... faszinierend auffällig überlegnes, du wirst mir zugeben, ohnedem für ein solches, sonst geradezu Musterbeispiel feminini generis ... wie soll ich mich ausquetschen ... aber auch total ... völlig unerklärbares ... exorbitant außergewöhnliches, gewandt nach jeder Richtung, in allen Farben, Lichtern und Tönungen verführerisch ... schlangenklug schillerndes ... kurz und gut, frappierend ... einzigartig ganzes Wesen und Wissen paßt.
Warum denn bloß immer Adam? Url: zugeknöpft. Und nur durch ein ... weiß der Deubel was für ein Ereignis ... mir vollkommen schwanenhaft ... Da Url, jetzt abwartend stehngeblieben, ihm noch nicht antwortet; in seinem Unmut mit wachsender Heftigkeit. kann dieses Weib ... Starke Verdunklung.
Aus seiner ihr mal ursprünglich wie angegossen passend ... kongenialen und konformen ... ganz und gar anders gearteten Welt ... in diese ... skandalös widerwärtige ...
[155]»Hypothese!!« ... Nach einer kleinen Pause. Hast du schon mal übrigens was ... von ihrem merkwürdigen Renommee gehört? ... Da Url, im vorderen Mittelgrund stehngeblieben, ihn scheinbar verständnislos anblickt. Von ihrer ... »Spezialität«? ... Da Url noch immer abwartet. Alles an sich herankommen lassen, ja gewisse Dinge geradezu provozieren und im entscheidenden Moment dann ... Tritt?!
Nein! Hier war sie von einer Vorsicht ... Auf ein anderes Thema springend; immer bei seiner Arbeit. Diese sonderbaren, seltsamen Umständlichkeiten und Bedingungen, als sie mir damals zusagte! Kein Mensch dürfte sie hier sehn! Auf die Zugvorrichtung hin. Diese schauderöse Zugvorrichtung, daß ja nicht ein Unbefugter ihr Porträt ... Sollte es mal kungeln oder klopfen, »wer es auch sei« ...
Äh!! ... War ich doch nie auf diese wahnsinnige Idee verfallen! Kopf in beide Hände. Hätt ich dies ganze, furchtbare Biest doch überhaupt nicht angefangen!
Nerven. Wenn du s für zwanzigtausend Mark verkauft haben wirst, machst du vorläufig mal Schicht und ... ich hielte dann als das entschieden Beste für dich Nordland, Lappmarken oder die Lofoten.
Wir bleiben bis zum Achten in London, wo wir unsern Vertrag mit der Alhambra persönlich abschließen müssen, passieren am Zwanzigsten San Franzisko und schlagen dann unser Sommerquartier wahrscheinlich irgendwo am Fusijama oder in Nikko auf.
Sie hat mir versprochen ... noch in die Sezession zu kommen. Um zwölf ist die Eröffnung für die Geladnen. Um elf ... will sie da sein. Ich habe um die Erlaubnis ...
Nu, wenn schon, wenn schon! Ich habe also jedenfalls um die Erlaubnis auch für dich gebeten. Falls du sie also ... begleiten willst?
Ich werde sehn. Nach dem Fenster blickend, an das eben wie der ein Hagelschauer prasselt. Ein Wetter heut!?
Ja. Famos. Kleine Pause. Hollrieder eifrig weiterarbeitend, dann, von seinem Bild dabei nicht aufsehend. Wenn das Biest ... nun doch was ist ... ich meine ... wenns mir auch noch morgen gefällt ... wo s aus dem Atelier is ... wo ich s unter den ändern Bildern ... vielleicht wieder beurteilen kann ... ginge es da nicht ... daß ihr ebensogut ... erst übermorgen aufbrecht?
Sie besitzt dort bei Bougival ein kleines Landhaus, das ihre ganze Freude ist. Und da ihr dieser ... Japan-Entschluß ja eigentlich ziemlich Hals über Kopf kam ...
Du meinst die kleine, peinliche Geschichte mit dem Phryne Arrangement. Scheinbar leichthin. Sie hätte dich allerdings nicht erst auffordern ... und bitten sollen.
Ist sie dir zuliebe die letzten vier Wochen geblieben, so wirds ihr wahrscheinlich auch auf diese vierundzwanzig Stunden wieder nicht ankommen.
Jedenfalls sie blieb. Nachdem sie bereits zweimal ihren Vertrag verlängert hatte! Wieder seinen Weg zurück. Nimms mir nicht übel, aber jede Sekunde, die wir jetzt früher aufbrächen, wäre mir nachgrade wie eine Erlösung!
Wie stehts übrigens mit deinem ... Durch die Zähne. Riesenzentralkunstmarkthallenprojekt? Von dem sie ja so entzückt war?
Du scheinst es für ein bloßEntsprechende, das Aufsteigen einer Hirnblase markierende Geste vor der Stirn mit der Rechten .... nebulos eingebildetes Hirngespinst zu halten!
Ecke Leipziger- und Friedrichstraße, der ganze Block bis zur Dreifaltigkeitskirche in einem einzigen, pompös monumentalen, gewaltigen Passagenbau umgeschmolzen ...
Sagen wir hängenden Gärten etcetra, durch den du als Neo- Ratten, Mädchen- und Menschenfänger, wenn auch nicht von Hameln ... Einen Augenblick Sonne.
Durch den ich ... »verlaß dich drauf« ... in sicherster, zuverlässigster, statistisch kühlst bestimmtester Vorausberechnung den ganzen Weltstadtverkehr zwingen will ... zwingen will und zwingen werde ... So ist es ...
Wenn es dir gelingen wird ... Abbrechend und schneller Schluß. Alle Achtung! Das muß man dir lassen: mit Kleinem gibst du dich nicht erst ab!
Jetzt viel leicht doch noch etwas wie ein halbwegs brauchbarer Mensch zu werden. Weiter nach rechts. Amüsanter als umgekehrt! Es wird wieder dunkler.
Sie hat dir damals ... stockt nicht die Wahrheit gesagt! Url: vorn etwas nach rechts stehngeblieben; ihn prüfend ansehend. Sie kennt Berlin! Sie ist aus Berlin!
Mich interessiert jetzt, wie gesagt, nur noch, daß wir so bald als möglich von hier fortkommen! Und zwar Mit besonderer Betonung. zum gleichen Wohl aller Beteiligten!
Jedenfalls überkandidelten Kunstkauftempel und Allerweltsbasar, in dem du dann ja wohl auch allerhöchsteigenpersönlichst meine Bilder verhökern willst ...
Daß du damit also wirklich eines schönen Tages ... Einen kurzen Moment ungläubig-thomashaft zu ihm aufblickend nimms mir nicht übel, de facto in Ehren niederkommen, durchs Ziel passieren ... Bereits wieder bei seinem Bild und deine ... wieder stockend.
Durch dieses ... monströse achte Weltwunder ... total überraschte, überrannte und überrumpelte Zeitgenossenschaft beglücken wirst? Eine kurze Zeit wieder heller.
Ein ... solches, in der ganzen Welt noch nicht vorhandenes, gestatte mir schon, Kolossalhaus ... durch das täglich fast halb Berlin fluten würde, in dem es vom Billigsten bis zum Erlesensten nicht einen geschmacklosen Gegenstand gäbe, und das allabendlich, durch eine besondere Einrichtung, mit einem Ruck seine gesamten Geschäfts und Ausstellungslokalitäten in Klub, Vertrags und Konzerträume wandelte, verbunden mit Restaurants, Kaffees und Theatern, so daß das Geschäftliche für das Künstlerische und das Künstlerische für das Geschäftliche einspränge ... warum nicht?
Und in diesem Rassen–, Klassen- und Massenbumms ... in dieser ideal-realen Jahrmarktsbaracke und bachanalischen Trödelkarawanserei dich ...
Dich in deinem ewig nobel diskreten, stets leicht glockenförmig gleichen, immer ... ätherisch distinguiert ... präraffaelitisch angehauchten Kostüm als maître de plaisir!
Dies eigentümliche Haar! ... Als ich die Partie hier anlegte, hatte ich eigentlich bloß ... das scheußliche Rot in Erinnrung! Url: links stehngeblieben; sich vergewissernder Blick nach ihm. Nur einmal ... glaube ich solches Haar schon gesehn zu haben.
Musmann. Da Url noch abwartend dasteht und ihn ansieht. Ich bin diese letzten vier Wochen schon oft drauf und dran gewesen, seine fixe Idee, die in jedem Weibsbild, das auftaucht ...
Weiß der Himmel, wo das arme Mädel längst ... selbstverständlich! Url: von neuem, nach rechts. Halt mich nicht für so hirnverbrannt! ... Wenn sies wäre, brauchte sie dem Alten doch bloß ne Rohrpostkarte hinzupusten, nach Benevent, oder wo er sich jetzt sonst amüsiert, und das ganze Tiergartenviertel würde vor Enthusiasmus koppstehn!
April« trägt, und das er scheinbar interessiert anblickt; zögernd. Du weißt ja gar nicht ... was sich die ... junge Dame damals ... vielleicht hatte zuschulden kommen lassen.
Du lieber Gott! ... Lipsius! ... Man mag ihm alles nachsagen! Aber Moralfatzke ...? Sie hätte pekziert und ... angestellt haben können, was sie wollte! Wiederholt sogar und nach allen Dimensionen! Da Url, wieder etwas im mittleren Vordergrund, eigentlich im Moment gegen sein eigenes Interesse unwillkürlich eine, das etwas wie in Zweifel ziehende, leichte Bewegung macht; dadurch noch gereizter. Mit Pauken, Zinken, Zithern, Zimbeln und Trompeten! ... Bis ins Aschgraue! ... Abwehrend-kopfschüttelnd. Aber Moralfatzke? ... Zu Url direkt. Lipsius? ... Lipsius?? ...Energisch. Lächerbar! Unter keinen Umständen! Nein!! Also deshalb ...?! ... Geste. Nur man muß diesmal zugeben! Mehr als rätselhaft ... »Beatrice!« ... »Beatrice Cenci!« Man nennt sich nicht so!Hagel.
Ich bitte dich! ... Stell dir doch nur mal vor! Ausgerechnet, extra und expreß nach dieser mehr als zweifelhaften ... canaillös, pervers, blutschänderisch verbrecherischen ... Vatermörderin aus dem Cinquecento!
Trotz ihrer späteren Verehrer, deiner Lieblinge, Shelley, Stendhal und Konsorten! Man tituliert, etikettiert und nennt sich nicht so! Wie man sich ja auch nicht Torquemada, Rinaldo Rinaldini oder Schinderhannes nennt!
Erstens nennt sie sich nicht so ... Hollrieder von seiner Arbeit wie elektrisiert nach ihm hingedreht. Wenigstens nicht ... direkt öffentlich ...
Und neulich ... nach jener völlig überflüssigen ... abrupt von ihr vom Zaun gebrochnen ... blödsinnig lächerlichen Phryne-Arrangements-Affäre ...
Gleich sofort den nächsten Tag drauf ihre, wie mit dem Besenstiel, provokatorisch auffälligst auf offner Karte hingehaune und, wie ich das erfreut quittierende Gefühl hatte, für mich bestimmte, unmißverständlich deutliche Unterschrift an dich?
Wenn sie schließlich mir zu Gefallen ... Aus der bloßen Tatsache, daß sie dir Modell gestanden hat ...
Ich habe nicht davon angefangen Nach einer diesmal etwas längeren Pause; froh, die Angelegenheit damit erledigt zu haben; auf der Ecke der Chaiselongue schräg nach vorn, wie im ersten Akt; Unterarme auf den Knien, die Hände lässig gefaltet; veränderter Tonfall. Du erzähltest mir mal früher ... gelegentlich von einer Idee. »Gloria victis!« Oder »Nach der Revolte!« Ein verschneiter Kirchhof von Militär besetzt, die Särge schon im offnen Massengrab, die Menge mit entblößten Häuptern, die Führer ...
Du hast noch Zeit Stehngeblieben und nach ihm zurückgedreht. Sie kommt heute erst später. Und mit solchem zusammengeluchsten Zeug ...
Mir genügt, daß er uns die ganze Zeit ungeschoren ließ. Stoß von außen gegen die Tür rechts. Willst du mal sehn? Von neuem dunkler.
Alle Stücke seltsam neu; angesäuselt; mit dem Rücken gegen die Tür gelehnt; mit dem rechten Daumen nach der Richtung des Fensters hinstochernd; triumphierend zu Url; während seine Augen immer wieder nach dem Bilde schielen. Da unten ... steht einer!
Hhm-m! Ton auf der zweiten Silbe. Zu Url, während dieser eilig hinter ihm vorbeigeht; sich leicht umdrehend, als ob er nicht recht begriffe. Was hast du?
Einen Augenblick. Hat den mittelsten Fenstervorhang zurückgezogen, die Tür zum Balkon aufgerissen und lehnt sich nun, nach allen Seiten spähend, über das Geländer. Man hört eine kurze Zeitlang, lauter als im ersten Akt, das ferne Gebrande der Großstadt.
Daß es der Herr Oberkonsistorialrat bereits ... Musmann: automatisch wie eine Gelenkfigur auf das Bild zu; Hollrieder: Handbewegung, die ihn sofort wieder bis gegen die Tür klebt. Junge?! ...
Zweimal ... Aufschub ... und so neNach der Lampe hin. Tranfunzel ... noch obendrein! ... Haste dich ... schon blamiert!
Du hast recht An Hollrieder vorbei mit einem halben Blick nach Musmann. Gewisse Dinge stecken wirklich an.
[166]Das is n ... Bruder! ... Zu Url. Der läßt sich von keinem ... in die Suppe spucken! Tolpatschig mit dem Finger wie mit einem imaginären Revolver hantierend. Wenn der erst ... anlegt ...
Ich hab alles rausgekricht! Du hast mich ... beschwindelt! Wie du den Alten ... auch beschwindelt hast!
Du hast sie ... in deiner Gewalt! Die ganzen ... Jahre schon! Wie du mich ... auch mal ... in deiner Gewalt hattest! Deinetwegen ... müssen se alle ... abblitzen! ... Das macht dir ... Spaß! Einer ... hat sich schon aufgehängt! Und ich ... soll mich jetzt ... auch aufhängen! Ich ... häng mich nicht auf l Eh'r ... Hände krampfhaft, als ob er wen würgen wollte.
Und das ... läßt du dir gefallen?Zu Musmann. Wenn Sie auf Ihrer Verrücktheit hier Konzerte geben wollen ...
Und die ... Rosen ... die s bei mir regnet? ... Aus den Wolken? ... Rote? Blaue? Grüne? Gelbe? Und zu denen sie alle ... die janze Jesellschaft ... Unwillkürlich selbst eine solche Stellung markierend. wie verzückt ...
Aus den »Wolken«? Entsprechende Geste mit der Rechten, als ob Verschiedenes aus der Luft fällt. »Rosen«?
Tche! ... Zu Url; grimmig-verächtliche Kopfbewegung nach Musmann hin; ebenfalls ganz kurz. Hä! ... Unterdrückt zornig-bitter. Wie ... recht du in allem hast!
[168]Du hast mir doch ... ixmal selbst ... Sich einen Ruck gebend. Bloß dadurch ... hab ich das Ding doch ... überhaupt erst ... Sich mit vorgearbeitetem Brustkasten auf Hollrieder fast zuwälzend, sofort aber wieder zurücktaumelnd. auf mein Niveau gehoben!
Mensch!! Wenn du nicht sternhagelvoll betrunken wärst ... Hat die Tür geöffnet. Also nu aber ...Geste. Abgebrochner, pfiffähnlicher Laut.
Daß er mich bestohlen hat ... schnuppe! Is nich das erstemal! Aber das, was ich ihm eingebleut habe, so zu verraten und wieder mit dem üblichen Kompromiß zu kommen, mit einer so ausspintisierten Verlogenheit ...
Man schließt keine Kompromisse! Man setzt sich durch, oder man krepiert! Wenigstens wenn man Künstler ist!
[169]Ja: »Der!« ... Und wenn du jetzt auch noch so über ihn herziehst ... Wär an dem ... Lumpen nichts dran gewesen ...
Unsinn! So total übergeschnappt is er nich! Von seiner fixen Idee abgesehn, weiß der noch ganz genau, wie der Hase läuft! Ich kenn ihn wie meine linke Westentasche! Laß ihn nüchtern und mit Dritten zusammen sein, und von seinem Pips merkt ihm keiner auch nur das Geringste an!
Ach ... natürlich nichts Bestimmtes. Da Hollrieder jetzt von seiner Arbeit wieder leicht nach ihm hin aufsieht; durch sein Bild vor ihm verdeckt. Nur bei dem ... Schubjack muß man ja auf alles gefaßt sein!
»Bedauern« oder nicht! Entsinne dich, mit welchem Raffinement der »arme Kerl« dich mir anfänglich als seinen geistigen Schmarotzer hingestellt hat!
Und ich ... war seins! ... Hätte ich ihn nicht aus seiner natürlichen Bahn gerissen ... hätte ich ihm nicht für sein Wollen meins gesetzt ... hätte ich ihm nicht diese ... überschraubten Ziele gesteckt, für die sein Hirn nicht langte ...
Möglich. Sogar ... ich gebs dir zu, höchst wahrscheinlich! ... In keinem Fall hätte er dann so seine Balance verloren. Was früher, wenigstens in seinen ersten Anfängen, wärmste, herzlichste Zuneigung zu mir war, ein Gefühl des sicheren Sichgeborgenwähnens ... und ...
Aufrichtigste Anerkennung und Dankbarkeit ... Abbrechend-summierend. Es ist eben alles bei ihm in sein diametrales Gegenteil umgeschlagen!
Um so schlimmer! Daß du erst von ihm geheilt sein wirst, nachdem er dir wahrscheinlich Kopf und Kragen gekostet hat, ist für mich nachgrade ... Geste. Also reden wir nicht mehr darüber. Auch darüber nicht!
Ja so ... Natürlich Wieder an seinem Bild arbeitend; nach einer erneuten Pause. Soll ich dir sagen? ... Wie mir zumut is? ... Nach Url, der am Tisch wieder die Zigarette abstreift. Was fortwährend in mir schon die ganze letzte Zeit wühlt? ... Url zu seiner Rechten hinter ihn getreten, ihn fragend ansehend. Hollrieder: mit den Augen wieder auf seinem Bild. Ich werde in meinem Leben nicht mehr über dies Bild hinauskommen! Es spricht von mir so alles aus ... daß ich die Furcht habe ...
Ich habe dir noch nie ... gedankt! Auf eine leicht abwehrende Geste Urls. Nicht der nebensächlichen paar Groschen wegen, die ich dir ja jetzt hoffentlich bald werde wiedergeben können, sondern ... überhaupt! ... Erst durch dich ... und deine ganz andre Welt ... ist mir das Wichtigste aufgegangen! Die Bewertung der Dinge! Nicht was ich malte, wie ich es malte, war mir früher die Hauptsache! Heute weiß ichs! Beides! Der ist kein Erster, bei dem diese Waage nicht gleich steht!
Nicht bloß meinem Bild gegenüber, sondern jedem! ... Meinem ganzen Metier gegenüber! ... Ich bibbre davor schon heute, wenn ich daran denke, daß ich das Ding morgen ... unter all dem andern Kram ...
Ich hab ihr mein Wort gegeben!Wieder nach seiner Uhr sehend. Sie muß jetzt kommen! Wieder in sein Bild verbissen. Nur noch dieser eine Ausdruck! Dann: meinetwegen!
Sollte sie ... Von Hollrieder nicht bemerkt, unwillkürlicher Blick nach dem Balkon hin. eine plötzliche Abhaltung gehabt haben? Jähe Verdunklung.
Du hast ihr doch nicht etwa ... Dieses letzte Wort drängt sich bereits fast wider Willen über seine Lippen. [172] abgeraten? Beide sehn sich einen Augenblick lang an. Hollrieder wieder an seiner Arbeit. Verzeih.
Ich »glaube« und »hoffe« für mich gar nichts! Ich habe dir das schon einmal erklärt. Ich denke nicht mehr daran! Ich möchte nur nicht ...
Ich kann nicht in ihrer Seele lesen. Sie ist und bleibt mir in ihrem letzten Wesen ... ein Rätsel. Aber ein Mann wie du ...Hollrieder abwartend, Url nicht ganz klar, wie er sich in diesem Augenblick ausdrücken soll. Bei deinem extremen Standpunkt gegenüber gewissen Dingen, bei deinem unglücklichen Temperament nach jeder Richtung, du wärst imstande, du würdest dich nie ... Hagel.
Wenn du durchaus und absolut willst ... daß uns dies noch im letzten Augenblick auseinanderbringt ... Beide messen sich.
Ich kann und werde jetzt nicht mehr bleiben. Aber wie das Abenteuer, in das du dich in deiner Verblendung jetzt stürzen willst, auch auslaufen wird: ein Mensch von deinen Qualitäten scheint mir zu wertvoll ...
Trotz deiner erhabnen Abwehr: ich würde nicht tatlos zusehn, wenn du dieser einen Leidenschaft wegen, von der ich nicht mal überzeugt bin, daß sie auch nur das Glück der ... sagen wir andern Partei sein würde, deine ganze Zukunft aufs Spiel setzt!
So wenig ich allerdings auch ... bisher verstanden habe, mein bißchen eignes Schicksal in der Hand zu behalten ...
Und wenn ich mich damit ... um das Letzte bei dir brächte! Der zarte Herr mit dem Stich ins Ultraviolette, für den du mich noch immer zu halten scheinst, Auf einen entsprechend musternden Blick Hollrieders. und zwar trotz meines von dir kaum eben erst so dankenswert anerkennend hochgefeierten »Kostüms«, bin ich nicht mehr. Ich sehe hier klarer und weiter, als du.
[174]Also möchtest du mir über deine beabsichtigte weise Vor- und Fürsorge nun mal endlich reinen Wein einschenken? ... Darf ich drum bitten?
Man hört von draußen eine zweite Tür ins Schloß fallen. So ein ... Narr! Palette und Pinsel auf den Maltisch werfend; auf die Tür zu; die Tür bleibt auf, man hört klopfen und an einem Drücker rütteln. Du! ... Machst du nicht auf? ...Wieder zurück und vor seinem Bild. Kindisch!Sein Malzeug wieder wegwerfend; erbittert auf und ab. Sich einzuriegeln! ... Man hört von draußen eiligste Schritte, die Tür wird aufgestoßen, und mit allen Zeichen höchster Erregung, noch ganz erschöpft, erscheint Beatrice. Ihr Haar ist nicht mehr rot, sondern goldblond.
Es will jemand zu Ihnen! ... Schließen Sie ab! Da Hollrieder, von ihrer Aufregung halb angesteckt, dies mechanisch tun will, Beatrice, längst an ihm vorbei, schon auf dem Weg nach der Tür links wieder stehngeblieben. Nein! Lassen Sie! ... Verdecken Sie bloß mein Bild!
Die Tür weisen ... Aber sagen Sie nichts! Hören Sie? Nichts! Kein Wort! ... Man vernimmt bereits Tritte die Treppe hoch; flüsternd; schon halb hinterm Vorhang vor der Tür links; nach dem Bild. Vergessen Sie nicht!
Mein Gott, mir zuliebe! ... Mit besonderer Betonung, da Hollrieder noch zaudert. Mir zuliebe! ... Schnell. Ziehn Sie den Schlüssel ab!
Es klopft nochmals und stärker. Er findet kaum Zeit, über die rechte Ecke seines Bildes den Leinenvorhang zu ziehn.
Haar stark silberfädig. Buschige schwarze Brauen. Teint frisch-gebräunt. Stolze, noch kraftvolle, durch die Spuren überstandener und wohl auch noch immer in ihm wühlender Leidenschaften doppelt interessante Züge. Langer, krauser, spitz zulaufender Künstlervollbart. Sehr elegant. Weicher, mondäner Reisemantel, entsprechender Hut. Stock, Garmaschen. Trotz seiner bereits nahen Sechzig noch fast jugendlich elastisch. Seinem Benehmen merkt man an, daß er innerlich womöglich noch nervös erregter als Hollrieder ist. Aber er hat sich in der Gewalt und verbirgt seinen wahren Zustand fast durchgehends mit größter Geschicklichkeit. Bereits mit seinem ersten Blick den Raum musternd. Störe ich?
Daß Sie mein dreimaliges Klopfen ... ganz überhört haben! ... Nach dem Bild hin, das er noch nicht ganz überblicken kann. Gestattet? Jetzt ebenfalls vor dem Bild hinter Hollrieder, der ihn nicht daran hatte hindern können. Donnerwetterja! ... Etwas zurückgetreten, [176] um das Bild in möglichst günstiger Beleuchtung zu sehn; es ist wieder einen Moment heller geworden; die Situation einen Augenblick ganz vergessend; in ehrlicher Bewundrung. Wo bleibt da alles, was Sie bis jetzt gemacht haben? Vom Bild aufblickend; zu Hollrieder hin, der etwas nach dem Fenster zu steht. Nun sind Sie doch hoffentlich geheilt von Ihrer Krankheit? ... Eine Kunst, die noch solche Dinge kann ...Nach dem Leinenvorhang rechts hin. Darf ich mir jetzt mal das Ganze ...
Ja so! ... Pardon. Mit einem Rundblick wieder den Raum musternd; dabei, leise, die Tür links streifend. Starke Verdunklung.
Danke. Vor dem Schränkchen über der Chaiselongue; nachdem er es mit scheinbarem Interesse gemustert. Ein schönes Stück. Da Hollrieder, unmittelbar neben der Bildkante stehngeblieben ihm mit zusammengezogenen Brauen fragend nachblickend, nichts antwortet. Hm. Sich zurückdrehend und nach dem Vordergrund links zu, dabei den Teppich sowie den Leuchter musternd. Herrlich!Jetzt einige Schritte vor dem Regal, das ihm selbstverständlich ebenfalls noch unbekannt ist. Seltsam! Mit einem abermaligen Blick nach der Tür links etwas mehr nach dem Tisch hin, zu Hollrieder. Es hat sich hier ... Verschiedenstes ...Abbrechend und dabei scheinbar die alten Bilder inspizierend; gemacht leichthin. Verkehren Sie noch mit diesem ... e ... Als ob er nicht gleich auf den Namen käme; noch näher auf eins der Bilder zu, als interessiere ihn das ganz besonders. Richtig! Musmann! Dabei leger zu Hollrieder zurückgewandt. So ... titulierte sich ja wohl Ihr ... ehemaliger Intimus?
[177]Ja. Ja. Freundschaft!Da Hollrieder, der ihn mißtrauisch beobachtet, wieder nicht antwortet. Aber sonst ... e ... Einen Blick Hollrieders auffangend, der ihn veranlaßt, in der Nähe des Tisches stehnzubleiben und seinen Augen nicht länger auszuweichen. Veränderter Tonfall. Es ging vor mir eine Dame rauf. Ich glaubte ... sie wäre hier verschwunden.
Ich hatte auf der Treppe den bestimmten Eindruck, daß diese Flucht mir persönlich galt.Hollrieder: Achselzucken. Lipsius: hartnäckig; ihn scharf dabei fixierend. Sie galt mir persönlich.
Wollen Sie mir dann also nicht wenigstens ihr ... Nach dem Leinenvorhang hin; unwillkürliche Handbewegung. ihr Porträt aufdecken?
Wenn ich Ihnen auch zu Dank verpflichtet bin, und welche Gründe Sie auch veranlaßt haben mögen, dieser Dame lästig zu fallen ...
Ich darf Sie nach allem, was Sie an mir getan haben, leider nicht ersuchen ... diesen Raum zu verlassen. Pause.
Nach dem Eimer kalt Wasser, den Sie mir eben über den Kopf gegossen haben, hoffentlich nein, Herr Professor.
Bitte. Pause. Lipsius: nervös. Hollrieder: veränderter Tonfall; erst jetzt ihn wieder voll anblickend. Warum sprechen Sie nicht frei und offen zu mir, Herr Professor? Das war doch früher Ihre Art. Oder sollte mein ehemaliger ... »Intimus«, wie Sie ihn vorhin nannten ...?
Beteiligter oder nicht, jedenfalls, daß gewisse Winke und Mitteilungen mir zugegangen sind, leugne ich nicht. Leugne ich keinen Augenblick! Achselzuckend. Aber der ... Name ...
Sie zeigen sich orientiert in einer Weise, daß ich an der Richtigkeit der Angaben, die man mir gemacht hat, eigentlich kaum noch zweifeln kann.
Halten Sie von mir, was Sie wollen, schieben Sie mir in die Schuhe, was Sie Lust haben, ich bin im Moment ... gegen Sie wehrlos!
Nun ...Langsam quer über die Bühne an Hollrieder vorbei in den Vordergrund rechts. Damit wüßte ich ja dann jedenfalls ...
Die Beschuldigung ... ist eine so [180] ungeheuerliche, die ... ganze Sache so ... ich ... kanns noch nicht glauben!
.. nach einer steifen, kaum merklichen Verbeugung auf die Tür zu; sich zusammenruckend. Also auf morgen! ... Die Hand schon auf dem Außendrücker, nochmals zu Hollrieder, der ihm gefolgt ist, zurückgedreht. Und ich will hoffen ...
Gleichfalls, Herr Professor! Die Tür hinter ihm schließend. Nach einem kurzen Blick auf die Tür links; die Augen geschlossen, die Hände gekrampft, die Zähne zusammengebissen. Na! Auf die Tür links zu, die er aufschließt und öffnet; zwei Schritte zurück. Herr Professor Lipsius war so liebenswürdig, Ihnen den Eintritt wieder zu gestatten.
Herr Professor Lipsius konnte nur in Andeutungen sprechen. Da er Sie hinter der Tür vermutete. Und weil er seiner Sache nicht sicher war! Haben Sie diese ... Andeutungen verstanden?
Sie beklagten sich wiederholt, daß Ihnen der ... Gentleman da nebenan auf der Treppe nachgeschlichen wäre. Und mehr als einmal haben Sie ihn nach der Vorstellung noch stundenlang gegenüber von Ihrem Hotel bemerkt. Hat er Sie sonst noch ... zu behelligen versucht?
Er hält Sie für das vor zehn Jahren verschwundne Fräulein Tochter Mit einem unwillkürlichen, kurzen, ergrimmten Rücknicker nach der Tür. von dem Herrn!
Der Roman Ihrer Jugend ist mir durch Herrn Url ... Ganz vorn in der Mitte der Bühne; erst jetzt wird ihr bewußt, daß sie mit Hollrieder ja ganz allein ist; lebhaft beunruhigt; unwillkürlich nach der Tür rechts blickend. Übrigens ... wo ist Herr Url?
Das Leben, das Herr Professor Lipsius nach einer gewissen Richtung führt, ist bekannt! Einsetzender Hagel.
Genau das, was Sie aus meinen Worten raushören! Daß Sie unter der Zahl seiner mehr oder minder freiwilligen Opfer ... Abbrechend; den Blick wieder nach ihr hin. Es brauchte ja nicht erst ... seit heute und gestern zu datieren.
Ich verbiete Ihnen, in diesem Tone zu mir weiter zu sprechen! Das Leben, das Herr Professor Lipsius nach Ihrer »gewissen Richtung« führt, oder führen mag, geht mich nichts an! Wie es Sie auch nichts angeht! Mit einem schnellen Blick über die Bilder; mit sehr verständlicher Betonung. Wenigstens wenn ich recht informiert bin! Von neuem bis in die Mitte des Vordergrunds und dann wieder zurück.
Glauben Sie, ich hätte mich sonst dazu hergegeben, einen Menschen, der mir nur Gutes getan, einen Mann, den ich trotz seiner Fehler verehre ...
»Verehren« Sie ihn! ... Sie haben dazu Ursache! Höhnisch-bitter. Grade Sie haben dazu Ursache! ... Grade Sie!
Sie kennen ihn! Sie kennen ihn vielleicht sogar noch genauer als ich! ... Warum wollen Sie mir nicht die Wahrheit sagen?
Das ist nicht wahr! ... Mit offnen Handflächen, den Kopf leicht vor, die Hauptbetonungen stärkst unterstreichend, zum Schluß beide Fäuste energischst geballt. Wenn Sie sich diese ganzen Wochen auch durch kein Wort verraten haben ... Ihre Augen, Ihre Stimme ... es ist nicht wahr!
Wenn Herr Url sich Ihnen gegenüber Vermutungen erlaubt haben sollte ... Stehngeblieben; ihn wieder anblickend. Übrigens ... ich glaubs auch nicht.
Sie? ... Der Sie vor vier Wochen noch zu stolz waren, auf meine Einladung damals, als ich Sie so gern zu unsrer letzten Probe gehabt hätte ...
Es war mir ... nicht möglich! Ich ... konnte nicht anders! Schon der bloße Gedanke an diese ... Schaustellungen hat mich gemartert! ... Fast nur zu sich. Widerwärtig! Beatrice zusammenzuckend ... Voll nach ihr zurückgedreht. Ich kann arbeiten! Ich werde von morgen ab unabhängig sein! Ich darf jetzt daran denken ... ein andres Leben an meins zu ketten! ... Geben Sie Ihren ganzen ... Jahrmarktströdel auf und ...
Ich bin Ihnen ... nicht gut genug! Sich schnell steigernd. Aber wenn statt meiner jetzt ... er hier vor Ihnen stünde ... er ... der große Künstler ... mit seinen Millionen und seinen bald sechzig Jahren auf dem Rücken ...
Glauben Sie, ich habe mich auch nur einen Augenblick in die Illusion gewiegt, daß ein Wesen wie Sie, das seit Jahren jeder Anfechtung ausgesetzt war, das von Hunderten begehrt ... Zerquält abbrechend.
Von diesen Hunderten hat mir keiner auch nur die Fingerspitzen berühren dürfen! Ich habe sie ihr Begehren entgelten lassen! Ich habe mich an jedem, der sich mir zu nähern wagte, für das, was man mir angetan, gerächt! Wenn Sie ahnten ... Leiser, von ihrer Leidenschaft fast erschöpft. wie es bis vor kurzem noch ... in mir ausgesehn!
Alles verstehe[185] ich! Alles begreife ich! Leichtsinn! Leidenschaft! Jugendrausch! Aber dieser Mann, der Ihr ... Vater sein könnte ...
Ich bitte Sie! Schweigen Sie! ... Was Sie sich da vorphantasieren, ist Wahnsinn! ... Ich kenne ihn! Gewiß! Und er kennt mich auch! ... Aber wenn ich einen hasse, wenn ich einen verachte, wenn ich heute einem ... das Schlimmste wünschte ... dann ist es er! ... Er!! ...
Was er mir angetan, ist mehr als Mord! Er hat mein ganzes Empfinden vergiftet! Er hat mir mein Leben zum Abscheu gemacht! Er hat mich um Alles gebracht! ... Und ihm ... nur ihm haben Sie es zu danken, daß Sie mich morgen ... zum letztenmal sehn! Während gegen die Scheiben noch die letzten Hagelkörner prasseln, draußen schon wieder blendende Sonne.
Bißkn mehr rechts! ... Höher! ... Halt! ... Nochn bißkn! ... Vorsicht! ... Det Ding is noch naß! ... So! ... Nu jehn Se! ... Horchen Se aber erst im Büro nach! T sind da noch son paar Lorbeertöppe oder sowat umzustelln! ...Wartet, bis die beiden Arbeiter, denen er mit den Augen folgt, durch den letzten Raum nach rechts verschwunden sind; dann zu Musmann: Bratenrock, schwarze, ungebügelte Hose, aufgearbeiteter Zylinder. Neenee, wissen Se, ick kann det nich leidn, wenn da draußn vorn Einjank eener immer so rumstreicht! ... Wat wolltn Se dnn schon so früh? ... Is ja noch keen Mensch da!
Ochso! Nu ja! Natierlich! ... Ick fleje ooch efter! ... Setzn sich doch n Hut uff! Ick erkälte mir ooch nich jern!Nach dem Bild Hollrieders. Na? ... Wat sagen Se nu zu Ihrn Freund? ... For dies eene Bild jeb ick die janze Ausstellung, wissen Se! ... Verwundert. Habn Se t dnn noch jar nich jesehn? ... Sie machen Oogen ...
Beschwern könn sich nich! Jrad vis-a-vis haben wir t jehänkt! Die beiden Bilder, mit dem geistvoll [188] scharfgeschnittenen Charaktergesicht nach dem Zuschauer, aus der Ferne miteinander vergleichend. Ick finde, det s sehr lehrreich! ... Zwee Maler, die mal von een und den selben Punkt ausjingen, und nu diese beedn Resultate – det is n Schulfall! ... Zu Musmann direkt; mit leiser Ironie. Wer war dnn nu eijntlich »derjenje welcher«?
Nu ja, sehn Se. Da hätten wirs mal wieder. Den jeht wie mir! Ick habe meine Bilder ooch nich jemalt! ... Mit der flachen Hand zeigend. Det war son Kleener! Und jestottert hatter ooch noch! ... Na, Se kenn ihn ja.
Den und keen andern! ... Er kam mal zu mir, und denn hab ick ihn mein Sommerpaletot jeschenkt! ... Ihm auf die Schulter klopfend; »väterlich«. Verschenken Sie nie n Sommerpaletot! Nach Musmanns Bild hin. Der Schnee is nich schlecht jemalt! ... Nich jrade, det man sich uffrehcht, aber ... Scharf akzentuiert, während er Musmann dabei anblickt. Der frühr war anders! ... Einige Schritte hinter Musmann vorbei auf dessen Bild zu; Musmann ebenfalls ganz seinem Bild zugekehrt. Auch jejn det Millitehr hab ick nischt, wissen Se! Sojar die Arbeeter! ... Den Kopf einen Augenblick kritisch auf die Seite legend. Vielleicht schon n biskn zu sehr, verstehn Se, mit son jewissen Aweck nach det ... uffjepluhstert Heroische rüber, aber schließlich ... wenn man son Sujet nu mal annimmt ... warum nich? Sowat jibts! ... Noch einige weitere Schritte auf [189] das Bild zu. Bloß wat habn Se sich Verdeutlichende Handbewegung, als ob etwas aus der Luft fällt. bei die ulkjn buntn Dinger jedacht?
Det heeßt, nu ja, natürlich! Wat Se sich bei »jedacht« habn, weeß ick! Wozu malt der Mensch? Dett er t verkooft! Und sowat verkooft sich! Sich abwendend und einige Schritte nach links hinten; ihn blutig dabei aufziehend. Nich wahr? Det meen Se doch? ... Wieder nach ihm zurückgedreht. Bloß mir sind noch keene uffn Kopp jefalln!
Na da habn Se doch t Motiv her! Det fühlt doch ne blinde Frau mit n Krückstock! Nach ihm zurück. Also redn Se nich!
Ach wat, Idee! Stehngeblieben und nach dem Bild rüberdeutend. Da! Kiekn sich mal Ihrn olln Kompagnon an! Idee is da ooch drin! Aber wat for ne? Von n Maler aus! ... So jroß, da Ein Auge ironisch zukneifend, so daß man merkt, daß er damit natürlich eigentlich bloß Musmann meint. können wir beede uns man dafor verkriechen! ... Det heeßt ... ick verkriech mir ja so leicht nich! Jlooben Se? ... Wieder nach dem Bild Musmanns hin. Soll k Ihn sagn, wat det is? ... Det is keen Bild, det s n Lehrjedicht! ... Oder, wenn Se wolln, n Leitartikl aus n »Vorwärts«!
Kunst kommt von Könn'n! Jetzt, ganz rechts, wieder nach ihm zugedreht. Dankn Se Jott, det Se diesmal nich überhaupt schon bei de Jury rinjeschliddert sind! ...
Aber nu natürlich! Selbstverständlich find ick! ... Mit dem rechten Zeigefinger nach dem Bild hin, den Kopf nach Musmann. Uff det Bild könnt ick nich stolzer sind, und wenn ick t selbst jemalt hätte! ... Mit scheinbarer Vertraulichkeit; etwas zu ihm nähertretend. Und wolln Se mer jloobn? ... Ooch det verkooft sich? N hiesjer Kunsthändler, den Se sehr jenau kenn'n, verstehn Se, hat n jestern nachmittach fünwunzwanzichdausnd Mark jebotn!
Det s doch keen Preis? ... Mit der Rechten wieder nach dem Bild hin. Mit jedn Dach, wo t hier hänkt, wirds um dausnd Mark wertvoller! ... Se machn wieder Oogen ... Plötzlich in markierter Besorgnis um das Bild. Bohrn Se mer keene Löcher rin! ... Wenn t ooch schon versichert is!
Det s die von damals aus n Winterjartn! ... Eene Fijur ... Geste; erhobne Rechte, zugespitzte Finger Zucker! ... Wieder zu Musmann direkt; etwas näher an ihn herangetreten; scheinbar vertraulich. Sie machn sich wohl nischt aus die Weiber?
Sonst ... wer so ville arbeet, verstehn Se, det kommt vor! ... Mir mein ick natürlich nich! ... Mit einem Seitenblick. Sind n bißken nervös! ... Müssn heiratn! ... Sonst sehn Se janz jesund aus!
Danke. Der Diener, der sich vor dem ihm bekannten, großen Künstler ehrfurchtsvoll verbeugt hat, noch im selben Raum wieder ab.
[191]Nanu? ... Hinten um den Sitzblock herum auf ihn zu. Wo kommn Se dnn her? ... Ich denke, ich höre nich recht! ... Mit vorgestreckten Armen. Sind doch in Italjn!
Da ist es ja! ...Er sieht sofort nach der Ecke rechts und blickt dann schnell nach Musmann, der diesen Blick triumphierend auffängt. In seinen Mienen wie in seiner ganzen Haltung drückt sich eine große, innere Bewegung aus, deren er nur mit Mühe Herr werden wird.
Wat? ... Det s ne Leistung! ... Sowat habn Se da unten nich zu sehn jekricht! ... Uff zehn Quadratmeter alles, was Se von n modern'n Bild überhaupt bloß verlangen können! ... Und nich etwa bloß technisch, Jott! ... Sich im Raum umblickend; dabei flüchtig Musmann streifend. Mit de Finger malt hier überhaupt keener schlecht! Nee! Mit janz wat andern! Ich kann det Wort »Seele« nich ausstehn! Wie ch mir keene blaue Feder an Zylinder steck, und wie ch nich Schlachsahne mag. Und »Jehirn« langt nich. Aber nenn Se mir wat Drittes, und s jefällt mir ... mit den is det jemacht! ... Alles ibrije hierWie vorhin. is man Ehlfarbe und Leinwand!
[192]Och, det Stückskn Jartn da meen Se? ... Mit erläuternder Handbewegung nach dem Bild Hollrieders hin. Det eenzje Bild, det die Konkurrenz verträcht! ... Wat anders Landschaftliches hättn wir da jar nich hinhängn könn! ... Da sehn Se! ... Zu Lipsius. Und wem dankn wir det?
Mensch mit den Dickkopp? ... Mit einem erneuten, schnellen Blick nach Musmann rüber. Könn Se sagen, wat Se wolln!
Sie? ... Gelaunt zu Musmann, der jetzt wieder heimlich Lipsius belauert, ab und zu aber immer wieder von Hollrieders Bild nach dem Ausschnitte schielt. Da heern Se jleich, was n Sachverständjer is! ... Könn Se wat lern! ... Wieder zu Lipsius. Ihr junger Freund scheint Glück zu habn! ... Dets eijntümlich, aber die hat noch keen jesessn! ... Ooch in Paris nich!
Ja, da staun Se! ... Fast wie triumphierend, halb nach Musmann. Se werdn noch mehr staun! ... Wieder zu Lipsius. Da könnt k noch mal jung werdn! Wieder zu Musmann. Warum sollt ick nich ooch Jlück habn? Von neuem zu Lipsius. Ick bin ältester Uradel! Ick bin oller Assyrer! ... Nach dem Bild zeigend; wieder ganz Künstler. Achtn Se bloß mal uff den Ausdruck! ... Dets Rasse! Wat? ... Da wah jestern vormittach noch [193] so jut wie janischt von da! ... Die gezeigte Stelle ganz verliebt bewundernd. Weeß der Deibl, wie er det jemacht hat! ...Wieder zu Lipsius direkt. Wolln Se, det ick se Ihn nachher vorstelle?
Der? ... Dets n janz Jefährlicher! ... Von uns drei is der der Schlimmste! ... Wat der mir vorhin alles so durch de Blume zu verstehn jejebn hat ... na, ick will nischt jesaacht habn!
Een Oognblick! Ist dem Diener bis zum andern Raum entgegengegangen und hört nun, was dieser ihm leise zuflüstert. Ne Dame? ... Jetzt schon? ... Zu Lipsius zurück. Det is se! ... N paa Minutn!
Das glaube ich jetzt allerdings auch! Zu Musmann; Stimme wieder regulär. Und meine Frage? ... Sie haben sie mir noch nicht beantwortet.
Machen Sie keine Faxen! ... Ich weiß, was Herr Hollrieder für Sie getan hat! ... Ist es wahr, was man mir erzählt, daß Sie oft ... sagen wir, nicht ganz Herr über Ihre Nerven sind?
Das ist mir egal. Nervös, daß die Erwarteten sich noch nicht zeigen. Wußten Sie, daß die Dame sich hier heuteMit einer entsprechenden Kopfbewegung. nochmal das Bild ansehn würde?
»Zufällig.« Ah so. Wieder einen Blick nach der Tür zurück, durch die der Präsident der Sezession verschwunden.
Nachher sehn Se se mir nich mehr an! ... Was nützt alle Kunst, wenn nischt richtich uffenanderfolcht!
Hinten bis über den Sitzblock hinaus und sich vergewissernd, daß beide wieder verschwunden. Nach Musmann zurückgedreht. Gedämpft. Man fühlt, wie der Klang der solange nicht von ihm gehörten Stimme ihm innerlich den Rest gegeben. Wie sind Sie nur ... dahintergekommen? ... Dieser Verkehr zwischen den beiden kann doch nicht schon seit damals datieren!
Mich so zu ... belügen! ... Nach einer erneuten kleinen Pause; veränderter Tonfall; Musmann dabei absichtlich nicht anblickend. Für heute um elf hat sich bei mir in derselben Angelegenheit ein Herr Url angemeldet. Musmann heftig stutzend, zu ihm direkt. Ist der Ihnen bekannt?
Den muß ich doch ... schon irgendwo gesehn haben? Unruhig; halb für sich. Was mag der von mir wollen?
[196]Der ist so dumm ... der glaubt vielleicht ... Plötzlich; anderthalb Schritte auf das Bild zu; triumphierend; halb zum Porträt, halb zu sich selbst, als ob Lipsius gar nicht da wäre. Na, so ein ... Kerl! Der will jetzt ... auch ... Bloß ... weil er kein ... Geld mehr hat! Da bin ich ihm diesmal ...
Da sich nun alles ... bewahrheitet hat ... Ich hege die größte ... Verehrung für Sie! Auch für die Dame! Schon seit Jahren! Und ich glaube, wenn ich jetzt vielleicht ... hoffen dürfte ...
Ah! ... Jetzt überseh ich! ... Also daraufhin steuern Sie! ... Sie sind ja riesig talentvoll! ... Auf irgend ein ... Trinkgeld, Verehrtester, wollen Sie für Ihre Bemühungen, bitte, in keinerlei Form rechnen!
Was Sie nicht abhalten sollte ... Abbrechend; energische, sich orientierende Blicke nach den beiden Türöffnungen links; dann scharf. Ich wünsche, daß Sie mich jetzt allein lassen.
Ich hege die ... auf [197] sich übrigens auch schon in Ihren Briefen erlaubt hatten, lassen mich vollkommen kalt.
Vor Lipsius hinten um den Sitzblock herum retirierend; bösartiger Knurrlaut. Halb idiotisch. Nach seinem Bild hin. Wie verwandelt. Alle ... haben se sich zusammenjetan! ... Erst ... taugt das Bild nischt ... dann ... Wieder nach dem Bild Hollrieders gedreht; es von unten auf bösartig anglupend; plötzlich wegwerfende, halb konvulsivische Bewegung mit der rechten Hand nach seitwärts hinter sich; groteske, fauchende Zischlaute, als ob er dabei spucke. Das ... hat man davon!
Wat der sich ... Nach einem schnellen Blick jetzt auch auf sein Bild; ihn von neuem messend. noch rausnimmt? Ab durch den letzten Raum nach links, dabei nochmal nach Lipsius blickend. Bande! ...
Vor dem Burschen ... nimm dich in acht ... Aus dem vorderen Nebenraum links die Stimme des Präsidenten der Sezession. Lipsius hat sich sofort zusammengeruckt und steht nun wieder vor dem Bild Hollrieders, wie interessiert auf das Porträt starrend.
Schade, schade! ... Und denn hat uns natierlich Erst bei diesem Wort ist er im linken Türrahmen sichtbar geworden. auch alle [198] gewundert Von der ersten Stufe links aus bereits auf das Bild Hollrieders deutend. det das dort det erste Bild von Ihn is! ... Nich mal ne Fotojrafie hat man jekricht!
Wartn Se mal! ... Zu Lipsius. Da war doch so was? ... »Beatrice Cenci?« ... Unter irjnd son Papst Clemens? ... Wieder zu Beatrice. N Vater, der seine Tochter, oder ne Tochter, die ihren Vater ... Wieder zu Lipsius. Wat weeß ick!
Um so angenehmer werden Sie dafür überrascht gewesen sein Vor der Mitte des Bildes nach Lipsius halb zurück. als Sie eben ... wahrscheinlich ganz unvorbereitet, vor dieses Bild traten.
[199]Sehn Se? Zu Beatrice. Das hab ich Herrn Professor Lipsius ooch schon jesaacht! Wieder zu Lipsius. Der Mann wär ohne Sie ... Auf eine leicht abwehrende, beinahe gequälte Bewegung von diesem. Neenee! Das laßk mir nich ausreden.
Köstlich! ... Dies bißchen Grün da in der Sonne! ... Den Ausschnitt, nachdem sie ein klein wenig zurückgetreten, mit dem Bild Hollrieders vergleichend. Man könnte wirklich fast in Zweifel sein, welches von den beiden Bildern eigentlich das schönere ist.
Ja ... Zu Lipsius rüber, dessen Blick, soweit dies die Situation zuläßt, immer wieder auf Beatrice ruht; bissig. Det sind so die kleen polizeilichen Architektnwitze! ... Zu Beatrice. Eijntlich und von Rechts wejen is det n Notausjank! ... Da s n Hof hinter, wissen Sie! ... Allgemein. Na, nu s nischt mehr zu wollen!
Schade. Lipsius, der kaum noch seine Augen von ihr läßt, möglichst ignorierend. Jedenfalls haben Sie nicht übertrieben. Das Ganze wirkt auf mich wieder in einer Weise ...
Das Beste, was wir hier bis jetzt überhaupt ... Abbrechend und ihm dabei im geheimen gründlich über den Schnabel fahrend. Und zwar »allerdings«!
Da! Jetzt sehn Se wieder so aus! Beatrice, nachdem sie blitzschnell nach ihm rübergeblickt, mit den Augen wieder auf dem Bild. Ebn habn Se so ausjesehn!
Eine alte ... ErinnrungZum Präsidenten der Sezession; sich vom Bild abwendend; andrer Tonfall. Wäre hier sonst noch etwas für mich?
Falls Sie vielleicht noch n kleen Blick uff det Jejnstück dort werfn wolln ... Aber erschreckn Se nich! Auf den großen Sitzblock deutend. For alle Fälle is da jleich sone kleene Sitzjelejnheit!
De neuen Märzjefallnen! Zuerst nochmal nach dem Bild Hollrieders zurück, dann wieder nach dem Bild Musmanns gedreht. Hier kann eener, was er will, und dort will eener, was er nich kann! Dets der janze Unterschied!
Ah, richtig! Ich habe bereits gehört. Herr Musmann! ... Und mit diesem Bilderbogen ...Aus einem entfernten Nebenraum erklingt ein Hämmern; alle horchen auf.
Wer hat dnn da noch zu kloppn? Im Begriff, nach dem Raum hin, aus dem das Hämmern wieder ertönt, abzugehn; ärgerlich. Da soll doch ...
Neenee! Erst muß k det untersuchn! ... Hier darf keen Nagel ... Zu Lipsius, der isoliert, ihnen zugedreht, von rechts stehngeblieben war und, nun sich höflich, kaum merklich verbeugend, [201] einige Schritte auf sie näher tritt. Herr Professor? Mit einer hastig galanten Handbewegung nach Beatrice hin. Sie sind wohl so freundlich! ... Bereits auf dem Weg nach dem Hämmern. Nischt wie Dummheitn! Wenn man nich überall is! ... Durch den letzten Raum nach rechts eilig ab. Das Hämmern setzt noch einmal ein, dann verstummt es.
Noch ein Wort ... Im letzten Raum von links ist spähend Musmann aufgetaucht und verschwindet wieder nach rechts.
Ihr habt mich ... Unwillkürlich etwas zurückgetreten, seine Augen durchdringend sprühend in ihren. betrogen!
Alles will ich für dich hingeben! Alles! Nur ... Vor ihrem Ausdruck mit bebender Stimme; den linken Fuß einen halben Schritt zurück. Du ... stößt mich ... von dir?
Weißt du auch ... was du damit ... tust? Da sie ihm nicht antwortet; mit arbeitender Brust. Du stößt mich [203] damit ... in ein Leben zurück, das ich ... Ich verachte mich selbst!
Vorn von links her. Er hat sich wieder zusammengerafft, aber seine ganze Haltung, jede Bewegung verrät trotzdem deutlich, wie es in ihm aussieht. Wirft, ehe er sich in den zweiten Raum hinauftraut, erst einen Blick nach Beatrice rüber, die ihm in diesem Moment den Rücken zukehrt, vergewissert sich durch einen zweiten Blick, daß Lipsius inzwischen gänzlich verschwunden ist, betritt vorsichtig die Stufen, vergißt nicht, eitel nochmal nach seinem Bild rüberzuschielen, hüstelt und nähert sich schließlich dem Ziel seiner Sehnsucht.
Herr Hollrieder ist ein Mensch ... von einer so rohen ... Gemütsart ... Sie müssen sich doch ... In seine fixe Idee verbohrt. unglücklich fühlen!
Es scheint wirklich die höchste Zeit, daß Sie sich nach irgendeiner Heilanstalt umsehn! ...Hinten um den Sitzblock ab durch den letzten Raum nach rechts.
Warte! ... In sich reinknirschend. Dir ... werd ich das! ... Sich mit mehreren Schritten auf derselben Stelle langsam voll dem Zuschauer zudrehend und von unten auf erst nach seinem Bild und dann wieder nach Hollrieders glupend. Ich bin doch nicht ... verrückt? ... Kläglich vor sich hin. Das sind doch bloß ... meine Nerven! ... Plötzlich gespannt aufhorchend und wie einer fernen Stimme lauschend; vollständig veränderter Tonfall; geschäftig. Was sagste da? ... Was? ... Du kannst nicht dafür? ... Na warum hat se mich denn eben so ... behandelt? Doch bloß, weil du ... Nickend. Jaja! Atchee! Die Stimme scheint verklungen, das »innre Telephon« abgestellt; dumpf murrend vor sich hin. Alles ... für dich allein! ... Alles ... Ganz nach dem Bild Hollrieders. Es beglotzend. Du ... Schuft! Du ... Alles– ... Zertrümmrer! Du ... Anti– ... Christ! ...Seine Zähne mahlen. Plötzlich zwei Schläge mit geballter Faust schnell [205] hintereinander nach dem Bild hin. Hutt, hutt!! ... Nochmal; noch stärker; fast wie das ganze Bild zermalmend. Hutt!!! ... In demselben Augenblick im letzten Raum von rechts her die Stimme Hollrieders.
Kleidung wie der Präsident der Sezession. Geschmackvolle Hose, tadelloser Schlips. Überm linken Arm dunkler Paletot. Wir hatten uns hier erst für elf verabredet! Wäre ich also nicht eine volle Viertelstunde früher gekommen ...
Nachdem Sie ihn für Ihre Heimfahrt wieder zu Ihrem Ritter requiriert hatten! ... Sie ostentativ dabei nicht anblickend; sich unwillkürlich reckend. Er hat es für angebracht gehalten, seitdem [206] auch nicht ein Wort mit mir zu sprechen! Der zwischendurch schon wiederholt nach dem Bild Musmanns geblickt; plötzlich. Lächerlich!! ... Wirft jetzt einen schnellen Blick auch auf sein eignes Bild, sieht dann aber sofort wieder vor sich in die Luft, als ob der Raum, in dem sie sich befinden, gar nicht existierte. Herr Professor Lipsius war hier! In der Türöffnung vorn rechts, ganz Ohr und ganz vorsichtig, taucht Musmann auf; jedes Wort Hollrieders in seinem Gesicht sich widerspiegelnd. Ich traf ihn vorm Eingang! Er schien mich für Luft zu halten! Hatten Sie das Vergnügen. Ihre alte Bekanntschaft mit ihm wieder aufzufrischen? Beatrice in stummer Qual; wieder Blick vor sich in die Luft. Pardon! Ich bin nicht mehr neugierig. Da Beatrice schweigt; von neuem nach ihr hin. Reisen Sie heute?
Reisen Sie! ...Geht jetzt auf sein Bild zu und bemerkt fast gleichzeitig den Ausschnitt. Zwei Schritte zurückprallend, beides miteinander vergleichend. In ein höhnisches Lachen ausbrechend und mit der flachen Hand nach dem Ausschnitt weisend. Da!! ...»A« kurz; Beatrice zusammengeschrocken, Hollrieder wie magnetisch von ihm angezogen, auf den Ausschnitt zu, den er mit vorgeducktem Kopf studiert, Musmann panisch verduftend.
Das ist nun die Probe auf mein Exempel! Sich umdrehend und die Hände erbittert-grimmig in den Taschen, nach vorn vor dem Sitzblock. Wir können uns alle begraben lassen!
Erde, Himmel, Menschen, Tiere, die ganze Menagerie aufgebotenInzwischen bis zur Linie des Ausschnitts zurückgelangt, stehngeblieben, mit der erhobenen, flachen Linken nach diesem weisend. und dort ... ein Strauch, drei Birken und zwei Buchen!
Jut, jut! Zu Hollrieder, auf den er mit ein paar flinken Schritten zugeht. Also denn lassen wir det Ding noch schnell zukleistern ... Von außen de Tür zu, und inn n paar Lattn mit n bißkn Stoff drüber! ... So vill Zeit is noch! ... Wieder halb zu Beatrice, andrer, sich mit ihr in »Verbindung« setzender, sich quasi »kollegialisch« beschwerender Tonfall. Hat n Mensch schon sowas jehört!
Glauben Sie, Sie könnten mir mit Ihren paar Latten und n bißchen Stoff drüber auch zugleich mein Gehirn zukleistern?
Vor der mir jetzt endgültig klar gewordenen Erkenntnis, daß sich an ein Rechteck aus Sackleinwand kein Pinselstrich mehr lohnt? Im Türrahmen rechts wieder, wie vorhin, Musmann.
Weil sich von uns aus heute mit diesen überlebten, längst ausgequetschten, primitiv einseitig einfältig unzulänglichen Mitteln ...
Das Letzte und Eigentlichste, das, worauf es überhaupt und immer wieder von neuem ankommt, das, was Kunst zu Kunst erst macht ...
Das ... Unsagbare, das ... Unnennbare, das Unbegreifbare ... das aus jedem Windhauch weht, das ... zarte, entzückend ... rätselhafte ... immer wieder schillernd wechselnd ... lebendige ... Zittern der Seele, das ... zu tiefst in uns allen Schwingende, das ... vom höchsten Genie ... noch kaum erst Geahnte, das Geste: herausgeschleuderte Rechte, die letzten zwei Finger eingebogen, die drei andern wie Krallen, die ein funkelndstes Juwel halten. Hinter-allen-Dingen ... so bitter wir auch darum ringen, so schmerzvoll blutend wir uns auch mühen, so grausam elend wir uns auch ... Tag um Tag, Stunde um Stunde, Sekunde um Sekunde ... Grade diese drei Worte, alte Heimatsworte, fast wie mit religiöser Inbrunst von sich schleudernd. abplacken, abrackern und abmarachen ...Von neuem ausholend und mit elementarster Wucht endend. weil sich das Aller-Allerletzte ... und Aller-Aller-Allereigentlichste ... von uns aus ... nicht mehr erreichen läßt?!
Det verlangn Se man! ... Sich von ihm wegdrehend; erbittert. Det Kunst keene Natur is ... Halb zu ihm zurück. wenn Se damit kommn,Bis hinter den Sitzblock. uff die Art könn wir natürlich alle inpackn! ... Mitten hinterm [209] Sitzblock; den Rücken gegen die Hinterwand; die zornig klugen Augen aufgebracht gegen den Plafond, den letzten Ingrimm aus sich rauspolternd. Da sind Sie der erste nich! ... Dets n Thema, das s schon paa dausnd Jahre älter, als wir! Jetzt unwillkürlich wieder zu Beatrice, die von ihrem Platz aus die beiden sich fledernden Phönixhähne mit stärkster Anteilnahme und wechselndem Mienenspiel fast atemlos beobachtet hat. Man sollte wirklich jlooben, mancher Mensch Nochmal nach dem Ausschnitt. hätte in seinem Leben noch keenen Fliederboom jesehn!
Wat ick würde, kommt hier nich in Frage! ... Ick würde Zugleich nach dem Ausschnitt und dem Bilde hin. mir so ne Mottn erst jahnich in Kopp setzn! ... Wieder, wie zu seiner »Hilfsfreundin«, zu Beatrice. Det n jemalter Baum keen jewachsner is ... mein Jott!
Hat man sich zermürbt und gequält, hat man alles ... alles hingegeben und geopfert, hat man nicht mal die geringsten Freuden gehabt ... Ganz vorne links, beiden abgewandt, stehngeblieben.
»Vergnügen«! ... »Vergnügen«!! Dieses beneidenswerte Gefühl, daß sich für einen Augenblick der Strick lockert, von dem man weiß, daß er einem schon im nächsten wieder ... Vorn rechts stehngeblieben. die Kehle zudrücken wird!
Cha! ... For umsonst wischt sich nich nachher jeder Hans ...Schneller Blick nach Beatrice rüber; sich mit Rücksicht auf sie noch flink verbessernd. jeder Hans Dämlack de Neese an Ihn ab!
Die sogenannte ... »Entwicklung« weiterschieben! Sich das Gehirn ... aus dem Schädel schinden! »Kunst«-werke fabrizieren! Er Mitte vorn stehngeblieben; einmaliges kurzes, grimmiges, Auflachen. Hä! Dann sofort wieder weiter.
Dazu sind wir doch noch jrade jut jenuch! ... Von neuem halb zu Beatrice. Ich möchte wissn, wat der sonst wollte!
»Leben«?? ... Sie?? Nachdem Se nu Nach dem Bild hin. uff diese Weise schon länger als zehn Jahre nischt jetan habn, als det Se in een wech mit m Kopp jejn de Wand jerannt sind? ... Nach rechts. Lassn Se man? ... Sich einen Moment nach ihm zurückdrehend und dann sofort weiter. Det könn Sie nich mehr, und det kann ick nich mehr! ... Det habn wir überhaupt alle beede nie jekonnt!
Det versuchn Se man! ... Witt n scheenet Jemiese wern! ... Nee! ... N kleen Piepvogl ham wir alle! Ick schon überhaupt! Aber so een ... Erneut zu Beatrice, von der nicht unweit er stehnbleibt; sich dabei zerstreut nach der Tasche fühlend. Und meine Rede hab ich nu ooch bald zu haltn! ... Wo isse dnn? ... Das Manuskript wieder zurückgleiten lassend. Alles wat recht is, aber damit kann k mir nu nich länger mehr uffhaltn! ... Nach einem letzten »väterlichen« Zornblick auf Hollrieder, zu Beatrice. Dem [211] setzn Se man dn Kopp zurecht! ...Ärgerlich durch den letzten Raum nach rechts ab.
So! ... Hm! ... Na ja! ... Da schein ich mir ja dann also nicht allzuviel von ihm versprochen zu haben.
Sie haben sich ... diese letzten drei Monate ... zu sehr überarbeitet! Sie werden vielleicht schon morgen ... oder doch wenigstens ... hoffentlich einigen Tagen ...
»Verzweiflung«? ... Sich auf den Ausschnitt zu, den er dabei anblickt, in Bewegung setzend. Ich habe mich nie wohler befunden!
Es kann für jeden nur gesund sein, wenn er von seinen Illusionen geheilt wird! ... Da Beatrice auch jetzt noch schweigt. Von seinen[212] Illusionen über sich und ... Links in der vorderen Linie des Sitzblocks stehngeblieben; mit einem Blick nach ihr; unwillkürlich die Stimme sinken lassend. über andre.
Um den Gebrochnen zu trösten! Um den Geschundnen in Watte zu wickeln! Danke! ... Nach Beatrice dabei nicht hinblickend. Ich kann ... dieses Opfer nicht annehmen! ... Ganz rechts wieder in der vorderen Linie des Sitzblocks stehngeblieben und nach ihr hin. Ich wills nicht.
Und selbst ... wenns eins wäre! ... Den Blick zu Boden; etwas leiser. Da ich es Ihnen doch ... bringen will?
Ich stellte gestern ... eine Frage an Sie ... Im Türrahmen rechts wieder Musmann. Darf ich sie jetzt ... wiederholen?
Sie wollen mir das Geheimnis ... das sich hinter Ihrer leidenschaftlichen Anklage gestern barg ... nicht aufdecken?
Wozu? ... Wir sind frei! Uns bindet beide nichts! ... Und ich will nicht ... daß wir diese Freiheit ... jemals aufgeben!
So erbittert Sie sich jetzt auch von ihr abwenden ... irgendwie ... werden Sie wieder zu ihr zurückfinden! Ich will in Ihrem Leben ... Die Stimme sinken lassend. nur eine Episode gewesen sein!
Klagte ich mich einer Schuld an ... einer wahrhaften, wirklichen ... vor mir ... und meinem Gewissen ... ich würde es Ihnen bekennen!
Ich wäre Ihnen sonst überhaupt nie ... unter die Augen getreten! Und ich hätte jetzt sicher nicht den Mut ...
Machen Sie es mir nicht so schwer! ... Ich stehe ja hier und ... bettle! ...Wärmst; eindringlichst; seinen Blick suchend. Vielleicht ist nichts in der Welt ... wert, daß man sich seinetwegen ... um den Augenblick betrügt!
Sie haben ihm noch nie ... gelebt! ... Sondern immer nur ... jener fernen Zukunft ... die dieses bißchen Gegenwart ... mal so sehn soll ... wie Sie sie gesehn haben!
Dem ... Augenblick! Von ihr nach dem Ausschnitt blickend; dann plötzlich hart; mit letztem Entschluß; sie wieder anblickend. Ja! ... Mit ausgestreckten Händen auf sie zu. Ja!! ...
Das wird ihn doch ... freuen! ... Wenn er jetzt alles ... Nach den Bildern hoch. aufsteckt ... dann ist der Weg ... für mich frei! Dann ... Wieder nach der Staffelei. Ich bin ihm ja ... so dankbar! ... Sich irr umblickend. Wenn er mir jetzt bloß ... verzeiht! Ich ... kann ja doch nichts dafür! Ich ... Auf dem stehngebliebenen Schemel zusammenknickend. Bloß nicht verrückt werden! Leiser; jämmerlich vor sich hin. Bloß nicht ... verrückt werden! ... Das Summen der Großstadt wieder stärker; von draußen her feste Schritte, dann ein Klopfen an eine Tür.
Du! ... Url! ... Seine Stimme zum erstenmal aufgeräumt, fast freudig. Ich bins! ... Geklink eines Drückers. Bist du nicht da? ... M! ... In die Tür rechts wird ein Schlüssel geschoben, die Tür geht auf, und Hollrieder im Überrock und Zylinder, die Schlüssel noch in der Hand, steht da und sieht Musmann, der verwirrt aufgesprungen ist, verdutzt an; hat zugleich den Tuff auf dem Tisch und die bekränzte Staffelei erblickt. Wer hat dich hier reingelassen?
[216]Ich hatte dasselbe ... Recht! ... Da Hollrieder schweigt. Vielleicht hat man mich sogar ... ohne daß ich erst, wie du ... um die Erlaubnis gebeten, mit reingenommen!
Da war hier ... so n Gärtner da. Wahrscheinlich ... Nach den Blumen hin. Ob das nun ... Url so, oder ... Hollrieder halb lauernd dabei ansehend. Ich weiß nicht.
Bloß meine Figur gemalt. Oder mein Porträt. Wie du willst. Mit fester Bestimmtheit. Weil es mir zu stupide und zu saudumm vorkam ...
Mich selbst, dem Spiegel pratschig vis-a-vis, als mein eignes Modell hinzupatzen! ... Pose bleibt Pose!
Wenn du dir ... das [217] Ding jetzt wieder ... Scheuer Blick an den Wänden hoch. aufhängen willst? ... Es stand grade ... die Tür auf, und da ... Eine fern vorüberpassierende Elektrische.
Du siehst also jetzt deinen ganzen ... Unverstand ein? ... Musmann stumm. Wie lächerlich du dich und mich ... gequält hast? ... Bis du dich dann schließlich ... in einer Weise erniedrigtest ...
Also gut, gut. Ihm die Hand hinreichend. Probieren wirs nochmal! ... Nachdem er sich etwas nach vorn links gewandt; sich nochmal zu ihm zurückdrehend und warnend mit dem Finger drohend. Vorausgesetzt natürlich ...
Ich habe alles ... von euch gehört! Ich ... verstehe mich jetzt gar nicht mehr! Ich ... war ja ...Schaudernd. wahnsinnig! ...
Nichts! Sich geduckt langsam wie nach etwas umsehend; groteske Bewegung mit der Rechten, wie im dritten Akt, dann plötzlich ganz veränderter Tonfall; wieder die alte Tücke. Du wirst jetzt nicht mehr ... malen? Wieder stärker das Brausen der Großstadt; eine andre Elektrische.
Nicht mehr ... malen! ... [218] An allem ... wie blind vorbei! ... Nicht mehr ... Zu den Wänden aufblickend. Künstler sein wollen! Das ist ja ... nicht möglich! Das ...
Ich habs dir schon ixmal gesagt. Du hast noch nie welchen gesehn! Für solche Dinge muß man wie ich aus dem bittersten Nordnordosten sein! Nach einigen Sekunden. Auch n Vergnügen! ... Dafür verstehst du die Maisonne besser! ... Draußen zwitschernde Spatzen.
Die Maisonne! ... Die ... Maisonne! ... Nie einen ... erreichen! Nie ... Abbrechend; scheu nach Hollrieder hin; wie ihn aushorchen wollend; angstvoll. Könntest du s ... ertragen ... wenn du wüßtest ... daß einer ... größer ist, als du?
Was wirste denn ... nu anfangen? ... Du mußt doch ... n Plan haben? ... Wieder besorgt; beinahe angstvoll. Du tust nichts ... ohne Absicht!
Früher mal! Man fühlt, wie er mit seinem momentanen Zustand, trotz seiner gegenteiligen Versicherung, nichts weniger als zufrieden ist. Als ich noch derselbe Hammel war, der du noch jetzt bist!
Ich ... lasse mir nichts ... suggerieren! ... So ... schlau du s auch ... anfängst! Höhnisch. Wenn du glaubst, daß ich mir einbilde, die Malerei ...
Glaube du ... deinen Glauben ... und laß mir meinen! Wieder nach seiner Uhr sehend; eine dritte Elektrische.
Und ich werde noch ganz andre aufziehn, wenn du dich nicht endlich ... Wieder stehnbleibend; von der Straße herauf laute Stimmen.
Sogar ...Dieses Wort ganz besonders durch die Zähne. Himmelsschlüsselbliemchen! Mit einem hämischen Schielblick nach dem Tuff auf dem Tisch; zugleich mit dem Finger zeigend; grinsend. Kiek! ... Deine Lieblingsblumen! Den nicht zu lang gezogenen Brüllaut einer Kuh karikierend. Muuh! ...
Url? Nach einem kurzen Augenblick; nochmal; mit starker, fragender Stimme, aus der es fast wie Entsetzen klingt. Url?? ...
[221]Die »Jungfrau« ... die den ... »Drachen« tötet! ...Dummhärig, als ob da ja allerdings weiter »nichts dran« wäre. Na ja! Beidemal »a« kurz.
Hollrieder steht da, wie versteinert; den Blick auf die Tür geheftet. Url mit einem Schlüssel seine Kammer aufschließend. Wenn Sie die Güte haben wollen ...
Ich kenn einen ... der sich für ... furchtbar klug hält! ... So klug! ... Oh! ... Und dabei ... Den Kopf wie blöde vorgestreckt, den Unterkiefer vorgeschoben. ganz dumm isser! ... Ganz dumm! ... Buh! ...
Du denkst wohl ... weil du ... der Stärkre bist! ... Man hört, wie draußen die Kammertür sich wieder öffnet.
Aber ich bitte dich. Erst jetzt nähertretend; nach dem Bild hin auf der Staffelei. Was ist denn das da?
Wenn dich kein weitrer Kummer drückt ... die Sorge kann ich dir abnehmen ... Ich war mit ihm fertig schon damals und bin s jetzt erst recht!
Ich habe also dein Wort! Ich reise jetzt, und du läßt dich ... in keiner Weise mehr mit ihm ein! ... Da Hollrieder hierauf nicht mehr geantwortet. Hörst du? ... In keiner! ... Was er dir auch vorschwatzt!
Nach der Mitte der Bühne, sich nach ihm zurückdrehend. ...Du warst ... in der Sezession. Da Hollrieder, jetzt von ihm wegblickend, darauf schweigt. Bist du schon ... lange zurück?
Na! ... Gott sei Dank! ... Selbstverständlich! ... Wär ja auch noch schöner! ... Da Hollrieder noch immer stumm bleibt; wieder von ihm weg. Und du hast sie ... getroffen?
Um eins reisen wir. Damit mußt du dich abfinden! Du bist ein Mensch der Arbeit und wirst nicht lange müßiggehn.
Daß es für dich ... jetzt keinen Stillstand mehr gibt! Daß der beste Teil deiner Entwicklung ... noch vor dir liegt! Müssen wir andern mit unserm armseligen bißchen Leben schon fast permanent durch allerhand Prüfungen und Fegefeuer, ein Künstler wie du ...
Lassen wir das! ... Das ist nicht der Zweck, zu dem du gekommen bist. Um diese allgemeinen ... Betrachtungen anzustellen ...
Allerdings nicht. Aber ... Um es dir also zu sagen! ... Ich habe es nicht über mich gewinnen können, dich zu verlassen, jetzt, wo du vielleicht überhaupt erst in deiner eigentlichsten Krisis steckst, ohne dir nicht wenigstens ...
Ich [225] habe dir wenigstens ... Halb sich rechtfertigende Geste. und sei es einen auch noch so bescheidnen, kleinen Dienst erweisen wollen.
Und der wäre? ... Da Url nicht gleich imstande ist, darauf zu antworten; wieder in seiner verbißnen Ironie; etwas nach dem Tisch zu. Du erlaubst doch, daß ich bis zu einem gewissen Grade ... sagen wir, darauf neugierig bin? ...
Du hattest gestern ... nachdem ich mich ... in meinem Ärger ... natürlich gänzlich überflüssig, eingeschlossen hatte ... einen unvermuteten ... ganz überraschenden Besuch bekommen.
Auf den du aber, wie es schien, wunderbarerweise sehr wohl vorbereitet warst! Url, wie plötzlich ganz und gar von etwas überrumpelt, Hollrieder wortlos anstarrend; dieser wieder nach ihm hinblickend. Oder hattest du dich dort Kopfbewegung nach dem Balkon. nach jemand anderm umgesehn?
Durch das konfuse Gerede dieses ... Tölpels von ... Musmann; ich will ihn nicht wieder beschimpfen, aber ...
Soso. Kaum noch imstande, seine wahre Stimmung zurückzuhalten. Also und was Mit einem plötzlichen energischen Ruck nach der Tür rechts. will nu der Herr?
Eine »große Tat« von mir erübrigte sich, nachdem du dann ... mit deinem unsinnigen Vorhaben zu deinem eignen Glück so abgefallen warst.
Titulier mich, wie du willst, ich könnte nicht von hier fort, ich hätte keine ruhige Minute, wenn ihr euch jetzt nicht vernünftig ...
Du wirst ja sehn. Die Tür bleibt halb auf, und man hört, wie draußen die Tür zur Kammer geöffnet und wieder geschlossen wird.
O nein! Wenn es Ihre Zeit noch, erlaubt ... Sie stören durchaus nicht! Die Kammertür wird wieder geschlossen.
Also, lieber ...Bereits eine Nuance verdutzt. Ich bin untröstlich! ... Etwas vor der äußersten Kante der Staffelei; die Arme sinken lassend und fragend nach Url zurück, der, vor Hollrieders seltsamer Stellung ganz sprachlos, nicht weit von der Tür stehngeblieben ist. Ja, haben Sie ihm denn nicht mitgeteilt ...?
Von meiner Arbeit, die hinter mir liegt, reden wir hier nicht mehr! ... Das Zeug ist nicht die Leinwand wert, auf die es geschmiert ist!
Entweder ... Sie wollen uns hier düpieren, oder ...Zu Url, der noch ganz wie betäubt steht; erbittert. Ich hatte mir von dieser Unterredung ein andres Bild gemacht!
Ich »düpiere« nicht, Herr Professor! ... Weder Sie, noch ... Url mit einem schnellen Blick streifend. sonst jemand! ... Wenn Sie aber allerdings das beklemmende Gefühl haben, daß mein Freund Sie in eine Art Falle gelockt hat ...
Also ich geh. Ich muß gehn. Ebenfalls zu Url; scharf; dabei halb nach Hollrieder zurück. Schon aus Rücksicht auf Ihren Freund, Herr Hollrieder!
Ich ahne nicht, was mit Herrn Hollrieder vor sich gegangen ist, aber sind Sie ihm schon so weit entgegengekommen ...
Ich rette Ihnen als junger Bursche Ihr einziges Kind, und zehn Jahre später ist dann dafür Ihr Dank ... Vor innrem Ekel abbrechend; Lipsius von oben nach unten musternd. Was müssen Sie für eine Phantasie haben! ... Zu Url, der mit etwas einfallen will. Störe uns nicht! Nur unter dieser Bedingung ...
Meine Kunst ... ist rein! ... Und um mein Leben ... Sich auf reckend und zu Hollrieder direkt. hat sich niemand zu bekümmern! ... Niemand! ... Wieder wegblickend. Sie am wenigstens!
Danke! ... Nach diesem kurzen Moment sofort wieder zur Parade ausfallend. Aber um das Leben andrer bekümmern Sie sich!
Trotzdem sich der Absender Ihrer besondern Antipathie erfreute! Auf eine nervös gelangweilte Geste von Lipsius, als ob dieser Musmann ihm wirklich für eine solche Antipathie zu gleichgültig-unbedeutend wäre. O, sie war oft sehr deutlich! Während Ihnen die ganze Art des Beschuldigten ...
Jedenfalls, als ich dann auch noch diese ... flüchtige Ähnlichkeit entdeckt zu haben glaubte ... Stockt.
Hollrieder: bitter-boshaft. Sie sagten doch eben »flüchtige Ähnlichkeit«! Lipsius sich befremdet achselzuckend nach Url umblickend.
Herr Professor hat sich in der Zwischenzeit überführt! Die Dame ist ihm wildfremd! Er hat nie auch nur das Geringste mit ihr zu tun gehabt!
Ich wüßte nicht, was mich im Moment ... davon abhalten sollte ... Ihnen ebensogut auch das Gegenteil zu sagen ... wenn dieses Gegenteil ... der Fall wäre.
Ich bitte dich dringend! ... Zu Lipsius. Was hatte Ihr Fräulein Tochter damals veranlaßt, lieber den Tod im Wasser zu suchen, als einem Leben entgegenzugehn, um das sie Hunderttausend beneidet hätten?
Die Gerüchte, die damals im Umlauf waren, sind mir bekannt. Ihr Fräulein Tochter war in vollkommner Freiheit von Ihnen erzogen worden, Ihr Haus, selbst schon zu Lebzeiten Ihrer Frau, die Sie noch dazu »vergöttert« haben sollen, war nie das ... reinste gewesen ...
Dutzende von jungen Künstlern, wie ja auch noch heute, umdrängten Sie stets, was Wunder, wenn man also annahm, [231] die damals für tot Gehaltne, die mit diesen jungen Menschen wie mit Kameraden gelebt hatte, die täglich frei durch alle Säle gegangen war, und vor der es nie Metiergeheimnisse gegeben ... diese Ärmste sei irgendeinem von ihnen ... zum Opfer gefallen!
Warum? ... Weil Herr Hollrieder sich hier offenbar ... Plötzlich empört bissig. in irgendeiner Hintertreppenphantasie gefällt?
Als ich Sie ... an jenem Sommermorgen damals ... in Ihrer Verzweiflung sah ... oder war es ... die Reue? ... da taten Sie mir ... in tiefster Seele leid. Und dieses Mitleid mit Ihnen ... empfinde ich jetzt, in diesem Augenblick ... wieder! Ja ... trotz aller Wut, die in mir kocht ... vielleicht sogar noch stärker!
Ich weiß ... nur eins noch nicht! ... Nur darüber bin ich mir noch nicht klar! ... Wenigstens noch nicht ganz!
Bis zu welchem Grade ich berechtigt bin, zu meinem ... Mitleid ... nun auch noch Verachtung zu fügen!
»Versichre«! ... Kein Wort mehr glaub ich dir! ... Wieder zu Lipsius. Die Dame, die Sie gestern bis in diesen Raum verfolgten, und von deren Existenz ich bis vor drei Monaten noch nichts gewußt habe ... ich setze voraus Jetzt einen Augenblick zaudernd, da er damit Url trifft .... der ... Herr hat Ihnen das mitgeteilt ... Sofort wieder zu Lipsius. diese Dame Seinen Trumpf ausspielend. ist Ihre Tochter!
Und ich wäre sicher schon längst dahintergekommen, Wieder zu Url, der noch vergeblich nach Fassung ringt. wie du, lieber Sohn, womöglich schon an jenem ersten Abend dahintergekommen bist, Mit einem sich weidenden Blick nach Lipsius rüber, der durch einen scheinbar erstaunt fragenden Blick zu Url rüber, als »begriffe« er nicht, sich nur allzu [233] deutlich selbst verrät. als der mysteriöse »Unbekannte« durch dich von der Bildfläche gewischt wurde Zu Lipsius direkt. wenn nicht meine dumme, blöde Vertrauensseligkeit gewesen wäre! Allgemein. Dieselbe, die mir auch diesen Filou Musmann aufgeladen hat!
»Auch« ist gut. Zu Hollrieder direkt; amüsiertes, mokantes Hohnlächeln. Ich denke, Sie halten diesen Biedern für verrückt?
Das ist mit einem Verrückten, verehrtester Herr Professor, wie mit einem Betrunknen. Erst in solchem Zustand verrät sich sein wahrer Charakter. Auf eine Bewegung von Lipsius, die über diese Theorie eine lebhafte Skepsis andeutet. Wenigstens hat er sich in diesem Falle erst so verraten!
Weil die Möglichkeit nur allzu naheliegt, daß auch bereits ... gewisse andre Dinge unter diese Rubrik summiert werden könnten!
Zweifellos! Dann sofort eisig; beinahe feindselig. Du bist von deiner alten Offenheit mir gegenüber, die ich ja nun schon fast diese ganze letzte Zeit an dir habe bewundern dürfen. In der grausamen Absicht, sich in diesem Augenblick aus seiner verzweifelten Stimmung heraus an Url zu rächen. Oder ... hoffst du noch immer ...
Es scheint, daß die Herren ... Sich zum Gehn wendend. Ich überlasse Sie also ... Sehr mokant betont. Ihren delikaten Erörterungen.
Ich werde Ihnen jetzt nicht eher gestatten, diesen Raum wieder zu verlassen, als bis Sie mir Rede und Antwort gestanden haben!
Da Sie mir die Antwort verweigern, werde ich sie Ihnen selbst geben! ... Wieder sehr artikuliert und deutlich. Wahrscheinlich das selbe, das die Verzweifelte damals ... fast in den Tod getrieben hatte!
[235]Ja. Und zwar steht das hüllenlose Urbild, dessen Kopf porträtähnlich sein soll, noch heut in Ihrem Hause. Auf eine auffahrende Geste von ihm; langsam; seine Worte besonders betonend. Wenn auch nicht für jedermann zugänglich!
... Daß ein Bildner bei einer Gestalt, wie der hier in Frage stehenden, erst die Gestalt und dann den »Sternenmantel« formt. Selbstverständlich! Das Abc kenne ich noch! ... Daß er aber dem Untier, das sich unter ihr krümmt, in jener Urfassung auch noch seine Züge lieh ...
Entzückend! Wieder zu Hollrieder direkt. Und aus dieser ... Künstlerlaune, der vielleicht originalsten meines ganzen Schaffens, gestatten Sie sich jetzt plötzlich irgendwelche Schlüsse zu ziehn? Das Werk ist seit zehn Jahren einer ganzen Reihe von Leuten bekannt!
Leute, die keinen besonderen Verdacht haben, sehn an solchen Dingen vorbei! Wie ja auch ich zum Beispiel immer daran vorbeigesehn habe, daß jene Gestalt, deren Urbild die Verschwundne war, seitdem in all Ihren Schöpfungen unablässig wiederkehrt! Einfach, als läge es gar nicht mehr in Ihrer Macht, sich dieser Art ... Selbsthypnose ... zu entziehn!
Dieser Typus des erwachenden Weibes in seiner ersten ... Frühblüte ... dessen unbestrittener Schöpfer Sie sind ... hat auf diese Weise, zugleich mit Ihrem Ruhm ... auch bereits dessen Verfall begründet.
[236]Bewußt, oder unbewußt: für das Resultat blieb es sich gleich. Aus der ursprünglichen Reinheit ist allmählich ein ... Gemisch geworden ...
Es gehörte für mich insofern zur Sache, als Sie sich damals sehr wohl gehütet hatten, Ihr verräterisches Selbstporträt ...
Was für mich aber absolut nicht damit eins ist, daß ich mir hier von Ihnen Deutungen bieten lasse, die ...
Das Mitverschwinden jenes alten Familienschmucks ... Lipsius hoch aufgerichtet. erfuhr ich von Ihnen erst nach Jahren! Ich bin jetzt überzeugt, Sie hatten sein Fehlen schon am ersten Tage entdeckt! Warum verhalfen Sie damals der Polizei nicht sofort auf die Spur?
Es genügt, daß Sie mich verstanden haben. Ferner! Sie verwahrten sich vorhin gegen jederlei Einmischung in Ihre Privatangelegenheiten. Ich würde diese Verwahrung mit Vergnügen respektieren ...
Sie sind seit länger als einem halben Menschenalter einer der gesuchtesten ... Unwillkürlich wieder zu Url hin; halb ironisch. [237] ja, wie sagt man da? ... »Löwen« ... Auf eine entsprechende schnelle Bewegung von Lipsius. das kann Sie doch nicht beleidigen! ... unsrer sogenannt besten Gesellschaft. Von der Aureole, die Ihren Namen umstrahlt, ganz abgesehn: Ihre persönlichen Vorzüge ...
Wie Sie wünschen. Trotzdem dürfte Ihnen bereits aufgefallen sein. Wenigstens bildet es das allgemeine Künstlergespräch. Familien ... instinktiv, oder nicht ... mit halberwachsenen Töchtern ...
Noch einen Laut ... Sich wieder bezwingend; bereits nach ihm zurückgewandt. Sie werden von mir hören.
So sehr mir auch bekannt ist, daß Sie seit geraumer Zeit auf gewisse Provokationen nur noch mit fünf Schritt Distanz und Kugelwechsel bis zur völligen Abfuhr antworten ... ein Sport, an dem ich mich nicht beteiligen würde ... Horcht plötzlich auf. Verzeihung. Alle lauschen; man vernimmt wieder das Knarren von Stufen, leichte Schritte und ein sich näherndes Rascheln wie von Seide.
Auf diesen Augenblick hab ich gewartet! ... Öffnet; auf der Schwelle, in herrlichster, lichter Frühlingstoilette, den Arm voller bunter, langgestielter Rosen, Beatrice.
Du machst ja son Gesicht! ... Ich ... habe dir hier ... Zu Url, der, vollkommen fassungslos, [238] sich nicht vom Fleck rührt. Was ist Ihnen denn? ... Wieder zu Hollrieder. Ihr seid beide ...? Habt ihr alten Brummbären ...?
Du hast es ... gewagt? ... Nach Hollrieder zurück, der etwas vor der vorderen Ecke der Chaiselongue steht; blitzend. Warum ist er hier?
Ist es wahr? Ist es das? ... Hat dich der Schuft ... Einen Augenblick nach Lipsius rüber; dann wieder zu Beatrice. Du kannst mir nicht in die Augen sehn?
Es ist vielleicht ... Nach einem unwillkürlichen Blick zu Hollrieder rüber. meine letzte Bitte! Als sie auch darauf schweigt, sich langsam zum Gehn anschickend. Gut. Dann ... weiß ich ... Mit sehr deutlich unterstrichner Betonung. was ich zu tun habe.
Laß ihn nicht ... so von dir! ... Es genügt ... Schaudernd. [240] daß ein ... Schrecklichstes geschehn ist! Lipsius, unter diesem direkten Geständnis, mit einem Blick nach Beatrice, sich mit Gewalt aufrichtend; auch an Url und Hollrieder hat man einen entsprechenden Eindruck bemerkt.
Die Wahl ... Jetzt an ihr vorbei auf die Tür zu; die Rosen nach einem kurzen, unwillkürlichen Stutzen absichtlich zu treten vermeidend. soll dir erspart bleiben! ... Die Tür fassend. Ich werde mein Leben ... zu tragen wissen! ... Mit einem letzten Blick nach ihr. Um deinetwillen! Ab, während die Augen Beatrices in seltsam irrem Ausdruck ihm gefolgt sind; die Tür hinter sich schließend.
Grade das ... was ich mit aller Kraft ... hatte verhindern wollen, habe ich jetzt ... durch mein unglückliches Handeln ... heraufbeschworen! ... Wieder zu Beatrice rüber. Sie werden mir das nie ... verzeihen können!
Wenn ich dir das ... auch nur einen Augenblick glauben wollte ... Du versündigtest dich ja ... damit an dir selbst!
Du wirst aus England die Nachricht von unsrer Trauung erhalten! Schnell an den Tisch zurückgegangen, auf den er aus der Tasche seinen Schlüsselbund legt und von ihm, wie mechanisch, ein gefülltes Zigarettenetui einsteckt. Du schickst uns alles nach. Wir reisen jetzt nicht erst morgen, wir reisen sofort.
Uns trennt eine Kluft, die ... du würdest mich ... über kurz oder lang ... ja doch nur ... Ich ... Wie vor ihm fliehend, halb rückwärts auf die Tür zu. Bleib! ... Bleib!! ... Ich ... Die Tür aufreißend; schluchzend. kann nicht mehr! ... Ab.
Flüsternd, kaum hörbar. Jetzt. Steht noch einen Moment da, läßt die Hand schlaff sinken und schleppt sich mit stockenden Schritten bis vor das Schränkchen über der Chaiselongue rechts, wo er wieder stehnbleibt; die Augen wie hypnotisiert auf das Schränkchen, den rechten Arm schon halb erhoben, dreht sich sein Blick nach den Rosen, und sein Arm sinkt ihm wieder. Plötzlich, kopfschüttelnd, energisch. Nein. Nochmals, aufatmend, mit letzter Entschiedenheit. Nein! ... Nein!! ...
Man knipst, und denn springt das so auf! Bewegung, als ob er einen Schnaps hinterkippe. Hupp ...und ...Markierend, als ob ein Vergifteter taumelnd hinschlüge; vorm letzten Moment sich wieder hochruckend. Nee! ... Nu grade! ... Jetzt ... haben wir se! ... Vor Haß funkelnd und auch die Rosen dabei nicht überblickend. Alle!!
Jetzt sind ... Ihm auf die Schulter klopfend. wir an de Reihe! Wenn ich jetzt ... pfeife ... Plötzlich im Ton umschlagend; knirschend vor sich hin. Dieses ... W ... Weib!!
Ich ... bin ... ein ... Schuft!! ... Ich ... bin ... ein ... Schuft!! ...Während der Vorhang sich bereits schließt. Ich ... bin ... ein ...
Erst mal ... Licht! Im schwach erhellten Raum sieht man: die Wände sind von Bildern ganz leer. Statt ihrer, zwischen dem Regal und der Tür links, ein großer, kaufmännisch-kartothekisch eingerichteter, dunkler Arbeitsschrank mit vielen Abteilungen und Fächern, in denen, ebenso wie auch auf dem Tisch, einige Papierrollen liegen. Auf der Staffelei noch immer die »Kameraden«. Der Wandkalender zeigt als Datum den ersten November.
Hier? ... Nachdem Url eine zweite Kerze angesteckt; von dem Ort, an dem er sich befindet, noch »unsympathischer« berührt; zwei Schritte rücklings nach der Chaiselongue zu. Nee! ...
[245]Warum wollten Sie denn immerzu aus der Droschke springen? ... Den Leuchter vom Tisch hebend. Sie hatten wohl Angst, ich würde Sie gleich nach dem Polizeipräsidium schaffen?
Bis in die verrufensten Viertel muß man Ihnen immer nachkriechen! ... Den Leuchter auf den Tisch setzend. Sie frequentieren ja nur noch die niedrigsten Verbrecherdestillen!
Hat er erst immer ... so getan ... als ob er der reine Wüstenheilje war ... und nu ... Verdächtige Gebärde, die Url in diesem Moment zum Glück nicht sieht: rundgespreizte Finger, um Brüste anzudeuten, dann linkisch kurze, empörende Geste mit der Rechten nach hinten rum, um auch hier die betreffende Rundung zu markieren. Darauf verächtliche, tolpatschige Geste mit der Linken, als ob er, wie üblich, etwas von sich würfe, Gespucke und so weiter; alles in ganz wenigen Augenblicken und halb taumelnd. Fatzke!
Reißen Sie sich doch mal endlich ... Den Rock jetzt anhängend. mit Ihrem Innern los von den beiden ... An den Tisch zurück. So viel sollte Ihnen doch nachgerade so gut wie gewiß sein: in diesem Leben werden Sie sie kaum wiedersehn!
Sitzt das da immer ... über seinen dummen ... Grundrissen und ... Tabellen, über seinem ... lächerlichen, übergeschnappten ... Friedrichstraßenpassage ... Schwindelunternehmen und ... rechnet und ... rechnet und ... und ... unsereens ...
[247]Es war wieder mal eine Donkischotterie von mir sondergleichen, daß ich Sie nicht Ihrem Schicksal überließ!Verstimmt auf das Regal zu.
La bella ... »Cenci!« ... Langsam; als ob eine alte, sehr starke Erinnerung in ihm erwacht. Da ...hab ich mal ... sone ...Tijerin jesehn! ... Der ... Blick! ...
Da waren ... Den rechten Handteller, während er vor sich hinstarrt, lose schaukelnd. Dinge ... drin ... Dinge ... Abbrechend; geduckt mißtrauisch; zu Url rüber; halb als ob er sich vergewissern wolle, wie weit er ihm da eigentlich trauen darf. Es gibt doch ... Fernsuggestion? ...
Wenn man ... ne Nadel nimmt ... und man hat ... zum Beispiel ... ne Photographie von wem ... und durchsticht ihr ... den Kopf ... bloß son ... bißchen ... glauben Sie ... daß das was ... hilft?
Ich habe Sie wiederholt ... vor dem Bild gesehn! Ich glaube jetzt wirklich, Sie wären imstande ... Wieder seinen Weg zurück. Gott sei Dank, daß die Sezession gestern geschlossen ist! ...
[248]Achtzichdausend Mark! ... Total ... überjeschnappt! ... Für son Schinken! ... Schadenfroh in sich hineinkichernd. Nu ... kannern sich ... sauer kochen!
Aufhängen ... müßte man die ganze ... Package! ... Aufhängen! ... Mit ... Petroljum bejießen ... und denn ... anstecken! ... »K ... K ... Kritiker!!« Alle haben se ... Jeld jekricht! ... Vor dem Bild; mit dem Finger zeigend. Ich hab den ... Schnee jemalt! Ich!! ... Ooch den Zaun! Und die ... Pulle! Und die ... Jasanstalt!! ... Überhaupt! ... Nischt hatter jemacht! Janischtl! Nischt!! Keen Strich!! ... Ihm, lockend, von weitem, mit gehaktem Finger winkend; dann auf das Porträt Hollrieders zeigend. Kiekst? ... Wie er aussieht? ... Wie ick ihn ... heimlich ... Den ... Bullenbeißer? Den ... Schlagdot? Den ... Dummkopp?In sich reinkichernd. Und dafor ... willstet jloobn? ... Dafor ... hat er mir noch ... jelobt, det ick ihn nich ... jeschmeichelt hab! In ein triumphierendes Glucksen ausgebrochen.
Die ... Maulschnauze! Die ... Glotzen! Det ... Kinn! Verjiften hatter mir wolln!! Verjiften!!! ... Fast auf das Bild eindringend, als ob es der Gehaßte selbst wäre. Dieb! ... Giftmischer! ... Blutschänder!!
Blutschänder!! Ihn plötzlich groß anstierend. Du ... Den rechten Arm wie drohend erhoben, einige Schritte schwer auf ihn zu. Daraus ...mach ich dir was! ... Wie ers mir immer ... ins Jehirn telepathiert! ... Jenau so! ... Erst ... der Alte ... dann ... Stiert vor sich hin, als ob er ein ihn unsagbar Quälendes leibhaft vor sich sähe; fast zischend. Diese ... Jemeinheit! ... Alles ... was er mit ihr tut ... bloß immer ... damit ich dabei bin! ... Knirschend. Und das muß ich ... nu aushalten!!
[249]Merkste? Mit schlenkernden Fingern nach der Tür links. Dazu hat er mich damals ... hinter die Tür jesteckt! ... Das war sein ... Meisterstück!! ... Auf ihn zutaumelnd und den vor ihm Zurückweichenden, wie vertraulich, am Rockknopf packen wollend. Kennste Goya? ... Haste mal was ... von Rops jesehn? ... Anspucken! ... Anspucken sollste ihn noch! ... Anspucken!!
Nee! ... Sich umdrehend und plump- täppisch, leicht wankend, auf die Chaiselongue zu. Lieber schon ... Gähnend. Uuha! ...
Mit dm ... Meechn aus m ... Schlafzimmer ... als Pjäß de ... Resistangß! ... Da wird Berlin ... Oogn machn!
Es war eine übel angebrachte Großmut von mir, damals nich gleich alles aufzubieten, um Sie festzusetzen!
Daß Sie es mir jetzt nachträglich nicht zugeben werden, ist [250] selbstverständlich. Sie haben mit Ihren Ausstreuungen und Drohungen nicht geruht, als bis Sie dem armen Gehetzten schließlich den Revolver in die Hand und die Kugel aus dem Lauf zwangen!
Um möglichst schnell in den Besitz der fetten Millionenerbschaft zu gelangen. Natürlich! ... Und die infame, niederträchtige Verdächtigungs- und Verleumdungskampagne, die sich dann nach erfolgter Testamentseröffnung ... mit diesem Ihrem Wahnsinn als Grundlage ... in einer gewissen Presse gegen ihn selbst entspann? ... Die hat er Ihnen wohl auch suggeriert?
Sie wußten leider nur zu genau; selbst wenn der durch den Kot Geschleifte, dem man seinen jungen, unerhörten Ruhm beneidete, von seinem freiwilligen Exil aus sich hätte verteidigen wollen ... der Name seiner ihm eben erst angetrauten Frau, der Universalerbin, der in die allgemeine Erregung wie eine Bombe geplatzt war ...Sich auf ein knackendes Geräusch umdrehend; sieht, wie Musmann, der auf Spitzzehen nach der Chaiselongue geschlichen war und erst eine kleine Weile horchend gesessen, es sich heimlich auf ihr bequem macht. Sie! ... Auf ihn zu. Sie wollen doch nicht etwa hier Ihr Nachtquartier aufschlagen?
Widerlich! ... Nach einer kleinen Pause; schon in der Mitte der Bühne und von dort nach dem Regal zu. Jedenfalls wird Ihnen jetzt wenigstens eins aufgegangen sein: daß man Ihnen bei allen Ihren saubern Manipulationen sehr[251] genau auf die gelenken Finger gesehn hat! ...Rechts nach dem Tisch biegend. Und das lassen Sie sich doch ja noch gesagt sein: bei der geringsten Handhabe! Von jetzt ab gibts keinen Pardon mehr! Ein Gemeingefährlicher wie Sie gehört hinter Schloß und Riegel!
Da hab ich mir was Schönes eingebrockt! ... Über ihn leicht, halb widerwillig, eine Decke spreitend, die auf der Chaiselongue gelegen; dabei dreimaliges, angeekeltes Ächzen; wieder von ihm abgewandt und auf den Tisch zu. Ich ... danke! Hebt vom Tisch den Leuchter, steht eine Sekunde wie nachsinnend, geht dann mit dem Leuchter, den er ein klein wenig höher hebt, etwas auf den Schrank zu, als wollte er noch arbeiten, steht so abermals einen Moment und dann ganz leichthin. ... Ach ... Sich wieder umdrehend. Morgen! ... Er will nun quer über die Bühne nach seiner Kammer. Es klopft. Einen Augenblick dastehend, als hätte er nicht recht gehört; dann den Leuchter wieder zurückstellend und auf die Tür zu, die er öffnet. Er erblickt vor sich Beatrice; zurückgeprallt; die Klinke noch in der Linken. Sie!? ...
Ja. Wie fremd den Raum musternd; ganz kurze Pause; ohne sich nach Url umzudrehen. Sie haben uns nicht ... Ihn jetzt erst mit einem Blick streifend, dann wieder durch den Raum. erwartet?
Ich dachte es mir! ... Aus Ihren Briefen! ... Sie leben hier ... Blick nach Tisch und Arbeitsschrank. unter Ihren Plänen ... wie auf einem Leuchtturm! ... Hat jetzt Musmann entdeckt, nach dem sie, leicht vorgebeugt, spähend [252] hinüberblickt; fragender Blick zu Url, der erst jetzt die Klinke losläßt.
Ich las ihn ... vor noch nicht einer Stunde ... in der Friedrichshaingegend auf. Seit er nicht mehr malt ...
Kleine Pause. Ihn plötzlich voll anblickend. Letzter, erschütterndster Tonfall, als ob man sie ins eigne Herz getroffen. Das ... Bild ist zerstört! ...
Die ... Tat ... eines ... Nach Musmann rüber, zu dem Url jetzt ebenfalls blickt. Wahnsinnigen ... Wieder zu Url. oder ein ... Racheakt!
Wie es scheint ... noch nicht. Wir erhielten nur das Telegramm ... und erreichten grade noch den Zug.
Das geringste ... Nachdenken müßte ihn doch ... Es ist für mich ... gar kein Zweifel! Ich behaupte sogar ... mit aller Bestimmtheit ...
Nein. Lassen Sie ihn! Sie können ihm dann ... auf diese Weise ... für den Notfall gleich versichern ... Sie wären die letzten vierundzwanzig Stunden ... jede Minute mit ihm zusammen gewesen! ...
Erst jetzt ... faß ichs! ... Ein Werk, das so ... zitterndstes Leben war! ... Nach allem, was über ihn hereingebrochen ... muß das in ihm aussehn!
Die Art ... wie er mir von dem Geschehenen Mitteilung machte ... verriet mir deutlich, was ihm sein Werk in der Zwischenzeit ... wieder geworden war.
Nun ... versteh ich! ... In seiner Verfassung erst jetzt ihre absolute Erschöpftheit bemerkend. Verzeihung! ... Ihr am Tisch den rechten Sessel zuschiebend. Ich war von Ihrer Eröffnung ... so konsterniert ... Sie müssen ja todmüde sein!
Danke. Sie legt auch den Hut ab; nach dem Bilde hin; während sie den Mantel aufknöpft. »Kameraden!« ... Das hat ihm gekostet! ...
Es ... schoß mir nur durch den Kopf. Ich ... Wie konnten Sie es nur ... über sich gewinnen, Ihren Mann jetzt ... in diesem Augenblick allein zu lassen?! ...
Ich? ... Wieder aufgestanden. Sein linker Stiefelabsatz ist ihm mehr wert ... Jäh abbrechend; an die Glastür tretend, durch [254] deren dunkle Scheiben sie hinausstarrt; nachdem sie sich wieder gefaßt hat, sich wieder in den Raum zurückdrehend. Und außerdem wars ja auch meine Pflicht Mit einem Blick nach Musmann. Sie zu warnen.Url: nicht fähig, vor Erschütterung auch nur ein Wort zu sprechen. Beatrice, wieder an den Sessel getreten, andrer Tonfall. Er hat Ihnen die ganzen Monate nichts geschrieben?
Wie wir beide auch. Dann nicht ohne einen gewissen kleinen Vorwurf in der Stimme; einige Schritte nach rechts, dann auf das Regal zu. Sie hätten das Geld, das ich Ihnen für Ihre Idee zur Verfügung stellte, nicht zurückweisen sollen.
Ich wollte nicht ... ohne sein Wissen ... Beatrice nach ihm rüberblickend; Url mit einem Blick über die leeren Wände. Und als sich dann hier ... durch meine Tätigkeit als sein unumschränkter Sachwalter ... die ersten Anknüpfungen ganz von selbst ergeben hatten ...
Ich habe Ihre Einwilligung zur Ausstellung des gesamten Dieses letzte Wort ganz besonders und eigentümlich betont. künstlerischen Nachlasses den Herren von der Sezession übermittelt. In drei Tagen bereits ...
Ich durfte nicht anders handeln. Ich war das dem Andenken meines ... Das Wort nur zögernd aussprechend, als ob es ihr Schmerz bereite; Url unwillkürlich abgewandt. Vaters schuldig! Es bleibt ... sein eigentlichstes Werk.
Die erste Zeit, die wir in London verlebten, war für mich ... ich muß heute leider ... überzeugt sein, nur für mich ... eine seltsam glückliche! ... Trotz des ... entsetzlichen Hintergrundes ... ich hätte es nie zu hoffen gewagt ... sie war für mich ... fast schattenlos! ... Schließlich ... freiwillig ... gab ich mein Jawort! ... In plötzlicher Erinnerung zusammenschaudernd. Ich hätte es nie ... tun dürfen! Nach kurzer Pause wie vorhin. Als wir dann ... nach einer sonnigen Überfahrt ... unser Haus in Bougival betraten ... ich weiß es noch: es war an einem Freitag Spätnachmittag ... traf ihn als erstes ... Ihr Telegramm! ... Nie hab ich an einem Menschen, einen blitzschnellen Moment lang, eine so schreckhafte [256] Verändrung gesehn! Ich erriet sofort. »Willst du mir ... das Blatt ... nicht geben?« ... »L. tot. Brief unterwegs!« Mit geschlossenen Lidern; zurückgelehnt. Ich fühle noch heute ... seine Augen auf mir! ... Nach einer kleinen Pause. Jenen Brief, der am nächsten Morgen eintraf, habe ich nie Url dabei groß anblickend. gelesen! ...
Unser ... Hochzeitstag ... war sein Todestag gewesen! ... Seit jener Sekunde ... war alles zwischen uns aus! ... Wir lebten, als ob unsichtbare ... Zerquältes ohnmächtiges Hin und Her der Hände vor sich in der Luft. Glaswände trennten! ... Die Hände wieder lasch über die Lehnen. Kein Wort mehr! Kein Blick! ... Nur die kühlste ... schonendste Rücksichtnahme und Gelassenheit! ... »Rücksichtnahme«! ...
In »meinem Hause«! ...Ja! ... In »meinem Hause«! ... Er betrachtete es wie ein gemietetes Hotel! ... Nicht einmal ... die üblichen, laufenden Ausgaben ... ließ er mich mehr bestreiten! Das war »seine Sache«! An irgendeinem Zehncentimestück hätte ja ... Geste; sich selbst unterbrechend; von neuem. Er hat gearbeitet! ... Unablässig! ... Oder vielmehr: es hat in ihm gearbeitet! ... Ohne Rast! ... Ohne Aufhören! ... Innerlich!! ... Er ist ja so durchsichtig! ... So verschlossen er sich auch stellt! ... Aber was? ... Das kann ich Ihnen nicht sagen! ...
Mir ... »rettet« ihn nichts mehr! ... Nach einer neuen kurzen Pause; jetzt im Mittelpunkt der Bühne und sich nach Url zurückdrehend. Als dann ... kurz darauf ... Ihr Brief an mich kam ... der mir die ganze ... für unsre deutschen Verhältnisse [257] ja ... fast unglaubliche Summe der Hinterlassenschaft meldete ... da war mein erster Impuls gewesen: nichts annehmen! ... Nichts! ... Nichts!! ... Alle Brücken hinter sich abbrechen! ... Kein Hauch mehr, der an etwas ... erinnerte! Auf einen unwillkürlichen stummen Einwand Urls; wieder etwas nach rechts. Aber ja, ja! Sie haben ja recht! Und ich sagte es mir ja auch!Wieder nach links. Das wäre für die Meute nur der Beweis gewesen! ... Stehngeblieben; zu Url rüber. Der Beweis! ... Wie man sich auch Von neuem nach rechts. drehte ... wohin man sich auch wendete ... In der Mitte der Bühne wieder nach Url hin. Der Beweis! ... Wieder nach links. Ich brachte es damals ... oft tagelang nicht fertig ... Wieder nach rechts. ihm auch nur unter die Augen zu treten! ... Wieder nach Url zurückgedreht in der Mitte der Bühne. Und er weiß es ... noch heute nicht ... daß ich die Erbschaft antrat! ... Seinetwegen!! ... Vor sich in der Mitte des Raums »wie in die Zukunft« blickend; leidenschaftlichst-wuchtigst, beide Hände in unwillkürlich unterstreichender Geste. Er soll ... wenn ich einmal ... nicht mehr bin ... Abbrechend; sich noch steigernd. Er soll ... frei werden! Ganz frei! ... Fest; trotz ihres Schmerzes. Frei von ... allem!
Sie ... ent ... setzen mich! Sie ... lassen mich da ... in einen ... Seelenzustand sehn ... Anders; eindringlich weiter; unwillkürlich etwas auf sie zu. Geben Sie sich nicht ... solchen ... Stimmungen hin! ... Wenn ich mich auch ... damals ...
Sie ... müssen mit ... letzter Kraft Abbrechend und beule Arme mit leisem Achselzucken, wie machtlos, schwer wieder an sich zurückklappen lassend; etwas veränderte Stimme. Es ... gab auch ... für mich ... Die Hände an den herabhängenden Armen mit offnen Flächen, wie bekräftigend, sein Geständnis unterstreichend. noch einen ... Mit der wieder erhobnen Rechten, deren Hand er wie leise warnend schüttelt, nach dem Schränkchen über der Chaiselongue; die erste und die letzte Silbe schmerzlichst betont. Augenblick ...
Und ... vielleicht ... nur ... Halb wie wehmütig sich beklagend-anklagende Geste mit der wieder etwas erhobenen, leicht vibrierenden Rechten nach jener Stelle vor der Tür. weil ein paar ... armselige ... einer entsetzt überrascht sprachlos ... bis ins Herz Getroffnen ... entglittene bunte ... Rosen ...
Die ... dort ...Ganz zu ihm hingedreht; mit einem wie leeren Blick durch den Raum um sich; Ton tiefstinnerster Anteilnahme. Als ... Sie hier ... ganz ... allein ...
Und ... haben Sie s nicht ... Dabei nach seinen Rollen mit den Plänen blickend; unwillkürliche Geste. trotzdem ... bereut?
Eine Durchschnittskreatur wie ich ... soll froh sein ... Abbrechend; warm; nach ihr hin. Und wenn ich nichts dafür ... errungen und eingetauscht hätte ... als meine Freundschaft! ... Bereits damals ... die für ihn ... und jetzt ... Leiser. auch die für Sie! ...
Sie wissen es! Sie sagen s nur nicht! Sie glauben mich damit ... »schonen« zu müssen ... daß Sie s mir nicht ... verraten! ... Nur um es zu erfahren ... um es endlich rauszubekommen ... habe ich mich ja ... zu dieser Rückkehr ihm aufgedrängt! ... Warum schweigen Sie? ... Warum sind Sie so herzlos? ... Wie können Sie nur zusehn ... daß sich ein Mensch vor Ihnen ... Plötzlich; vor ihm hoch aufgerichtet. Ich will es wissen! Ich muß es wissen! Noch ... lasse ich ihn nicht! ...
Sie waren an jenem schrecklichen Tage ... dabei! In diesem Raum hier! ... Einen Moment halb nach der Tür zurückgedreht, durch die Lipsius damals gegangen war. Sie haben [260] sein letztes Wort gehört: ... »Um ... deinetwillen«! ... Und trotzdem! ... Dieser ... furchtbare Ausgang! ...
Nein! ... Nein!! ... Für mich nicht! ... Für mich ... nicht!! ...In der vorderen Mitte der Bühne von neuem stehngeblieben.
Nie hatte ich die ganzen Jahre auch nur den leisesten Entlastungsgrund für ihn gehabt! In der grenzenlosen Erbittrung, die mich gegen ihn erfüllte, war ich mir meines absoluten Verdammnisurteils so sicher gewesen. Und nun? Wie sich ganz von allem absondernd, die Augen schließend. Weiß ich nichts mehr! ...
Woran sind wir schuld ... und woran sind wir nicht schuld? Wieder wie vorhin; nur womöglich noch gesteigert. Jetzt ... wo alles um mich wankt und sinkt ... fühle ich es wieder ... in mir aufgewacht! ... Letztes, rückhaltlosestes Bekenntnis. Ich habe ihn geliebt, wie man einen Menschen nur lieben kann! Und ... ahnungslos ... habe ich alles getan ...
Ich stand vor ihm ... als spähende Psyche. Die betreffende Positur unwillkürlich, wie traumhaft, andeutend. Die Leuchte ... über dem Schlummernden! ... Url, wie hilflos-ohnmächtig, sich auf den Hocker setzend. Schon ... begann ich aus dem Stein zu leben! ...
Sein Arm sank ... zum erstenmal ... spürte ich ... seinen Blick! Url: beschwörende Geste, daß sie aufhören solle. »Bist du schon ... müde, Vater?«
Mir war zumut, als hätten seine Worte mich geschlagen! ... Url in seiner Ohnmacht, den Blick dabei auf sie gerichtet, sich wieder setzend. Ich durfte die gesamten Werkstätten nicht mehr betreten. Kaum ... sah ich ihn noch.
Heimlich, durch versteckte Zärtlichkeiten, bettelte ich um seine alte Liebe. Er wurde nur abweisender. Das Ende vom Liede? ... Die hundert Meilen weite Pension!
Erbittert ... verbiß ich s! ... Wochenlang! ... Monate! ... Auch von seiner Seite ... kein Wort, kein Zeichen! ... Url wieder beunruhigt nach Musmann rüber. Dann begann es. »Wer hat dich mir gestohlen? Wem habe ich weichen müssen?« Glühende, [262] leidenschaftlichste, tränengetränkte Briefe! »Du hast meine Mutter geliebt? Du hast mir dein Wort gegeben, wenn ich mal ganz erwachsen sein werde, wirst du mir alles von dir sagen? Alles? Es sollte gar kein Geheimnis mehr zwischen uns geben? Deinetwegen habe ich mir heilig gelobt ... Url gespannt zu ihr vorgebeugt. nie heiraten zu wollen?« ...
»Wirf das ... Frauenzimmer ... raus!« ... Url, da sie ihre Stimme unwillkürlich erhoben, besorgt nach Musmann. Das Ende ... abermals vom Liede? ...
Nichts! ... Ich hatte mich getäuscht ... Niemand! ... Ich begriff nicht. Die Zimmer meiner Mutter, in denen seit ihrem Tode nichts verändert worden war, waren früher stets verschlossen gewesen. Jetzt ... hielt er sich fast nur noch in ihnen auf. Seine Kunst existierte für ihn nicht mehr. Mit Schmerz erfuhr ich: ... er hatte die ganze Zwischenzeit ... kaum in sein Atelier gesehn! ... Die unvollendete Arbeit stand bedeckt ... wie ich sie verlassen hatte. Was war ihm? Er, der sonst so Lebensfreudige, hatte, wenn er sich unbeobachtet glaubte, jetzt einen Ausdruck, vor dem es mich jedesmal ... überlief. Er ging zugrunde, wenn er nicht wieder arbeitete! ... Umsonst drang ich in ihn. Er hörte nicht mal. Ich wollte ihm wieder Modell stehn. Er wies mich ab. Kurz, schroff, heftig! ... War ich schuld? ... Sein Schweigen sagte es mir. Wildeste, ohnmächtigste Kämpfe und Verzweiflungsszenen! Er blieb fest. Ich wand mich vor ihm! Vergeblich. Einmal drohte ich ihm, ich würde auf immer das Haus verlassen! »Tu's«. »Du lebst nur noch ... für eine Tote! Die Lebende ... gilt dir nichts mehr!« Ich beschimpfte die Mutter! ...
Wir ... kannten uns nicht mehr! Endlose, eintönige, traurige Tage! Beide mieden wir ihre Zimmer! ... Am Abend vor ihrer Todesnacht. Morgen werde ich sechzehn. Der letzte Raum der [263] langen Reihe. Zitternd hatte ich mich eingeschlichen. Alter Rosenduft. Die weißen Seidenwände schimmerten. Aus mattem Goldglanz, im Brautkleid, ihre strahlende Jugend über ihrem Sterbebett!
Im runden Glasspind stand dort noch dasselbe Kleid! Mit verhaltnem Atem ... suchte ich nach dem kleinen Silberschlüssel. Es war offen. Schnell! ... Es paßte ... wie für mich gemacht! ... Erwartungsvoll, mit klopfendem Herzen Immer entsprechende, verdeutlichende Gesten. verglich ich mich mit ihr im Spiegel! ... Nein! ... Das war nicht mehr ich ... ich ... das ... war sie! ... Sie! ... Da ... hinter mir ... aus dem leichtgetrübt blinden ... bunt-venezianisch gefaßten Glas ... im offnen Türrahmen ... aschfahl ... sein Gesicht! Wir starrten uns an. Sekunden? Minuten? Dann ... schwand es. Als ich mich wieder umzudrehen wagte, bewegte sich nur noch leise der lichte, leichte, mit kleinen, blauen Blüten überstreute Vorhang. Was war das für ein ... namenloses Grauen gewesen? Was hatte ihn so ... entsetzt sein lassen? War es schon so weit mit ihm? Hatte er hier ... bei ihr ... von allem ... Abschied nehmen wollen? Wieder Wochen! Ich fand keine Ruhe. Oft, von tödlicher Angst gepackt, lauschte ich an seiner Tür. Und ich merkte: auch er ... belauerte mich! Keiner traute dem andern mehr, jeder wußte ...
Allmählich ... langsam ... ohne daß ich es eigentlich selbst recht hatte sagen können, wie es gekommen war, war er wieder anders zu mir geworden. [264] Weich, nachgiebig, oft fast rührend wie zu einem Kind. Und doch so seltsam. Ich mußte mit ihm in Gesellschaften und auf Bälle. Er machte auf einmal ... ich hatte es als Kind nie erlebt ... wieder ein großes Haus. Alles wurde auf den Kopf gestellt. Theater, Konzerte, Feste! Allerhand junge Leute tauchten um mich auf. Die Bevorzugtesten wurden mir wie auf Präsentiertellern gereicht. Endlich merkte ich es. Ich lachte ihn aus! Und was mich dann ganz und gar nicht mehr aus ihm klug werden ließ, er versuchte nicht einmal, mich umzustimmen! Mit einem inneren Triumph nahm ich sogar wahr: er war mir dafür gradezu dankbar!Nach Url nicht mehr hin. Hatte er damals gesehn, wie ich ihr glich? Ihr ... die er so geliebt hatte? Url wieder lebhaft unruhig nach Musmann rüber. War ihm das nachträglich zum Bewußtsein gekommen? ... Url ihr wieder bittend-beschwörend zugewandt. Ich entschloß mich ... zu einem ...
Ganz still hatte ich den hohen Raum voll Blumen gestellt. Ganz still die Fliesen mit Rosen bestreut Ganz still sein Arbeitszeug zurechtgerückt. Ich deckte den Marmor ab. Ich schwur mir: Das soll sein größtes Werk werden! Ein letztes Zögern ... Geste, als ob sie schnell etwas von sich abgeworfen hätte.
Ich stand ... an derselben Stelle ... in derselben Haltung, in der ich damals gestanden hatte. Seine schnellen Tritte ... jetzt! ... Sein Entsetzen markierend; Url angstzerquält sich abwendend, Hand vor der Stirn, Augen zu. »Sibylle!!« ... Einen Augenblick noch, dicht vor mir, seine verzerrten, zornigen Züge, seine erhobene Hand ... Die Augen geschlossen, ihrer Erinnerung fast erliegend. dann ...
Durchs offne Fenster ... dunkles Grün. Lindenduft! Wo war ich? ... »Du?« ... Er saß vor meinem Bett und streichelte meine Hand. Ein leises ... Grauen. »Kind!« ... Zitternd wandte ich mich ab. Wie lange ... hatte ich so krank gelegen ... Kaum hörbar. »Reich mir ... den Spiegel.« Als ob sie sich in einem solchen besähe. Gott sei Dank! So ... so ... hatte sie ... nie ausgesehn! ... Kraftlos fiel ich zurück. Seine Lippen auf meinen. Schmerz durchzuckte mich. Als ich die Augen wieder öffnete,[266] rollten von meinen Wimpern seine Tränen. Ich spürte nur das eine: Nie wieder ... wird er dir ... etwas abschlagen können! Nie ... dir die Erinnerung daran ... verwischen! ... Wie behutsam er jetzt auch verfuhr, sobald er den Blick von mir ließ, verfolgte ich ihn mißtrauisch, und sah er mich an, so verbarg ich mich ihm wieder. Nicht einen Augenblick aber ... verlor ich die Gewißheit: Nun hast du Gewalt über ihn! Für immer! ... Bis ich ... wieder aufstehn durfte! ... Fast nach den ersten, schwachen Schritten schon, so schaudernd ich fühlte, wie grausam das war: planmäßig, gegen alle Vernunft in mir, taub gegen eine deutliche, innere Stimme, die mich warnte, tu's nicht, quäl ihn nicht, habe Mitleid mit ihm, machte ich von meiner Macht Gebrauch. Erbarmungslos! »Was hatte dich so furchtbar gegen mich aufgebracht? Was habe ich dir getan? Was hattest du die ganze, schreckliche Zeit gegen mich?« Er bat mich und flehte: »Laß das Vergangene! Was gewesen, ist nicht mehr!« »Das ist nicht wahr! Das glaub ich dir nicht! Das glaubst du selbst nicht!« Er schwieg und duldete. Ich spannte ihn auf die äußerste Folter. »Warum durfte ich dir nicht Modell stehn? Wenn du's mir sagst, quäle ich dich nicht langer! Siehst du? Du liebst mich nicht mehr! Wenn du mich noch liebst, warum willst du mein Abbild jetzt ... nicht vollenden?« ... Am nächsten Morgen ... begannen wir. Seine Qual war mir Lust. Seine Marter Triumph. Seine Pein Wonne. War das noch Liebe? ... Liebe? ... Das war schon damals ... Haß in mir!
Was ... weiß der Mann ... vom Weib ... und was ... wissen beide ... von sich selbst? ... Er arbeitete verzweifelt! Finster! Wortlos! Der Block unter seinen Händen wandelte sich, schon am dritten Tage war es nicht die ursprüngliche Idee mehr. Was ging in ihm schöpferisch vor? Warum verhehlte er es mir? Das Werk wuchs. Rapid. Aus dem jungen, in Angst und Erwartung bebenden Griechenmädchen, immer erkennbarer, wurde [267] jetzt eine hochmütige strafende, christliche Madonna! Ich hatte eine Apotheose erwartet! Das war eine Abwehr! Seine Kunst, die mir bis dahin die einzige Freundin gewesen, für die ich meinen ganzen zähen, jahrelangen, leidvoll schmerzensreichen Kampf gekämpft, stand jetzt plötzlich vor mir aufgereckt. Drohend! Als meine erbittertste Feindin! Sie, die bisher ... von mir so Vergötterte ... der ich als Magd ... gedient ... und die mich ... wie eine ... Himmlische ... verherrlicht hatte ... hielt ... über mich ... Gericht! Hatte er mich durchschaut? Ahnte er, was in mir wühlte? Eins wußte ich: ich war für ihn eine gänzlich andere geworden! Mit seinem letzten Meißelschlag würde ich für ihn ... erledigt sein. Endgültig! Wie man etwas in die Ecke wirft, oder mit dem Fuß ... von sich stößt. Stumme, häßliche, ohnmächtige Wut! Mein Ebenbild, je lebender es sich gestaltete, in unzähligen, kleinen, kaum Merklichkeiten, spiegelte mir, wie sehr ich mich in einem fort verriet! Wie fein und treu seine Künstlerseele alles von mir registrierte! Noch nie hatte ich ihn seines Könnens so sicher gesehn! Mehr und mehr entglitt er mir.
Und ... dann ...? Da Beatrice, wie eine Statue, stumm bleibt; sich unwillkürlich etwas steigernd. Dann ... dann? ...
Der letzte Tag. Die ganze Nacht hatte ich wach gelegen. Bis in den dämmernden Morgen mit jeder Fiber gehorcht, wie es noch immer, aus seinem Werkraum unten, klang und hämmerte. Ohne Modell schürfte er an seinen Gestalten nie das geringste Korn ab! Es war nur die eine Möglichkeit: er arbeitete an dem dunklen Klump, der sich mir zu Füßen wand! Der mich, in seiner seltsamen Formlosigkeit, schon so lange ... beunruhigt hatte! Ich zählte jeden Uhrenschlag. Welche letzte Demütigung stand mir noch bevor? Endlich war es still geworden. Erschöpft streckte ich mich in die Kissen. Ich schrak auf! Flutender, sengender, schon stechend brutwarmer Sonnenschein, Spatzenlärm! Ich flog durch den Garten. Vor den großen Glasflügeln, die Hand auf der Klinke, hielt ich wie gelähmt. Aus dem Halbdunkel, unter der Leuchtenden, mir voll zugedreht, geisterhaft flimmernd, ein sich [268] krümmendes, teuflisches, rächend anklagendes Ungeheuer, das deutlich ... seine Züge trug! Meiner kaum noch mächtig, riß ich die Tür auf! Er wars! Wie in jenem Moment, als er mich damals, zornzitternd, hatte ... schlagen wollen! Jener schrecklichen Sekunde, die über mein ganzes ... Schicksal entschied! Der Schleier vor meinen Augen riß. Das war ein Peitschenhieb! Eine offne Beichte, die ein beschimpfendes Geständnis war! Ohne es zu wissen ... hatte ich alles gewußt. Ich hätte das Ganze ... zertrümmern mögen! Gab es noch irgendeine Tortur für ihn? Eine Quittung? ... »Schon?« Pfeifend, ohne sich um mich zu bekümmern, war er an seinen Werktisch getreten. Er steckte sich eine Zigarette an. Alle Fenster zugezogen, strömendes Oberlicht! »Bist du so weit?« Ich stand, wie ich immer gestanden hatte. Ein langer, prüfender Blick erst auf sein Werk, ein flüchtiger auf mich, dann kühl: »Du kannst dich wieder anziehn. Wir sind fertig.« Er drehte mir den Rücken. »Ganz?« »Für jetzt und für immer. Ja!« Ein Unerklärliches gewann Macht über mich. Meine eigne Stimme klang mir fremd. »Hilf mir.«
»Sibylle!« »Du ... fürchtest dich wohl?« »Hehe!« Er lachte! Verächtlich! Grimmig! »Das dort vom Diwan! ... Auch das! ... Bitte! ... Stell dich nicht so ungeschickt! ... Noch heute verlaß ich dein Haus! ... Du kannst nicht mal ne Schleife binden! Deine Hand zittert! Mit der Linken schnell nach ihrem eigenen Arm packend. Du drückst mich! Das tut weh! ... Verfährst du mit allen deinen ... Damen so zart? ... Du!!!« Url, durch ihren jähen Aufschrei aus seiner halben Betäubung zu sich gekommen, geht leise zu Musmann, über den er sich beugt: Beatrice, wie aus etwas erwacht, Url auf einmal verstehend. Er schläft. Fest sogar! ...
Ich hatte die Schuld! ... Ich allein hatte die Schuld! ... Und es war das Schwerste, was mich treffen konnte, daß ich sie damals nicht In tiefster, seelischster Selbstzerknirschung. sofort habe büßen dürfen!
Es ist vielleicht ... Wahnsinn, was aus mir spricht! Krankhafte, törichte, phantastisch-hypersensitive Einbildung und ... Abbrechend. Ich ... glaubs ja auch nicht! Ich kanns nicht glauben! Aber ... Anderer Tonfall; zuerst fast geschäftsmäßig, dann lebhaft inquirierend. Meine Verwaltung hatte Ihnen auf meine Anordnung damals sofort alle Schlüssel ausgehändigt. Hat er Aufzeichnungen hinterlassen? Irgendwelche ... Notizen oder Papiere?
Dann ... stehe ich vor einer Mauer. Nach einer kleinen Pause; abermals andrer Tonfall; nach ihm zurückgedreht; fast klagend-kindlich. Er hatte mir so bestimmt sein Wort gegeben! Ich hatte so ... darauf vertraut! Er hätte doch wissen müssen, wie mich sein Tod ... Plötzlich auf eine kleine, verräterische Bewegung Urls, der wieder unwillkürlich beunruhigt nach Musmann blickt; ebenfalls nach diesem hin; dann wieder zu Url, der ihrem Blick kaum standhält. Sie sollen mir nichts sagen. Sie sollen mir nur antworten! Nach Musmann hin. Wars der? Hatte er wieder gehorcht?! ...
»Über ...«? Geste und ihn damit nach ihrer Art rektifizierend. Kindische! Unnötige! Selbstquälerische! Überflüssige!
Jedenfalls ... Dann ... dann wäre es ja ... Nachdem sie aufs tiefste aufgeatmet. Dann ... dann könnte ja ... noch alles wieder ...
Dann ... Erregt einige Schritte in den Hintergrund nach links. hätte ich ja fast ... noch etwas, wie eine ferne ... beseligende ... beglückende Hoffnung vor mir! Dann ... Ihren Satz nicht zu Ende sprechend; nach ihm zurückgedreht. vergessen Sie ... was ich Ihnen gesagt habe! Begraben Sie in sich ... was ich Ihnen in meinem halben ... delirierenden, halluzinatorischen Irrsinn ... Abbrechend.
Es ... kann vielleicht auch ... alles anders gewesen sein! Ja! Ja! Ja!! Es ... ist anders gewesen! Es ... muß anders gewesen sein! Es ... ist ja einfach gar nicht denkbar, daß ich ...
Nein! Nein! Nein!! Ich bin ihn nicht wert! Ich ... ich richte ihn zugrunde!! ... Ich ... ich richte ihn auch noch zugrunde!! ...
Er ... hat mich geliebt! Er ... hat mich geliebt! Er ... Aus tiefstem Jammer. Wie kann ein Mensch mich noch lieben?! Bereits wieder ganz vorn vorm Regal; die Hände schmerzhaft vor den Augen. Ich bin ja ein so gekennzeichnetes Geschöpf!
Das ich nie ... sprechen werde! Das nie ... über seine Lippen kommen wird! Mir ... bleibt nur noch ...Sich im Raum wie irr umblickend.
Ich ... bitte Sie ... um alles ... Abbrechend; ruckt sich zusammen. Unwillkürlich ein paar Schritte in den Hintergrund bis etwas rechts vor die Staffelei und von dort fest die Tür ins Auge fassend. Es klopft energisch; von Musmann sofort einmaliger, sehr intensiver Schnarchlaut.
Hmhm! Soso! Zu Beatrice rüber, die regungslos vor dem Regal lehnt, die Hände hinter sich leicht gegen die Tastatur; während er die kleine Tasche neben der Tür vor dem Gasofen absetzt und Hut und Mantel an ihren alten Platz hängt; kühl, gelassen. Wenns dir recht ist, logieren wir nicht irgendwo in einem Hotel. Ich kampiere hier auf dem Sofa, und du ... Mit einer leichten Kopfbewegung nach der Tür links; dann plötzlich abbrechend und zu Url. Du schläfst doch noch immer in deiner Kammer?
Also das Ding ... das Bild, das Biest ist futsch! ... Zwar nicht radikal, total und ganz ... aber immerhin! ... Genügt! ... Vor den »Kameraden«; zu Url. Wenn ich dir diesen Beweis meiner ehemaligen Blödheit sondergleichen Url: erschreckter Blick nach Beatrice zurück, den diese stumm auffängt. noch offerieren darf ... ich überlaß ihn dir! ... Mit einem leicht ironischen Blick auf die kahlen Wände; nervös in den Vordergrund rechts. Als nachträglichen Prozentsatz für deine Bemühungen! Mit seltsamem »Scherz« halb nach ihm zurückgedreht. Hätt ich dir nie zugetraut! ... Trotz seines Ingrimms mit auffälliger Selbstbeherrschung weiter; rechts vorn stehngeblieben. Zuerst ... hatte ich ja allerdings noch immer etwas wie gezweifelt! ... Aber nachdem ich mich überzeugt habe ... Blick nach Musmann, der jetzt den unruhigen Schläfer spielt. klar! ... Einen Augenblick zu Beatrice rüber. Der Stich ist mitten durch dein Porträt gegangen! Url und Beatrice, beide zusammengezuckt. Man siehts: erst ein Messer Halb nach Musmann zurück .... wahrscheinlich dasselbe, das ich dem Lumpenhund ... und dann ...Drehen mit der Faust. noch so hübsch gründlich nachgebohrt!
Mann! ... Mensch!! ... Für wie naiv hältst du mich noch! ... Umschlagend; bis zur Mitte des Vordergrunds. Wirst du nie gescheit? ... Jetzt, wo du son eminenter Praktiker geworden bist? Anderer Tonfall; wie absolut uninteressiert; stehngeblieben. Übrigens ... Nach dem Tisch rüber. ist mir jetzt gleichgültig. Interessiert mich nicht mehr! Nach einer kurzen Pause, während welcher Url und Beatrice sich verwundert angeblickt haben; zu Beatrice. Wenn du vielleicht so gut sein willst und mal ... Mit einer legeren Kopfbewegung nach der Tür links. nachsehn? ... Ihr vom Tisch die Streichhölzer reichend; mit einer halben Wendung nach Musmann. Unterdessen spedieren wir den.
Ich habe eben jenes ... Schon wieder bis vor den Tisch getreten; dieses Wort, als ob es ihm schwerfiele. Original gesehn! Du weißt! ... Es war nobel von ihr, daß sie die Einwilligung erteilt hat!
Unsinn! Es ist das einzige, was er gemacht hat! Von einem Feuer und einer Gewalt ... Vor ihm. Was hätte aus dem armen Kerl alles werden können! ... Schon an ihm vorbei. Schmach! ... Jammer!! ... Im Vordergrund rechts nach ihm zurückgedreht. Und was mich am meisten gepackt hat: Als ob er es vor sich sähe. Das ... Untier! ... Die Maske! ... Das war nicht bloß Selbstgericht, das war zugleich blutigste, furchtbarste, bezichtigendst wuchtigst unbarmherzigst verräterischste Anklage! ... Url voll anblickend. Anklage gegen wen? Da Url, unter seiner Wucht fast wie gebrochen, schweigt. Das weißt du heute, wie ich! Der Mann ...ging nicht an sich allein zugrunde! ...Damals ... als mich dein Telegramm traf ... daß er ihr sein ... Unwillkürlich fast auf denselben Platz deutend, an dem er jetzt selber steht. freiwillig, fest und feierlich gegebnes Versprechen ...
Trotz seiner Verrücktheit! Trotzdem! Mag dieser geborne Charakterschurke, [275] mag dieser jetzt in schönster Besoffenheit daliegende Seeräuber den »armen Gehetzten und Verfolgten«, wie du mir damals schriebst, mit seinen infamen, gemein nichtswürdigen, niederträchtigen »Enthüllungs«-Androhungen und Erpressungsversuchen in seinem ohnehin schon so ... erbärmlich verletzten Stolz ...
Der dieses perfide Erzvieh, der dieses schleichende Erzschwein, der diesen hinterhältigen Erzhalunken, diesen ... Als ob er mit seinen Beschimpfungen des schweratmend vor ihm Liegenden sich gar nicht genug tun könnte; abbrechend; etwas veränderte Stellung; entsprechende, fast grotesk-burleske, allerzornigste Geste und Gebärde. mit diesen, seinen eigenen, des Abhauens und Abhackens wert und würdigen Sauklauen ... Auf eine zerquält-nervöse, fast wie ratlose Geste Urls; wie festgewurzelt an seiner Stelle, mit entstelltverzerrten Zügen nach dem Hintergrund links hin. ihm, ihr und uns damals ... direkt hinter die Tür postiert hatte! ...
Mag ... Mag dem so schandbar schimpflich Gedemütigten, Gemarterten und Erniedrigten mein unverantwortlich bodenloser, lächerlicher, verruchter Leichtsinn ... meine unerhört taprige, alberne, hirnblinde Überstürztheit, Fahrlässigkeit und Dummheit ... auch geradezu wie eine Art »Freipaß«, wie eine Art Dispensation von so manchem, wie eine Art unfreiwillig ihm schon im vorweg erteilter Entlassungsdecharge erschienen und vorgekommen sein ...
Mag ihm selbst der endgültig für immer und ewig unabänderlich besiegelte Verlust der ihm nach so langen Jahren an jenem lieblich verhängnisvollen, sonnenblendend schwarzen, für uns alle so entscheidend [276] gewordenen Schicksalstage plötzlich für kaum wenige, flüchtige, entsetzendurchzitterte Zufallsmomente Wiedergeschenkten den dann gänzlich Vereinsamten auch noch so grausam schmerzlich getroffen und belastet haben ... nie würde ein Mann wie Lipsius, der trotz aller seiner vielen, großen, ganz fraglos schwersten Fehler, trotz seiner unfaßbar, unausdrückbar gegen alle Gesetze nicht bloß unsrer sogenannt menschlichen Gesellschaft, sondern sogar auch schon jeder höher entwickelten Natur elementarst sich vergehenden, durch nichts zu entschuldigenden Freveltat, trotz seiner brüchigen, morschen, innerlichen Längstzerfressenheit doch im Grunde, alles in allem, der anständigste, prächtigste, denkbar nobelst großherzigst ritterlichste Gent war, dem noch tausend Möglichkeiten offenstanden und der die tragischen Folgen seines traurigen Verzweiflungsschritts, wenn er ihn wirklich tat, im voraus voll hatte überblicken müssen ... nie würde eine derart bis dahin durch nichts gebeugte Kraftnatur wie seine sich zu diesem letzten, dunklen, grauenhaften Weg entschlossen und verstanden haben, er würde vielmehr im Gegenteil nichts unterlassen und alles darangewandt habenWieder mit einem, der Situation angemessen »liebevollen«, verächtlich-erledigenden Wut–, Abscheu- und Ekelblick nach »Ehren-Musmännchen« rüber, der sich gedrangsalt fühlt, diesen ihn so feiernden Moment für alle Fälle mit einem den Umständen angemessenen, kurz gurgelnden, abermals neuen Schnarchen zu quittieren. diese schnar-chende Viper, diese giftgedunsne Otter, diese geschwollen aufgereckt steilhoch nach ihm züngelnde Kobra, durch eine Schnell mit der Rechten die Gebärde des Geldaufzählens. populär bekannte, simple, entsprechend ihn befriedigende Manipulation, durch nötigenfalls Kopfwendung nach Url, sich telegraphisch, mit diesem in Verbindung setzender Blick und damit korrespondierende Geste. einen gewissen, ihm schließlich ja doch nicht ganz unerreichbar gewesnen andern Dritten, oder Jähe, heftige, wie etwas ihm Unangenehmstes energischst wegfeuernde Arm- und Handbewegung. was weiß ich Fast ausbrechend. maulstill, maulstumm und maultot zu kriegen ... wenn er nicht haarscharf ... das sicherste ... aber auch das allersicherste Bewußtsein [277] gehabt hätte ... nicht er ... nicht er allein war der Schuldige ...
Sag, was du willst! Predige dir vor, was du Lust hast! Such mir einzureden, was dir in den Kram paßt!Auf einen von neuem einsetzenden Versuch Urls, zu Wort zu kommen; ruhige, fast feierliche, ihm Schweigen gebietende Gebärde mit der beinah senkrecht gegen ihn ausgestreckten Rechten; mehr und mehr gänzlich sich verändernder Tonfall. Jedenfalls ... als mich ... in der heiterst rosigsten ... herrlichsten ... trotz alles dunkelst schwerst Voraufgegangenen ... strahlendst, freudigst, glücksgesättigst aller-allerhöchsten ... Stimmung ... meines Lebens ... beim Eintritt in ihr wundervoll auf einem grünen, kleinen, lachenden Hügel, inmitten einer üppig friedlich reichen, von tausend schmucken, blitzsaubren, zierlichen Siedlungen belebten, unter einem zartblauen, weich lichtem Glanzhimmel sich breitenden Paradieslandschaft, fast unmittelbar dicht an der sich hier in unzähligen, sanften, immer wieder aufblitzenden Silberschlänglungen von Paris her windenden Seine gelegnes, in graziöst feinsterlesenstem Kunstgeschmack erbautes, zu unserm Empfang, zu unserm Willkomm, zu unsrer Begrüßung über und über märchenschön mit duftendst prachtvollst bunten Blumen geschmücktes Haus ... wie ein ... Blattschuß ins Herz ... dein ... Telegramm traf ... so wahr ich hier stehe ... plötzlich, mit einem Ruck ... ich war auf einmal wie hellsehend geworden! ... Ich wußte alles!! ... Da Url, sich jetzt ermannend, eingreifen will; nach Musmann. Meine Schuld ... für die ich jetzt büße ... büße ... Nach der Tür links. und ... ihre! ... Nach rechts. Und daß wir beide in unser Verderben ... Nach links. wie blind gerannt waren! ...Seine Stimme, wie überhaupt seit Beatrice nebenan ist, mit Gewalt wieder dämpfend; trotzdem sich fieberhaft steigernd. Arbeiten! Vergessen!! Auf Stunden! Auf Minuten! [278] Auf Sekunden!! Etwas haben, woran man ... Geste, als ob er an etwas formte.
Denk dir ... einen Marmorberg! ... Nach jedem »in« immer zwei weitere Schritte auf ihn zu; bei den Worten »flimmernden«, »schimmernden«, »schillernden« immer wieder stehnbleibend; die ein wenig gesenkt auseinandergebreiteten Arme vor dem zweiten und dritten »in« immer weiter sinken lassend. In allen ... verflirrend schwimmend flimmernden Tönen ... in allen ... märchenhaft schimmernden Tuschtinten ... in allen ... feenhaft schillernden Farben! ... In der vorderen Mitte der Bühne stehend; die Arme bei jedem Wort immer wieder hebend; diesmal in stärkeren Rucken; zuletzt wie zwei Fackeln. Kompakt! ... Mächtig!! ... Riesig!!! ...Mit machtvoll weitauseinandergebreiteten Armen. Den ... »Berg des ... Lebens«! ... Von jetzt ab halb zu seinem Gegenpartner, halb nach dem Zuschauer; alle seine ringenden Worte durch korrespondierende Gesten und allerbelebtestes Mienenspiel fortwährend wie in eine Art transzendentale Musik wandelnd; keinen Ton dabei trotz beständig wachsenden Tempos »unter den Tisch« fallen lassend; jeden Laut, permanent sich steigernd, mit entsprechend letztem Ausdruck und in schärfster, äußerster, geistiger Konzentration; so daß seine ganze Seele, sein ganzes Leid, seine ganze Qual mehr und mehr sich entschleiern und das geträumte Werk, aus farbigst funkelndstem Laut–, Ton- und Wortmosaik, bis in alle Einzelheiten, fast plastisch, vor dem Innern des Zuhörers aufwächst, [279] aufsteigt und wie gewissermaßen schon jetzt zu einer Art existierender Wirklichkeit wird. Die Kommata, wie schon im Vorangegangenen, bedeuten kurze Ausdrucks–, die Punkte etwas längere Ausholpausen, die eingefügten Regiebemerkungen noch längere Gedankenpausen. Und auf ihm ... aus ihm ... über ihm ... in Höhlen und Schlünden ... in Grotten und Gründen ... auf Kuppen und Klippen ... rasend ... zur infernalischen Musik ... eines fiedelnden Entfleischten ... der aus Erz und ... Elfenbein ist ... aus Onyx, Silber ... Malachit, Beryll und Jade ... der imperatorisch, gigantisch ... breitbeinig ... mit leeren, grausen ... grünschwarz glimmenden Augenlöchern ... die grinsen ... mit stakrig fahlbeinern ... spitzig bloßgelegten Knochenarmen ... die faulen ... mit langdürr bleichblank ... modrig kralligen Knöchelfingern ... die verwesen ... den hohen, blauen ... von tausend ... giftgärend, giftschwärend, giftsinternd ... verfließenden, verrieselnden, verrinselnden ... Pestbeulentunken ... wie glasig ... überronnenen Gipfel krönt ... und dems noch ... klackernd, schlackernd ... schlumpig ... von allen Gelenken ... von allen ... Hals–, Brust–, Lendenwirbeln und Rippen ... von beiden Beckenbeinen und Schulterblättern baumelt ... jenen ganzen ... öden, blöden ... wütend, idiotisch hirnverbrannten ... übergeschnappten Sanktveitstanz ... den unser rührendes deutsches Wörterbuch ... so amüsant, stupid naiv ... zum Kugeln, treuherzig anerkennenswert ... mit ... »Liebe« betitelt! ... Mit vor sich geballten Fäusten, finster, höhnisch, grimmig, wie in eine bodenlos vor ihm gähnende Abgrundtiefe blickend. »Liebe«!! ... Jetzt direkt zu Url rüber; in Ausdruck, Geste und Mienenspiel alles lebendigst, gleichsam wie aus ihm unsichtbar zuströmendem Stoff formend; dem von ihm so Dargestellten entsprechender, anderer Tonfall. Vom zartesten, sanftesten ... schmelzendsten Adagio ... bis dir vor Grauen ... die Zähne klappern! ... Von neuem wachsendes Tempo. Von der ... unberührt, unschuldig, hingebend keuschen ... sogenannt »reinen« ... rosig, erglühend, zärtlichen Jungfrau ... bis zur ... abstoßendst, abschreckendst ... verworfenst, verderbtst, triefäugigst alten ... kropfadrigst höllischsten Vettel! ... Den Rhythmus, der der Rhythmik der Vorgänge und [280] Dinge bis ins letzte entspricht, an dieser Stelle noch ganz besonders liebevoll heraushebend. Vom schmachtenden, schwärmerischen ... lockig mondhin, sehnsüchtig flötenden Jüngling ... bis zum zittrigen, balzenden ... zahnlos kahlköpfig, geldbeutelhoch, lüstern meckernden Greis! ... Nachdem er eben zuletzt die beiden Gegenfiguren »Jüngling« und »Greis« auch durch »illustrierendste« Mimik und Geste entsprechend ganz besonders lebhaft zur Darstellung gebracht, jetzt in eisernster Ruhe, die Arme herabhängend, mit der energischst geballten Linken sämtliche »alle« durch kleine, wie elektrische Rucke unterstreichend, nur bei dem letzten fast wie zu einem Hammerschlag stärker ausholend. Alle Situationen ... alle Komplikationen ... alle Praktiken, alle Taktiken ... alle ... Möglichkeiten! ... Wieder ganz Feuer, wieder ganz Funkensprüher, wieder ganz Flamme; jedes Einzelwort von charakteristischster Färbung, jeder Tonwert beseelt, jeder Superlativlaut aus empfundenster Notwendigkeit; alle von ihm wie aus dem Nichts in Licht und Luft gestellte drei Vorstellungs-Widerpaare qualvollst von ihm gefühlteste, schöpferischst gestaltete, lebendigste Organismen. Gewagteste, verruchteste ... herausforderndst zynischste Grotesken ... und grimmste, verzweifeltste ... herzbeklemmendst schaurigste Tragödien! ... Einzelne, einsame ... stupid schimpflichst schändliche Solos ... und ... heiße, glühende ... ekstatischst, traumtiefst verzückteste ... verstrickteste ... beseligtst, weltvergessenst verschlungene Duos ... orgiastischst, wollüstigst ... farcenhaftst freche ... ausschweifendst tolle Trios ... und taumelndst tumultuarische ... faunischst, viehischst, wie beseßne ... bachantischst, buhlerischst ... wüste Massenchöre! ... Nach der enormen, unerhörten, seelischen Entladung, die hinter ihm liegt, jählings wie eine Erzstatue; die Worte wie eherne Schläge. Mann und Weib! ... Weib und Mann! ... Mann und ... Mann!! ... Weib und ... Weib!! ... Von neuem sich aufruckend; in sofortiger, stärkster, rapidester Steigerung. In allen ... erdenkbar, ersinnbar, ergrübelbar ... raffiniert, brutal ... absonderlich zügellosen Posen ... in allen ... dämonisch, frenetisch paroxystisch ... überschäumenden, übersprudelnden ... verfänglichst unsagbar bizarren ... sinnverwirrenden Nuancen ... [281] in allen ausfindbar ... in allen vorstellbar ... in allen einbildbar ... entmenschst, satanischst scheusäligen ... hirnkrankst krassen ... entnervendst, horriblen Perversionen! ...Zuerst hochaufgereckt wie ein Weltenrichter, dann wie ein reuiger Gerichteter, mit der geballten Linken sich mehrmals dröhnend vor die Brust schlagend, zuletzt, die noch immer geballte Linke eine Handbreit über dem Herzen, den Kopf etwas vorgeduckt, wie über alles in tiefstem Abscheu das letzte Urteil aus sich schleudernd. Taumel und Anbetung! ... Inbrunst und Brunst! ... Cherub und Tier! ... Selbstbetörung, Selbstbegimplung, Selbstbetäubung ... Selbstbetrug ... und bewußte ... bewußteste Gemeinheit!! ... Veränderter Ausdruck; mit erhobenen, auseinandergebreiteten Armen, beim zweiten Wort diese noch höher hebend; sich steigernder Hohn, die Blicke nach oben. »Liebe«!! ... »Liebe«!! ... Den Blick voll aufwärts, wie zum »Schöpfer aller Dinge«; die Arme biblischst ganz nach oben; letzter, vibrierend-verächtlichster Grimm, Spott und Hohn. »Liebe«!!! ... Wieder veränderter Ausdruck; beide Fäuste im spitzen Winkel vor sich geballt; die Worte »so soll«, sich steigernd, jedesmal mit ihnen unterstreichend; bei den gleichen Worten immer zwei Schritte auf Url zu und dann wieder stehnbleibend; äußerste Energie, angespanntester Wille, intensivste Konzentriertheit; zuletzt, bei den Worten »noch ... noch keiner« usw., direkt vor Url, der in treuster Spiegelung, wie gebannt auf seinem Platz, das ganze, kommende Zukunftswerk Hollrieders schon jetzt in sich erlebt hat; die Augen sprühend in seinen. So ... soll man dies Mordbiest ... so ... soll man diese ... Canaille ... so ... soll man dies ... Rabenaas ... so ... so soll man es noch nie ... noch ... noch keiner soll es ... so dargestellt haben! ... Sich von ihm abwendend; wie nach einem niedergeprasselten Gewitter; letzte Donner und Blitze. Frei sein! ... Nach der vorderen Mitte der Bühne zu. Von diesem Wahnwitz nichts mehr wissen! ... Abermals weiter; noch heftiger. Auf ihn ... speien ... und ihn in Stein hinstellen! ... Von neuem weiter; allerletzter Schlag. Aere perennius!! ... Jetzt beinah auf seinem alten Platz; sich nach Url wieder zurückwendend; einen Augenblick fast stolz-triumphierend; das Wort [282] »weiß«, wie mit einem ersten, vorweggenommenen Meißelschlag, mit der geballten Rechten wuchtigst unterhauend. Dann ... weiß man doch wenigstens ... wozu man mal ... da war! ... Mit flackernd halberhobenen Händen, die ihm allmählich ruckweis wieder sinken, bis sie zuletzt mit offen leer ausgespreiteten Flächen rechts und links von ihm fast wie erstorbne, kaum noch zu ihm gehörige Wesen hängen; in zuerst wieder grimmster Steigerung, dann verebbend; zuletzt mit schmerzlichst geschloßnen Augen; seinen ganzen Seelenzustand ihm jetzt direkt offenbarend. Wozu man ... durch dies ... Purgatorium ... wozu man ... durch diesen traurigen ... graurigen, gräßlichen Höllensumpfpfuhl ... wozu man ... durch all diese Leidqual ... wozu man ... durch all dies Entsetzen ... wozu man durch diesen Wust ... wozu man durch diesen Mulm ... wozu man durch diesen ... Dreck geschleift ist! Sich von Url abdrehend nach vorn; beide Hände über die wie hämmernden Kopfhälften; die Augen großauf vor sich hin; wie vor etwas langsam zurückweichend; bei dem Wort »Leben« stehngeblieben, die Arme nach unten wie von sich schleudernd und zuletzt sich wieder ganz nach oben hebend; letztes, zusammenfassendes Endurteil. Dann hat diese ganze ... ruchlos infame ... widrige ... scheußliche, lächerliche, nichtswürdige Sinnlosigkeit ... die sich »Leben« nennt ... »Leben«! »Leben«!! Leben!!! ... doch wenigstens etwas ... wie »Sinn« gehabt!!! ...Sich umdrehend und nach dem Hintergrund.
Also wenn dus darauf anlegen willst ... wenn ihr beide wollt ...Nach einem Blick auf die Tür links sich jäh umdrehend und seinen Weg zurück. daß ich euch den ganzen Krempel wieder ... vor die Füße schmeiße ... für jetzt und für immer ... Vorn wieder stehnbleibend. dann bitte! Bitte!l ...
Ach so! ... Jaja! Zweites »a« kurz .... sich wieder umdrehend, nach links. Den Kopf soll n andrer flicken!
Und wenn er das Ganze ... kurz und klein geschnickst hätte! ... Vorn links stehngeblieben, ohne sie anzusehn. Geht mich nichts an! ... Rührt mich nicht mehr! ...
Solche Dinge sind doch nicht bloß Handgelenk! Solche Dinge sind Stimmung! ... Willst du mir vielleicht sagen ... wo ich die jetzt hernehmen soll? ...
Das beruht bei uns auf Gegenseitigkeit! .... Sie kümmert sich um mich nicht mehr, ich sehe also nicht ein ...
Bei all deiner ... momentanen Erregtheit, die ich begreife: du gingst entschieden zu weit! ... Sie faßt es persönlich auf!
Aber du tust s! ... Durch jede Bewegung! ... Durch jede Miene! ... Durch jedes Wort! ... Wohin soll das führen? ... Nach der Tür rechts hin; Hollrieder stehngeblieben. Als sie vorhin eintrat ... ich erschrak ordentlich! ... So ... vollständig verändert hat sie sich!
Das ist nicht deine Sache! ... Nach einer kurzen Pause; andrer Tonfall; stehngeblieben, zu ihm hin. Wie ich jetzt klar sehe ... Sich wieder in Bewegung setzend nach rechts. wie ich unter dem, was sie sich wahrscheinlich nicht einmal selbst gesteht ... leide ... leide ... leide!! ... Stehnbleibend; Geste des unsäglichsten Leidens; einen ganz kleinen Augenblick Pause; sich wieder umdrehend und nach links. über diesen Komplex ... über diesen Punkt ... über dieses Thema ... wünsche ich jetzt mehr ... mit niemand zu reden! ... Mit niemand! ... Kurzer Blick nach ihm hin. Auch mit dir nicht! ...
Es scheint ... ihr solltet euch mal rückhaltlos miteinander aussprechen! ... Ich warne dich! ... Hollrieder nach ihm umgewandt. Auch mit ihrer Kraft ... könnte es mal ... zu Ende gehn! ... Hat die ganze Zeit über wiederholt unruhig nach dem Balkon geblickt.
Liebster Junge! ... Wenn ich so leichtfertig wäre, deinen Rat zu befolgen ... ihr die Binde von den Augen zu reißen, daß sie sich selbst sieht ... selbst ... ohne gnädigst bergende, schützende, hüllende Verpackung ... in letzter, seelischer, grausamster Gürtellosigkeit und ohne Schleier ... und seis auch nur den blitzenden Bruchteil einer einzigen, flüchtigsten, winzigsten Zehntelsekunde ... Nach einem nochmaligen Blick nach dem Balkon. Es gibt keinen Ausweg! Ganz nahe zu ihm hin; fast flüsternd. Nicht einmal Verdacht gegen sich darf sie fassen!
Wüßtest du eine andre Möglichkeit? ... Da Url schweigt; nach seiner Uhr sehend. Es wird Zeit.Auf Musmann zu, den er rüttelt. He! Du! ... Angewidertst-stärkst. Ferkel!
Dieser ... Wo mag er die Schlüssel haben? Da Url sich sofort bemüht; diesen am Arm packend; aus letztem, seelischem Wutekel und seiner fast kaum noch mächtig; die Augen zusammengepreßt. Hilf mir, daß mir nicht ...
Also höre! ... Ich verlasse mich drauf! ... Du sagst ihr nichts! ... Du sagst ihr gar nichts! ...Ab.
Sie tun ihm Unrecht! So schroff er auch immer scheint! Er meint es nicht so! Sie haben zu lange um den Toten getrauert! Sie gehören nur noch dem Lebenden!
Alles, was er vor mir ... verborgen hatte, was er finster ... mit sich herumtrug, diese ... schreckliche Zeit über ... alles spricht sich in ihr aus! Alles! ... Sein ganzer ... Widerwille gegen mich! Sein ganzer ... Abscheu! Seine ganze Verachtung!! ... Nie, nie, nie würde ich ... mit meinen Augen ... ein solches ... Werk von ihm sehn können! ...
Ich habe ... keine Aufgabe mehr! ... Er hat seine Idee mal gefaßt, und ... nichts, nichts wird ihn mehr ... nichts, nichts, nichts ... von ihr abbringen! Ich kann ihn jetzt nur noch ... von mir befreien! ...
Eine Zeitlang. Ja. Aber dann ... Ausbrechend; noch weiter nach vorn. Durch wieviel Hände glaubt er mich vielleicht schon gegangen. Mit wieviel Schmach glaubt er mich schon beladen! Von wieviel Schmutz glaubt er mich überhäuft! Für ganz ... besudelt hält er mich! ...
Sie täuschen sich! Eine solche Niedrigkeit, eine solche ... verächtliche Abscheulichkeit, eine solche letzte, seelische ... häßlichste Roheit, daran ... denkt er nicht einmal! Das liegt ihm völlig ... Was ihm jetzt ... so unerträglich scheint ...
Nein! ... Nein! ... Holen Sie ihn nicht! Tun Sie s nicht! Ich will es nicht wissen! Ich ... Ich würde ... Sie zwingen mich ... Sich wirr im Raum umsehend.
In einer Minute! ... Dann sich wieder wie irr und nach Hilfe suchend im Raum umblickend; unsicher vor Musmann, um sich zu vergewissern, ob er noch schläft ....
... Lilith! ... Du bist ... Lilith! ... Du hast ihn ... in den Tod gehetzt! ... Wie du uns ... alle in den Tod hetzt! ... Du hast ihn ... verführt!
Vampir! ... Sein Gesicht verzerrt sich, seine Finger strecken sich leicht krallenartig vor, halb als ob er sie liebkosen, halb als ob er sie würgen wolle. Täubchen?! ...
Er soll dich ... nicht wieder loswerden ... der große Goliath! ... Wie die ... Katzen sollt ihr euch noch ...
Da! ... »a« kurz; Musmann, fast geblendet, auf sie zu; sie stößt ihn mit letzter Kraft, daß er hintenüber umschlägt; dann schwingt sie sich mit dem rechten Fuß schnell auf die Chaiselongue, drückt das Schränkchen auf und wühlt die kleinen Flakons und Büchsen um, von denen einige bis auf den Fußboden kollern.
[289]Da! ...Während Url ihm, von Grauen gepackt, Platz macht; langsam auf Hollrieder zu; zuletzt ganz krumm und fast hockend. Da! ... Da!... Alle drei Male »a« kurz.