[93] Donnerstag

Die alte Leier

So tröstet euch nun mit diesen Worten unter einander.

1. Thessalon. 4, 18.


Der Edelmann, er schenkt sich fleißig ein:
Ich kenne nur noch diesen Gänsewein.
Mein Vater weiland zahlte keine Steuer;
Das Korn ist wohlfeil jetzt, das Leben theuer.
Doch liegt ein Trost in einer alten Sage,
Die hat sich fortgepflanzt in unsre Tage
Bei allen Armen, Müden, Altersschwachen:
Der König wird uns glücklich machen.
Der Spielmann hängt die Zitter an die Wand:
Wie glücklich könnte sein der Musikant!
Ich nahm doch nächten hübsches Geldchen ein,
Und 's langt mir noch nicht zum Gewerbeschein.
Doch liegt ein Trost in einer alten Sage,
Die hat sich fortgepflanzt in unsre Tage
Bei allen Armen, Müden, Altersschwachen:
Der König wird uns glücklich machen.
[94]
Der Bauer stürzt spät Abends seinen Pflug:
So hab' ich heute mich gequält genug!
Froh wär' ich, wüßt' ich nur, wovon ich heuer
Bezahlte meine Grund- und Classensteuer.
Doch liegt ein Trost in einer alten Sage,
Die hat sich fortgepflanzt in unsre Tage
Bei allen Armen, Müden, Altersschwachen:
Der König wird uns glücklich machen.
Der Dorfschulmeister macht die Schulthür zu:
Heut sind es funfzig Jahr, gern hätt' ich Ruh –
Wie aber wenn ich nun entlassen werde?
Dann fängt erst an die Sorg' und die Beschwerde.
Doch liegt ein Trost in einer alten Sage,
Die hat sich fortgepflanzt in unsre Tage
Bei allen Armen, Müden, Altersschwachen:
Der König wird uns glücklich machen.

So tröstet euch nun mit diesen Worten unter einander.

1. Thessalon. 4, 18.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Hoffmann von Fallersleben, August Heinrich. Gedichte. Unpolitische Lieder. Zweiter Theil. Donnerstag. Die alte Leier. Die alte Leier. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-725B-3