13.

In jener goldnen Zeit,
Da Thier' und Menschen vetterliche Schaaren
Und Schwätzer und Gesellen waren,
Und Aelterbruder Mensch ihr Vormund weit und breit,
Ein Vormund mit Verstand und Lieb' und Treu:
Er sah an Jedes Stirn, was in ihm sei,
Und lenkt's an seiner Hand, wie Gott die Menschen lenkt,
In Jedes eignem Hirn, daß Jeder denkt:
»Wie bin ich frei!«
Und Weisheit spielet' auf der Erde
In Allem, was nur lebt und webt;
[327]
Der Mensch empfand: »Was lebt und webt,
Spricht, handelt mir, damit ich weise werde!«
Und er erhebt
Vor Allem sich empor und fühlt sich Gottesbild,
Mit Vaters Blick und Wort erfüllt;
»Daß,« spricht er, »mir die Erde
Gehorsam werde,
Begabet bin ich mit Verstand.«
Stracks fiel sein Blick aufs irdische Gewand,
Und wie verhüllt
Des Vaters ewige Gewalt
In Thiergestalt!
»Damit ich,« sprach sein innres Mitgefühl,
»Im großen Erdgewühl
Mit Thieren Thier, von Allen Bruder werde,
Ein Herr und Knecht der Erde!«
Sieh, Mensch, der Fabel Ziel
Und Amt und Bild:
Dein Weisheitblick hat ohne Mitgefühl
Sein Loos nur halb erfüllt.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Herder, Johann Gottfried. Gedichte. Gedichte. Fünftes Buch. Alte Fabeln mit neuer Anwendung. 13. [In jener goldnen Zeit]. 13. [In jener goldnen Zeit]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-5A6E-C