[99] 8.

Dort läßt sich's am Triumphthor, das erschlossen
Pompeji's Forum einst den Siegeswagen,
Ein brauner Lazarone, hingegossen,
Wie die Philosophei im Staub, behagen!
Am Marmorblock, drauf mocht' ein Gott einst glänzen,
Stützt er sein Haupt, traun, ein' selt'ne Vase!
Ein Lorberbaum umweht's mit Schattenkränzen
Und streut ihm seine Blätter auf die Nase.
Der Tag ist lang, und so geschieht's zu Zeiten,
Daß ihn beschleichen mancherlei Gedanken,
Die um den alten Stein wie Moos sich breiten,
Hinan des Lorbers Schaft wie Epheu ranken:
»Ich seh' im Lavapflaster dieser Straße
Das Gleis noch von des Triumphators Wagen,
So frisch, als sei er noch nicht fern die Gasse;
Vielleicht gelingt mir's noch, ihn zu erjagen!
Ein Wörtlein, das ich ihm zu sagen hätte,
Treibt mich ihm nach! Doch nein! Wozu soll's frommen?
Wozu aufstehn von so bequemem Bette?
Will er's just wissen, mag er selber kommen!
Ich spräche: Freund, wozu dein großes Wagen?
Auf daß ein Siegeslied dir sei gesungen!
Wie schad', die schönen Ross' in Schweiß zu jagen,
Wie schade um des Volkes gute Lungen!
[100]
Wozu so viele Weg' im Weltenraume?
Daß dir den Lorber reichen deine Brüder?
Sieh, Freund, freiwillig senkt in diesem Baume
Der Himmel selbst den Lorber auf mich nieder!
Wozu dein Krieg, da's Keinem eingefallen
Zu stehlen uns dieß blaue Meer, die Reben,
Den schönen Himmel, Rosen, Nachtigallen?
Was sonst ist werth, drum Schwert und Schild zu heben?
Der Vesten Fall, die Siege deiner Heere
Bebürden dich mit Pflicht zu neuen Siegen;
Mir gibt die Last, die früh ich trug zum Meere,
Tagüber frei im Sonnenglanz zu liegen!
Wozu dein Prunkpalast? Was ist's vonnöthen,
Sich zu vermauern diesen schönen Himmel!
Lustwandeln gehn heißt nur dem Herrn zertreten
Den Rasen und der Blumen bunt Gewimmel.
Wozu auf der Orangen Bäume klettern?
Sie werden reif selbst in den Schooß dir fallen!
Was soll im Rosendorn die Nase blättern?
Dem Duft liegt selber dran, zu ihr zu wallen!
Der Stein und ich sind Freunde und Vermählte,
Untrennbar liegend Tag und Nacht beisammen;
Er gibt vom Ueberfluß mir seiner Kälte,
Ich ihm vom Ueberflusse meiner Flammen!
[101]
Wie wär's behaglich, ewig hier zu liegen,
Wenn über mir der Vögel Flüge jagen,
Das Laub sich wiegt, Vesuvs Rauchwolken fliegen,
Und Goldgewölke ziehn und Sonnenwagen!
Und vor mir dieses Meer mit weißen Segeln!
Herr, gut ist's, daß du gabst Bewegung Allen,
Und daß nicht ich den Wolken, Wellen, Vögeln
Nacheilen muß, mein, daß sie zu mir wallen!
Gut ist's, daß diese Deutschen, Russen, Britten
An mir vorüber selber stolpernd schnaufen,
Und daß nicht ich zu ihren fernen Hütten
Nach England, Deutschland, Rußland mußte laufen!
Seht meinen König dort vorüberfahren,
Die Goldkaross' am Sechsgespann von Falben!
Ich lieg' im Staub und kann mir's so ersparen
In Staub zu werfen mich um seinethalben!
Hier ruh' ich sanft, wenn mich auch Regen näßte;
Ihr kennt nicht Trockenwerdens Wohlbehagen!
Hier lieg' ich, bis ich einst zur ew'gen Sieste
Nicht selbst geh', nein, gottlob mich Andre tragen!
Den Sonntagsgang zur Kirch' auch könnt' ich sparen,
Denn sieh an mir vorbei die Priester wallen
Mit Fahn' und Kreuz und Zügen frommer Schaaren;
Etwas vom Segen muß auf mich auch fallen!
[102]
Wenn hoch in meiner Hand nach Landessitten
Mir über'm Haupt die Maccaronen schweben,
Mein Freund, da muß empor sich unbestritten
Das Auge selber auch zum Himmel heben!
Wenn Abends in des Meeres Spiegelbade
Zu Füßen mir sich Mond und Sterne wiegen,
Da dünkt mich's wohl, es sei in seiner Gnade
Der Himmel selbst zu mir herabgestiegen.
Empfängt mein Fürst so glänzende Vasallen,
Wie sie als Sterne, Wellen, Wolkenmassen,
Als Menschen, Blumen, Vögel zu mir wallen,
Bis Abends ich in Hulden sie entlassen?
Was auf der Erde Oberfläche prunkte,
Im Kreislauf muß vorbei es glänzend jagen,
Indeß ich, gleich der Erde Mittelpunkte,
In Ruhe lieg' und ewigem Behagen!
Und wenn ich Eines doch mir wünschen sollte,
So wollt' ich, Maccaronen wären Schlangen
Und kämen, statt daß ich bisher sie holte,
Hinführo selber doch zu mir gegangen!«
So knüpft der dunkle Pfad in Enkeltagen
Sich an des Ahnherrn Gleis, das glanzerhellte,
Dem Sklaven gleich, der sich am Siegeswagen
Einst hinter Roms Triumphatoren stellte.
[103]
Mit einer Kron' in Gold und Demantschimmer
Spielt seine Hand, ihn selbst darf sie nicht krönen!
Dem trunknen Sieger ruft er zu: Denk' immer,
Daß du ein Mensch nur, Sohn von Staubessöhnen!
So Dieser auch. Ob aus dem schönen Baume
Ihm zu ein Flüstern die Gedanken rauschte?
Ob in der Lorberwipfel Schattenraume
Der Geist des alten Triumphators lauschte?
Ich aber möcht' ungern den Anblick missen
Des Lorbers, um dieß braune Haupt sich wiegend,
Des Kleids, von einem Herzen warm, zerrissen
Sich an die kalte Pracht des Marmors schmiegend.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Grün, Anastasius. Gedichte. Schutt. Cincinnatus. 8. [Dort läßt sich's am Triumphthor, das erschlossen]. 8. [Dort läßt sich's am Triumphthor, das erschlossen]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-0EDF-1