[232] Den Vogel an den Federn!
Gegenüber der Hofburg steht
Der Thurm der Kathedrale,
Drauf des Landes Banner weht
Prunkhaft im Sonnenstrahle.
Sein Nest an der Stange flicht
Ein Vogel dort alljährlich:
Ward ihr des Baues Gewicht,
Das Picken der Jungen gefährlich?
Hat mitgeholfen der Wind,
Die Zeit mit zermalmendem Zahne?
Eines Tages pfeilgeschwind
Vom Thurme stürzte die Fahne.
Der Fürst sieht vom Balkon
Des Banners Sinken und Fallen:
»Verrath und Rebellion!
Herbei zum Kampf, ihr Vasallen!
Die Meuter erklommen den Thurm,
Zu läuten des Aufstands Glocken!
Sie stürzten mein Banner im Sturm!«
So rief der Fürst erschrocken.
[233]
Das ist durch Gang und Gemach
Ein Rufen, Rennen und Schreien!
Hofdamen flüchten aufs Dach,
In den Keller die Lakaien.
Es sprengen rechts und links
Ordonnanzen und Staffeten,
Und aus den Kasernen rings
Hallt's von Trommeln und Trompeten.
Den friedlichen Bürger verschlingt
Des Marktes Drängen und Tosen,
Der Staatsminister springt
Verkehrt in die Galahosen.
Von Bajonetten ein Strom
Quillt blitzend hervor aus den Gassen,
Es dröhnen Palast und Dom
Vom Trabe der Reitermassen.
Zur Stadt im Flügelschritt
Zieht Landsturm aller Farben
Und jammernde Bauern mit,
Ob der zertretenen Garben.
Kanonen rasseln heran,
Die Lunte glimmt schlagfertig,
Entrollt steht auf dem Plan
Das Heer, des Kampfes gewärtig.
In der Lüfte sonnigen Strom,
In der Wolken stummen Reigen
Ragt still und tief der Dom,
Am Thurm die Glocken schweigen.
[234]
Wer hat in dieß Volk hinein
Gesä't des Unheils Samen?
Ein winziges Vögelein!
Wer nennt uns seinen Namen?
Den Namen kennt man kaum,
Er klingt fast wie Gewissen;
Man macht aus des Vogels Flaum
Allerhand Ruhekissen.