505. Der Brennberger (erste Sage)

Der Brennberger, ein edler Ritter, war zu Wien an des Herzogs von Östreich Hofe und sah die auserwählte Herzogin an, ihre Wangen und ihren roten Mund, die blühten gleich den Rosen. Da sang er Lieder zu ihrem Preis: Wie selig wäre, der sie küssen dürfe, und wie kein schöner Frauenbild auf Erde lebe, als die sein Herr besitze und der König von Frankreich; diesen beiden Weibern tue es keine gleich. Als die Herzogin von diesem Lobe vernahm, ließ sie den Ritter vor sich kommen und sprach: »Ach, Brennberger, du allerliebster Diener mein, ist es dein Ernst oder Scherz, daß du mich so besingest? Und wärst du nicht mein Diener, nahm ich dir's übel.« – »Ich rede ohne [476] Scherz«, sagte Brennberger, »und in meinem Herzen seid Ihr die Schönste auf Erden. Zwar spricht man von der Königin zu Frankreich Schönheit, doch kann ich's nicht glauben.« Da sprach die zarte Frau: »Brennberger, allerliebster Diener mein, ich bin dir hold und bitte dich sehr, nimm mein Gold und Silber und schaue die Königin und sieh, welche die schönste sei unter uns zweien; bringst du mir davon die Wahrheit, so erfreust du meinen Mut.« – »Ach, edle Frau«, sagte der Brennberger, »ich fürchte die Müh und die lange Reise; und brächt ich das zurück, das Ihr nicht gerne hörtet, so wär mein Herze schwer; bring ich Euch aber gute Mär, daß Ihr Euch freuetet, so geschäh's auch mir zulieb, darum will ich die Reise wagen.« Die Frau sprach: »Zeuch hin und laß dir's an nichts gebrechen, an Geschmeide noch an Gewändern.«

Brennberger aber ließ sich ein Krämlein machen; darein tat er, was Frauen gehöret, Gürtel und Spinnzeug, und wollte das als Krämerin feiltragen; und zog über Berg und Tal im Dienste seiner Frauen, bis er gen Paris kam. Zu Paris nahm er Herberg bei einem auserwählten Wirt, der unten am Berge wohnte, der gab ihm Futter und Streu, Speise und Trank aufs freundlichste. Brennberger hatte doch weder Ruh noch Rast, winkte den Wirt und frug ihn um Rat, wie er's anfange, der Königin unter Augen zu kommen; denn um ihrentwillen habe ihn die Herzogin aus Östreich hergesandt. Der Wirt sprach: »Stellt Euch dahin, wo sie pflegt zur Kirche zu gehen, so sehet Ihr sie sicherlich.«

Da kleidete sich Brennberger fräulich an, nahm seinen Kram und setzte sich vors Burgtor, hielt Spindel und Seide feil. Endlich kam auch die Königin gegangen, ihr Mund brannte wie ein Feuer, und elf Jungfrauen traten ihr nach. »Gott grüß dich, Krämerin«, sprach sie im Vorübergang; »was Schönes hast du feil?« Die Krämerin dankte tugendlich und sagte: »Hochgelobte Königin, gnadet's anzuschauen und kauft von mir samt Euern Jungfrauen!«

Abends spat sprach die edle Königin: »Nun hat sich die Krämerin vor dem Tore verspätet; laßt sie ein, fürwahr, sie mag heut bei uns bleiben.« Und die Krämerin saß mit den Frauen züchtiglich zu Tisch. Als das Mahl vollbracht war, sagte die Königin: »Bei wem wollt Ihr schlafen?« Die Krämerin wär gern [477] daheim gewesen, antwortete: »Gott dank Euch, edle Königin! Geliebt's Euch, so laßt mich allein liegen.« Das wäre schlechte Ehre, versetzte sie; »wohlan, ich habe zwölf Jungfrauen hier, bei der jüngsten ziemt Euch zu liegen, da ist Euer Ehre gar wohl bewahrt.« Also lag die Krämerin die lange Nacht bei der zarten Jungfrau und hatte dreizehn Tage feil in der Burg, und jede Nacht schlief sie bei einer andern Jungfrau. Wie nun die letzte Nacht kam, sagte die Königin: »Hat sie euch allen beigelegen, was sollt ich's denn entgelten?« Da wurde dem Brennberger angst, daß es um sein Leben geschehen wäre, wenn er bei der Königin liegen müßte; und schlich sich des Abends von dannen zu seinem Wirt, setzte sich alsbald zu Pferd und ritt ohn Aufenthalt, bis er in die Stadt zu Wien kam.

»Ach, Brennberger, allerliebster Diener mein, wie ist es dir ergangen, was bringst du guter Märe?« – »Edle Frau«, antwortete der Ritter, »ich hab Lieb und Leid gehabt, wie man noch nie erhört. Dreizehn Tage hatte ich feil meinen Kram vor dem Burgtor; nun möget Ihr Wunder hören, welches Heil mir widerfuhr; jeden Abend wurde ich eingelassen und mußte bei jeder Jungfrau besonders liegen; ich fürchtete mich, es könnte nicht so lang verschwiegen bleiben, und die letzte Nacht wollte mich die Königin selber haben.« – »Weh mir, Brennberger, daß ich je geboren ward«, sprach die Herzogin, »daß ich dir je den Rat gab, die edle Frau zu kränken; nun sag mir aber, welche die schönste sei unter uns zweien?« – »Frau, in Wahrheit, sie ist schön ohnegleichen, nie sah ich ein schöner Weib auf Erden; ein lichter Schein brach von ihrem Angesicht, als sie das erstemal vor meinen Kram ging, sonderliche Kraft empfing ich von ihrer Schöne.« – »Ach, Brennberger, gefällt sie dir besser als ich, so sollst du auch ihr Diener sein!« – »Nein, edle Frau, das sag ich nicht; Ihr seid die Schönste in meinem Herzen.« – »Nun sprachst du eben erst, kein schöner Weib hast du nie gesehen.« – »Wißt, Frau, sie hatte einen hohen Mund, darum seid Ihr schöner auch an Hals und Kinn; aber nach Euch ist die Königin das schönste Weib, das ich je auf der Welt gesehen; das ist meine allergrößte Klage, ob ich einen unrechten Tod an ihr verdient hätte!«

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TextGrid Repository (2012). Grimm, Jacob und Wilhelm. Sagen. Deutsche Sagen. Zweiter Band. 505. Der Brennberger (erste Sage). 505. Der Brennberger (erste Sage). Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-04C5-B