387. Der blinde Sabinus
Der Bischof Sabinus hatte vor hohem Alter das Licht der Augen verloren und war ganz blind. Da nun Totila von diesem Mann hörte, daß er weissagen könne, wollte er's nicht glauben, sondern selbst prüfen. Bei seiner Ankunft in jener Gegend lud der Mann Gottes den König zum Gastmahl ein. Totila wollte nicht speisen, sondern setzte sich zur Rechten des Greises. Als darauf ein Diener dem Sabinus den Weinbecher reichen wollte, streckte der König seine Hand stillschweigend aus, nahm den Kelch und reichte ihn mit seiner eigenen Hand statt des Knaben dem Bischof hin. Dieser empfing ihn, sagte aber: »Heil dieser Hand!« Totila, errötend über seine Entdeckung, freute sich gefunden zu haben, was er suchte.
Dieser Sabinus brachte sein Leben weit hinauf, so daß endlich sein Archidiakonus, aus Begierde, ihm als Bischof zu folgen, den frommen Mann zu vergiften trachtete. Er gewann den Weinschenken, daß er ihm Gift in den Kelch mischte, und bestach den Knaben, der dem Sabinus bei dem Mittagsmahl den Trank zu reichen pflegte. Der Bischof sprach auf der Stelle zum Knaben: »Trinke du selbst, was du mir reichst.« Zitternd wollte der Knabe doch lieber trinken und sterben als die Qualen leiden, die auf einem solchen Menschenmord standen. Wie er aber den Becher eben an den Mund setzte, hielt ihn Sabinus zurück und sprach: »Trinke nicht, sondern reiche mir, ich will trinken; geh aber hin und sage dem, der dir's gab, daß ich tränke und er doch nicht Bischof werden würde.« Hierauf machte der Bischof das Zeichen des Kreuzes und trank ohne Gefahr. Zur selben Stunde sank der Archidiakonus an einem andern Orte, wo er sich eben aufhielt, tot zu Boden, als ob das Gift in seine Eingeweide durch des Bischofs Mund gelaufen wäre.
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