98. Die verschütteten Silbergruben

Die reichsten Silberbergwerke am Harz waren die schon seit langen Jahren eingegangenen beiden Gruben der große Johann und der goldene Altar (bei Andreasberg?). Davon geht folgende Sage: Vorzeiten, als die Gruben noch bebaut wurden, war ein Steiger darübergesetzt, der hatte einmal, als der Gewinn groß war, ein paar reiche Stufen beiseite gelegt, um, wenn der Bau schlechter und ärmer sein würde, damit das Fehlende zu ersetzen und immer gleichen Gewinn hervorzubringen. Was er also in guter Absicht getan, das ward von andern, die es bemerkt hatten, als ein Verbrechen angeklagt und er zum Tode verurteilt. Als er nun niederkniete und ihm das Haupt sollte abgeschlagen werden, da beteuerte und beschwur er nochmals seine Unschuld und sprach: »So gewiß bin ich unschuldig, als mein Blut sich in Milch verwandeln und der Bau der Grube aufhören wird; wann in dem gräflichen Haus, dem diese beiden Bergwerke zugehören, ein Sohn geboren wird mit Glasaugen und mit Rehfüßen, und er bleibt am Leben, so wird der Bau wieder beginnen, stirbt er aber nach seiner Geburt, so bleiben sie auf ewig verschüttet.« Als der Scharfrichter den Hieb getan und das Haupt herabfiel, da sprangen zwei Milchströme statt des Bluts schneeweiß aus dem Rumpf in die Höhe und bezeugten seine Unschuld. Auch die beiden Gruben gingen alsbald ein. Nicht lange nachher ward ein junger Graf mit Glasaugen und Rehfüßen geboren, aber er starb gleich nach der Geburt, und die Silberbergwerke sind nicht wieder aufgetan, sondern bis auf diesen heutigen Tag verschüttet.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Grimm, Jacob und Wilhelm. Sagen. Deutsche Sagen. Erster Band. 98. Die verschütteten Silbergruben. 98. Die verschütteten Silbergruben. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-FEC1-2