Auf eines werthen Freundes Magisterpromotion in Halle

1724.


Mein Freund! dem die Natur mehr Gaben eingeprägt,
Als mancher andrer sich kaum halb zu wünschen pflegt;
Und dessen muntrer Kopf in wenig Vierthelstunden
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Mehr Witziges erdacht, als Mops im Jahr erfunden:
Mein Freund! wenn ich bisher ganz unempfindlich blieb,
Und kein verdientes Lied zu deinem Ruhme schrieb:
So mochtest du vielleicht von deinem Freunde denken,
Er wolle dir aus Stolz kein Lobgedichte schenken.
Allein, das war gefehlt. Dein Argwohn trüget sich;
Mein Hochmuth hat nicht Schuld, ein Zweifel schreckte mich.
Ich wollte mich nicht gern auf den Parnassus dringen,
Und durch ein hartes Lied von deiner Ehre singen.
Ich kenne meine Kraft und meine Schwäche schon;
Ich bin nicht so beglückt, als mancher Musensohn,
Der ungezweifelt glaubt, daß seiner Cyther Seyten
Mit aller Alten Kunst um Rang und Vorzug streiten;
Der in Gedanken steht, Homerus und Virgil,
Die Wunder der Natur, beneiden ihm sein Spiel:
Weil Midas und sein Chor, die seine Lieder hören,
Aus lauter Unverstand den harten Ton verehren.
Ach nein, gelehrter Freund! so glücklich bin ich nicht:
So bald ich dichten soll, erröthet mein Gesicht.
Ich muß mich vor mir selbst und meinen Versen schämen;
Drum mag ich auch den Kiel nicht in die Hände nehmen.
Man sieht ja mit Verdruß, daß Squenz, der Sylbenheld,
Wenn Pallas ihrer Schaar die Kränze zugestellt,
An statt des Pegasus sich auf ein Maulthier schwinget,
Und dann mit aller Kraft gezwungne Lieder singet.
Daher kömmt mancher Vers, wo alles mager sieht,
Wo lauter Aberwitz die Blätter überzieht;
Wo unverständlich Zeug die leeren Zeilen füllet;
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Wo manche Redensart von falscher Hoheit schwillet;
Wo fast kein einzig Wort sich recht zur Sache schickt;
Wo man den deutschen Rock mit wälschen Lumpen flickt;
Ja, wo die Reime selbst nicht auf einander treffen,
So, daß auch Kinder oft den dummen Dichter äffen.
Ein solch Exempel hat mich so verzagt gemacht,
Daß ich bisher gesäumt. Ich habe mich bedacht,
Ob meine Finger auch, bey deinen Freudentagen,
Vermögend würden seyn, ein reines Lied zu schlagen.
Ich sprach: Wo dein Gesang nicht recht gelingen will:
So schweige, mattes Rohr! so schweige lieber still!
Was nützt, was hilft es dir, von fremdem Ruhme dichten,
Und bey des Freundes Glück dein eigen Lob vernichten:
Weil jeder harte Reim, den deine Kunst erzwingt,
Von seines Meisters Schimpf ein wahres Zeugniß singt.
Mein Freund darf immerhin mit neuen Würden prangen;
Ich mag mein Antlitz nicht vor Scham herunter hangen.
So sprach ich bey mir selbst, und die gestörte Hand
Warf Blatt und Feder weg. Der herrschende Verstand
Bezwang für diesesmal die Stärke meiner Triebe,
Der eigne Ruhm galt mehr, als meines Freundes Liebe.
Die Wallung des Geblüts verlohr sich allgemach;
Mein Herz ward wieder kalt und seine Schläge schwach.
Ich fieng auch endlich an die Stümper auszulachen,
Die durch der Gönner Ruhm sich selber Schande machen.
Ein solcher, rief ich aus, ist ganz gewiß ein Thor,
Er zieht ein fremdes Lob der eignen Ehre vor.
Nach allem schien es gar bey diesem Schluß zu bleiben:
Ich würde niemals mehr ein Lobgedichte schreiben.
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Jedoch es kam die Zeit, daß sich die Furcht verlohr.
Da ward mein Schluß verkehrt. Du zogst ein Blatt hervor,
Das dir ein werther Freund aus Hamburg überschicket,
Darinnen er dein Lob in Reimen ausgedrücket.
Ich las es eilends durch: indem es nun geschah,
Daß ich ein deutlich Bild von deiner Tugend sah;
Von aller Aemsigkeit, dazu du dich gewöhnet,
Bis dich Apollens Hand mit seinen Lorbern krönet:
Fieng mein erloschner Trieb von neuem wieder an.
Ich dämpfte seine Kraft, so gut man immer kann,
Doch alles war umsonst. Die Glut fuhr fort zu toben,
Sie feuerte mich an, und zwang mich, dich zu loben.
Ich schrieb ein großes Blatt von deiner Tugend hin:
Indessen kam mir auch die Demuth in den Sinn,
Die alle Pralerey verderbter Seelen fliehet,
Sich mehr um Werk und That, als Ruhm und Ruff bemühet,
Durch die Betrachtungen erstickte sich die Glut:
Wie eine Feuersbrunst in starkem Regen thut.
Die Hand warf alsobald den stumpfen Griffel nieder,
Die zitternde Vernunft ergriff den Zepter wieder.
Was nützt es, sprach der Mund, die Tugend durchzugehn,
Die selber nicht verlangt, man solle sie erhöhn?
So siegte der Verstand, nachdem der Trieb gewichen;
Und dein verfaßter Ruhm ward vom Papier gestrichen.
An dessen Stelle kömmt dieß ungeschickte Blatt,
Die Schrift, so dir vieleicht durchaus misfallen hat;
Doch die zum wenigsten im Schlusse wird bezeigen,
Daß ich bey deinem Glück unmöglich könne schweigen.
Ein Wunsch, ein heißer Wunsch erfüllet meine Pflicht:
Was bessers kann und hat dein Freund und Diener nicht.
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Ich weis, du bist vergnügt: denn mein getreues Wesen
Läßt nicht die kleinste Spur verstellter Liebe lesen.
Der Höchste, welcher dich bisher so sehr geliebt,
Der in der Weisheit dir den Lehrernamen giebt,
Erhebe dich noch mehr, zum Nutze seiner Heerden,
Und lasse dich gar bald zum Kirchenlehrer werden.

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TextGrid Repository (2012). Gottsched, Johann Christoph. Gedichte. Gedichte. Poetische Sendschreiben. Auf eines werthen Freundes Magisterpromotion in Halle. Auf eines werthen Freundes Magisterpromotion in Halle. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-E417-2