[220] Die Oberstelle

Mit Zuziehung der Ständ' etwas belieben,
Ist sonst wohl nicht der Herrn Monarchen Art,
Doch in des Löwen Staate ward
Vor kurzem erst ein Landtag ausgeschrieben.
Die Thiere standen wartend da.
Der Löwe kam. Nehmt Platz, bitt' ich, ihr Herrn!
Sprach der Monarch. Allein der eine sah
Den andern an, und keiner wollte gern
Den Anfang machen; denn die Grade
Von Rang, die unter uns ein jeder Dummkopf weiß,
Ließ der Monarch, vielleicht mit Fleiß,
Ganz unbestimmt. Daher verbat ein jeder sich die Gnade
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Zu sitzen, wo der Löwe saß.
Dem aber wurde nach gerade
Die Zeit zu lang. »Ihr Herren, treibt ihr Spaß?
Bei meinem Barte! wären wir
Auch nur beisammen, um zu schmausen,
So sollt' uns doch kein kluges Thier
Die Zeit durch solche Possen mausen.
Herr Esel!« – (denn auch Esel sind,
Wenn ihr's nicht wißt, zuweilen Landesstände;)
»Herr Esel! Setz' er sich geschwind
Hier neben mich! Und damit Lied am Ende.«
Welch Wesen da der Esel an sich nahm,
Das könnt ihr leicht von selbst erachten.
Die andern Thiere aber lachten;
Und setzten sich in Zukunft wie es kam.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goeckingk, Leopold Friedrich Günther von. Gedichte. Fabeln und Erzählungen. Die Oberstelle. Die Oberstelle. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-E0BB-1