[127] HERMAN GORTER
AUS: MAI
Mitten im land steht nun ein heiligtum
Mit säulen die ich türmte und ringsum
Neigt sich die pappel und die grabzipresse.
Viel lilien wachsen · eine rosen-tresse
Schlingt sich von jedem schaft herab · ein schwarm
Von kindern sizt und singt dort arm an arm
Rotwangig auf der schwell mit lautem sange.
Die orgel stellt ich an die wand zum klange
Und eines mädchens bildnis barg ich drein.
Ich war der einzige priester · hatt allein
Die wonne · wohnte dort – mit mir niemand.
Ganz einsam war ums heiligtum das land·
Nachts wacht ich oft in tempelschattens blau ·
Der tempel badete im meer von tau·
Der mond beflog die blaue himmelsbrau
Dann zwischen säulen durch ergoss sich tau –
MusiK · sind's vögel sind es schmetterlinge
Herrauschend mit der tönevollen schwinge?
Sind es die sammtenen füsse meiner Mai
Die um den tempel geht dass dort die reih
Toten-gesichtchen blühender veilchen blickt·
Verträumt die ganze blumenmenge nickt ..
Vielleicht auch teilt die luft die klänge mit
Von wind und blumen-schaukeln und dem schritt
Von Mai die um den tempel spielend lief.
[128]Ist es die luft nicht die die stimmen rief
Aus vogelkehlen? treibt aus ästigem baum
Der wind nicht leichte töne und der saum
Des kleids rauscht er nicht morgens über die welt? –
Musik kommt aus luftbebungen gequellt.
Wie schied ich je von dort wo's mich befiel
Wie taumel · fern vom aug das licht mir fiel ·
Mein aug und ohr ward wie der grosse himmel
Über dem meer mit all dem wasser-wimmeln
Von prismen-farben · von musik-ballonen
Aufsteigend aus den fluten und von daunen
Gepflückt aus wellenflügeln? wo die nacht
Die erde schliesst · den himmel offen-lacht
Aus sternen spriessend klaren blicken gleich
Doch schweigend überm schwarzen reichen reich
Der erde · wo entstieg der blumen duft
Mit einem seufzer in der dunklen luft ·
Wo nachtigallenklage sich ergoss
Über der blume die gerad entspross.
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(das bruchstück in den Blättern
endigt mit dem Vers:
Du blume selbst · und lass hinein mich gehn.)