2. Percys Tod

»Mein Dach ist der Himmel seit manchem Tag,
Mein Lager zur Nacht des Waldes Streu:
Zu William Douglas will ich gehn,
Sein Schloß ist fest, sein Herz ist treu.
Als einst er floh, wie jetzt ich flieh',
Da fand er Schutz am Herde mein:
Die Douglas waren immer treu,
Auch William Douglas muß es sein.«
Graf Percy spricht's. Sein müdes Roß,
Er treibt es an mit Sporn und Schlag;
Er reitet gen Lochleven-Schloß
Und hält davor am dritten Tag.
[321]
Die Brücke rasselt niederwärts,
Graf Percy tritt zur Hall' hinein;
Graf Douglas spricht: »Willkomm, willkomm!«
Und reicht ihm Hand und reicht ihm Wein.
Es geht der Tag, die Monde gehn;
Am Fenster rüttelt Herbsteswind,
Des Percy Herz wird bang und schwer,
Er denkt an Weib und denkt an Kind.
Graf Douglas sitzt zu Seiten ihm
Und ruft ihm zu: »Was trübt dich so?
Wir fahren morgen über See,
Lord Murray jagt bei Linlithgow.
Und bist du krank, so heil' dein Herz
Durch grünen Wald und raschen Ritt;
Zudem, ich gab dem Lord mein Wort,
Du wärst dabei, du jagtest mit.«
Der Douglas spricht's. Graf Percy drauf:
»Du gabst dein Wort, – ich bin bereit!
Und ritt'st du bis zum heil'gen Grab,
Ich ritte mit an deiner Seit'.«
Er spricht's und reicht ihm rasch die Hand;
Rot wird des Douglas bleich Gesicht,
Er senkt sein Aug' und geht hinaus.
Maria Douglas aber spricht:
»Hab acht! mein Bruder spinnt Verrat;
Unstet seit lang' sein Auge rollt;
Das macht, er hat verkauft die Treu',
Verkauft um englisch Sündengold.
Er führt dich nicht nach Linlithgow,
Er führt dich, wo Schloß Berwick ragt;
[322]
Nach England geht's; wohl gibt es Jagd,
Du bist es selbst, auf den man jagt.
Bleib hier und sprich: ›du seiest krank!‹
So helf mit Gott ich dir hindurch
Und führ' dich, auf verborgnem Pfad,
Durch Wald und Nacht nach Edinburg.
Und bring' dich zu Lord Hamilton,
Das ist ein echter Schotten-Lord,
Der ließ wohl lieber Land und Leib,
Als daß er ließ von seinem Wort.«
Graf Percy hört's, sein Aug' wird feucht,
Er spricht: »Schwer trifft mich Gottes Hand,
So vielen Freunden bracht' ich Tod,
Dem letzten bring' ich Schimpf und Schand'.
Ich hab' gedacht: es sei vorbei,
Und hab' gedacht: das Maß sei voll;
Weh mir, daß Schlimmres nun als Tod
Auf Freundes Haupt ich laden soll.
Die Treue bring' ich in Verdacht,
Sie sei nicht treu, sei falsches Spiel;
Ich trage Fluch in jedes Haus –
Es ist zuviel, es ist zuviel.
Und sprichst du auch: Hab acht, hab acht!
Ich sprech' doch nur: Halt ein, halt ein!
Die Douglas waren immer treu,
Auch William Douglas muß es sein.«
Graf Percy spricht's. Die Lady drauf:
»Und schätzest du mein Wort gering,
Komm mit mir an den Leven-See,
Und schau hinein durch diesen Ring.
[323]
Den Ring mir meine Mutter gab,
Die konnte Wind und Wald verstehn,
Und blickst du auf des Sees Grund,
So wirst du deine Zukunft sehn.
Komm mit, komm mit! und willst du nicht,
Und glaubst du nicht, Gefahr sei nah,
So gib mir deinen Diener mit,
Der mag dir sagen, was er sah.«
James Swinnard mit der Lady ging,
Sie kamen an den Leven-See;
James Swinnard spricht: »Das sind von York
Die Türme, die ich drunten seh'!
Doch, Lady, sprich, auf offnem Platz
Was soll von Brettern das Gerüst?«
»Das ist der Altar, drauf dein Herr
Zum letzten Mal den Heiland küßt.«
»Und, Lady, sprich, wer steht dabei,
Gehüllt in Mantel, schwarz und dicht?«
»Das ist von York der Lord-Wardein,
Der deinem Herrn das Stäbchen bricht.«
»Und, Lady, sprich, wer steht dabei,
Gehüllt in Mantel, rot wie Blut?«
»Das ist von York der Meister Hans,
Der deinem Herrn das Letzte tut.«
James Swinnard trat vor seinen Herrn,
Er sah ihn an und weinte laut;
Er sprach: »Bleib hier, mein teurer Lord,
Ich hab' nichts Gutes da geschaut.«
Er schwieg. Graf Percy aber schnell:
»Und kostet's Leben mir und Leib,
[324]
Ich bau' auf Mann und Manneswort
Und nicht auf Spuk und Zauberweib.
Und wär's kein Spuk und würd' es wahr,
Ich spräche doch: 's ist Trug und Schein,
Die Douglas waren immer treu,
Auch William Douglas muß es sein.«
Der Morgen kam, der Wind war gut,
Die Pfeife rief: an Bord, an Bord!
Man stieg zu Schiff – James Swinnard auch,
Der ließ kein Aug' von seinem Lord.
Und Douglas rief: »Setzt Segel bei,
Kein Handbreit Linnen sei gespart!«
Hell lag die Sonn' auf Land und Meer,
Und rasch gen Süden ging die Fahrt.
Sie fuhren fünfzig Meilen schon,
Der Percy aber ward's nicht froh,
Er sprach: »James Swinnard, frag' den Lord,
Wie weit es noch bis Linlithgow.«
James Swinnard vor Lord Douglas trat;
Der lacht und spricht: »Wir sind noch fern!
Ein Narr, wer schönen Worten traut,
Und nun empfiehl mich deinem Herrn.«
Und wieder fünfzig Meilen ging's,
Rings offne See, kein Land zu sehn,
Da trat Graf Percy selbst heran:
»Douglas, sag' an, was soll geschehn!«
Der lacht und spricht: »Setz' dich zu Roß
Und spring' ins Meer und such' dein Glück,
Und willst du noch nach Linlithgow,
So reit' den halben Weg zurück.«
[325]
Und wieder fünfzig Meilen ging's –
Da blinkt's wie Türme über See,
Graf Percy spricht: »Nun helf' mir Gott,
Das ist Stadt Berwick, was ich seh'!«
Sie legten an bei Abendschein,
Frühmorgens hat er fortgemüßt.
Und als der dritte Morgen kam,
Stand er in York am Blutgerüst.
Er stieg die Stufen fest hinan,
Das blanke Beil, er sah es nicht,
Sein Auge schweifte rings umher
Und traf des Douglas bleich Gesicht.
Noch einmal klang's ihm durch das Herz,
Und bitter lächelnd schaut' er drein:
»Die Douglas waren immer treu,
Auch William Douglas muß es sein.«
Dann ließ er nieder sich aufs Knie
Und gab das Zeichen mit der Hand;
Ab flog sein Haupt: – das war das End'
Des Percy von Northumberland.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Fontane, Theodor. Gedichte. Gedichte (Ausgabe 1898). Lieder und Balladen frei nach dem Englischen. Der Aufstand in Northumberland. 2. Percys Tod. 2. Percys Tod. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-B11B-C