Schön-Margret und Lord William

»Leb wohl, meine süße Margret!
Ich hab' eine stolze Braut,
Morgen mit dem frühsten
Werd' ich ihr angetraut.
[293]
Leb wohl, meine süße Margret!
Ich freie die stolze Maid,
Am Kleide trag' ich Hochzeit,
Im Herzen trag' ich Leid.«
Es kam der Hochzeitsmorgen,
Zur Kirche schritt das Paar,
Schön-Margret saß am Fenster
Und strählte ihr blondes Haar.
Sie sah die Braut in Seide,
In Sammet den Bräutigam,
Sie legte schweigend nieder
Den elfenbeinernen Kamm.
Sie schritt zum Strom hinunter
Und brach ein Blümlein da,
Das Blümlein war sie selber –
Ein Fischer sie treiben sah. –
Nun blinken die stillen Sterne
Über dem Hochzeitshaus,
Musik ist längst verklungen,
Die Lichter loschen aus.
Lord William hält in Armen
Die stolze, die braune Maid –
Da horch, was rauscht vorüber
In weißem, wallendem Kleid?
Was stellt sich ihm zu Füßen
Und lächelt in Tränen noch?
Was flüstert ihm zu: »Lieb' William,
Leb wohl, ich liebe dich doch!« –
Auf blitzt die Morgensonne,
Die Vöglein singen vom Baum,
[294]
Lord William spricht: »Lieb' Lady,
Ich hatt' einen bösen Traum.
Ich sah zwei rote Rosen,
Und die eine liebt' ich heiß,
Und als ich brach die andre,
Da wurde die eine – weiß.«
Lord William steigt zu Rosse,
Seine Diener reiten mit,
Er weiß nicht, soll er jagen
Oder soll er reiten im Schritt.
Er kommt an Margrets Fenster,
Keine Margret dran zu sehn,
Er tritt in Haus und Halle –
Da wußt' er, was geschehn.
Sieben Brüder stehen schweigend
Um ihrer Schwester Bahr',
Noch blinken Wassertropfen
In ihrem goldnen Haar.
»Ich liebte dich im Leben,
Ich liebe dich im Tod –
Deine Lippen, könnt' ich sie küssen,
Bis daß sie wieder rot!«
Da murrten die sieben Brüder,
Und der älteste sprach laut:
»Lord William, willst du küssen,
So küß deine stolze Braut.«
»Wenn meine Braut ich küsse,
Küß' ich nach Recht sie nur –
Ich brach eurer Schwester Herze,
Doch brach ich keinen Schwur.
[295]
Zu Tisch nun, liebe Mannen!
Die Tafel blinkt von Wein,
Morgen mit dem frühsten
Soll neugedeckt sie sein.«
Wohl war sie neugedecket,
Noch eh' der Morgen kam:
Schön-Margret starb aus Liebe,
Lord William starb aus Gram.
Er ward im Chor bestattet,
Und siehe, Schön-Margret auch;
Sein Grab trug einen Weißdorn,
Ihrs einen Rosenstrauch.
Sie wuchsen bis zum Dache
Und reichten sich da die Hand,
Kein Auge sah die beiden,
Das nicht in Tränen stand.
Der Küster hieb sie nieder
Und warf sie in die Flamm,
Sie aber wuchsen wieder-
Treue Liebe kommt zusamm.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Fontane, Theodor. Gedichte. Gedichte (Ausgabe 1898). Lieder und Balladen frei nach dem Englischen. Schön-Margret und Lord William. Schön-Margret und Lord William. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-AF98-0