[103] Theresia die Weise

Gutrath der Barde.


Hat mir jemal ein Lied unter Gewaltigen
In dem Flügel der Schlacht, oder im nächtlichen
Siegesmahle gelungen,
Oder, wenn ich des thauenden
Morgens Kommen besang, oder das Abendroth,
Oder, wenn ich den Fall eines der blühenden
Heldensöhne beseufzte,
Dem im Felde sein Hügel 1 stieg;
O so sei mir auch heut unter den feiernden
Liederkönigen hold, göttliche Bardenkunst!
Denn ich singe die Weisheit
Uns'rer großen Gebieterinn.
So wie tagender Stral, wenn er in Osten bricht,
Falbe Nebel verzehrt, welche die Krümmungen
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Heller Bäche bedecken,
Und das reizende Blumenfeld;
So schwand trügender Dunst, welcher auf Wissenschaft,
Und auf jeglicher Kunst menschlicher Hände lag,
Als vom Stuhle der Väter
Sich dem Volke die Fürstinn wies.
Müßigbrütender Witz, luftiges Wortgezänk,
Nicht nach Wahrheit bemüht, nicht der Natur getreu,
Scholl vom lärmenden Saale
Wahngetäuschter Druiden aus.
Deinen Barden erzürnt war der Gesänge Geist,
War das ächte Gefühl, Donau! von dir gefloh'n
Zu den Quaden und Sachsen,
Zu den Katten und Brennen hin 2.
Denn sie sangen nicht deutsch, sangen dem Volke nach,
Dessen drückendes Joch Hermann in Stücke schlug 3,
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Mengten weichliche Namen
Fremder Götter in jedes Lied.
Auch der sinnende Fleiß, er der Beförderer
Jeder nützlichen Kunst wohnte beim Fremdlinge,
Macht' ihn stolzer, und zog ihm
Uns're Schätze zur Beute zu.
Nun nicht länger! so rief uns're Gebieterinn,
Schwang den güldenen Stab über die Dämmerung.
Sieh, da schwanden die Schatten!
Eifer flammte die Geister an.
Männer traten hervor, hoher Erkenntniß voll,
Auf der Fürstinn Gebot; jeglicher Wissenschaft
Kam, und jeder der Künste,
Glanz und Nutzen durch sie zurück. 4
Und ein thürmender Bau stieg auf Theresien's
Machtwort prächtig empor, öffnete Lernenden
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Weite Thore. 5 Sie saßen,
Hörten Weisheit, und liebten sie.
Und der Barde, gerührt, langte das Harfenspiel
Seiner Väter hervor, spannte die Saiten um.
Vaterländische Lieder
Sang die Tochter der Felsen 6 nach.
Und der schlummernde Fleiß riß sich beschämet auf,
Griff zum Werke. Der Schall arbeitergebener
Hände schwang sich in Städten,
Schwang vom Lande sich himmelan. 7
Tiefsinn faßte den Sohn fremder Gebiete, kaum
Glaubt' er, was er vernahm. Aber die Söhne Teuts
Sah'n den rühmlichen Fortgang,
Sah'n, und freuten sich brüderlich. 8
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Und bald schwebte der Ruhm über Theresien's
Weisen. Einer, gelehrt alle Bewegungen
Heitrer nächtlicher Himmel, 9
Zog zum fernesten Norden hin,
Von dem Herrscher erwählt, welcher, dem Vater gleich,
Weisheit liebt, und belohnt, und dem erhabensten
Unsrer Barden, 10 vom Vater
Ueber Meere gerufen, horcht.
Dorthin zog er, und fand günstigen Himmel dort,
That dem Herrscher genug, kehrte von ihm geehrt,
Und nicht ohne Geschenke
Deinem Himmel, o Wien! zurück.
Ha, du glückliches Wien! Unter Theresien's
Mildem Strahle, wie schön siehst du die Wißbegier
Zu der Reife gepfleget,
Süßer, nährender Früchte voll;
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Siehst du, wie die Gewalt weiserer Lehren auch
Herz und Sitten erhöht, Umgang und Sprache bild't,
Und von spielenden Bühnen
Rohheit bannet und Afterwitz; 11
Siehst du, wie sie das Haupt unter den Künsten hebt,
Sie, die männlichste Kunst, Waffengeschicklichkeit,
Einem Helden vertrauet,
Der vom Lenze des Alters an
In dem Flügel der Schlacht rühmliches Eisen trug,
Der von Joseph geliebt, und vom erfahrenen
Brennenherrscher geschätzet,
Ganz sich Oesterreichs Ehre weiht! 12
Aber siehst du nicht auch, glückliches Wien! wie sehr
Deines reifenden Ruhms Dauer Theresien,
Deiner weisesten Fürstinn,
An dem sorgenden Herzen liegt?
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Menschen schwinden hinweg. Lassen sie Thaten nach,
Dann nennt Trümmer 13 und Lied Thaten und sie zugleich;
Aber Trümmer und Lied stirbt,
Gleichen Söhne den Vätern nicht.
Heil dir, sorgendes Herz unsrer Gebieterinn!
Vätern gleichen durch dich Söhne. Du rufest sie
Von entferneten Grenzen
Deiner Reiche zur Kaiserstadt.
Da quillt Lehre für sie jeglicher Wissenschaft;
Da wird jedes Gefühl zeitlich der Tugend wach;
Da grünt Hofnung der Zukunft,
Deutsches Vaterland! Hoffnung dir!
Jeden löblichen Schritt, welchen ein Heldenkind
Fortgeht, zeichnet das Aug' seiner Beherrscherinn,
Und Ihr Zuspruch erwecket
Rühmlich Eilender Eifersucht.
Und am Ziele der Bahn warten Belohnungen
Jedem Sieger bestimmt, welcher im Frühlinge
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Seines Lebens, o Weisheit!
Deinem Reize sich ganz ergab.
Weisheit, Weisheit! wie viel bist du Theresien
Schuldig! Weit ist das Reich, dem du mit Ihr gebeutst;
Zahlreich sind die Verehrer,
Die sie deinen Gesetzen schafft!
O so flamme den Geist deiner Verehrer an,
Daß ihr treffender Kiel, daß ihr beredter Mund,
Ihres Harfenspiels Ausklang
Deine Freundinn verewigen!

Fußnoten

1 Sein erhöhtes Grabmal.

2 Nach Schlesien, Ober- und Niedersachsen und der Mark.

3 Den Römern.

4 Z.B. ein Freih. von Swierten.

5 Das prächtige, 1756 eingeweihte, Universitätsgebäude.

6 Der Wiederhall.

7 Die Menge errichteter Fabriken.

8 Man darf nur die kritischen periodischen Schriften derselben Jahre nachsehen.

9 Der kais. königl. Astronom Abt Hell.

10 Klopstock, der damal mit dem unsterblichen Beförderer der Wissenschaften Grafen von Bernstorf noch in Dänemark war.

11 Die Bemühungen verschiedener würdiger Männer für die Aufnahme der Nationalbühne zu jener Zeit sind bekannt.

12 Der Kriegsminister Feldmarschall Graf von Lacy.

13 Unter den Trümmern versteht der Barde errichtete Denkmäler.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Denis, Michael. Gedichte. Gedichte. Theresia die Weise. Theresia die Weise. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-7E3F-0