[483] Ruf
(Aufruf an die Deutschen auf Java, der Heimat zu helfen)
Wir sitzen hier in der Sonne, die wir nie missen.
Wir sitzen hier vor gefüllten Schüsseln und Schalen.
Wir, die wir am Leibe hier nichts vom Kriege wissen,
Nichts von der Todeskälte und den Hungersqualen.
Daheim ist kaum Wolle zu haben und kaum Essen.
Der Säugling schon lernt den lähmenden Hunger kennen.
Ihr sollt die zu Hause keinen Tag hier vergessen.
Wenn sie auch nicht laut und dringend ihr Leiden nennen.
Kartoffeln und Brot werden ihnen knapp bemessen.
Wenig Fleisch wird in Grammen sparsam zugewogen.
Sie bekommen ein Ei in der Woche zu essen.
Fett und Zucker sind allen so gut wie entzogen.
Die Frauen müssen in Stunden und Stunden warten,
Aufgestellt auf dem Pflaster vor den Ladentüren,
In der Hand die Brot-, Milch- und Kartoffelkarten
Und dürfen nicht Ungeduld und nicht Kälte spüren.
Wie wird das Mehl vorsichtig verteilt aus dem Spinde.
Mancher Magen hat lange kein Fleisch mehr gesehen.
Und manche Mutter hungert und gibt ihrem Kinde,
Und sie muß tags am eisernen Schraubstocke stehen.
Seit Monaten hat sich keiner mehr satt gegessen.
Was nützt den Reichen das goldene Geld im Kasten!
Noch im Schlaf wird der Krieg nicht vom Hunger vergessen.
Beide, Reiche und Arme, fürs Vaterland fasten.
Darum sollt ihr geben und geben und noch geben,
Ihr Deutschen hier draußen. Denn nicht mit Blut und Nöten
Habt ihr zu kämpfen um jede Stunde im Leben.
Helft Frauen und Kindern daheim, die Not zu töten!
[484]Es kämpfen dort nicht nur Männer im Schützengraben.
Frauen, Kinder bekämpfen den Hunger, den kalten.
Deutsche, hört! Zögert nicht mit eures Geldes Gaben.
Pflicht ist jetzt: Durchhalten mit ihnen, die aushalten!
Gebt ihr viel, so ist das Viel noch wenig. Bedenket:
Was geben Deutschland jene, die den Hunger geben!
Ist dagegen nicht wenig, das was ihr hier schenket?
Die zu Haus hungern, halten die Heimat am Leben.
(Soerobaya, Dezember 1916)