Illicitum frustra Venus improba vexat amorem

Vor 1640.

1.
Mein Vrtheil widerräth es mir
Vnd sagt: Ich sol mich von dir wenden;
Ich aber habe die Begier,
Mein Lieb, noch nicht in meinen Händen,
Ich streit in grosser Sorg vnd Pein
Vnd kan doch nicht jhr Meister seyn.
2.
Mein zartes Alter weiß noch nicht
Vor jhren Kräfften ob-zusiegen,
Ich muß durch jhre strenge Pflicht
Im ersten Ansatz vnten liegen;
Wie klüglich mein Verstand auch lehrt,
So wird er doch nicht angehört.
3.
Ich kenne zwar die Tugendt wol,
Was hilfft es mir? Ich muß sie hassen;
Ich sehe, was ich meiden sol,
Vnd kan es doch nicht vnterlassen;
Zum Bösen lieb' ich schnelle Fahrt,
Zum Guten trag' ich Schnecken-arth.
4.
Recht wie ein Schiff in vollem Lauff
Die Syrten zwar vor Augen siehet,
Vnd helt doch seine Flucht nicht auff,
Wie hefftig es sich auch bemühet:
Der vngezähmten Winde Streit
Gönnt hie der Kunst nicht Krafft, nicht Zeit:
5.
So seh' ich meinen Vntergang
Mir auch zwar stets vor Augen schweben,
Vnd kan mich doch durch keinen Zwang
Der sorglichen Gefahr entheben:
Das geile Wol-thun führt mich hin
Wo ich mir selbst nicht ähnlich bin;
6.
Da, wo ich eben das muß seyn,
Was vormals Ithacus Geferdten,
Die sich in Bähren, Wölff' vnd Schwein'
Auff Circe Zauberey verkehrten.
Wer unter den Begierden ist,
Darff keiner Circe Kunst vnd List.
[68] 7.
Sie ziehen jhm den Menschen auß,
Vnd heissen jhn zum Viehe werden:
Dann ist er nur des Menschen Hauß
Vnd trägt nur Menschliche Geberden,
Der Kern des Menschen ist verheert
Vnd in ein tummes Wild verkehrt.
8.
Jedoch, gleich wie die wilde Fluth
Nicht allezeit sich muß bewegen:
So wird mit meinem jungen Bluth
Der Sinnen Toben auch sich legen;
Ich weiß, mein Vrtheil vnd Verstand
Behelt zuletzt noch Oberhand.
9.
Indessen, weil ich vnverliebt,
Wie gern ich wolte, nicht kan bleiben,
Vnd aber Dich das Glück mir giebt
Der Jugendt süsses Spiel zu treiben,
So solt nur Du, mein Licht, allein
Mir meine Gegen-Liebe seyn.
10.
Kein Weibes-Bild sagt mir so zu
Vnd räumt sich so zu meinen Sitten,
Mein Sinnen-Trost, als einig Du,
Drumb hast du mir die Seel' erstritten,
Die Seele, die mir gantz entfellt
Vnd sich zu deiner Seelen helt.
11.
Vor dieses aber, meine Lust,
Das meine Seel' auff dir muß rasten,
Laß dich auch ferner, wie du thust,
Kein' vngelehrte Hand betasten,
Weil Phoebus selbst, vnd ich, sein Kind,
Kaum deiner Liebe würdig sind.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Dach, Simon. Gedichte. Weltliche Lieder. Hochzeitsgedichte. Illicitum frustra Venus improba vexat amorem. Illicitum frustra Venus improba vexat amorem. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-6812-5