4. Klagelied
Darstellung vor Caipha und nächtliche Schmache

Indessen geht bey Nacht die Geistligkeit zu Raht,
Die ihre Zähne wetzt auff diese böse That,
Sie horchen zu, gleich wie, der Vögel sucht zu fangen,
Beym Garn sehr wachsam liegt und lauschet mit verlangen.
Offt schelten sie die Knecht' als wären sie zu faul,
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Offt reisst die lange weil ihr mörderisches Maul,
Doch eilen diese sehr, der Herr wird fortgerissen,
Vnd folgt, so fern die Band' ihn lassen, die ihn schliessen,
Er geht gehorsam mit, es mag der Landsknecht ihn
Fort über Hals und Kopff gleich reissen oder ziehn.
Das gantze Haus muß schon beym Caiphas erschallen,
Der Priesterschafft beginnt das Hertz erfrewt zu wallen.
Auff eines Vntergang gehn, die sonst uneins seyn,
Mit Sinnen und mit Rath zusammen Freundschafft ein.
Des Todes Vrtheil wird von allen ihm gesprochen,
Er wird geführt, der Stab ist über ihn gebrochen.
Er stehet mitten ein, der hohen Schönheit Liecht
Vnd alle Zieraht mahlt sein heiligs Angesicht,
Viel Zeugen sind erkaufft, die fälschlich ihn beliegen,
Ihr Zeugniß aber wil sich nicht zusammen fügen.
Daher sie Christus auch mit schweigen wiederlegt,
Daß sich ein jeder selbst mit seinen Worten schlägt.
Da fragt ihn Caiphas, und schwert bey Gottes Leben,
Du, spricht er: solst Bescheid und Antwort von dir geben,
Sag, bist du Gottes Sohn, des grossen Vaters Raht,
Wie der gemeine Mann den falschen Glauben hat?
Ja, spricht er. Caiphas hat da sein Kleid zerrissen.
Weg, schreyen sie, mit ihm! sein Halß sol solches büssen.
Der Raht steht eilends auff und redet Mord und Blut,
Da man denn Gott in Schmach und Bande wieder thut.
Wie wird mir, Christe, doch die Grausamkeit beschrieben,
Die Schläg' und was man dir für Frevel zugetrieben,
Als das Gesindchen bloß mit dir die gantze Nacht,
In Hohn und Vbermuth aus Kurtzweil zugebracht;
Als du so manchen Streich auff deine zarte Wangen,
Von der geharnschten Hand der KriegesKnecht empfangen?
Als man die Augen dir verhüllt' und sprach: errath,
Wer ist es von der Schaar der dich geschlagen hat?
Vnd als ein Lotterbub frech, garstig, ungeschewet
Dir deinen Bart geraufft, dein Angesicht verspeyet?
O weh, daß unsre Schuld dir ursacht solche Pein,
Vnd unsre Missethat muß so gebüsset seyn!
Ich aber weiß, was du an deinem Haupt empfunden,
Der Hohn, die Schläge sind die Artzney meiner Wunden,
Durch diese Bande wird die Freyheit, Ruhm und Zier
(War ich wol dessen wehrt?) durch diese Schmache mir.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Dach, Simon. Gedichte. Geistliche Lieder. Trostgedichte.. Carl Malaperten Leidender Christus. 4. Klagelied. 4. Klagelied. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-670F-6