Noch einmal! ...

Nun knospet's in den Linden wieder,
Die unter meinem Fenster stehn ...
Ich sah sie blühn und sich entblättern,
In pfeifenden Oktoberwettern
Ihr letztes Blatt verloren gehn.
Es kam des Winters weiße Stille –
Und ganz vereinsamt ward mein Herz ...
Nur der Erinnerungen Fülle
Beschwor ein dunkler Schicksalswille
Und dem Verwaisten milden Schmerz ...
Du gingst von mir. – Da nackt die Bäume,
Drückt' ich zum Abschied dir die Hand. –
Fahrt wohl, fahrt wohl, ihr Sommerträume,
Ihr zogt wie treulos Flutgeschäume –
Und nur die Sehnsucht wob das Band. –
Nun knospet's in den Linden wieder,
Die unter meinem Fenster stehn ...
Braunrot seh' ich die Kraft sich schließen –
Ein Duft von nahendem Genießen
Spür' ich durch wärmre Lüfte wehn ...
[216]
Wirst du noch einmal nordwärts kehren,
Den ich wie keinen je geliebt?
Laß uns den letzten Lenz durchträumen –
Wird's wieder nackt an Busch und Bäumen,
Ist's Zeit, daß auch der Wahn zerstiebt ...

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Conradi, Hermann. Gedichte. Gedichte aus der Spätzeit. Noch einmal! .... Noch einmal! .... Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-581C-6