9. Die schwarze Katze.

Mündlich in Seesen.


Es war einmal ein Müller, der hatte das sonderbare Schicksal, daß, so oft er einen Gesellen annahm, diesem in der ersten Nacht der Hals umgedrehet wurde. Er wußte gar nicht, was das zu bedeuten habe, und weil er ein braver Mann war, beschloß er, gar keinen Gesellen mehr zu halten, und versah die Mühle eine lange Zeit selber. Eines Abends klopfte es draußen, und als der Müller öffnete, siehe, da war es ein wandernder Müllergesell, welcher Arbeit suchte. Jener hörte sein Anliegen an, schüttelte mit dem Kopfe und sagte: »Weiß Gott, ich hätte gern einen Gehülfen wieder, denn die Treppen werden immer steiler; ich kann dich aber nicht ins Verderben führen! Denn, höre nur, noch jedesmal, wenn ich einen Gesellen genommen habe, ist ihm in der ersten Nacht der Hals umgedreht.« Sprach der Wanderbursch: »Ei, da müßte ich doch mit dabei sein! Ich will's immerhin darauf wagen!« Der Müller mochte ihm vorstellen, was er wollte; der Gesell bestand darauf, und so führte jener ihn in die Mahlstube und von hier in die Mühle und zeigte ihm alle Hausgelegenheit und die Einrichtung seiner Mühle. Als er ihm alles übergeben hatte und nun zu Bette wollte, bat der [37] Fremde noch um ein Beil, um einen Topf voll Mehl aus der großen Kiste und um ein wenig Feuer, und der Müller holte ihm alles herbei, denn er war ein guter Mann; hierauf legte er sich ins Bett, und der Gesell besorgte die Mühle.

Als alles im Hause zu schlafen schien, gieng er in die Küche, machte aus dem Mehl einen Brei, kochte diesen und wartete, bis es zwölf schlug. Die Stunde kam, und eine gefährliche schwarze Katze sprang herein und sah grimmig auf den Gesellen; dieser blieb ganz ruhig, und als das Unthier sich zu einem Sprunge anschickte, spritzte er von dem Brei über sie, und heulend lief sie davon. Gleich darauf erschien eine zweite schwarze Katze, dieser folgte eine dritte und so fort, bis es elf waren, und alle verjagte er mit dem kochenden Brei. Nun aber griff er flink zu seinem Beil; denn, so sparsam er auch damit umgegangen war, mit dem Brei war's zu Ende, und wo es von derlei Katzen elf giebt, da fehlt auch die zwölfte nicht. Und sie ist schon da, die zwölfte, und waren schon die anderen gräulich, diese ist's erst recht: wüthend springt sie auf den Gesellen los; der aber haut ihr die ausgestreckte Pfote ab. Da eben schlägt es eins; die Katze ist verschwunden, und die abgehauene Pfote ist eine Menschenhand.

Am andern Morgen trat der Müller besorgt in die Mühle, und als er den Gesellen munter und guter Dinge sah, da freute er sich herzlich. Dieser erzählte ihm sein Abenteuer, und als er ihm auch die Hand wies, erschrak der Müller; denn die kam ihm nur allzu bekannt vor. »Liegst du deshalb noch im Bette und weinst?« dachte er und meinte seine Frau; er richtete sie mit Gewalt auf, und ach! sie hatte nur eine Hand. Die Geschichte ward bald bekannt, die Obrigkeit untersuchte es, und die Frau mußte bekennen, daß sie eine böse Hexe sei, die anderen elf Katzen aber alte Frauen aus dem Dorfe und ihre Gehülfinnen seien; hierauf wurde die Müllerin verbrannt, und die übrigen wurden enthauptet. Das war dem armen Müller allzu viel: er vermachte dem Gesellen seine Mühle, denn Kinder hatte er nicht; alsdann legte er sich hin und starb.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Colshorn, Carl und Theodor. Märchen und Sagen. Märchen und Sagen aus Hannover. 9. Die schwarze Katze. 9. Die schwarze Katze. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-5637-9