[236] Über des Ritters Ramsay »Reisen des Cyrus«

Dies Buch ist kein schöner Modevogel, kein Eau de Carme für die Nase und Manschetten, sondern ein gutgemeintes Buch; und es wird's auch nicht leicht einer durchlesen, daß ihm nicht zugleich über dieses oder jenes neue Sterne in seinem Kopf aufgingen. Mir zum Exempel haben die blinden Heiden von jeher viel Kopfbrechen gemacht. Ich hatte wohl so in mir gedacht: Sieh, es ist nur ein Gott, so wie nur eine Natur ist; also kann davon auch nur eine Lehre sein die wahr ist, und alle Lehre davon, die wahr und mehr als Wortspiel ist, muß, sie sei wo sie wolle, sowohl vor als nach dem Babylonschen Turmbau, inwendig einerlei sein, und, versteht sich von selbst, 'n Balsam für das Herz, 'n Wasser des Lebens, 'n Strom von Milch und Honig! und diese Lehre haben die Israeliten offenbar gehabt und die Christen. Nun die blinden Heiden! Es hat mir immer nicht recht eingewollt, daß sie von dem letzten bis zu dem ersten alle so entsetzlich blind gewesen, und es fliegen überall an ihren Altären der Funken so viel, die grade wie die israelitischen aussehen; aber doch konnte ich nicht durch, und, woher die? wann, wie, was und warum? das war mir alles 'n Rätsel, 'n neues Tor vor dem ich stehenblieb. Der Ritter Ramsay geht weiter, und hat, dies Rätsel aufzulösen, dem Daniel und andern Weisen verschiedenes in den Mund gelegt, freilich nur in den Mund gelegt, und wenn Daniel oder sonst ein Mann Gottes selbst den Mund auftun sollte, das würde etwas anders sein. Aber doch, was Ramsay darüber beigebracht hat, ist sehr natürlich und anmutig zu lesen, und beweist, dünkt mich, die Wahrheit der Religion überhaupt gar sonderlich.

Außerdem sind noch in diesem Buch mancherlei erbauliche Exempel zur Lehre und Warnung vorgestellt, ist noch viel kluger Rat darin, für alle Menschen, und am meisten für die Kronprinzen, die zu seiner Zeit Land und Leute regieren sollen. Wenn ein Prinz mit Salomo um Weisheit und Erkenntnis bittet, daß er vor seinem Volk aus und ein gehe; so hat Gott wohl noch andre Wege, ihm Weisheit und Erkenntnis zu geben als durch 'n Buch; sonst aber werden gewißlich die Kronprinzen dies Buch nicht ohne Nutzen lesen, und ich wollte, ich wäre so glücklich einen zu kennen, daß ich's ihm dedizieren und in die Hand geben dürfte und er mir's nicht ungnädig nähme. Ich würde ihm sagen:

[237] Lieber teurer Kronprinz,

Sie sollen 'nmal eine Krone tragen als der Freund und Vater von viel tausend Menschen, jung und alt, die in den Städten und Dörfern Ihres Reichs wohnen, und es wird Ihnen an Schmeichlern und Versuchung zum Bösen nicht fehlen. Sie wissen freilich selbst am besten, wie Sie sich dabei nehmen wollen; aber es wird Sie doch freuen zu sehen, wie der Kronprinz Cyrus sich dabei genommen hat.


Liebe Königliche Hoheit,

Dies Buch ist geschrieben und übersetzt, Ihnen diese Freude zu machen. Sei'n Sie so gnädig es zu lesen, und Gott gebe, daß Sie ein guter König werden.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Claudius, Matthias. Gedichte und Prosa. Asmus omnia sua secum portans. Vierter Teil. Über des Ritters Ramsay »Reisen des Cyrus«. Über des Ritters Ramsay »Reisen des Cyrus«. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-54BD-B