Brief an Andres
Gott zum Gruß!
Mein lieber Andres, wenn Er sich noch wohl befindet, ist's mir lieb. Was mich anlangt, so befind ich mich itzo in Wandsbeck.
Er wird's auch wohl vom Herrn Rektor gehört haben, daß der Kalendermacher und Sternkucker Tycho Brahe zu seiner Zeit in Wandsbeck den Sternenlauf betrachtet hat, und daß dieser Tycho Brahe eine Nase von Gold, Silber und Wachs hatte, weil ihm von ohngefähr 'n Edelmann zu nächtlicher Weile eine von Fleisch abduellierte; ich tu Ihm zu wissen, daß ich keine Nase von Gold, Silber und Wachs hab, und daß ich folglich hier auch den Sternenlauf nicht betrachte. Übrigens ist mir in Ermanglung eines Bessern zu Ohren gekommen, daß Ihm Seine Gertrud abgestorben ist. Da Er weiß, daß ich nicht ungerührt bleibe, wenn 'n Hund stirbt den ich zum erstenmal sehe, so kann [21] Er sich leicht vorstellen, wie mir bei der Nachricht von diesem Todesfall geworden sein mag. Die selige Gertrud hatt ihre Nücken, aber 's reute sie doch gleich, und sie hatt auch viel Gutes, und hätte wohl länger leben mögen, doch sie ist nun kaputt, und Er muß sich zufriedengeben. Andres! unterm Mond ist viel Mühe des Lebens, Er muß sich zufriedengeben- ich sitze mit Tränen in den Augen und nag an der Feder, daß unterm Mond so viel Mühe des Lebens ist, und daß einen jedweden seine eigne Nücken so unglücklich machen müssen!
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