Roger de Bussy-Rabutin
Geheime Liebschaften
(Histoire amoureuse des Gaules)

[1] [Geschichte der Gräfin von Olonne]

Unter der Regierung Ludwigs XIV. hinderte nicht der Krieg, der seit zwanzig Jahren dauerte, daß man bisweilen der Liebe pflegte. Da jedoch der Hof mit alten unempfindlichen Cavalieren angefüllet war, oder mit jungen Leuten, geboren unter dem Geräusche der Waffen, und welche dieß Handwerk roh gemacht hatte, so wurden dadurch die meisten Damen etwas weniger züchtig, und da sie sahen, daß sie in Unthätigkeit verschmachtet wären, wenn sie nicht die ersten Schritte gethan, oder wenigstens nicht ihre Grausamkeit gemildert hätten, gab es unter ihnen viele Barmherzige und einige Freche.

Frau von Olonne war eine von den letztern. Sie hatte ein rundes Gesicht, eine wohlgeformte [1] Nase, einen kleinen Mund, glänzende und feine Augen, und zarte Züge. Das Lachen, welches Jedermann verschönert, brachte bei ihr eine ganz entgegengesetzte Wirkung hervor. Sie hatte kastanienhellbraune Haare, einen wunderschönen Busen, Hals, Hände und Arme wohl gebildet. Ihr Wuchs war plump, und ohne ihr Gesicht hätte man ihr die Gestalt des Körpers nicht verziehen; dieß veranlaßte ihre Schmeichler, wenn sie sich sehen ließ, zu sagen, daß sie ganz gewiß einen gut gebauten Leib habe, was gewöhnlich jene sagen, welche die Frauen entschuldigen wollen, die zu viel Wohlbeleibtheit haben; sie war jedoch zu aufrichtig in dieser Hinsicht, um die Leute im Irrthume zu lassen- vom Gegentheile überzeugte sich, wer wollte, und es lag nicht an ihr, daß sie nicht Jedermann den Irrthum benahm. Frau von Olonne hatte einen lebhaften und muntern Geist, wenn sie frei war. Sie war wenig aufrichtig, ungleich, unbesonnen, nicht böse. Sie liebte die Vergnügungen bis zur Schwelgerei, und ihr Ungestüm erstreckte sich selbst auf ihre kleinern Ergötzlichkeiten. Ihre Schönheit eben so sehr als ihr Vermögen, obwohl [2] es nur mittelmäßig war, bewogen den Herrn von Olonne, um ihre Hand zu werben; diese Werbung dauerte nicht lange;Herr von Olonne, ein Mann von Ansehen und großen Glücksgütern, wurde von der Mutter derFrau von Olonne freundlich aufgenommen, und er durfte seine Muße nicht um Reize verseufzen, welche zwei Jahre lang die Wünsche des ganzen Hofes gewesen waren. Nach vollzogener Ehe zogen sich die Liebhaber, die geheirathet seyn wollten, zurück, und andere kamen, die nur lieben wollten. Einer der Ersten, der sich einfand, war der Marquis von Beuvron, dem die Nachbarschaft der Frau von Olonne mehr Bequemlichkeit gab, sie zu sehen, und dieser Umstand war Ursache, daß er sie sehr lange Zeit liebte, ohne daß man es bemerkte, und ich glaube, daß diese Liebe immer verborgen geblieben wäre, wenn der Marquis von Beuvron niemals Nebenbuhler gehabt hätte; aber der Herzog von Candale, verliebt geworden in Frau von Olonne, entdeckte bald, was verborgen war aus Mangel an betheiligten Personen. Nicht als obHerr von Olonne seine [3] Frau nicht liebte; sondern die Ehemänner werden zahm, aber nie die Liebhaber, und die Eifersucht dieser ist tausendmal scharfsichtiger, als jene der Andern. Daher kam es, daß derHerzog von Candale Dinge sah, die Herr von Olonne nicht sah, und die er niemals gesehen hat; denn man muß noch wissen, daß der Marquis von Beuvron seine Frau liebte. DerMarquis von Beuvron hatte schwarze Augen und eine wohlgeformte Nase, einen kleinen Mund, ein langes Gesicht, und sehr schwarze, lange und dichte Haare, einen schönen Wuchs. Sein Geist war hinlänglich. Er gehörte nicht zu den Männern, die in Gesellschaften glänzen, aber er war ein Mann von gesundem Verstande und von Ehre, obgleich er eine natürliche Abneigung vor dem Kriege hatte.

In Frau von Olonne sohin verliebt geworden, suchte er Mittel, ihr seine Liebe zu entdecken. Die Nachbarschaft von Paris bot ihm dazu Gelegenheiten genug, aber die Flüchtigkeit, welche sie in allen Dingen an den Tag legte, ließ ihn fürchten, sich mit ihr einzulassen. Als er endlich eines Tages sich[4] ihr allein gegenüber befand, sprach er: »Wollte ich Ihnen, gnädige Frau, nur zu wissen machen, daß ich Sie liebe, so hätten Ihnen meine Bemühungen und meine Blicke schon genug gesagt, was ich für Sie fühle, aber da es nöthig ist, gnädige Frau, daß Sie einst meine glühende Liebe erwiedern, so ist es auch nöthig, daß ich sie entdecke, und daß ich Ihnen zugleich versichere, daß ich, Sie mögen mich nun lieben, oder nicht, entschlossen bin, Sie mein ganzes Leben hindurch zu lieben.« –

Der Marquis hatte aufgehört zu sprechen. »Ich gestehe Ihnen, mein Herr, erwiederte Frau von Olonne, daß ich nicht erst seit heute weiß, daß Sie mich lieben, und obwohl Sie mir früher nie davon sprachen, so unterließ ich doch nicht, Ihnen Rechenschaft von Allem zu geben, was Sie für mich gethan haben, von dem ersten Tage an, da Sie mich sahen, und dieß möge mir zur Entschuldigung dienen, indem ich Ihnen bekenne, daß ich Sie liebe. Achten Sie mich deßwegen nicht minder, weil es schon sehr lange ist, daß ich Sie seufzen höre, und wenn man selbst an meinem geringen Widerstande etwas zu [5] tadeln finden könnte, so wäre dieß mehr ein Beweis von der Macht Ihres Verdienstes, als von meinem Flattersinne.«

Nach diesem Vorgange kann man wohl schließen, daß die Dame nicht lange zögerte, dem Cavalier die höchsten Gunstbezeigungen zu gewähren, und dieß dauerte vier bis fünf Monate von beiden Seiten ohne irgend eine Störung. Doch zuletzt machte die Schönheit der Frau von Olonne zu viel Aussehen, und diese Eroberung verhieß dem, der sie machen würde, zu viel Ruhm, um den Marquis in Frieden zu lassen, und der Herzog von Candale, der gewandteste Hofmann, glaubte, daß seinem Rufe nichts mehr fehle, als dieß. Er entschloß sich also, drei Monate nach dem Ende des Feldzuges, sich in sie zu verlieben, sobald er sie sehen würde, und zeigte durch eine große Leidenschaft, die er hernach für sie hatte, daß die Liebe nicht immer eine Fügung des Himmels oder des Glückes sey.

Dieser Herzog hatte blaue, wohlgestaltete Augen, unregelmäßige Züge, einen großen unangenehmen Mund, aber sehr schöne Zähne, goldgelbe Haare in[6] größter Menge. Sein Wuchs war vortrefflich. Er kleidete sich gut, und die Elegantesten ahmten ihm nach. Er hatte das Ansehen eines vornehmen Mannes, und war einer der Ersten am Range in Frankreich, als Herzog und Pair des Königreiches. Außerdem war er Generalgouverneur von Auvergne, und von Burgund gemeinschaftlich mit seinem Vater Bernhard von England, und General der französischen Infanterie. Sein Genie war mittelmäßig, aber in seinen ersten Liebschaften war er einer Dame in die Hände gefallen, die unendlich viel Geist besaß, und, da beide sich sehr liebten, hatte sie sich so viel Mühe gegeben, ihn zu bilden, und er, dieser Schönen zu gefallen, daß die Kunst die Natur übertraf, und er ein weit feinerer Mann wurde, als Tausende, die mehr Geist hatten, als er. Nach seiner Rückkehr von der spanischen Gränze, wo er das Heer unter der Obergewalt des Prinzen, als nächsten Verwandten des Königes, befehliget hatte, begann er der Frau von Olonne durch tausend eifrige Bemühungen, die Liebe zu bezeigen, die er für sie fühlte, in der Meinung, daß sie noch nie geliebt habe, und [7] als er sah, daß sie seine Neigung nicht erwiederte, entschloß er sich, sie davon auf eine solche Weise zu verständigen, daß sie nicht mehr sich stellen konnte, nichts davon zu wissen. Weil er jedoch gegen alle Frauen eine Achtung hatte, die ein wenig an Scham gränzte, wollte er lieber an Frau von Olonne schreiben, als mit ihr spreche; hier folgt, was er ihr schrieb:


»Ich bin in Verzweiflung, gnädige Frau, daß alle Liebeserklärungen sich gleichen, und daß es einen so großen Unterschied unter den Gefühlen giebt. Ich fühle wohl, daß ich Sie mehr liebe, als die ganze Welt gewohnt ist zu lieben, und wüßte es Ihnen nicht anders zu sagen, als es Ihnen Jedermann sagt. Merken Sie also nicht auf meine Worte, die schwach sind, und trügerisch seyn können, sondern erwägen Sie mein Benehmen Ihnen gegenüber, und wenn es Ihnen bezeuget, daß man, um es immer mit derselben Stärke fortzusetzen, lebhaft ergriffen seyn müsse, so vertrauen Sie diesen Zeugnissen, und glauben Sie, daß ich, da ich Sie so sehr liebe, ohne von Ihnen [8] geliebt zu seyn, Sie anbeten werde, wenn Sie mich zur Dankbarkeit werden verbunden haben.«


Frau von Olonne gab nach Empfang dieses Briefes sogleich diese Antwort:


»Wenn es etwas giebt, was Sie verhindert Glauben zu finden, wenn Sie von Ihrer Liebe sprechen, so ist's nicht, daß Sie mir beschwerlich fallen, sondern daß Sie allzu wohl davon sprechen. Gewöhnlich drücken sich große Leidenschaften verworrener aus, und es scheint, daß Sie wie ein Mann schreiben, der viel Geist hat und nicht verliebt ist, aber der es glauben machen will, und weil es mir nicht so scheint, die ich doch vor Sehnsucht vergehe, daß Sie wahr sprechen möchten, urtheilen Sie, wie es Andern scheinen möchte, welchen Ihre Leidenschaft gleichgültig wäre. Sie würden nicht anstehen zu glauben, daß Sie scherzen wollen. Was mich betrifft, die ich niemals verwegene Schlüsse machen will, ich nehme Ihren Antrag an, und werde aus Ihrem Benehmen auf die Gefühle schließen, die Sie für mich haben.«


Dieser Brief, welchen die Kenner sehr zärtlich gefunden hätten, schien's nicht zu sehr dem Herzoge [9] von Candale. Da er viel Eitelkeit besaß, hatte er minder verhüllte Zärtlichkeiten erwartet, dieß hinderte ihn, so sehr in Frau von Olonne zu dringen, als sie es wohl wünschen mochte. Er vernachläßigte sein gutes Glück zu ihrem eigenen Aerger, und dieß wäre noch lange Zeit so geblieben, wenn diese Schöne es nicht über ihre Sittsamkeit gewonnen hätte, ihm so sehr zuvorkommend zu seyn, daß er einsah, er könne bei ihr alles unternehmen, ohne zu viel zu wagen. Da sein Anliegen abgethan war, gewahrte er bald den Handel mit dem Marquis von Beuvron. Ein gewöhnlicher Bewerber schaut nur vor sich hin, aber ein begünstigter Liebhaber bleibt rechts und links, und braucht nicht viel Zeit, seinen Nebenbuhler zu entdecken. Der Herzog von Candale beklagt sich hierüber, seine Geliebte behandelt ihn als einen Wunderlichen, und einen Tyrann, und nimmt einen so hohen Ton gegen ihn an, daß er sie um Verzeihung bittet, und sich überglücklich schätzt, sie besänftiget zu haben. Diese Stille dauerte nicht lange. Der Marquis von Beuvron seinerseits macht eben so unnütze Vorwürfe, wie jene des Herzogs [10] von Candale, und da er sieht, daß er seinen Nebenbuhler nicht stürzen könne, läßt er unter der Hand dem Herrn von Olonne Nachricht geben, das heißt, er verdoppelt die Liebe dieser beiden Liebenden, die seit dem Verbote mehr Lust bekamen sich zu sehen, und tausend bequemere Mittel ersannen, als jene, die sie zuvor hatten. Da inzwischen der Marquis Herr des Schlachtfeldes geblieben war, erneuerte der Herzog seine Klagen gegen ihn. Er macht neue Anstrengungen, ihn zu verdrängen, aber vergebens.

Frau von Olonne sagt ihm, daß er nur sein Interesse berücksichtige, und daß es ihn nicht kümmere, sie zu verlieren, da, wenn sie dem Marquis verböte, sie zu sehen, ihr Gatte und Jedermann an dem Opfer nicht mehr zweifeln würden. Frau von Olonne, die den Marquis nicht so sehr liebte, wie den Herzog, will ihn doch nicht verlieren, sowohl weil eins und eins zwei machen, als weil die Koketten ihre Liebhaber besser durch eine kleine Eifersucht, als durch eine große Ruhe zu fesseln glauben.

[11] Mittlerweile verliebte sich Herr Paget, ein ziemlich bejahrter Mann, von geringer Herkunft, aber sehr reich, in Frau von Olonne, und da er entdeckte, daß sie das Spiel liebe, glaubte er, daß sein Geld ihm statt des Verdienstes dienen würde, und baute seine schönsten Hoffnungen auf die Summe, die er ihr anzubieten beschloß. Er hatte hinreichend Zutritt zu ihr, um sie persönlich zu sprechen, wenn er's gewagt hätte, besaß jedoch nicht die Kühnheit, ein Gespräch anzufangen, das verdrießliche Folgen nach sich ziehen konnte, wenn es nicht gut aufgenommen würde, er nahm sich daher vor, ihr zu schreiben, und schrieb ihr diesen Brief.

»Ich habe wohl schon öfter geliebt in meinem Leben, gnädige Frau, aber ich habe nie etwas so sehr geliebt, wie Sie. Was in mir den Glauben daran erhält, ist, daß ich niemals einer von meinen Geliebten mehr als hundert Pistolen gegeben habe, um ihre Gunst zu erlangen, und für die Ihrige stieg ich bis auf zweitausend. Denken Sie, ich bitte Sie, hierüber nach, und erwägen Sie, daß das Geld seltener ist, als es jemals war.«

[12] Quinette, Kammerfrau der Frau von Olonne und deren Vertraute, überbrachte ihr diesen Brief des Herrn Paget. Unverzüglich gab ihm diese Schöne folgende Antwort:

»Ich habe allerdings bemerkt, daß Sie Geist besitzen, in den Unterredungen mit Ihnen, aber ich wußte noch nicht, daß Sie so gut schreiben, wie es der Fall ist; nie sah ich etwas so Angenehmes, als Ihren Brief, und ich wäre entzückt, wenn ich oft diesem ähnliche empfinge. Inzwischen würde es mich sehr freuen, mich diesen Abend um sechs Uhr mit Ihnen zu unterhalten.«

von Olonne.


Herr Paget fehlte bei dem Rendezvous nicht, und erschien in schicklicher Tracht, das heißt, mit seinem Bündel. Quinette führte ihn in das Kabinet ihrer Gebieterin, und ließ sie allein. »Hier, gnädige Frau, sagte er zu ihr, indem er ihr zeigte, was er trug, bring' ich, was sich nicht alle Tage findet; wollen Sie es nehmen?« – »Ich bin es zufrieden, erwiederte Frau von Olonne, und dieß soll uns unterhalten.« Als sie nun die zweitausend [13] Pistolen gezählt hatte, worüber sie übereingekommen waren, schloß sie dieselben in eine Schatulle, und sprach, indem sie sich auf ein kleines Ruhebett neben ihn setzte: »Niemand, mein Herr, schreibt in Frankreich wie Sie: ich sage dieß nicht, um den schönen Geist zu spielen, aber es ist gewiß, daß ich wenige Leute kenne, die dessen haben. Die Meisten sagen Ihnen nur Dummbeiten, und wollen sie zärtliche Briefe schreiben, so denken sie es recht wohl getroffen zu haben, indem sie Ihnen sagen, daß sie Sie anbeten, und daß sie für Sie sterben wollen, wenn Sie sie nicht lieben, daß sie, wenn Sie ihnen diese Gunst bewilligen, Ihnen ihr ganzes Leben hindurch dienen würden, als bedürfe man sehr ihrer Dienste.«

»Es freut mich herzlich, antwortete Herr Paget, daß meine Briefe Ihnen gefallen, gnädige Frau. Ich werde nicht viel Wesens damit machen; meine Briefe kosten mir nichts.«

»Das ist aber schwer zu glauben, unterbrach sie ihn, es sey denn, daß Sie ein sehr großes Vermögen besitzen.« –

Nach einigen andern Wechselreden, welche die[14] Liebe zwei oder dreimal unterbrach, kamen sie über eine andere Zusammenkunft überein, und nach diese noch über eine, so, daß dem Herrn Paget drei Zusammenkünfte zweitausend Pistolen kosteten. AberFrau von Olonne, welche sich die Liebe dieses Bürgerlichen, und sein Vermögen zu Nutze machen wollte, hat ihn bei dem vierten Besuche, wieder anzufangen ihr solche artige Briefe zu schreiben, wie jener, den sie von ihm empfangen hatte.

Herr Paget, da er sah, daß dieß zu Folgerungen führe, machte ihr Vorwürfe, die zu nichts dienten, und alles, was er davon erhalten konnte, war, daß er nicht aus dem Hause vertrieben wurde, und zum Spiele Zutritt hatte, wenn sie es verlangte. Frau von Olonne glaubte, daß, indem sie sich sehen ließe, sie seine Wünsche nähren, und er vielleicht Thor genug seyn würde, dieselben befriedigen zu wollen, um welchen Preis es auch sey. Indeß war er verliebt genug, sich nicht enthalten zu können, sie zu sehen, aber er war es nicht genug, um alle Tage ihre Gunstbezeigungen so theuer zu erkaufen.

[15] So standen die Sachen, sey's, daß der Aerger den Herrn Paget sprechen machte, sey's, daß die häufigen Besuche, oder das Geld, um welches Frau von Olonne spielte, den Herzog von Candale zu Erwägungen geführt hatten, als dieser seine Geliebte bat, da er an die Gränzen von Spanien reisete, den Herrn Paget nicht mehr zu sehen, dessen Umgang ihrem Rufe schadete. Sie versprach es ihm, und that nichts in dieser Sache, so, daß derHerzog von Candale, erfahrend von jenen, die Neuigkeiten von Paris meldeten, daß HerrPaget öfter zu Frau von Olonne gehe, als er es jemals gethan, ihr diesen Brief schrieb:

»Indem ich von Ihnen Abschied nahm, gnädige Frau, hat ich Sie, den Schurken Paget nicht mehr zu sehen. Sie versprachen mir's, inzwischen ist er beständig in Ihrem Hause. Schämen Sie sich nicht, mich in die Lage zu versetzen, einen elenden Bürgerlichen bei Ihnen zu fürchten, der nie gefürchtet werden kann, als wegen der Kühnheit, die Sie ihm geben? Wenn Sie darüber nicht erröthen, gnädige Frau, so erröthe ich darüber für Sie und für mich, [16] und aus Furcht die Schande zu verdienen, womit Sie mich überhäufen wollen, will ich es durch Bemühung über meine Liebe gewinnen, Sie nur mehr als eine Ehrlose zu betrachten.«

Frau von Olonne war sehr bestürzt, einen so rauben Brief zu erhalten; da ihr aber ihr Bewußtseyn weit herbere Vorwürfe machte, als ihr Geliebter, so suchte sie keine Gründe sich zu vertheidigen, und begnügte sich in diesen Ausdrücken zu antworten:

»Mein voriges Betragen ist so lächerlich, mein Theurer, daß ich verzweifeln würde, jemals von Ihnen geliebt werden zu können, könnte ich nicht die Zukunft durch die Versicherungen eines ehrbaren Verhaltens retten, die ich Ihnen gebe. Aber ich schwöre Ihnen bei Ihnen selbst, der mir mein Liebstes auf der Welt ist, daß Herr Paget nie wieder mein Haus betreten, und der Marquis von Beuvron, den zu sehen mein Gatte mich zwingt, mich so selten sehen soll, daß Sie wohl einleben werden, daß Sie allein mir alles ersetzen.«

Der Herzog von Candale wurde durch diesen [17] Brief wieder völlig beruhiget. Er faßte sogleich Entschlüsse, seine Geliebte nicht des Scheines wegen zu verdammen, den er vielleicht für trügerisch hielt. Er warf sich nun auf das andere Aeußerste des Vertrauens, und nahm alles zum Besten auf, was sie während sechs Monaten der Gefallsucht und Untreue that; denn sie fuhr fort, Herrn Paget zu sehen und demMarquis Gunstbezeugungen zu geben, und obgleich man darüber von mehr als hundert Seiten demHerzoge schrieb, glaubte er, dieß komme von seinem Vater und von seinen Freunden, die ihn von seiner Liebe für sie abwenden wollten, in der Meinung, daß diese Leidenschaft ihn abhalten möchte, an eine Heirath zu denken. Er kam also von dem Heere verliebter zurück, als er jemals war. Auch Frau von Olonne, bei welcher eine ziemlich lange Abwesenheit den Herzog von Candale für einen neuen Liebhaber gelten ließ, verdoppelte ihre Bemühungen für ihn, selbst vor den Augen des ganzen Hofes. Dieser Liebhaber nahm alle Unbesonnenheiten, die sie beging ihn zu sehen, für Zeichen einer Leidenschaft, welche sie nicht mehr zu beherrschen vermöge, [18] obwohl sie nur Beweise einer natürlichen Verwirrung des Verstandes waren. Bei jedem Ausbruche irgend einer Aufwallung für ihn, glaubte er sie lebhaft ergriffen, indeß sie nur närrisch war. Er war von ihrer Leidenschaft für ihn so sehr überzeugt, daß er, wenn er aus Liebe für sie stürbe, noch undankbar zu seyn fürchtete. Man kann wohl denken, daß das Betragen dieser Liebenden großes Aufsehen machte. Beide hatten Feinde, und das Glück des einen, und die Schönheit der andern ihnen viele Neider erregt. Wenn ihnen Jedermann hätte dienen wollen, so hätten sie Jedermann durch ihre Unklugheit zu Grunde gerichtet, und Jedermann wollte ihnen schaden. Sie gaben sich überall Rendezvous, ohne mit irgend Jemand sich benommen zu haben. Sie sahen sich bisweilen in einem Hause, welches der Herzog von Candale unter dem Namen einer Dame vom Lande besaß, welche Frau von Olonne zu besuchen vorgab, am öftersten Nachts bei ihr selbst. Alle diese Zusammenkünfte nahmen nicht die ganze Zeit dieser Treulosen in Anspruch.

Wenn der Herzog von Candale sie verließ, [19] ging sie auf die Eroberung irgend eines neuen Liebhabers aus, oder beruhigte wenigstens denMarquis von Beuvron durch tausend Zärtlichkeiten, aus Furcht, daß der Herzog von Candale ihr entrönne.

So ging der Winter vorüber, ohne daß der Herzog von Candale die argen Stückchen argwöhnte, die sie ihm spielte. Er verließ sie, um zum Heere zurückzukehren, befriedigter von ihr, als er es jemals gewesen war. Er war nicht zwei Monate dort, als er Nachrichten erhielt, die seine Freude trübten. Seine vertrauten Freunde, die das Betragen seiner Geliebten bewachten, hatten ihm nichts davon zu sagen gewagt, so sehr fanden sie ihn von dieser Ungetreuen eingenommen. Da jedoch seit seiner Abreise etwas Außerordentliches sich ereignet hatte, und sie die Eindrücke vernichten wollten, die sie auf ihn gemacht hatte, wagten es alle einmüthig miteinander, ohne daß sie diese Verabredung merken ließen, ihn von ihrer Aufführung in Kenntniß zu setzen. Sie meldeten ihm also, Jeder einzeln, daß Jeannin von Castilien eine sehr große Neigung für Frau [20] von Olonne habe, daß seine fleißigen Besuche nicht blos auf einen Plan, sondern auch auf einen glücklichen Erfolg schließen lassen, und daß endlich, wenn sie auch nicht schuldig wäre, er mit ihr nicht zufrieden seyn sollte, indem er sehe, daß sie bei Jedermann in Verdacht stehe. Aber während diese Nachrichten das Gemüth des Herzogs von Candale mit Wuth erfüllen, ist es zu rechter Zeit, von dem Entstehen, dem Zunehmen und Ende der Leidenschaft desJeannin von Castilien zu sprechen.Jeannin von Castilien hatte einen schönen Wuchs, ein angenehmes Gesicht, viel Zierlichkeit, sehr wenig Verstand, gleiche Geburt und gleichen Stand, wie Herr Paget, viel Vermögen wie er. Er war hinreichend wohlgestaltet, um glauben zu machen, daß er, mit dem Degen an der Seite, nur durch sein Verdienst gutes Glück gehabt hätte; aber sein Stand und seine Reichthümer ließen argwöhnen, daß alle Frauen, die er geliebt, eigennützig waren, eben so wohl, als, da man in Frau von Olonne ihn verliebt sah; Niemand zweifelte, daß er seines Geldes wegen geliebt würde.

[21] Der König, wenn er die Sommermonate an den Gränzen zugebracht hatte, kam gewöhnlich im Winter nach Paris, wo alle Ergötzlichkeiten von der Welt seinen Geist nach der Reihe beschäftigten; das Billard, das Ballspiel, die Jagd, das Theater und der Tanz, nahmen ihn, jedes zu seiner Zeit, in Anspruch; damals waren die Lotterien im Gange, und so in der Mode, daß Jedermann deren veranstaltete, die Einen mit Geld, die Andern mit Juwelen und Meublen. Frau von Olonne wollte eine von dieser letzten Gattung errichten, aber anstatt, daß man in den meisten die ganze Geldeinlage dazu verwendete, und das Glück hernach die Theilung machte, waren in dieser Lotterie, die aus zehntausend Thalern bestand, nicht fünf dazu verwendet, und diese fünf wurden nach der Wahl der Frau von Olonne vertheilt. Als sie die ersten Vorschläge zur Lotterie machte, warJeannin von Castilien gegenwärtig, und da sie von Jedem eine Summe nach seinen Kräften verlangte, und ihm sagte, daß er tausend Franken geben müßte, antwortete er ihr, daß er es thun wolle, und daß er ihr ferner verspreche, [22] unter seinen Freunden ihr noch gegen neun tausend Livres aufzubringen. Einige Zeit darauf, da Alles fortgegangen war, außer Jeannin von Castilien, sagte er: »Ich weiß nicht, gnädige Frau, ob Ihnen meine Liebe schon bekannt ist; denn es ist sehr lange, daß ich Sie liebe, und meine Sorgen vermehren sich schon sehr; da ich nun mich Ihnen völlig ergeben habe, so muß ich Sie um die Bestätigung meines Pachtes bitten; gewähren Sie sie mir, ich bitte Sie, und bemerken Sie, daß ich Ihnen zu den tausend Franken, auf welche Sie mich geschätzt haben, noch neun tausend gebe, um bei Ihnen etwas zu gelten; denn was ich Ihnen von meinen Freunden gesagt habe, sagte ich nur, um jene zu täuschen, die da waren.«

»Ich bekenne Ihnen, mein Herr,« antwortete sie, »daß ich Sie bis auf den heutigen Tag nicht für verliebt hielt. Nicht als hätte ich gewisse Blicke an Ihnen nicht bemerket, die mich etwas vermuthen ließen, aber diese Zierereien sind mir so eckelhaft, und das Seufzen und Schmachten sind nach meiner Ansicht eine so armseelige Waare, und so schwache Beweise von Liebe, [23] daß wenn Sie nicht gegen mich ein ehrlicheres Verhalten angenommen hätten, Ihre Bemühungen Ihr ganzes Leben hindurch verloren gewesen wären. In Bezug auf das, was jetzt Erkenntlichkeit gebietet, dürfen Sie glauben, daß man nahe daran ist, zu lieben, wenn man versichert ist, geliebt zu seyn.«

Mehr bedurfte es für Jeannin von Castilien nicht, um ihm glauben zu machen, daß für ihn die Schäferstunde schlage. Er warf sich der Frau von Olonne zu Füßen, und da er sich dieses Aktes der Unterwürfigkeit als eines Vorwandes zu höhern Unternehmungen bedienen wollte, sagte sie:

»Nein, nein, dieß geht nicht, wie Sie denken. In welchem Lande haben Sie sagen hören, daß die Frauen die ersten Schritte thun? Wenn Sie mir wahrhafte Zeichen einer großen Liebe werden gegeben haben, werde ich dafür nicht undankbar seyn.«

Jeannin von Castilien, der wohl sah, daß bei ihr das Geld vor der Waare eingehändigt werden müsse, sagte, daß er zwei hundert Pistolen habe, und sie ihr geben würde, wenn sie wollte; als sie dieselben empfangen hatte, fuhr er fort: »Wenn [24] Sie mir einige Gunstbezeigungen auf Abschlag dieses Geldes bewilligen wollten, so wär' ich Ihnen sehr verbunden, oder wenn Sie die ganze Summe wollen, so stellen Sie mir einen Schein über das aus, was ich Ihnen geben werde, als für Empfang des Werthes.« Sie wollte lieber küssen als schreiben, und einen Augenblick darauf ging Jeannin von Castilien fort, mit der Versicherung, daß er ihr den Rest am folgenden Tage bringen würde. Er kam richtig, auch war das Geld kaum gezählt, als man ihm mit der vollen Ehre Wort hielt, die man bei einem solchen Vertrage haben kann. Obwohl Jeannin von Castilien durch die nämliche Pforte eingegangen war, wie Herr Paget, so ging sie doch besser mit ihm um, sey's, daß sie hoffte größere Vortheile davon zu ziehen, sey's, daß er irgend ein großes verborgenes Verdienst hatte, das ihr die Stelle der Freigebigkeit vertrat; sie verlangte von ihm keine neuen Proben der Liebe, um ihm neue Gunstbezeigungen zu geben; für seine sechs tausend Livres wurde er drei Monate lang geliebt, das heißt, behandelt, als wäre er geliebt worden. Da inzwischen der Herzog [25] von Candale die Briefe empfangen hatte, in welchen man ihm die neuen Händel seiner Geliebten meldete, schrieb er ihr Folgendes:

»Könnten Sie sich vor mir gegen alle Dinge rechtfertigen, deren man Sie beschuldiget, ich dürfte Sie nicht mehr lieben. Wären Sie unglücklich, so haben Sie zu viel dazu beigetragen, um mich nicht, indem ich Sie liebe, zu verläugnen. Alle Liebhaber sind gewöhnlich sehr erfreut, ihre Geliebten nennen zu hören, ich aber zittere, wenn ich Ihren Namen lese oder höre. Es dünkt mich immer, als sollte ich ein Histörchen von Ihnen vernehmen, schlimmer als das erste; inzwischen brauch' ich, Sie zu verachten, mehr nicht zu wissen. Sie können Ihrer Schande nichts mehr beifügen. Erwarten Sie nun auch alle Begegnungen, die eine ehrlose Frau von einem rechtschaffenen Manne verdient, der sie innig liebte. Ich gehe auf keine Einzelnheit mit Ihnen ein, weil ich Ihre Rechtfertigung nicht verlange, und Sie vor meinen Augen nicht nur überwiesen sind, sondern weil ich für Sie nie mehr zurückkommen kann.«

Der Herzog von Candale schrieb diesen[26] Brief zur Zeit, da er im Begriffe war, an den Hof zurückzulegen. Er hatte eben ein Treffen verloren, was zur Bitterkeit seines Briefes nicht wenig beitrug. Er konnte es nicht ertragen, überall geschlagen zu seyn, und er hätte Trost im Mißgeschicke des Krieges gefunden, wäre er in der Liebe glücklicher gewesen. Er trat seine Reise mit entsetzlichem Verdruße an. Zu einer andern Zeit wäre er auf der Post gekommen; aber als hätte er ein Vorgefühl seines traurigen Geschickes gehabt, reisete er sehr langsam. Unterwegs begann er einige Unpäßlichkeit zu fühlen; in Vienne befand er sich sehr übel, da er aber nur noch eine Tagereise von Lyon entfernt war, wollte er dahin, in der Ueberzeugung, dort eine bessere Pflege zu finden. Die Beschwerlichkeiten des Feldzuges hatten ihn jedoch sehr entkräftet, der Mißmuth beugte ihn gänzlich nieder, und seine Jugend und die Kunst der Aerzte konnten ihm das Leben nicht retten; da aber die größten Leiden, das Andenken an die Untreue der Frau von Olonne ihm nicht konnten vergessen machen, schrieb er ihr diesen Brief am Vorabende seines Todes:

[27] »Wenn ich sterbend Achtung für Sie bewahren könnte, würde es mir leid thun zu sterben, da ich Sie aber nicht mehr achten kann, fühle ich keine Sehnsucht mehr nach dem Leben. Ich liebte es nur, um es mit Ihnen ruhig zu genießen. Weil das geringe Verdienst, das ich besaß, und die größte Liebe von der Welt mich nicht zum Ziele führen konnten, hab' ich keine Neigung mehr, und ich sehe wohl, daß der Tod mich von vielen Leiden befreien wird. Wären Sie auch nur einiger Zärtlichkeit fähig. Sie könnten mich in dem Zustande, worin ich bin, nicht sehen, ohne vor Schmerz zu vergeben. Aber, Gott sei Dank! Die Natur hat es weise geordnet, und weil Sie den Mann, der auf der Welt Sie am meisten liebte, täglich zur Verzweiflung bringen konnten, so könnten Sie mich wohl auch sterben sehen, ohne davon gerührt zu werden.«

Der erste Brief, den der Herzog an Frau von Olonne in Bezug auf Jeannin von Castilien geschrieben hatte, machte ihr so viel Besorgniß vor seiner Rückkehr, daß sie diese wie den Tod fürchtete, und ich glaube, daß sie ihn nie wieder zu [28] sehen wünschte. Indeß brachte das Gerücht, daß er am Rande des Todes schwebe, sie zur Verzweiflung, und die Nachricht seines Todes, die ihr die Gräfin von Fiesque, ihre Freundin, gab, hätte sie fast selbst getödtet. Sie war eine Zeitlang ohne Bewußtseyn, und kam nur bei dem Namen Amiot zu sich, der, um sie zu sprechen, ihr gemeldet wurde. Amiot war der Hauptvertraute des Herzogs von Candale, welcher der Frau von Olonne von Seite seines Herrn den Brief überbrachte, den er ihr sterbend geschrieben hatte, und das Kästchen, worin er die Briefe und alle übrigen Gunstzeichen aufbewahrte, die er von ihr erhalten. Die Gräfin von Fiesque, die sie in einem so beklagenswerthen Zustande nicht verließ, schlug ihr vor, zur Zerstreuung in ihrem Schmerze, dieß Kästchen zu öffnen, worin sie sogleich ein Taschentuch fanden, an mehreren Stellen mit Blut befleckt. »Ach mein Gott! ist es möglich, rief Frau von Olonne aus, daß ich dieß sehe ohne zu sterben! Wie, der arme Mann, der so viel andere Sachen von größerer Wichtigkeit besaß, hatte bis jetzt dieß Taschentuch aufbewahrt! Giebt es etwas [29] Rührenderes auf der Welt?« Und nun erzählte sie der Gräfin von Fiesque, daß, als sie eines Tages an seiner Seite arbeitend sich geschnitten, er sie um dieß Taschentuch gebeten, womit sie ihre Hand getrocknet, und immer seitdem bewahrt habe. Nach diesem fanden sie Armbänder, Börsen, Haare, und Portraite der Frau von Olonne, und als sie auf die Briefe kamen, hat die Gräfin von Fiesque ihre Freundin, einige davon lesen zu dürfen, und öffnete nach erhaltener Einwilligung diesen ersten:

»Man erzählt sich hier, Sie wären geschlagen worden, vielleicht ein falsches Gerücht Ihrer Neider, vielleicht auch Wahrheit. Ach, mein Gott! in dieser Ungewißheit bitte ich Sie um das Leben meines Geliebten, und überlasse Ihnen das Heer. Ja, mein Gott! und nicht blos das Heer, sondern auch den Staat und die ganze Welt mit einander. Seitdem man mir diese Neuigkeit gesagt hat, ohne mir etwas umständliches von Ihnen zu erzählen, mach' ich des Tages zwanzig Besuche. Ich lenke das Gespräch auf den Krieg, um zu sehen, ob ich nichts vernehmen werde, was mich trösten könne. Ueberall sagt man [30] mir, Sie seyen geschlagen worden, aber man sagt mir nichts von Ihnen insbesondere. Ich wagte es nicht zu fragen, was denn aus Ihnen geworden sey, nicht als fürchte ich dadurch merken zu lassen, daß ich Sie liebe; ich bin in zu großer Angst, um irgend etwas zu berücksichtigen, aber ich fürchte mehr zu erfahren, als ich wissen wollte. Dieß ist die Lage, worin ich bin, und bis zum nächsten Posttage bleiben werde, wenn ich die Kraft habe, ihn zu erwarten. Was meine Sorgen vermehrt, ist, daß Sie mir so oft versprochen haben, in allen außerordentlichen Fällen, mir eigene Kouriere zu schicken, und ich nehme es übel auf, in diesem Falle keinen erhalten zu haben.«

Während die Gräfin von Fiesque diesen Brief mit Mühe las, denn sie war davon gerührt, zerstoß Frau von Olonne in Thränen. Beide konnten lange Zeit nicht sprechen, als sie ihn gelesen hatten. »Ich werde heute keinen mehr lesen,« sagte die Gräfin von Fiesque, »denn weil dieß mir schon Mühe macht, muß es Ihnen noch mehr verursachen.« »Nein, nein,« erwiederte Frau von [31] Olonne, »fahren Sie fort, ich bitte Sie, ich muß zwar weinen, aber es erinnert mich an ihn.« DieGräfin von Fiesque öffnete also einen andern Brief, und fand darin folgendes:

»Ach! werden Sie mich nie in Frieden lassen? Werde ich immer in Angst seyn, Sie zu verlieren, entweder durch den Tod, oder durch Ihre Veränderlichkeit? So lange der Feldzug dauert, werd ich in grausamer Angst schweben; die Feinde thun keinen Schuß, den ich nicht nach Ihnen gezielt mir vorstelle. Hernach erfahr ich, daß Sie ein Treffen verlieren, ohne zu bissen, was aus Ihnen geworden ist, und weiß ich endlich nach tausend tödtlichen Sorgen, daß mein gutes Glück Sie gerettet hat, denn Sie wußten wohl, daß Sie dem Ihrigen keinen Dank schuldig seyen, erzählt man sich, daß Sie in Avignon in den Armen derArmida über Ihre Unfälle sich trösten. Wenn dieß wahr ist, so bin ich sehr unglücklich, daß Sie nicht das Leben mit der Schlacht verloren haben. Ja, mein Theurer, ich möchte Sie lieber todt als unbeständig sehen, denn ich hätte das Vergnügen zu glauben, daß Sie, wenn Sie länger geliebt, mich immer geliebt [32] hätten, während ich nur noch die Raserei im Herr trage, mich wegen einer andern verlassen zu sehn der Sie nicht so sehr liebt, wie ich.«

»Was erfahre ich,« sagte die Gräfin von Fiesque zu Amiot, »der Herzog von Candale liebte Armide?«

»Nein, gnädige Frau, erwiederte dieser, er war zwei Tage in Avignon auf seiner Rückkehr von Heere, um sich zu erholen, und sah dort zweimal Armide; urtheilen Sie, ob man dieß Liebe nennt kann; aber gnädige Frau, fügte er hinzu, an Frau von Olonne sich wendend, wer hat Sie von den was er that, so wohl unterrichtet?«

»Ach! erwiederte sie, ich weiß hierüber nicht als was das öffentliche Gerücht sagte, aber es ist über diese Liebe so allgemein, und selbst, daß sie zum Theil Ursache seines Todes sei, daß hier Niemand ist, der es nicht kennt,« und da sie heftiger zu weinen anfieng, als zuvor fragte sie die Gräfin von Fiesque, die nur immer ihren Schmerz zu zerstreuen suchte, ob sie nicht die Hand der Ueberschrift eines Briefes kenne, den sie ihr zeigte. »Ich versetzteFrau von Olonne, das ist ein Brief [33] meines Haushofmeisters, der muß sonderbar sein; sehen Sie doch, was er schreibt;« worauf sie den Brief erbrach:

»Obgleich die gnädige Frau es Ihnen berichtet, so wird das Haus doch nicht von den Normännern geräumt. Diese Teufel wären besser in ihrem Lande, als hier. Ich werde rasend darüber, gnädiger Herr, und über tausend andere Dinge, die ich sehe, wovon ich Ihnen die besondern Umstände nicht melde, weil ich hoffe, daß Sie bald hier sein werden, wo Sie dann selbst alles in Ordnung bringen werden.«

Unter diesen Normännern verstand der Haushofmeister den Marquis von Beuvron und seine Brüder, Herrn von Thüry, den Chevalier von St. Evremont, und den Abbé von Villerceau, welche Frau von Olonne fleißig besuchten. Die Treuherzigkeit, womit der gute Mensch diese Neuigkeiten dem Herzog von Candale meldete, ergriff diese Närrin so stark, daß nachdem sie beobachtet hatte, welche Mienen dieGräfin von Fiesque machte, die nicht so viel Ursache hatte, sich zu betrüben, wie sie, plötzlich aus [34] vollem Halse zu lachen anfieng. Die Gräfin vonFiesque, welche sie so lachen sah, fieng nun auch an zu lachen. Nur der arme Amiot, der eine Freude zur Unzeit nicht dulden konnte, verdoppelte seine Thränen, und verließ hastig das Kabinete; zwei oder drei Tage darauf, da Frau von Olonne getröstet war, riethen ihr die Gräfin von Fiesque und ihre andern Freunde, ihrer Ehre wegen zu weinen, indem sie ihr sagten, ihr Verhältniß mit dem Herzoge von Candale sei zu bekannt gewesen, um ein Geheimniß daraus zu machen. Sie that sich also noch drei oder vier Tage Gewalt an, wornach sie wieder zu ihrer Gemüthsart zurückkehrte, und was diese Rückkehr beschleunigte, war das Carneval, das, indem es ihr Gelegenheit gab, ihrer Neigung zu genügen, ihr auch noch ihren Gatten beruhigen half, der großen Verdacht über ihr Einverständniß mit demHerzoge von Candale hegte, und sich sehr glücklich schätzte, von ihm befreit zu sein. Damit er glauben sollte, daß sie nichts mehr im Herzen habe, vermummte sie sich vier oder fünfmal mit ihm, und da sie sein Vertrauen durch eine große [35] Aufrichtigkeit wieder völlig gewinnen wollte, gestand sie ihm nicht nur ihre Liebe für den Herzog von Candale, nicht nur, daß sie ihm die höchsten Gunstbezeigungen gewähret habe, sondern selbst die nähern Umstände ihrer Genüsse. Und da sie ihm die Zahl derselben besonders angab, sagt er: »Er liebte Sie wenig, meine Theure, – indem er der Schwäche des armen Verstorbenen spotten wollte, – da er so wenig that für eine so schöne Frau, wie Sie sind.« Es waren noch nicht acht Tage verflossen, daß sie das Bett verlassen hatte, welches sie seit vier Monaten wegen einem großen Uebel am Schenkel hütete, als sie sich entschloß, sich zu maskiren, und dieß Verlangen beförderte ihre Genesung mehr, als alle Mittel, die sie seit so langer Zeit gebraucht hatte. Sie maskirte sich also vier oder fünfmal mit ihrem Gatten, weil aber dieß nur kleine, unbekannte Mummereien waren, wollte sie eine große, auffallende veranstalten, wovon gesprochen würde, und verkleidete sich deßwegen als Kapuziner mit noch drei andern, und zwei andere von ihren Freunden mußten sich als Nonnen verkleiden. [36] Die Kapuziner waren: sie, ihr Gatte, Herr von Thüry, und derAbbé von Villerceau. Die Nonnen waren: Grassard, ein Engländer, und Resilly. Dieser Trupp lief nun die ganze Nacht des Fasching-Diensta ges in alle Gesellschaften. Der König und die Königin Mutter, die diese Maskerade erfahren hatten, wurden gegen Frau von Olonne sehr aufgebracht, und sagten öffentlich, daß sie die Verachtung rächen würden, die man gegen die Religion bei dieser Gelegenheit gezeigt habe. Man besänftigte einige Zeit darauf Ihre Majestäten und alle diese Drohungen endigten damit, daß man keine Achtung mehr fürFrau von Olonne hatte.

Während diese Vorfälle sich ereigneten, genoßJeannin von Castilien in Ruhe seiner Geliebten, als sie die Lotterie ziehen ließ. Ich habe schon gesagt, daß sie von zehntausend Thalern, die sie empfangen, höchstens nur die Hälfte dazu verwendet, und den größten Theil dieser Lotterie den Kapuzinern, den Nonnen, und den übrigen von der geheimen Rotte zugetheilt hatte. Der Prinz von Marsillac, der die erste Rolle auf dieser Bühne spielte, erhielt [37] das erste große Loos, das eine große silberne Glutpfanne war. Jeannin von Castilien, bei allen Gunstbezeigungen, die er empfing, bekam nur ein Geschmeide von sehr geringem Werthe. Das große Gerede, das von der Unredlichkeit dieser Lotterie umlief, ärgerte ihn, nicht besser behandelt zu werden, als die Gleichgültigsten; er beklagte sich darüber gegenFrau von Olonne. Sie, die ihm ihren arglistigen Betrug nicht anvertrauen wollte, nahm seine Magen mit der größten Bitterkeit von der Welt auf, so zwar, daß es, bevor sie schieden, von beiden Seiten zu Vorwürfen kam, er seines Geldes wegen sie wegen ihrer Gunstbezeigungen. Zum Schluße verbot Frau von Olonne ihm ihr Haus, und Jeannin von Castilien antwortete, daß er ihr niemals so gerne gehorcht habe, als bei dieser Gelegenheit, da dieser Befehl ihn der Mühe und der Verschwendung überhebe. Inzwischen dauerte der Umgang mit dem Marquis von Beuvron noch immer, sey's, daß er nicht wenig verliebt war, sey's, daß er sich für überglücklich hielt, ihre Gunstbezeigungen um was immer für einen Preis zu erhalten. Er qualte sie [38] wenig ihres Betragens wegen, auch sie behandelte ihn auf das Aergste, und liebte ihn immer besser als nichts. Kurze Zeit nach der Trennung des Jeannin von Castilien, erhielt der Prinz von Marsillac, welcher klügere Freunde als jener hatte, den Rath, sich an Frau von Olonne zu machen, da er nun in dem Alter sei, wo man von ihm reden müsse, daß die Frauen eben sowohl Achtung bringen, wie die Waffen, daß Frau von Olonne, eine der schönsten Frauen des Hofes, außer großen Wonnen auch wohl jenem Ehre machen könnte, der von ihr geliebt würde, und daß übrigens die Stelle des Herzogs von Candale eine sehr erhebliche Sache sei. Mit allen diesen Gründen drangen sie in den Prinzen von Marsillac, der Frau von Olonne fleißig den Hof zu machen; aber weil er von Natur sich selbst sehr mißtraute, urtheilte seinen Anhang, der ihm gleichfalls mißtraute, daß man ihn nicht seiner Einfalt bei ihr überlassen dürfte, und es ward beschlossen ihm Resilly zu geben, um ihn zu begleiten, und in den Begegnungen zu unterstützen. Der Prinz von Marsillac hatte ihr zwei Monate lang fleißig den [39] Hof gemacht, ohne mit ihr von Liebe gesprochen zu haben, außer in allgemeinen Ausdrücken. Dennoch hatte er zu Resilly gesagt, es seyen schon mehr als sechs Wochen, daß er ihr sein Geständniß gemacht, und dichtete ihr selbst eine etwas harte Erwiederung an, damit er es nicht übel aufnehme, daß es so lange Zeit bedürfe, um Gunstbezeigungen zu erhalten, als dieser Hofmeister, um seinem Zöglinge zu dienen, auch mit Frau von Olonne sprach, und ihr sagte: »Ich weiß wohl, gnädige Frau, daß es nichts freieres giebt, als die Liebe, und daß, wenn das Herz nicht von Neigung ergriffen ist, man mit Worten nicht viel überredet, aber ich kann nicht unterlassen, Ihnen zu sagen, daß, wenn man jung ist, und sich vereinigen kann, wie Sie, ich nicht begreife, warum man einen jungen und verliebten Edelmann ausschlägt, und der, wenn ich mich nicht sehr täusche, reich ist, so sehr als Jemand am Hofe: der arme Prinz von Marsillac ist es, von dem ich spreche, gnädige Frau; da er Sie so heftig liebt, warum sind Sie undankbar, oder wenn Sie fühlen, daß Sie ihn nicht lieben können, warum [40] halten Sie ihn hier? Lieben Sie ihn, oder machen Sie sich davon los.«

»Ich weiß nicht, unterbrach ihn Frau von Olonne, seit wann die Männer verlangen, daß wir sie lieben sollen, ohne daß sie uns darum gebeten haben; denn ich habe sagen hören, daß sie es sonst waren, welche die ersten Schritte machten. Ich wußte wohl, daß sie in den jüngsten Zeiten, die Artigkeit auf eine seltsame Weise behandelten, aber ich wußte nicht, daß sie bis auf den Punkt gebracht wurde, zu wollen, daß die Frauen die ersten Schritte machen sollten.«

»Was, gnädige Frau, der Prinz von Marsillac hat Ihnen nicht gesagt, daß er Sie liebe?«

»Nein, mein Herr, erwiederte sie, Sie sind's, von dem ich's erfuhr; nicht, als ob die häufigen Besuche, die er mir machte, nicht irgend eine Absicht mich hätten vermuthen lassen, doch bis auf das, was man uns sagte, verstehen wir das Uebrige nicht.«

»Ach, gnädige Frau, versetzte Resilly, Sie haben nicht so Unrecht, als ich dachte. Die Jugend desPrinzen von Marsillac macht ihn furchtsam, [41] das war sein Fehler, aber diese Jugend entschuldiget wohl auch seine Fehler mit den Frauen. In sei nem Alter hat man nicht viel Unrecht, und für Leute von zwei und zwanzig Jahren giebt es wohl eine Rückkehr zum Mitleiden.«

»Ich stimme hierin bei, sagte sie; ein junger Mann von zwei und zwanzig Jahren erregt Mitleiden, und niemals Zorn, aber ich will auch, daß er Achtung habe.«

»Nennen Sie Achtung, gnädige Frau, erwiederte Resilli, das Geständniß nicht zu wagen, daß man verliebt ist? Das ist eine vollendete Thorheit, ich behaupte es selbst in den Augen einer Frau, die nicht lieben will, und in diesem Falle würde man seine Zeit nicht verlieren, und wissen, woran man sich zu halten habe. Aber diese Achtung nützt Ihnen, gnädige Frau, nur bei jenen, für welche Sie keine Neigung haben; denn hätte jener, den Sie lieben möchten, deren ein wenig zu viel, so wären Sie sehr in Verlegenheit.« Als er zu sprechen aufhörte, kamen Besuche; einige Zeit darauf ging er fort, und suchte den Prinzen von Marsillac auf, dem er nach [42] tausend Vorwürfen über seine Blödigkeit das Versprechen abnahm, daß er noch vor Ende des Tages seiner Geliebten eine Erklärung machen würde. Er sagte ihm sogar eine Menge Sachen, die er ihr sagen sollte, deren sich der Prinz von Marsillac einen Augenblick nachher nicht mehr erinnerte, und nachdem er ihn bestens, wie er nur konnte, ermuthigt hatte, sah er ihn zu diesem großen Unternehmen von dannen ziehen. Inzwischen befand sich der Prinz von Marsillac in seltsamer Unruhe; bald fand er, daß sein Wagen zu schnell rolle, bald wünschte er, Frau von Olonne nicht zu Hause zu finden, oder Jemand bei ihr. Kurz, er fürchtete gerade das, was ein wackerer Mann von ganzem Herzen gewünscht hätte. Indeß war er unglücklich genug, seine Geliebte zu treffen, und sie allein zu finden. Er redete sie mit einem so verlegenen Gesichte an, daß, hätte sie seine Liebe nicht schon durch Resilly gewußt, sie dieselbe bei seinem Anblicke dieß einzige Mal erkannt hätte. Diese Verlegenheit nützte ihm, sie mehr zu überzeugen, als alles, was er ihr sagen konnte; daran liegt's, warum die Albernen in der Liebe glücklicher [43] sind, als die Klugen. Das erste, was der Prinz von Marsillac that, als er Platz genommen hatte, war – sich zu bedecken, so sehr war er ausser sich. Einen Augenblick darnach bemerkte er seine Albernheit; er legte seinen Hut und seine Handschuhe ab, und zog dann wieder einen an, und dieß alles ohne ein Wort zu sprechen.

»Was ist Ihnen? fragte Frau von Olonne, Sie scheinen etwas im Kopfe zu haben.«

»Errathen Sie es nicht, gnädige Frau,« erwiederte der Prinz von Marsillac?

»Nein, sagte sie, ich begreife nichts davon. Wie sollte ich das verstehen, was man mir nicht sagt, ich, die ich Mühe habe, das zu begreifen, was man mir sagt?«

»Es ist, ich will es Ihnen sagen, versetzte derPrinz von Marsillac, indem er einfältig den Liebhaber machte, es ist – daß ich Sie liebe.

In der That viele Umstände, sagte sie, für etwas Geringes. Ich sehe nicht, daß es so viele Schwierigkeit habe, zu sagen, daß man liebe; es scheint mir darin weit mehr zu sein, recht zu lieben.«

[44] »Ach, gnädige Frau, erwiederte er, sie unterbrechend, es kostet mich weit mehr Mühe es zu sagen, als zu thun. Ich habe gar keine, Sie zu lieben, aber ich hätte sie dergestalt, Sie nicht zu lieben, daß ich dabei nie zum Ziele kommen könnte, wenn Sie mir's tausendmal befehlen würden.«

»Ich, mein Herr, antwortete Frau von Olonne erröthend, habe Ihnen nichts zu befehlen.«

Jeder Andere als der Prinz von Marsillac hätte die seine Art verstanden, deren sich Frau von Olonne bediente, um ihm zu erlauben, sie zu lieben; aber er hatte einen zu schweren Kopf; es war eine verlorene Zartheit, die man für ihn hatte.

»Wie, gnädige Frau, sagte er, Sie achten mich nicht genug, um mich mit Ihren Befehlen zu beehren?«

»Nun wohl, sagte sie, wären Sie wohl erfreut, wenn ich Ihnen befehlen würde, mich nicht mehr zu lieben?«

»Nein, gnädige Frau,« unterbrach er sie hastig.

»Was wollen Sie denn?« versetzte Frau von Olonne.

»Sie lieben, so lang' ich lebe, antwortete der[45] Prinz von Marsillac, und machen, daß Sie mich lieben.«

»Wohlan, lieben Sie, so lang' es Ihnen gefällt, sagte sie, und hoffen Sie.«

Das war genug für einen andringlichern Liebhaber, als der Prinz von Marsillac, um dadurch zu den höchsten Gunstbezeigungen zu kommen; indeß was auch Frau von Olonne machen konnte, er ließ sie noch zwei Monate harren, und als sie sich endlich ergab, machte sie alle ersten Schritte. Die Einführung dieses neuen Verhältnisses bewog sie nicht jenes zu brechen, welches sie mit dem Marquis von Beuvron hatte.

Der letzte Liebhaber war immer der am nächsten geliebte, aber er war es nicht genug, um den Marquis zu verdrängen, der ein zweiter Gatte für sie war.

Kurze Zeit vor dem Bruche des Jeannin von Castilien mit Frau von Olonne, war derChevalier von Grammont in sie verliebt geworden, und weil dieser eine sehr außerordentliche Person ist, so dürfte eine Schilderung von ihm hier am rechten Orte sein. Der Chevalier hatte [46] freundliche Augen, eine wohlgeformte Nase, einen schönen Mund, ein kleines Grübchen am Kinne, das eine angenehme Wirkung auf sein Gesicht machte, ich weiß nicht was – feines in den Zügen, etwas – einen ziemlich schönen Wuchs, wenn er sich nicht gekrümmt hätte, einen galanten und feinen Geist, während seine Mienen und sein Ton geltend machten, was er sprach, was aus dem Munde eines Andern nichts gegolten hätte. Ein Beweis hievon ist, daß Niemand auf der Welt so schlecht schrieb, wie er, und er schrieb wie er sprach. Obgleich es überflüssig sein mag, zu sagen, daß ein Nebenbuhler lästig ist, so war's doch derChevalier in solchem Grade, daß es für eine arme Frau besser gewesen wäre, deren vier auf dem Halse zu haben, als ihn allein; er war freigebig bis zur Verschwendung, und deßwegen konnten weder seine Geliebte noch seine Nebenbuhler treue Diener haben, übrigens der beste Mensch von der Welt. Seit zwölf Jahren liebte er die Gräfin von Fiesque, eine Frau, eben so außerordentlich, wie er, das heißt eben so einzig an Verdienst, als er an schlimmen Eigenschaften. Da sie aber unter [47] diesen zwölf Jahren fünf Jahre lang bei der Prinzessin Leonore in der Verbannung lebte, eine Prinzessin, welche das Schicksal verfolgte, weil sie tugendhaft war, und ihr großes Herz nicht zu den Niederträchtigkeiten herabwürdigen wollte, die der Hof verlangt, war während ihrer Abwesenheit der Chevalier seiner sehr strengen Beständigkeit zugethan, und obgleich dieGräfin von Fiesque liebenswürdig war, so verdiente seine Flüchtigkeit doch einige Entschuldigung, weil er von ihr niemals Gunstbezeigungen erhalten hatte. Es gab doch Männer, welche er zur Eifersucht gereizt. Unter diese gehörte der Graf von Vorel. Als dieser eines Tages der Gräfin von Fiesque Vorwürfe machte, daß sie den Chevalier liebe, antwortete ihm diese Schöne, er sei ein Thor, zu glauben, daß sie den größten Betrüger von der Welt lieben könne. »Das ist ein poßierlicher Grund, gnädige Frau, sagte er, den Sie mir zu ihrer Rechtfertigung anführen; ich weiß, daß Sie noch mehr Betrügerin sind, als er, und ich kann doch nicht unterlassen, Sie zu lieben.« Obwohl der Chevalier überall liebte, so hatte er doch [48] eine so große Schwachheit für die Gräfin von Fiesque, daß er, was er auch immer für ein Verhältniß anderswo hatte, sobald jemand sie etwas häufiger besuchte als gewöhnlich, alles verließ, um zu ihr zu kommen. Er hatte aber auch Ursache, denn die Gräfin von Fiesque war eine zum Bewundern schöne Frau. Sie hatte braune und glänzende Augen, eine wohlgeformte Nase, einen lieblichen Mund, und von schöner Farbe, einen weißen und gleichen Teint, ein langes Gesicht, keine auf der Welt außer ihr gab es, die durch ein spitziges Kinn sich verschönerte. Sie hatte aschfarbige Haare, war immer sehr reinlich und sehr artig gekleidet, aber ihr Prunk kam mehr von ihrer Gestalt, als von der Pracht ihrer Kleider. Ihr Geist war lebhaft und natürlich, ihre Gemüthsart läßt sich nicht beschreiben, denn mit der Bescheidenheit ihres Geschlechtes fugte sie sich in die Launen der ganzen Welt. Durch vieles Denken an das, was man thun soll, denkt jeder gewöhnlich mehr an das Ende, als an den Anfang: gerade das Gegentheil widerfuhr der Gräfin von Fiesque. Ihre Ueberlegungen verdarben ihre Regungen; [49] ich weiß nicht, ob das Vertrauen auf ihre Vorzüge sie der Sorge überhob, sich Liebhaber zu suchen, sie gab sich wenigstens keine Mühe, deren zu bekommen. In der That, wenn ihr einer von selbst in den Weg kam, hatte sie weder Strenge, sich von ihm los zu machen, noch Milde ihn zu fesseln. Er ging wieder fort, wenn er wollte, und wenn er wollte, blieb er, und was er auch that, es geschah nicht zu ihrem Nachtheile. Es waren also, wie ich gesagt habe, fünf Jahre, daß der Chevalier sie nicht mehr sah, und während dieser Abwesenheit um die Zeit nicht zu verlieren, hatte er tausend Liebschaften gehabt, unter andern die Herzogin von Victoire, und drei Tage darauf Larisse.

Einige Zeit nach diesem angelegten Handel, da dieGräfin von Fiesque nach Paris zurückgekehrt war, verließ der Chevalier die Larisse, an die ihn keine Gunstbezeigung band, um sich wieder an die Gräfin von Fiesque zu wenden. Weil er aber nicht lange in ein und demselben Verhältnisse blieb, und bei ihr lange Weile hatte, machte er sich an Frau von Olonne eben zu jener Zeit, da [50] der Prinz von Marsillac sich mit ihr einließ. Und obwohl er weniger bei Damen glücklich war, als dieser, war er doch nicht andringlicher, im Gegentheile, wenn er nur schwätzen konnte, der Welt den Glauben beibringen, daß er verliebt sey, einige leichtgläubige Leute finden, die seiner Eitelkeit schmeichelten, einem Nebenbuhler Sorgen verursachen, besser gekleidet, seyn als er, kümmerte er sich wenig um das Uebrige. Ein Umstand, der es ihm schwerer machte zu überreden, als einem Andern, war, daß er niemals im Ernste sprach, so daß eine Frau sehr von sich eingenommen seyn mußte, um zu glauben, daß er in sie verliebt sey.

Ich habe schon erwähnt, daß nie ein ungeliebter Anbeter lästiger war, als er. Er hatte immer zwei oder drei Lackayen ohne Livree, die er seine Grauen nannte, und seinen Nebenbuhlern und Geliebten auf dem Fuße nachschickte. Eines Tages entschloß sich Frau von Olonne, in Verlegenheit, wie sie zu einem Rendezvous gehen sollte, das sie mit dem Prinzen von Marsillac hatte, ohne daß es der Cheva lier von Grammont entdecke, um ihn zu täuschen, in einem Mantel mit einer Kappe auszugehen,[51] mit einer Kammerfrau, und in einem Fahrzeuge über die Seine zu setzen, nachdem sie ihrer Dienerschaft den Auftrag gegeben hatte, sie in der Vorstadt St. Germain zu holen. Der erste Mensch, den sie traf, die Hand ihr reichend, um in das Fahrzeug zu steigen, war einer von den Grauen des Chevalier von Grammont; als sie vor ihm mit ihrer Kammerfrau sich darüber lustig machte, den Chevalier betrogen zu haben, und von dem sprach, was sie an diesem Tage thun wolle, setzte dieser Graue sogleich seinen Herrn in Kenntniß, der am andern Tage Frau von Olonne auf eine ungewöhnliche Weise überraschte, als er ihr die einzelnen Umstände ihres Rendezvous vom vorigen Abende erzählte. Ein rechtschaffener Mann, der seine Geliebte überweiset, daß sie einen andern liebt, als ihn, zieht sich schnell und ohne Aussehen zurück, besonders wenn sie ihm nichts versprochen hat; aber der Chevalier gehörte nicht zu diesen; wenn er sich nicht beliebt machen konnte, hätte er sich lieber umbringen lassen, als seinen Nebenbuhler und seiner Geliebte Ruhe vergönnt. Frau von Olonne hatte sohin alle Besuche, welche der [52] Chevalier ihr drei Monate lang gemacht, für nichts geregnet, und alles, in Scherz gekehrt, was er ihr von seiner Liebe gesprochen, und um so mehr, weil sie überzeugt war, daß er eine größere für dieGräfin von Fiesque fühle, als für sie; aber sie haßte ihn auch noch wie den Teufel, als dieser Liebhaber glaubte, daß ein Brief mehr Wirkung machen würde, als alles, was er bisher gethan und gesagt habe. In dieser Meinung schrieb er ihr diesen:

»Ist es möglich, meine Göttin, daß Sie keine Kenntnisse von der Liebe hätten, die Ihre schönen Augen, meine Sonnen, in meinem Herzen entzündet haben? Ob wohl es unnütz seyn mag, Zuflucht zu Ihnen zu nehmen, mit gewöhnlichen Erklärungen bei so unvergleichlichen Schönheiten und stille Gebete Ihnen genügen sollen, so sagte ich Ihnen doch tausendmal, daß ich Sie liebe, während Sie lachen und mir nichts antworten. Ist dieß ein gutes oder böses Zeichen, meine Königin? Ich beschwöre Sie, sich hierüber zu erklären, damit der Verliebteste aller Menschen fortfahre Sie anzubeten, oder daß er aufhöre, Ihnen zu mißfallen.«

[53] Als Frau von Olonne diesen Brief empfangen hatte, trug sie ihn sogleich zur Gräfin von Fiesque, mit der sie ihn verabredet glaubte, aber sie ließ ihr nicht merken, was sie anfänglich davon hielt. Da sie gut mit einander lebten, that sie scherzend auf den Korb sich etwas zu gute, den sie ihrem Liebhaber gegeben, und auf die mitgetheilte Nachricht von der Untreue, die er an ihr begeben wollte. Obgleich die Gräfin von Fiesque den Chevalier nicht liebte, so ärgerte sie sich doch darüber; die meisten Frauen wollen eben so wenig jene von ihren Liebhabern verlieren die sie nicht lieben wollen, als jene, die sie begünstigen, und ihr Aerger kommt nicht so fast von dem Verluste, den sie erleiden, als von den Vorzuge ihrer Nebenbuhlerinnen; so dachte auch die Gräfin von Fiesque bei diesem Vorfalle.

Inzwischen dankte sie der Frau von Olonne für die Absicht, die sie hatte, sie zu verpflichten, aber versicherte ihr zugleich, daß sie keinen Theil an demChevalier nehme, und daß man im Gegentheile ihr eine Gefälligkeit erweisen würde, sie davon zu [54] befreien. Frau von Olonne begnügte sich nicht, diesen Brief der Gräfin von Fiesque gezeigt zu haben; sie brüstete sich auch noch damit vor demPrinzen von Marsillac, und sey's, daß dieGräfin von Fiesque noch mit andern davon sprach, sey's, daß sie's selbst sagte, zwei Tage berhernach wußte Jedermann, daß der arme Chevalier geopfert worden, und bald erfuhr er selbst die Spöttereien über seinen Brief. Verachtung beleidiget alle Liebhaber, aber wenn man auch noch Spott hinzufüget, treibt man sie zur Verzweiflung.

Als der Chevalier sich abgewiesen und verhöhnt sah, gab er alle Mäßigung auf. Es gibt nichts, was er nicht gegen Frau von Olonne sagte, und man sah wohl bei diesem Vorfalle, daß diese Närrin das Geheimniß gefunden hatte, ihren Ruf zu verlieren, indem sie ihre Ehre bewahrte.

Unter allen seinen Nebenbuhlern haßte der Chevalier keinen so sehr, als den Prinzen von Marsillac, sowohl weil er glaubte, er sey am besten daran, als weil es schien, daß er es am wenigsten verdiene. Er nannte die Liebhaber der Frau [55] von Olonne Philister, und sagte, daß der Prinz von Marsillac, mit Anspielung auf seinen geringen Verstand, sie alle mit einem Eselskienbacken erschlagen habe.

Zur nämlichen Zeit glaubte der Herzog von Guiche, jung und schön wie ein Engel, und voll Eigenliebe, daß die Eroberung der Frau von Olonne für ihn leicht und angenehm wäre, so, daß er sich entschloß, aus Antreiben des Ruhmes, sich an sie zu machen. Er sprach darüber mit Manicamp, seinem guten Freunde, der sein Vorhaben billigte, und sich erbot, ihm zu dienen. Der Herzog von Guiche und Manicamp haben zu viel Antheil an dieser Geschichte, um nicht von beiden im Vorübergehen zu sprechen. Man muß sie gründlich kennen, und zu diesem Zwecke mit der Schilderung des erstern beginnen. Der Herzog von Guiche hatte große schwarze Augen, ein wohlgeformte Nase, einen etwas großen Mund, ein rundes flaches Gesicht, einen wunderschönen Teint, eine große Stirne und einen schönen Wuchs. Er besaß Geist. Er war Spötter, leicht, stolz, brav, unbesonnen, und ohne Freundschaft. [56] Er war Oberster eines Cavallerieregimentes der französischen Garde, gemeinschaftlich mit dem Marschalle seinem Vater.

Manicamp hatte blaue und sanfte Augen, eine Adlernase, einen großen Mund, sehr rothe, aufgeworfene Lippen, einen etwas gelben Teint, ein flaches Gesicht, blonde Haare, und einen schönen Kopf, einen wohlgebildeten Wuchs, wenn er sich nicht ein wenig zu sehr vernachläßiget hätte. Was den Verstand betrifft, so hatte er dessen genug, und von der Art desGrafen von Guiche, ausgenommen, daß er nicht so viel eigenen besaß, wie er, aber sein Genie war wenigstens eben so groß. Seine Glücksumstände waren bei weitem nicht so wohl geordnet, als jene des andern, und nöthigten ihn, etwas mehr Rücksicht zu haben, aber sie hatten beinahe die nämlichen Hinneigungen zur Härte und zum Spotte, auch liebten sie sich so sehr, als wären sie von verschiedenem Geschlechte gewesen.

Zur selben Zeit, da Frau von Olonne den Brief des Chevalier von Grammont Jedermann zeigte, entdeckte dieser die Liebe seines Neffen[57] für die Gräfin von Fiesque; dieß diente nicht wenig dazu, ihn gegen Frau von Olonne aufzubringen, da er eine Versöhnung mit der Gräfin von Fiesque, um so leichter hielt, je weniger Mäßigung er gegen die andern bezeige; indeß er versucht sich mit ihr zu versöhnen, wollen wir sehen, was der Graf von Guiche that, um sich angenehm zu machen.

Vor allen Dingen muß man wissen, daß der Graf von Guiche eine große Liebe für Frau von Beauvais hatte, eine Frau von geringer Herkunft, aber von vielem Verstande. Auch muß man noch wissen, daß er von seinen Eltern, wegen dieser Liebe, dergestalt war gequält worden, welche fürchteten, daß sie ihn zur nämlichen Thorheit verleiten würde, wozu ihre Schwester den Armand gebracht, daß eben sowohl dieser Beweggrund, als die Härte der Schönen ihn sehr abschreckte, und ihn auf den Vorsatz führten, die Gräfin von Fiesque zu lieben, aber er hatte für diese nicht die volle Neigung, die sie verdiente, und diese Liebe war weniger eine neue, als ein Mittel gegen die vorige. Er gab sich nicht viele Mühe; [58] alles was er thun konnte, war, die Gräfin von Fiesque aufzuregen, und den Chevalier in Verzweiflung zu setzen und hiezu genügten ihm Blicke und Besuche, ohne sich um einen raschern Gang zu bekümmern. Die Gräfin von Fiesque, deren Herz, wie man glaubt, nie war gerührt worden, als vom Verdienste des Herrn von Hiern, den sie seit vier oder fünf Jahren nicht mehr sehen konnte, und mit dem sie ein Verhältniß durch Briefe unterhielt, für ihr Selbstvertrauen durch jene Schritte erschüttert, welche der Graf von Guiche für sie that, und was auch Zerige, ein Freund des Herrn von Hiere, ihm sagen konnte, um ihn zu bewegen, denGrafen von Guiche zu verdrängen, sie willigte anfangs nicht darein, und indem sie sich stellte, seine Bewerbungen lächerlich zu schelten, studirte sie lange seine Art zu handeln; da sie aber zuletzt sah, daß der Graf von Guiche sich nicht half, entschloß sie sich, eine Ehre aus der Nothwendigkeit zu machen, ihn zu verlieren, worin sie sich sah, und damit dieß dem Chevalier kein Opfer scheine, der sich geschmeichelt hatte, seinen Neffen zu verdrängen, entfernte [59] sie alle zwei: damals dem Rathe des Zerige willfahrend, wie sie diesem sagte, und hierüber wurde scherzend bemerkt: daß die Gräfin von Fiesque ihre Abschiede mit ihren besten Liebhabern siegle; aber der Chevalier ließ durch seine besten Freunde so sehr in sie dringen, daß er endlich die Erlauhniß erhielt, sie nach Verfluß von vierzehn Tagen wieder zu sehen. Ueber diesen Vorfall machte er eine Strophe nach der Melodie der Sarabande 1.

Fünf oder sechs Monate waren vorübergegangen, während welcher der Chevalier, überglücklich seinen Neffen nicht mehr auf dem Halse zu haben, bei Filis das Vergnügen gekostet hatte, allein zu lieben, einige Freunde des Grafen von Guiche stellten ihm vor, daß es ihm, dem schönsten Manne am Hofe, beschämend sey, eine Dame grausam zu finden, und daß der üble Erfolg, den er bei der Gräfin von Fiesque gehabt, ihm vor der Welt geschadet habe. Diese Gründe bewogen ihn, sich auf's neue einzulassen. Er kam verwundet aus dem Felde; [60] seine Wunde war an der rechten Hand, aber da es schon einige Zeit war, hinderte ihn seine Wunde nicht, obwohl groß, spazieren zu gehen. Da er der Gräfin von Fiesque im Garten des Königes begegnete, war der Abbé Fouquet bei ihm, ein besonderer Freund dieser Dame, der in dem Glauben ihnen Vergnügen zu machen, sie zu einer vertraulichen Unterredung einlud, und sie dort ziemlich lange allein ließ. Der Herzog von Guiche sprach nicht von Liebe, aber er machte Mienen und warf Blicke, die der Gräfin von Fiesque nur zu viel sagten, die noch mehr hörte, als er sagen wollte. Diese Unterhaltung endete mit einer Ohnmacht, die denGrafen von Guiche befiel, woraus ihn die Hülfe der Gräfin von Fiesque und desAbbe Fouquet rettete. Ihre Meinungen über die Ursache dieser Ohnmacht waren getheilt. Der Abbe Fouquet schrieb sie der Wunde des Grafen von Guiche bei, und die Gräfin von Fiesque seiner Leidenschaft. Es gibt nichts, was eine Frau leichter glaubt, als geliebt zu seyn, weil die Eigenliebe sie zu glauben verleitet, man müsse sie lieben, und weil man sich nicht weniger schnell dessen überredet [61] was man wünscht. Diese Gründe machten, daß die Gräfin von Fiesque an der Liebe des Grafen von Guiche ganz und gar nicht zweifelte. Um diese Zeit bat Frau von Olonne, die nicht wollte, daß ein junger wohlgewachsener Mann ihr entschlüpfe, Grenouville, ihr den Grafen von Guiche zu bringen, was er auch that: aber die Stunde des Chevalier war noch nicht gekommen; er ging eben so frey, als er eingetreten war, und fuhr in seinem Plane auf die Gräfin von Fiesque fort. Seine häufigen Besuche hatten die Eifersucht des Chevalier von Grammont erneuen, der sich über das Verhältniß aufklären wollte, in welchem seine Neffe mit der Gräfin von Fiesque, seiner Geliebten, stehe, und um ihm besser nachzuahmen, schrieb er mit der linken Hand an diese Schöne nachstehendes Briefchen:

»Man ist sehr verlegen, wenn man nur eine arme linke Hand hat; ich bitte Sie, gnädige Frau, Sie heute zu was immer für einer Stunde des Tages sprechen zu dürfen, aber daß mein theurer Onkel nichts davon weiß, denn mein Leben würde Gefahr laufen, [62] und vielleicht würden Sie selbst nicht besser wegkommen.«

Als die Gräfin von Fiesque diesen Brief gelesen hatte, befahl sie ihrem Thürsteher, demjenigen, der Antwort holen würde, zu wissen zu machen, daß er seinem Herrn sage, er möge ihr Manicamp um drei Uhr Nachmittags schicken. Da der Chevalier diese Antwort erhielt, glaubte er das Mittel zu haben, die Gräfin von Fiesque des höchsten Einverständnisses mit dem Grafen von Guiche zu überweisen, und auf diese Antwort hin ging er zu ihr. Die Wuth im Herzen hatte sein Gesicht so entstellt, daß die Gräfin von Fiesque, als sie nur ein wenig Acht gab, bei seinem Eintritt alles entdeckte. »Ist es lange, gnädige Frau, sagte er, daß Sie den Grafen von Guiche nicht gesehen haben?«

»Fünf oder sechs Tage,« antwortete sie.

»Aber es ist nicht so lange,« erwiederte der Chevalier von Grammont, »daß Sie von ihm Briefe empfangen haben.«

»Ich – Briefe vom Grafen von Guiche! Warum [63] sollte er mir schreiben? Ist er im Stande, an Jemand zu schreiben?«

»Geben Sie Acht was Sie sprechen, antwortete derChevalier, denn dieß zieht Folgen nach sich.«

»Die Wahrheit ist, sagte die Gräfin von Fiesque, daß Manicamp mich fragen ließ, ob der Graf von Guiche mich heute sehen könnte, und ich meldete ihm, daß er ohne seinen Freund komme.«

»Es ist wahr, versetzte auffahrend der Chevalier, daß Sie dem Manicamp zu wissen machten, daß er ohne den Grafen von Guiche komme, aber es geschah auf einen Brief von diesem, daß Sie ihm dieß sagen ließen, und ich weiß es nur, gnädige Frau, weil ich es bin, der ihn geschrieben hat, und dem man die Antwort hinterbrachte. Ist es nicht genug die Liebe nicht zu erkennen, die ich seit zwölf Jahren für Sie habe, auch ohne mir einen jungen Menschen vorzuziehen, der erst seit vierzehn Tagen Sie zu lieben scheint, und der Sie ganz und gar nicht liebt?« Nach dieser Rede geberdete er sich eine Viertelstunde lang wie ein rasender Mensch.

[64] Die Gräfin von Fiesque, welche sich überwiesen sah, wollte einen Scherz aus der Sache machen; »aber, sagte sie, weil Sie an diesem Einverständnisse zwischen Ihrem Neffen und mir nicht zweifeln, warum fragen Sie mich nicht wegen Dingen von größerer Nichtigkeit, als eine Viertelstunde mich zu sehen?«

»Ach, gnädige Frau, rief er aus, ich weiß genug davon, um Sie für die Undankbarste aller Frauen zu halten, und mich für den Unglücklichsten aller Männer.«

Als er diese Worte endete, trat Manicamp ein, und er ging fort, um die Verwirrung zu verbergen, worin er war.

»Was gibt es gnädige Frau, fragte Manicamp. Ich finde sie ganz bestürzt?«

Die Gräfin von Fiesque erzählte ihm den Betrug des Chevalier und ihre Unterredung, und nach einigen Erörterungen über diesen Gegenstand ging er, und brachte ihr noch in derselben Stunde dieses Briefchen von Seite des Grafen von Guiche:

»Aus Furcht, daß die Verfälscher mir schaden [65] können, und damit Sie in der Schrift- und in der Schreibart sich nicht irren, wollte ich Sie beide kennen lernen. Der letztere ist schwerer nachzuahmen, da er von etwas eingegeben ist, was über ihre Gefühle geht.«

Nachdem die Gräfin von Fiesque dieses Briefchen gelesen hatte, sagte sie: »Mein Gott, wie närrisch ist Ihr Freund! Ich fürchte nun, daß er sich und mir Verdrießlichkeiten zuziehe, deren wir beide nicht bedürfen.«

»Wenn nur, gnädige Frau, ›erwiederte Manicamp,‹ Sie beide sich wohl verstehen, so werden Sie keine schlimmen Händel bekommen;« »aber,« – versetzte die Gräfin von Fiesque, »kann er denn keine andere Stellung zu mir annehmen, als die eines Liebhabers?«

»Nein,« erwiederte jener, – »es ist ihm unmöglich, und was Sie davon überzeugen muß, ist, daß er den Kampf wieder beginnt, nachdem er geschlagen wurde. Diese Bewerbung zeigt eine rasende Nothwendigkeit in ihm, Sie zu lieben.« Als er diese Unterredung fortsetzen wollte, kamen Besuche, die [66] sie unterbrachen, und Manicamp ging, und erzählte einen Augenblick darauf seinem Freunde, was zwischen ihm und der Gräfin von Fiesque vorgegangen war. Der Graf von Guiche, der nicht glaubte, daß das Briefchen, welches er an die Gräfin von Fiesque geschrieben, genügte, um ihr von seiner Liebe zu sprechen, schrieb ihr ein anderes, das deutlicher sprach. Er ließ es durch Manicamp besorgen, der es, indem er's am andern Tage zu jener Schönen trug, unterwegs verlor, so daß er sogleich umkehrte, um dem Grafen von Guiche den Unfall zu melden, der ihm begegnete; dieser schrieb folgenden Brief an die Gräfin von Fiesque:

»Wären Sie von meinen Gefühlen überzeugt, so würden Sie leicht begreifen, daß man mit einem Menschen, der so nachläßig, wie Manicamp, schlecht zufriedengestellt ist. Sie werden den größten Streit von der Welt sehen, wenn Sie nicht die Hand zur Vermittlung reichen. Urtheilen Sie, wie ich für Sie fühle, da ich mit meinem besten Freunde breche, ohne Versöhnung von meiner Seite. Aber da ihm noch Ihr Beistand bleibt, und Sie nicht so erzurnt [67] sind, wie ich, so fürcht' ich, daß er mich zwingt, ihm Ihrer Verwendung wegen zu verzeihen.«

Manicamp suchte die Gräfin von Fiesque, die nicht zu Hause war, überall, und als er sie am Spieltische der Nobelle fand, sagte er: »Ich bringe den Personen Glück, welchen ich mich nahe, gnädige Frau,« – setzte sich an ihre Seite, steckte ihr den Brief seines Freundes geschickt in das Täschchen, und ging einige Zeit darauf fort. Als die Gräfin von Fiesque nach beendigtem Spiele nach Hause gekommen war, fand sie, indem sie ihr Taschentuch herauszog, den versiegelten Brief des Grafen von Guiche, und zwar ohne Aufschrift, und hätte sie nachgedacht, was er enthalten konnte, so würde sie ihn nicht erbrochen haben; aber aus Furcht dann genöthiget zu seyn, ihn nicht zu öffnen, wollte sie nicht darüber nachdenken, und entsiegelte ihn hastig ohne die mindeste Ueberlegung. Der ganze Scharfsinn derGräfin von Fiesque ließ sie nicht enträthseln, was der Graf von Guiche in Bezug auf die Unzufriedenheit sagen wollte, die er gegen Manicamp bezeigte, so, daß sie einem [68] ihrer Leute befahl, ihm zu sagen, er möge am andern Tage zu ihr kommen, entschlossen, ihn des Briefes wegen auszuzanken, den er ihr vom Grafen von Guiche gegeben, und ihm zu verbieten, sich künftig damit zu befassen. Wie er nun am folgenden Tage in ihr Zimmer trat, ließ die Neugierde sie ihren Zorn vergessen. – Nun denn, – sagte sie, – erklären Sie mir doch ihren Zwist mit Ihrem Freunde.«

»Der besteht darin, gnädige Frau,« erwiederte er, – »daß ich den Brief, den ich Ihnen vorgestern brachte, unterwegs verlor. Er ist sehr wider mich aufgebracht; ich weiß nicht, was ich ihm sagen soll, denn ich habe Unrecht.« Die Gräfin von Fiesque, in der Furcht, dieser verlorene Brief möchte von Jemand gefunden werden, der ein Histörchen daraus machte, um das Publikum zu ergötzen, sagte: »Gehen Sie, suchen Sie ihn überall, und kommen Sie nicht zurück, ohne ihn mitzubringen.« Manicamp ging sogleich fort, und kam Abends zurück, um ihr zu sagen, daß er nichts gefunden habe, daß der Graf von Guiche ihn nicht mehr sehen wolle, und daß er sie bitte, sie wieder mit einander auszusöhnen. [69] »Ich will es wohl thun, sagte sie, obwohl sie es nicht verdienen; ich werde morgen zu Frau von Cornwal geben; wenn ich ihn dort antreffe, werde ich versuchen Sie auszusöhnen.«

»Ach, gnädige Frau, versetzte Manicamp, Sie sind so gütig, daß ich nicht zweifle, daß es Ihnen leid thut auch nur den Gedanken gehabt zu haben, mich bis morgen schmachten zu lassen. Ich bitte Sie meinen Kummer zu enden, und mir ein Briefchen zu geben, das ich von Ihrer Seite dem Grafen von Guiche zustellen werde, überzeugt, daß er so viele Liebe für Sie fühlet, daß – –

Ich an den Grafen von Guiche schreiben? unterbrach ihn die Gräfin von Fiesque, – Sie sind sehr spaßhaft, mir davon zu sprechen.«

»Obwohl wir entzweit sind, gnädige Frau, erwiederte Manicamp, kann ich doch nicht umhin, Ihnen zu sagen, daß er diese Huld wohl verdient; doch betrachten Sie es nicht von dieser Seite; gewähren Sie dieses Briefchen der Gewogenheit, die Sie für mich haben; ich verspreche, daß ich es, wenn es seine Wirkung gemacht hat, wieder in ihre Hände [70] zurückstellen werde.« Nachdem ihm die Gräfin von Fiesque das Wort abgenommen, daß er ihr Briefchen am folgenden Tage wieder bringen wolle, schrieb sie an den Grafen von Guiche so:

»Ich schreibe Ihnen nur, um Sie für den armenManicamp um Gnade zu bitten; muß ich Ihnen aber noch mehr sagen, um Sie zur Gewährung zu bestimmen, so glauben Sie, was er Ihnen in meinem Namen sagen wird; er ist zu sehr mein Freund, um ihm irgend etwas zu verweigern, was ihm nützlich seyn kann.«

Der Graf von Guiche fand dieß Briefchen allzu süß um es zurückzugeben; er glaubte dessen überhoben zu seyn, indem er das Versprechen desManicamp nicht genehmigte, und gab ihm indeß diese Antwort mit:

»Ich wünschte von ganzem Herzen, daß Sie eben so viele Neigung haben möchten, mir zu gewähren, was ich von Ihnen wünsche, als es mir leicht war, diesen Verbrecher zu begnadigen; ich versichere Ihnen, daß es bei einer solchen Empfehlung unmöglich war, ihm etwas zu versagen. Wäre ich glücklich genug, Ihnen durch etwas Schwierigeres Beweise davon zu[71] geben, so würden Sie einsehen, daß Sie mir Unrecht gethan haben, als sie an der Wahrheit meiner Gefühle zweifelten; sie sind, ich betheure es Ihnen, so zärtlich, wie sie nur immer eine so liebenswürdige Dame wie Sie einflößen kann, und werden immer so bescheiden seyn, als Sie sie wünschen, was auch unsere Hofmeister davon sagen mögen. Ich beschwöre Sie, immer den Warnungen des Verbrechers wohl zu folgen; denn obgleich er ein ziemlich unsorgfältiger Mensch ist, so verdient er doch, daß man ihn wegen seines Eifers, uns zu dienen, lobe.«

Unter dieser Warnung verstand er, daß sie demChevalier von Grammont sehr mißtrauen sollte, der alles that, seinem Neffen Hindernisse in den Weg zu legen, und ihn der Fiesque unbesonnen und untreu erscheinen zu lassen. Hierauf sagte ihr Manicamp, daß der Graf von Guiche so außer sich vor Freude war, des Briefchens wegen, das sie ihm geschrieben habe, daß es ihm unmöglich gewesen, es wieder zu sich zu nehmen, daß sie sich aber nicht zu kümmern brauche, da es in den Händen ihres Geliebten eben so sicher wie im Feuer sey, und endlich, [72] daß er keinen verliebteren Mann gesehen habe, als den Grafen von Guiche, und daß er sie gewiß sein ganzes Leben hindurch lieben würde.

»Aber unterbrach ihn die Gräfin von Fiesque, was bedeuten denn die vielen Besuche Ihres Freundes bei der Gräfin von Olonne? bittet er Sie bei mir nützlich zu seyn?« »Er geht nicht hin, gnädige Frau, antwortete Manicamp, das heißt, er war ein oder zweimal dort; doch ich sehe schon den Geist des Chevalier in dem was Sie mir sagen, und ich bin versichert, daß der Graf von Guiche seinen Onkel an diesem Gaunerzuge erkennen wird. Aber, gnädige Frau, hören Sie meinen Freund, bevor Sie ihn verdammen.«

»Ich bin's zufrieden,« sagte sie. Manicamp hatte sehr richtig geschlossen, daß der Chevalier, um seinen Neffen zu stürzen, der Frau von Fiesque gesagt, daß er in die Gräfin von Olonne verliebt sey, daß sie nur zum Vorwande diene, und tausend andere Dinge dieser Art, die ihr so wahrscheinlich schienen, daß so sehr sie auch dem Chevalier in Bezug auf den Grafen von Guiche mißtraute, [73] sie sich doch nicht enthalten konnte, in dieser Hinsicht ihm Glauben zu schenken, da am andern Tage eine ihrer Freundinnen kam, und in sie drang auf das Land zu geben, ließ sie sich bereden. Die Gewißheit, welche sie von dem Betruge des Grafen von Guiche hatte, machte, daß sie keine Aufklärung von ihm wollte, und um nicht alles zu verlieren, wollte sie dem Herrn von Hiere durch ein falsches Vertrauen zuvorkommen, aus Furcht, er möchte auf andern Wegen die Wahrheit vor Allem erfahren. Sie schickte ihm also die Abschrift des letzten Briefes des Grafen von Guiche, und reisete darauf mit ihrer Freundin ab. Der Chevalier, der auf alle Handlungen der Gräfin von Fiesque Acht und alle ihre Leute gewonnen hatte, besaß das Packet, das sie an den Herrn von Hiere sendete, zwei Stunden darauf, nachdem sie es geschlossen hatte. Er machte eine Abschrift vom Briefe des Grafen von Guiche, und warf das Packet ins Feuer, und zwei Tage darnach, als er erfahren hatte, daß dieGräfin von Fiesque verreiset war, schrieb er ihr diesen Brief.

[74] »Wenn Sie eben so viele Lust gehabt hätten, sich über Dinge aufzuklären, woran Sie zu zweifeln vorgeben, als ich aus tausend Gründen hatte, Ihnen alle Arten von Zweifeln zu benehmen, so hätten Sie keine so weite Reise unternommen, oder wenigstens Verdruß gezeigt, eine so gute Freundin zu scheinen; ich möchte Ihnen nicht verbieten, Zärtlichkeit zu äussern, aber ich wünschte einigen Antheil an der Anwendung zu haben, und ich gestehe Ihnen, daß, wenn ich glücklich genug wäre, durch die meinige dahin zu gelangen, ich versuchen würde, derselben durch mein Betragen nicht unwürdig zu seyn.«

Zur Zeit, da man diesen Brief zur Gräfin von Fiesque trug, ging der Chevalier zu seinem Neffen, bei dem er den Manicamp traf. Nach einem kleinen scherzhaften Vorspiele über das gute Glück des Grafen von Guiche bei den Damen im Allgemeinen, sagte er: »Bei meiner Treue, meine armen Freunde, ihr seyd jünger und artiger als ich, und ich werde euch nie eine Geliebte streitig machen, die ich nicht seit längerer Zeit kenne als ihr, daher müßt ihr mir ebenfalls ohne sie streitig zu machen, [75] jene überlassen, die in irgend einer Verbindung mit mir stehen. Die Eitelkeit, welche in ihnen die große Anzahl von Liebhabern erregt, kann sie dahin bringen, euch einige Hoffnung schöpfen zu lassen; es gibt deren wenige, welche anfangs die Gelübde der Seufzenden zurückweisen, aber früh oder spät kehren sie zur Vernunft zurück, und dann trifft es sich, daß der neue Ankömmling die Zeit übel zubringt, und daß der Liebhaber mit seiner Geliebten sogleich sagt: Meine Herren, mit der Nachtmusik ist's aus.« »Sie haben mir versprochen, Graf von Guiche, mich bei der Gräfin von Fiesque nicht mehr zu beunruhigen; Sie haben mir nicht Wort gehalten, und eine Untreue begangen, die Ihnen zu nichts nützet; denn diese Gräfin hat mir alle Briefe gegeben, die Sie ihr geschrieben haben, ich werde Ihnen die Urschriften davon zeigen, wenn Sie wollen. Inzwischen sehen Sie hier die Abschrift des letzten, die ich Ihnen mitgebracht habe.« Indem er dieß sagte, zog er einen Brief des Grafen von Guiche hervor, und sprach, nachdem er ihn gelesen hatte: »Wohlan, meine Lieben, werden Sie ein andersmal [76] Ihr Gespötte mit mir treiben?« Während der Chevalier redete, sahen sich der Graf von Guiche und Manicamp mit Erstaunen an, und konnten nicht begreifen, daß die Gräfin von Fiesque sie so boshaft betrogen habe. Endlich nahm Manicamp das Wort, und indem er es an den Grafen von Guiche richtete, sagte er: »Sie wurden behandelt, wie Sie es verdienten, doch da die Gräfin von Fiesque keine Rücksicht für uns gehabt hat, fügte er hinzu, sich gegen den Chevalier wendend, sind wir nicht verbunden, deren für sie zu haben; wir sehen wohl, daß sie uns geopfert hat; aber es gab eine Zeit, wo auch Sie es waren, wir haben große Ursache, uns über sie zu beklagen, aber Sie haben ganz und gar keine, mit ihr zufrieden zu seyn; wenn wir uns auf Ihre Kosten lustig machten, so war sie wenigstens zur Hälfte dabei betheiligt.«

»Es ist wahr, versetzte der Graf von Guiche, daß Sie nicht Ursache hätten, mit dem Vorzuge der Gräfin von Fiesque zu Ihren Gunsten zufrieden zu seyn, wenn Sie wüßten, welche Achtung sie vor Ihnen hat, und dieß führt zu untrüglichen Schlüssen, [77] daß sie unter Ihren Händen erfahren wird, da sie nach den Dingen, die sie mir sagte, mich nur verräth, um Sie zu befriedigen. Nun wohl, Chevalier, genießen Sie dieser Treulosen in Ruhe; wenn Niemand Sie beunruhiget, als ich, so werden sie sehr zufrieden mit ihr leben.« Nachdem sie sich alle hierüber aufrichtig versöhnt, und tausend Versicherungen der Freundschaft für die Zukunft gegeben hatten, trennten sie sich. Der Graf von Guiche und Manicamp schloßen sich ein, um einen Brief mit Vorwürfen an diese Gräfin im Namen des Manicamp zu entwerfen; aber sie, die unschuldig war, antwortete ihm, daß sein Freund und er überlistet worden seyen, und daß der Chevalier mehr davon wisse, als sie; daß sie ihnen nicht erklären könne, wie er den Brief bekommen, den er ihnen gezeigt, sie aber einst klar würde sehen lassen, daß Sie sie nicht aufgeopfert habe. Dieser Brief traf den Manicamp nicht mehr in Paris, der am Abende vorher mit dem Grafen von Guiche abgereiset war, um Ludwig XIV. auf seiner Reise nach Lyon zu folgen; er erhielt ihn erst, als er am Hofe ankam, [78] und dachte nicht mehr weiter an die Gräfin von Fiesque. Während sich dieß alles ereignete, setzte der Prinz von Marsillac immer seinen Umgang mit der Gräfin von Olonne fort. Dieser Liebhaber sah sie auf die bequemste Weise von der Welt Nachts bei ihr, und bei Tag bei Frau von Cornwal, eine liebenswürdige Dame und von vielem Verstande. DieGräfin von Olonne hatte in dem Gange zwischen ihrem Bette und der Wand ein Cabinete, an dessen Eck sie eine Fallthüre hatte machen lassen, welche in ein anderes Cabinet unterhalb führte, in welches der Prinz von Marsillac trat, wenn es Nacht war; ein Fußteppich verbarg die Fallthüre, und ein Tisch bedeckte sie. Dieser Prinz brachte also die Nächte bei seiner Geliebten zu, und nach dem allgemeinen Gerüchte, schlief er dabei nicht ein. Dieß dauerte bis sie in die Bäder ging, und während sie dort war, schrieb sie ihm tausend Briefchen, die man hier nicht mittheilt, weil sie die Mühe nicht werth sind; er schrieb ihr eines Tages diesen Brief, bevor er von ihr Abschied nahm:

»Ich habe nie einen so lebhaften Schmerz empfunden, [79] als jener, den ich heute fühle, meine Liebe, weil ich Sie noch niemals verlassen habe, seitdem wir uns lieben. Nur die Abwesenheit, und eine erste Abwesenheit wie diese, kann mich in den bellagenswerthen Zustand bringen, worin ich bin. Wenn etwas meinen Gram lindern könnte, meine Liebe, so wäre es der Glaube, den ich habe, daß Sie eben so viel leiden, wie ich. Mißdeuten Sie es nicht, daß ich Ihnen Kummer wünsche, weil dieß ein Zeichen meiner Liebe ist. Leben Sie wohl, glauben Sie nur, daß ich Sie liebe, und daß ich Sie immer lieben werde; denn wenn Sie einmal davon wohl überzeugt wären, so wäre es nicht möglich, daß Sie mich nicht Ihr ganzes Leben hindurch liebten.«


Antwort.


»Trösten Sie sich, mein Lieber, wenn mein Schmerz Sie tröstet, er ist auf dem Punkte, wo Sie ihn wünschen können. Ich könnte Ihnen nicht besser ihn sehen lassen, als, indem ich Ihnen sage, daß ich wünsche, daß Sie mich so sehr lieben, wie ich Sie liebe. Zweifeln Sie daran, mein Lieber? Kommen Sie zu mir, aber kommen Sie bei Zeiten, damit [80] ich länger mit Ihnen seyn kann, und mich auf irgend eine Weise für die Abwesenheit bezahlt mache, die ich ertragen muß. Leben Sie wohl, mein Lieber, seyen Sie ruhig in Betreff meiner Liebe; sie wird wenigstens eben so groß seyn, als die Ihrige.«

Der Prinz von Marsillac verfehlte nicht, sich bei dem Rendezvous früher als gewöhnlich einzufinden, und als er zu seiner Geliebten kam, warf er sich auf ihr Bett, wo er lange blieb in Thränen zerfließend, ohne sprechen zu können. Die Gräfin von Olonne ihrerseits schien nicht minder gerührt, da sie aber von ihrem Geliebten wohl noch andere Zeichen der Liebe als die des Schmerzes gewünscht hatte, sagte sie: »ach, mein Lieber, Sie äußerten mir so oft, daß meine Leiden die Ihrigen erleichtern würden, indeß macht Sie die Betrübniß, worin Sie mich sehen, nicht weniger trostlos.« Auf diese Worte verdoppelte der Prinz von Marsillac seine Seufzer, ohne ihr zu antworten; die Niedergeschlagenheit der Seele hatte jene des Leibes verursacht, und ich glaube, daß dieser Liebhaber eher die Abwesenheit seiner Kraft, als jene seiner Geliebten beweinte;[81] da jedoch die jungen Leute von einer Krankheit genesen, und er von guter Leibesbeschaffenheit war, so fing er an sich wieder zu erholen, und besserte sich in sehr kurzer Zeit so, daß die Gräfin von Olonne alle Ursache hatte, damit zufrieden zu seyn. Nachdem er ihr tausend Beweise guter Gesundheit gegeben; empfahl sie ihm, vor allen Dingen dafür Sorge zu tragen, und sagte ihm, daß sie hienach auf die Liebe schließen würde, die er für sie fühle; hierauf machten sie sich tausend Betheuerungen sich lebenslang zu lieben. Sie verständigten sich über die Mittel sich zu schreiben, und nahmen Abschied, er, um nach Hof zu gehen, und sie, um den Weg nach Bourbon einzuschlagen.

Als am folgenden Tage der Prinz von Marsillac von Frau von Cornwal Abschied nahm, bat er sie, seine Geliebte zu bereden, auf ihr Betragen wohl Acht zu haben, als sie es bisher gethan. »Verlassen sie sich auf mich«, sagte sie, sie wird wohl unverbesserlich seyn, wenn ich sie nicht auf den rechten Weg bringe. Zwei Tage darauf gingFrau von Cornwal zur Gräfin von Olonne, wo sie [82] den ganzen Tag blieb, den sie dazu anwendete, ihr Vorschriften zu geben, um ihr Betragen zu ordnen, und besonders ihr die Treue empfahl, die sie ihrem Geliebten schuldig sey.

Als sie aufgehört hatte zu sprechen, sagte Frau von Olonne: »Guter Gott, was sind das für schöne Dinge, die Sie mir sagen, aber wie schwer sind sie zu üben; ich finde selbst ein wenig Ungerechtigkeit daran; denn im Grunde, da wir doch selbst unsere Gatten betrügen, die das Gesetz doch zu unsern Herrn gemacht, warum sollten unsere Liebhaber dabei so leichten Kaufes wegkommen, sie, die zu lieben uns nichts verbindet, als die Werthschätzung, die wir uns davon machen, und die wir halten, um uns ihrer so viel und so wenig zu bedienen, als es uns gefällt?«

»Ich habe Ihnen nicht gesagt, erwiederte Frau von Cornwal, daß wir unsere Liebhaber nicht aufgeben sollen, wenn sie uns durch ihre Schuld oder durch Widerwillen mißfallen, aber ich ließ Ihnen die zarte Weise sehen, womit wir uns losmachen müssen, um nicht Veranlassung zu geben, uns in der Welt auszuschreien; denn gnädige Frau, da man die Ehre der Damen so [83] tyrannisch beschränkt hat, nicht zu lieben was sie liebenswürdig finden, muß man sich mit dem Gebrauche befreunden, und sich wenigstens verbergen, wenn man lieben muß.«

»Nun wohl, meine Liebe, versetzte die Gräfin von Olonne, ich will mich dabei trefflich halten, und bin völlig entschlossen, aber damit gründe ich die größten Hoffnungen meines Betragens auf die Frucht der Gelegenheiten.«

»Was es auch sey, Flucht oder Widerstand, erwiederte Frau von Cornwal, es liegt nichts daran, wenn nur Ihr Liebhaber zufrieden ist,« – und nachdem sie sie hierüber ermahnt hatte, fest zu verharren in diesen guten Vorsätzen, ging sie fort.

Während der Abwesenheit der Gräfin von Olonne und des Prinzen von Marsillac schrieben sie sich sehr oft; aber da sich nichts Merkwürdiges zutrug, werde ich von ihren Briefen nicht sprechen, die nur von ihrer Liebe handeln, und von der Ungegeduld, die sie hatten, sich wieder zu sehen. Die Gräfin von Olonne kam zuerst wieder nach Paris zurück. Der Graf von Guiche, der auch wieder vom [84] Hofe angekommen war, fieng an, dieser Schönen ziemlich häufige Besuche zu machen. Dieser Graf hatte während seiner Lyonerreise, denHerzog von Anjou, Bruder von Ludwig XIV., bei dem er sehr gut stand, beredet, nach seiner Rückkehr nach Paris mit der Gräfin von Olonne einen Liebeshandel anzuspinnen, und sich erbeten, ihm dabei behülflich zu seyn, ihm bald die Zustimmung zu bewirken. Der Prinz hatte versprochen, die nöthigen Schritte zu thun, so daß bei allen Unterredungen, die der Graf von Guiche mit der Gräfin von Olonne hatte, er nur von der Liebe des Herzogs von Anjou für sie sprach. Er sagte ihr, daß er sie mehr als hundertmal während der Reise zu erkennen gegeben habe und daß sie ihn gewiß würde seufzen sehen, sobald er zurückgekommen. Eine Frau, welche bürgerliche und Edelleute geliebt hatte, die Einen sehr schön, und die Andern sehr häßlich, konnte wohl einen schönen Prinzen lieben. Die Gräfin von Olonne empfieng den Vorschlag des Grafen von Guiche mit einer Freude, die man nicht ausdrücken kann, und mit einer so großen, daß sie nicht einmal die Zierereyen machte, [85] welche die Koketten gewöhnlich machen. Eine Andere hätte gesagt, daß sie niemand lieben wolle, aber noch weniger einen Prinzen, wer er auch sey, weil er keine Anhänglichkeit haben könne.

Die Gräfin von Olonne, welche die natürlichste von allen Frauen war, und die leidenschaftlichste, beobachtete den Wohlstand nicht, und erwiederte dem Grafen von Guiche, daß sie sich glücklicher als jemals schätzte, einem so großen und artigen Prinzen zu gefallen. Als der Hof nach Paris zurückgekommen war, entsprach der Herzog von Anjou den Bemühungen nicht, worauf die Gräfin von Olonne vom Grafen von Guiche war vorbereitet worden; sie dienten ihr nur einzusehen, daß dieser Prinz für sie blos Gleichgültigkeit habe.

Da der Graf von Guiche sah, daß derHerzog von Anjou nicht ins Netz gieng, änderte er sein Vorhaben, und wünschte wenigstens, daß die Dienste, welche er der Gräfin von Olonne hatte leisten wollen, ihm bei ihr zu etwas nützten, beschloß sich in sie zu verlieben, und weil der Verkehr, den er wegen der vermeintlichen Liebe des Herzogs [86] von Anjou unterhalten, ihm eine sehr genaue Gemeinschaft und Vertraulichkeit verschafft hatte, zögerte er nicht, ihr diesen Brief zu schreiben:

»Wir haben bisher vergebens gearbeitet, gnädige Frau! die Königin haßt Sie, und der Herzog von Anjou fürchtet, sie zu betrüben. Ich bin Ihrer Interessen wegen hierüber in Verzweiflung. Sie könnten mich wohl trösten, gnädige Frau, wenn Sie wollten, und ich beschwöre Sie es zu wollen; weil die natürliche Erbitterung der eigensinnigen Mutter, und die Schwachheit des Sohnes, alle meine Pläne vernichtet haben, muß man andere Maßregeln ergreifen. Lieben wir uns, gnädige Frau, dieß ist von meiner Seite schon geschehen; und wenn der Herzog von Anjou Sie geliebt hätte, so seh' ich wohl, daß ich mit ihm mich würde zerschlagen haben, weil ich der Liebe nicht hätte widerstehen können, die ich für Sie fühle. Ich zweifle nicht, gnädige Frau, daß der Unterschied Ihnen anfangs mißfällt, aber machen Sie sich von Ihrer Ehrsucht los, und Sie werden sich nicht so unglücklich fühlen, als Sie denken, und ich bin versichert, gnädige Frau, daß [87] wenn der Aerger Sie in meine Arme geführt hat, die Liebe Sie darin zurückhalten wird.«

Was man auch gegen die Frauen sagen mag, es ist oft mehr Unklugheit als Arglist in ihrem Betragen die Meisten denken nicht, wenn man mit ihnen von Liebe spricht, daß sie jemals lieben sollen. Sie geben indeß weiter, als sie denken; sie benehmen sich, als müßten sie immer grausam seyn, und bereuen es sehr, wenn sie leutseliger geworden sind. Das Nämliche widerfuhr der Gräfin von Olonne, sie fühlte einen unerträglichen Aerger ein Herz verfehlt zu haben, nachdem sie es unter ihre Eroberungen gezählt hatte, und da sie einen fand, an den sie sich halten konnte, um ihren Schmerz zu vergessen, fand sie es sehr wahrscheinlich zu glauben, daß der Graf von Guiche, seines eigenen Vortheils wegen, denHerzog von Anjou verhindert habe, sie zu lieben, so daß, um sich darüber zu rächen, und desPrinzen von Marsillac sich zu versichern, den diese ganze Intrique ausserordentlich beunruhigt hatte, sie ihm den Brief des Grafen von Guiche opferte, ohne zu überlegen, daß die Liebe vielleicht sie zu demselben [88] Verfahren mit den Briefen des Prinzen von Marsillac verbinden könnte. Dieser, dem die Gräfin von Olonne so viele Gunstbezeugungen erwies, gebrauchte sie wie ein Mann, der mit seiner Geliebten sehr zufrieden ist. Er dankte ihr tausendmal für ihre Aufrichtigkeit, und begnügte sich über seinen Nebenbuhler zu triumphiren, ohne daraus einen unbescheidenen Ruhm ziehen zu wollen.

Inzwischen ging der Graf von Guiche, der das Loos seines Briefes nicht wußte, am Sonntage zur Gräfin von Olonne; aber an diesem Tage kamen so viele Besuche hin, daß er mit ihr von der Sache nicht sprechen konnte. Er bemerkte nur, daß sie ihn fest angeschaut hatte, und von ihr weg, vertraute er alles der Gräfin von Fiesque, welcher er seit seiner Rückkehr von Lyon nichts verhehlte. Auch dem Herrn von Vineuil theilte er seine Angelegenheit mit, und beide urtheilten besonders über die Hinfälligkeit der Dame, und die Artigkeit des Chevalier, daß eine Bewerbung weder zu lang, noch vergeblich seyn würde, und in der That Frau von Olonne hatte den Grafen von Guiche so[89] wohlgestaltet gefunden, daß sie das dem Prinzen von Marsillac gebrachte Opfer bereute. Am andern Tage kam der Graf von Guiche wieder zu ihr und sprach von seiner Liebe, da er sie allein fand. Die Schöne war sehr erfreut darüber, und empfing diese Erklärung auf die gefälligste Weise von der Welt, aber nachdem sie überein gekommen sich zu lieben, wie sie es über gewisse Bedingungen waren, kamen Besuche, die den Grafen von Guiche bewogen, einen Augenblick darauf fortzugehen.

Die Gräfin von Olonne, welche sich gleichfalls von ihrer Gesellschaft losgemacht hatte, so bald sie konnte, stieg in den Wagen, und fuhr bei derGräfin von Fiesque vor; um zu erfahren, ob sie kein Interesse mehr an dem Grafen von Guiche nehme. Nach einigen Wechselreden über andere Gegenstände, fragte sie sie um Rath wegen der Absicht, welche, wie sie ihr sagte, der Graf von Guiche auf sie habe. Die Gräfin von Fiesque antwortete ihr, daß sie in einem solchen Falle nur ihr Herz um Rath fragen müsse. »Mein Herz sagt mir nicht viele Gründe zu Gunsten des [90] Grafen von Guiche, erwiederte die Gräfin von Olonne und meine Vernunft sagt mir tausend gegen ihn, er ist ein Unbesonnener, ich werde ihn niemals lieben.« – und indem sie dieß sagte, nahm sie von ihr Abschied, ohne eine Antwort zu erwarten.

Von einer andern Seite war der Graf von Guiche nach Hause gekehrt, wo er Herrn von Vineuil traf, der ihn mit äußerster Ungeduld erwartete, um den Stand seiner Angelegenheiten zu erfahren. Der Graf von Guiche sagte ihm ziemlich kalt, daß durch die Art, wie die Gräfin von Olonne ihn behandelte, alles abgebrochen sey, und da Herr von Vineuil die näheren Umstände der Unterredung wissen wollte, sprach der Graf von Guiche, aus Furcht sich zu verrathen, alle Augenblicke von etwas Anderem, was bei Herrn von Vineuil einigen Verdacht erregte, der fein und in dieGräfin von Olonne verliebt war, und der sich in die Angelegenheiten des Grafen von Guiche nur mischte, um sich bei seiner Geliebten durch die Sache in Gunst zu setzen, die er erfahren [91] hätte. Er gieng fort, da er sah, daß er ihn zu keinem Geständniß bringen könne, und war drei Tage lang in tödtlicher Unruhe, daß er nicht erfahren konnte was er wünschte. Mit dem Gesichte eines in Ungnade Gefallenen begab er sich zur Gräfin von Fiesque, seit dem er sah, daß der Graf von Guiche ihm keinen Theil mehr gab an der Ehre seines Vertrauens; er sagte dieser Schönen nichts davon, um sich um sein Ansehen nicht zu bringen, indem er sein Mißgeschick merken ließ. Endlich nach drei Tagen gieng er zumGrafen von Guiche, und sagte: »Was habe ich gethan, mein Herr, was Sie veranlaßt, mich so zu behandeln? Ich sehe wohl, daß Sie sich wegen der Angelegenheit der Gräfin von Olonne vor mir verbergen; sagen Sie mir den Grund davon, oder wenn Sie keinen haben, fahren Sie fort, mir zu sagen was Sie wissen, wie Sie es sonst gewohnt waren.«

»Ich bitte Sie um Verzeihung, mein armer Herr von Vineuil,« sagte der Graf von Guiche, aber die Gräfin von Olonne, indem sie mir die höchsten Gunstbezeugungen gewährte, hatte von mir verlangt, [92] daß ich Ihnen nichts davon sagen sollte, und der Gräfin von Fiesque noch weniger, als andern Leuten, weil Sie, sagte sie, ein schlimmer Mann sind, und die Gräfin von Fiesque eifersüchtig. Wie unbescheiden man auch sey, so giebt es doch keinen Liebeshandel, den man anfangs nicht geheim hielt, wenn man des Vertrauten entrathen kann, um zum Ziele zu kommen. Ich beweise es heute; denn natürlich erzähle ich gerne ein Liebesabentheuer, indeß ließ ich drei Tage vorübergehen, ohne Ihnen dieses zu erzählen, Ihnen, dem ich alles sagte. Aber gedulden Sie sich, mein Lieber, ich will Ihnen alles erzählen, was zwischen der Gräfin von Olonne und mir vorgegangen ist, und zwar mit den genauesten Umständen von der Welt, um einigermaßen die Kränkung wieder gut zu machen, die ich der Freundschaft zugefügt, die ich für Sie habe. Wissen Sie denn, daß bei dem ersten Besuche, den ich ihr machte, nachdem ich ihr den Brief geschrieben, den Sie sahen, in ihrer Miene mir weder Härte noch Milde erschien, und die Gesellschaft, die bei ihr war, hinderte mich, darüber näher mich aufzuklären. Alles was ich an [93] ihr bemerken konnte, ist, daß sie mich von Zeit zu Zeit von Kopf bis an die Füße betrachtete. Da ich sie am andern Tage allein fand, schilderte ich ihr meine Liebe sowohl, und drang so stark in sie, sie zu erwiedern, daß sie mir gestand, sie liebe mich, mir versprach, daß sie mir Beweise davon unter der Bedingung geben würde, die ich Ihnen gesagt habe. Sie wissen wohl, was ich ihr versprechen mußte, und in diesem Augenblicke hieß mich die Gräfin von Olonne am andern Tage ein wenig vor Anbruch der Nacht, als Mädchen verkleidet, kommen, welches ihr Spitzen zum Kaufe brächte. Nach Hause gekommen, fand ich Sie da, wie Sie wissen, und Sie konnten aus der Kälte, womit ich Sie empfing, wohl sehen, daß Jedermann mir lästig war, und vorzüglich Sie, mein Lieber, dem zu mißtrauen ich mehr Ursache hatte, als allen andern. Sie bemerkten es auch, und dieß ließ Sie argwohnen, daß ich Ihnen nicht Alles sagte. Als Sie fort waren, gab ich den Auftrag an meiner Thüre zu sagen, ich sey nicht zu Hause, und bereitete mich auf meine Maskerade für den andern Tag vor. Alles, was die Einbildungskraft [94] an Wonne vorausgeben kann, genoß ich vierundzwanzig Stunden lang. Die vier oder funf letzten dauerten nur länger als alle andern. Endlich war jene gekommen, die ich mit so viel Ungeduld erwartet hatte; ich ließ mich zurGräfin von Olonne tragen. Ich fand Sie im Nachthäubchen auf ihrem Bette, in einem rosenfarbenen Hauskleide. Ich vermag es nicht auszudrücken, mein Lieder, wie schön sie an diesem Tage war. Alles, was man davon sagen könnte, wäre unter ihren Reizen; ihr Busen war halb entblößt; ihre Haare waren mehr entfesselt als gewöhnlich, und in lauter Locken, ihre Augen glänzender als Sterne, und die Liebe belebte ihren Teint mit dem schönsten Roth der Welt. »Nun wohlan, mein Lieber,« sagte sie, »werden Sie mir Dank wissen, daß ich Ihnen die Mühe erspare, lange zu seufzen? finden Sie, daß ich Ihnen die Gunst zu theuer erkaufen lassen, die ich Ihnen erweise? Doch wie! Sie scheinen mir bestürzt.«

»Ach, gnädige Frau,« unterbrach ich sie, »ich wäre sehr gefühllos, wenn ich bei kaltem Blute bleiben könnte, in der Lage, worin Sie mich sehen.« [95] ›Aber darf ich versichert seyn,‹ sagte sie, ›daß Sie das Andenken an Frau von Beuvais und an dieGräfin von Fiesque verloren haben.‹ »Ja, sagte ich, Sie sehen wohl, daß ich beinahe mich selbst vergessen habe.« ›Ich fürchte nur die Zukunft, sagte sie, denn für jetzt betrüg' ich mich sehr, mein Lieber, wenn ich Sie an andere denken lasse, als an mich,‹ und als sie diese Worte gesprochen hatte, fiel sie mir um den Hals, und zog mich auf ihr Bett. Wir küßten uns tausendmal; sie wollte aber nicht dabei bleiben. Doch vergebens! Man muß sich kennen, Herr von Vineuil, und wissen, wozu man geeignet ist, was mich betrifft, seh' ich wohl, daß Damen nicht meine Sache sind; es war mir unmöglich mit Ehren mir aus der Sache zu helfen, welche Anstrengung auch meine Einbildungskraft machte, und die Gegenwart des schönsten Gegenstandes von der Welt.

›Was ist es denn mein Herr, sagte sie, was Sie in einen so traurigen Zustand versetzt? Ist's meine Person, die Ihnen Widerwillen erregt? Oder bringen Sie mir den Nachlaß einer andern?‹ Diese [96] Aeußerung beschämte mich so, daß sie mir vollends die Kräfte entzog, die mir blieben. »Ich bitte Sie, sagte ich, einen Elenden nicht mit Vorwürfen zu überhäufen, da ich sicher behext bin.« Anstatt mir zu antworten, rief sie ihrer Kammerfrau, und sagte ihr: ›Aber Guinette, sag mir die Wahrheit, wie seh' ich heute aus? Bin ich nicht unreinlich? Betrüge deine Gebieterin nicht, es ist etwas an meinem Anzuge, das nicht gut läßt.‹ Da Guinette nicht zu antworten wagte in dem Zorn, worin sie sie sah, entriß ihr die Gräfin von Olonne einen Spiegel, den sie hielt, und nachdem sie alle Zierungen gemacht hatte, die sie gewohnt war zu machen, wenn sie Jemand gefallen wollte, warf sie, um zu beurtheilen, ob mein Unvermögen ihre Schuld sey oder meine, ihren Rock ab, der ein wenig, zerknittert war, und ging hastig in ein Cabinett, das sich in dem Gange zwischen ihrem Bette und der Mauer befand. Was mich betrifft, der ich wie ein Verdammter war, so fragte ich mich selbst, ob alles was geschehen nicht ein Traum wäre, mit allen den Betrachtungen, die man in dergleichen Lagen machen kann. Ich ging in [97] die Wohnung des Manicamp, der, als ich ihm mein Abentheuer erzählt hatte, zu mir sagte: »Ich bin Ihnen sehr verbunden, mein Lieber, denn es geschah aus Liebe zu mir, daß Sie bei einer so schönen Frau gefühllos waren.« »Obgleich Sie vielleicht Ursache davon sind, erwiederte ich ihm, so hab' ich es doch nicht gethan, um Sie zu verbinden.«

»Ich liebe Sie sehr, fügte ich hinzu, aber ich gestehe Ihnen, daß ich Sie in diesem Falle vergessen hatte. Ich begreife eine so außerordentliche Schwäche nicht: ich glaube, indem ich die Kleidung eines Mannes ablegte, hab' ich auch die Kraft desselben ausgezogen.« Als ich zu sprechen aufhörte, brachte mir einer von meinen Leuten einen Brief von der Gräfin von Olonne, den ihm einer von ihren Dienern gegeben hatte; »hier ist er in meiner Tasche; ich will Ihnen denselben vorlesen,« und der Graf von Guiche, nachdem er ihn hervorgezogen hatte, las ihn dem Herrn von Vineuil:

»Wenn ich die Lüste des Fleisches sehr liebte, würde ich mich beklagen, getäuscht worden zu seyn; aber weit entfernt, mich darüber zu beklagen, bin [98] ich Ihrer Schwache Verbindlichkeit schuldig: sie ist Ursache, daß ich in der Abwesenheit der Vergnügungen, welche Sie mir nicht verschaffen konnten, deren andere durch die Einbildungskraft genoß, die länger gedauert, als jene, die Sie mir bereitet hätten, wenn Sie sich, wie ein anderer Mann würden benommen haben. Ich schicke jetzt, um zu erfahren, was Sie machen, ob Sie Ihre Wohnung erreichen konnten, denn ich habe Sie niemals in einem so schlimmen Zustande gesehen, als jener, worin ich Sie gelassen habe. Ich rathe Ihnen, Ihre Sachen in Ordnung zu bringen; mit so wenig natürlicher Wärme, wie ich sie an Ihnen sah, können Sie nicht lange leben. In der That, mein Herr, Sie bewegen mich zum Mitleiden, und welche Beschimpfung ich auch von Ihnen erlitt, so unterlasse ich doch nicht, Ihnen meinen guten Rath zu geben. Fliehen Sie Manicamp, wenn Sie klug sind; Sie könnten Ihre Gesundheit wieder erlangen, wenn Sie ihn eine Zeitlang nicht sähen; sicher kommt Ihre Schwäche von ihm; denn was mich betrifft, da mein Spiegel und mein Ruf [99] nicht lügen, so fürcht' ich nicht, daß man mich hierin beschuldigen könne.«

»Kaum hatte ich diesen Brief ganz gelesen,« fuhr der Graf von Guiche fort, als ich diese Antwort gab:

»Ich gestehe Ihnen, gnädige Frau, daß ich wohl schon Fehler gemacht habe, denn ich bin Mensch, und noch jung, aber ich habe nie einen größern gemacht, als jenen in der vergangenen Nacht; er ist nicht zu entschuldigen, und Sie können mich nicht verurtheilen, zu was es auch sey, was ich nicht wohl verdient habe. Ich habe gemordet, ich habe verrathen, ich habe Entheiligungen begangen, und für alle diese Verbrechen da haben Sie nur Strafen zu ersinnen. Wenn Sie meinen Tod wollen, will ich Ihnen meinen Degen bringen, wenn Sie mich nur zur Geißel verdammen, werde ich ganz nackt im Hemde zu Ihnen gehen. Erinnern Sie sich immer gnädige Frau, daß es mir an Kraft gebrach, nicht an Willen. Ich war wie ein braver Soldat ohne Waffen, wenn er in die Schlacht gehen muß. Ihnen zu sagen, gnädige Frau, woher dieß gekommen, bin ich sehr in [100] Verlegenheit; vielleicht ging's mir, wie jenen, welchen die Eßlust vergeht, wenn sie zu viel zu essen haben; vielleicht, daß die Einbildungskraft die natürliche Kraft verzehrt hat. Sehen Sie, gnädige Frau, was es heißt, so große Liebe einzuflößen; eine mittelmässige Schönheit würde die Ordnung der Natur nicht gestöret haben und befriedigter gewesen seyn. Leben Sie wohl gnädige Frau, ich habe Ihnen nichts weiter zu sagen, außer daß Sie mir vielleicht das Vergangene verzeihen werden, wenn Sie mir Gelegenheit geben, es künftig besser zu machen. Ich bitte hiezu nicht um mehr Zeit, als bis morgen zur nämlichen Stunde wie gestern.«

Nachdem ich durch einen meiner Lakayen diese schönen Versprechungen, jenem der Gräfin von Olonne, welcher auf die Antwort wartete, geschickt hatte, ging ich zur nämlichen Stunde hin, nicht zweifelnd, daß meine Anträge gut aufgenommen worden. Aber zuvor wollte ich für meine Person besondere Sorge tragen. Ich badete mich, ließ mich reiben mit Essenzen und wohlriechenden Wassern, ab frische Eier und Untertheile der Artischocken, trank [101] ein wenig Wein, dann ging ich funf oder sechsmal im Zimmer auf und ab, und legte mich auf's Bett. Ich hatte im Sinne, meinen Fehler gut zu machen, und da ich endlich frisch an Körper und Geist aufgestanden war, aß ich sehr frühzeitig zu Mittag, eben so leicht, als ich zu Nacht gespeiset, und nachdem ich den Nachmittag damit zugebracht hatte, meinem kleinen Liebesboten Aufträge zu geben, begab ich mich zur Gräfin von Olonne zur nämlichen Stunde wie das letztemal. Ich fand sie wieder auf ihrem nämlichen Bette, was mir einige Furcht einjagte, daß es mir Unglück bringen möchte; doch da ich mich endlich so gut als möglich ermannt hatte, warf ich mich ihr zu Füßen. Sie war halb entkleidet, und hielt einen Fächer, womit sie spielte. Sobald sie mich sah, erröthete sie ein wenig, sicher in der Erinnerung an den Schimpf, den sie am vorigen Abende erlitten. Das Erste, was sie that, war, den Fächer vor ihre Augen zu halten, und dieß hatte sie eben so kühn gemacht, als wäre eine Mauer zwischen uns beiden gewesen. »Nun denn, sagte sie, armer Gelähmter, sind Sie heute ganz[102] vollständig gekommen?« ›Ach, gnädige Frau, sagte ich, sprechen wir nicht mehr von dem Vergangenen,‹ – und warf mich hierauf mit Ungestüm in ihre Arme; ich küßte sie tausendmal, und hat sie, sich ganz ohne Hülle sehen zu lassen. Nach geringerem Widerstande, den sie leistete, um meine Begierden zu steigern und mehr um die Sittsamkeit zu heucheln, welche den Frauen so gut läßt, als aus irgend einem Mißtrauen auf sich selbst, erfüllte sie diese Bitte. Ich sah einen gesunden Körper im schönsten Ebenmaße von der Welt, und ganz strahlend von Weiße; hierauf fing ich wieder an sie zu umarmen; schon rauschten unsere Küsse, schon drückten unsere ineinander geschlungenen Arme die letzten Zärtlichkeiten der Liebe aus, schon bewirkte die Verschmelzung unserer Seelen die Vereinigung unserer Körper, als sie den armseligen Zustand gewahrte, worin ich war. Als sie nun sah, daß ich fortfuhr sie zu beschimpfen, dachte sie nur mehr auf Rache. Es gibt keine Schimpfreden, die sie nicht gegen mich ausstieß; sie machte mir die deftigsten Drohungen von der Welt. Was mich betrifft, ohne mich auf Bitten oder Klagen einzulassen, [103] weil ich wußte, was ich verdient hatte, ging ich hastig von ihr weg, und nach Hause, wo ich mich auf das Bett warf, und meinen Zorn gegen die Ursache meines Mißgeschickes wendete, das mir in dem Alter von zwei und zwanzig Jahren die Gebrechlichkeiten des Greisenalters aufbürdete. Aber vergebens ließ mein Zorn mich so sprechen.

Ich brachte den Rest der Nacht in tödtlicher Unruhe zu; ich wußte nicht, sollte ich der Gräfin von Olonne schreiben, oder durch einen unvorhergesehenen Besuch überraschen. Nach langer Unschlüssigkeit, wählte ich endlich Letzteres, auf die Gefahr hin, einige Hindernisse meiner Freuden zu finden; aber ich war glücklich genug, sie bei Anbruch der Nacht allein zu treffen. Sie hatte sich in's Bett gelegt, als ich von ihr ging, und in das Zimmer tretend, sagte ich: »Gnädige Frau, ich will zu Ihren Füßen sterben, oder Sie versöhnen; zürnen Sie nicht, ich bitte Sie, als wüßten Sie nicht, daß ich es verdiene.« Die Gräfin von Olonne, welche eben so sehr, wie ich, ein ähnliches Mißgeschick fürchtete, wie die vorausgegangenen, hütete sich, durch [104] Vorwürfe mit Schrecken einzujagen, im Gegentheile, sie sagte mir alles was sie konnte, um das Vertrauen auf mich selbst wieder herzustellen, das ich beinahe verloren hatte, und in der That, wenn ich zwei Tage früher behext war, wie ich's gesagt hatte, so brach ich den Zauber das dritte Mal. Sie können sich denken, mein Lieber, fügte derGraf von Guiche hinzu, daß sie mir keine Schimpfworte sagte, indem ich sie verließ, wie sie es an den andern Tagen gemacht hatte. Dieß ist der Stand meiner Angelegenheiten, und ich bitte Sie, sich zu stellen, als wüßten Sie nichts davon.« –

Der Graf von Guiche ging zur Gräfin von Fiesque, der er unter andern Dingen sagte, daß er sich mit der Gräfin von Olonne nicht mehr einlassen werde.

Dieser Anbeter war nicht lange bei seiner neuen Geliebten, als der Prinz von Marsillac es bemerkte. Welche Mühe er sich auch gab, diesen zu täuschen, und so wenig Verstand er auch hatte, die Eifersucht, welche gewöhnlich die Schlauheit ersetzt, ließ ihn an ihr weniger Zuthulichkeit für ihn entdecken, [105] als sie gewohnt war, so daß, nachdem er sich anfangs gegen sie sanft und dann ein wenig bitterer beklagt hatte, zuletzt aber sah, daß sie es deßwegen umso weniger thät, er sich entschloß an seinem Nebenbuhler und seiner Geliebten auf einmal sich zu rächen. Er gab also allen seinen Freunden die Briefe der Gräfin von Olonne und bat Sie, sie überall zu zeigen, und da er wußte, daß die Prinzessin Leonore den Grafen von Guiche sehr hasse, gab er ihr den Brief, den er seiner Geliebten geschrieben, worin er von der Königin und demHerzoge von Anjou sehr übel sprach. Das Erste, was die Prinzessin that, war, diesen Brief dem Prinzen zu zeigen, indem sie glaubte, ihn um so mehr gegen jenen aufzureizen, da sie wußte, daß der Prinz ihn sehr liebe. Inzwischen war er nicht so erzürnt, wie die Prinzessin gehofft hatte; er begnügte sich, Estebar zu sagen, daß sein Vetter ein Undankbarer sey, und daß er ihm niemals Veranlassung gegeben habe, auf solche Weise von ihm zu sprechen; daß seine ganze Rache sich darauf beschränken würde, für ihn nicht mehr dieselbe Achtung [106] zu haben, wie früherhin, die Königin aber, wenn sie die Art wüßte, auf welche er von ihr spreche, nicht so viele Rücksicht hätte, wie er.

Die Prinzessin, nicht zufrieden, am Prinzen so viele Güte für den Graf von Guiche zu sehen, entschloß sich, mit der Königin davon zu sprechen, und da sie ihr Vorhaben Jemand eröffnete, hat sie derMarschall von Grammont, davon in Kenntniß gesetzt, seinem Sohne nicht zu nahe zu treten. Sie versprach es ihm, und hielt auch Wort. Diese große Prinzessin war stolz und verzieh nicht leicht Leuten, welche die, ihrer hoben Geburt und ihrem außerordentlichen Verdienste schuldige Achtung nicht für Sie hatten; war Sie aber einmal überzeugt, daß man Sie liebe, so war Niemand so gut, wie Sie. Während der Marschall von Grammont und seine Freunde und das Aufsehen zu dämpfen trachteten, welches der Prinz von Marsillac mit dem Briefe des Grafen von Guiche gemacht hatte, vernahm man, daß die Gräfin von Olonne nachstehenden zeigte, um eine Heirath zu hintertreiben, welche das Glück des Prinzen von Marsillac machte.

[107] »Denken Sie nicht an den Zwang, gnädige Frau, worin ich mich befinde? Zwei oder dreimal in der Woche muß ich dem Fräulein von la Roche einen Besuch machen, damit ich ihr sage, wie sehr ich sie liebe, und ihr Stunden gebe, die ich nur benützen sollte, Sie zu sehen, Ihnen zu schreiben, und an Sie zu denken. In welcher Lage ich auch seyn möge, wäre es mir eine große Pein, ein Kind unterhalten zu müssen, aber jetzt, da ich nur für Sie lebe, können Sie sich wohl denken, daß dieß der Tod für mich ist. Was mich einigermaßen zur Geduld bestimmt, ist, daß ich hoffe, mich an ihr zu rächen, indem ich sie heirathe, ohne sie zu lieben, und hernach, wenn ich den Unterschied zwischen Ihnen und ihr näher sehe, Sie Lebenslang lieben werde, mehr noch, wenn es möglich ist, als ich Sie bisher geliebt habe.«

Dieß überraschte anfangs Jedermann; bisher hatte man unbescheidene Liebhaber gesehen, und noch keine solche Liebhaberinnen; man konnte sich nicht vorstellen, daß eine Frau, um sich an einem Manne zu rächen, den sie nicht liebte, sich selbst überweisen[108] half. Diese Unbesonnenheit machte doch nicht jene Wirkung, welche die Gräfin von Olonne sich versprochen hatte; der Herr von Linancourt, Großvater des Fräuleins von la Roche, wohl wissend, daß die Gräfin von Olonne ihn gegen den Prinzen von Marsillac erbittern wollte, antwortete jenen, die mit ihm von diesem Briefe sprachen, »daß, außer der Sünde gegen Gott, der Prinz von Marsillac nichts Bessers thun könne, jung wie er sey, als sich darauf zu legen, das Herz einer so schönen Dame zu gewinnen, wie die Gräfin von Olonne; daß man nicht erst jetzt anfange, die Frauen in den Schlafgemächern der Geliebten herabzusetzen, daß aber, weil die Leidenschaft für sie weit heftiger sey, als für jene, sie gewöhnlich nicht so lange dauere, wie zum Beispiel jene des Prinzen von Marsillac, für die Gräfin von Olonne, die nun erloschen sey;« dieß hintertrieb also nicht die Angelegenheiten des Prinzen von Marsillac, wie sie gehofft halte, es bestätigte nur, was man von ihr sagen konnte, und benahm ihren Freunden die Mittel, sie zu vertheidigen.

[109] So standen die Sachen, und der Graf von Guiche war zum Scheine Meister geblieben, als er eines Tages die Gräfin von Fiesque besuchte, die nach einigen allgemeinen Aeußerungen ihn bat, dem Abbé Fouquet in ihrem Namen für einen Dienst zu danken, den sie von ihm erhalten zu haben vorgab, aber die Verbindlichkeit sehr zu vergrößern, die sie ihm schuldig sey. Da er eine von den vornehmsten Personen dieser Geschichte ist, so möchte es zu rechter Zeit seyn, ihn zu schildern.

Der Abbé Fouquet, Bruder der Prokurators des Königes, Großschatzmeister von Frankreich, war seiner Abkunft nach aus einer Richterstands-Familie vor seiner Erhebung, aber seitdem Edelmann. Wie der König hatte er blaue und lebhafte Augen, eine große Stirne, ein etwas vorgeschobenes Kinn, ein flaches Gesicht, kastanienhellbraune Haare, einen mittelmäßigen Wuchs, und sah gemein aus. Er hatte Verstand und wußte nicht zu leben, eine blöde und verlegene Miene, und das von seinem Berufe entfernteste Betragen von der Welt. Er war thätig, ehrgeizig und hochmüthig mit Leuten, die er nicht [110] kannte, aber der wärmste und beste Freund, den es auf der Welt gab; er hatte sich darauf eingelassen zu lieben, mehr des Ruhmes als der Liebe wegen; später aber war die Liebe Meisterin geblieben. Die erste Frau, die er geliebt hatte, war Bellamire, aus dem Hause Lothringen, von der er sehr geliebt wurde. Die andere war Frau von Chastillon, die bei den Gunstbezeigungen, die sie ihm erwiesen, weit mehr ihren Vortheil als ihr Vergnügen berücksichtiget hatte. Da sie die außerordentlichste Frau in Frankreich war, müssen wir den Verlauf ihres Lebens sehen.


Ende der Geschichte der Gräfin von Olonne.

Fußnoten

1 So hieß ein damals beliebter spanischer Tanz.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Bussy-Rabutin, Roger de. Erzählungen. Geheime Liebschaften der Pariser Hofdamen. [Geschichte der Gräfin von Olonne]. [Geschichte der Gräfin von Olonne]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-4A09-1