[90] 19. Das Roß des Horymirz.

Etliche aus dem Volke kamen 846 zu dem Herzoge Krzesomysl und hielten ihm den großen Mangel des Brodes vor, welcher in diesem Lande von nirgends anders, als von den Bergleuten, die den Ackerbau verlassen, herkomme. Sie baten den Herzog, er wolle alle Bergleute von dieser Arbeit, und besonders um Przibram, die Eule, Pisak und Schittenhof, abzustehen befehlen. Der Herzog hörte seiner Unterthanen Bitte an und sagete ihnen zu, er wolle solches thun. Aber nach ihrem Abzuge erwog er, daß dieser Mangel des Brodes seiner Person unschädlich und der Hunger ihm wenig angehe. Und dieweil er sich die große Begierde des Goldes und Silbers einnehmen ließ, stellte er diese Bitte in Vergessenheit. Seine Unterthanen aber sahen täglich auf, wenn dann der Herzog seine Zusage erfüllen wollte, und verlangte sie darnach nicht wenig, besonders den Horymirz, der ein sehr beherzter und verständiger Mann war. Dieser hatte seinen Wohnsitz zwischen der Stadt Beraun und Przibram, unter dem Gebirge Ausani genannt, auf einem Schlosse, mit Namen Neumietel, welcher es am mehrsten in Acht nahm, damit dem Mangel [91] des Brodes vorgekommen und der Bergarbeit gesteuert werden möchte.

Als nun die Bergleute im Jahre 847 solches, was im vergangenen Jahre auf Wischerad gehandelt und besonders, daß der Horymirz Neumietelsky der größte Ursacher wäre, daß man in den Gold- und Silberbergwerken nicht arbeiten sollte, vernommen, faßten sie einen großen Neid auf ihn und kamen in Frühlingszeit zusammen, Rath unter einander nehmend, wie sie sich an ihm rächen möchten. Ein Theil wollte, man sollte ihn erschlagen, und die andern riethen, man sollte ihm so lange Brod in den Mund stopfen, bis man ihn erwürgete. Nach langer Disputazion wurden sie einig, daß sie ihn, bei nächtlicher Weile, überziehen und gefangen nehmen wollten. Dem Horymirz, der sich auch nach mancherlei Träumen und Bedeutungen zu richten wußte, war dieser Handel und ihr Vornehmen unverborgen.

Und als er von ferne gesehen, daß sich eine große Anzahl der Bergleute zu seinem Schlosse naheten, da saß er auf sein überaus geschwindes Roß, das er Schemick nannte, und entritt. Da sie sahen, daß Horymirz die Flucht gab, eileten sie zu seinem Hofe zu, zerrissen die Getreideschober und was sie fortbringen konnten, das trugen sie davon, das andere aber zündeten sie mit Feuer an und sprachen: [92] »dieweil sich Horymirz des Hungers besorgt hat, so mag er denselben leiden.« Und als sie hinweg waren, kam Horymirz wieder und trachtete Tag und Nacht darauf, wie er sich an den Bergleuten rächen möchte.

Und als er seine Zeit ersah, saß er, bei der Nacht, auf sein Roß Schemick, ritt eilends gen Przibram und zündete den Bergleuten ihre Hütten an und die er antraf, erschlug er mit dem Schwerdt. Er verstürzte ihnen auch, mit seinen Gehülfen den Nachtgeistern, ihre Schächte und ritt noch dieselbe Nacht zum Herzog und gestellte sich vor ihm mit dem frühsten, als wenn er nichts um die Sache wüßte. Die Bergleute schickten alsbald Kläger zum Herzoge, daß er ein Volk gegen Neumietel abfertigen und den Horymirz wollte fahen lassen. Der Herzog sah den Horymirz, welcher vor ihm stand, an und fragte ihn: warum er einen solchen Schaden und seinem Herrn diesen Verdruß muthwilliger Weise thun dürfen? Er antwortete: »ehrenreicher Fürst, ist doch dies, dessen mich diese anklagen, der Wahrheit ungemäß, nehmlich, daß ich in jener Nacht, als vorgestern, zwischen Przibram und Laß etliche Personen sollte ermordet haben. Wie wäre mir dies möglich allein zu vollbringen? Zum andern, daß ich viel Silberbergwerke und Schächte mit großen Steinen sollte verstürzt und verwüstet haben. Lieber,[93] bedenk', ob ich auch dieses, für meine Person, in einer Nacht hätte zuwege bringen können? Und überdies alles hast du mich des Morgens früh, als solches in der Nacht zuvor soll geschehen sein, allhier auf dem Wischerad vor dir gesehen. Deshalben bitte ich, du wollest es bewegen, ob dieses, was sie also von mir sagen, die Wahrheit sei.«

Der Herzog Krzesomysl ward, von wegen der Bergschächte und des ergangenen Schadens, sehr betrübt, ließ den Horymirz in ein Gewölbe verschließen, die ältesten Wladyken erfordern und klagte ihnen, was sich zugetragen hatte. Mittlerweile kam eine große Menge der Bergleute und Fundgrübener, denen der Schaden zugestanden, und ruften den Herzog um Rache an. Der Herzog setzte sich mit den Edelen nieder und hörte den Handel und die Anklage ordentlich. Der Horymirz, welcher entgegen stand, gab darauf seine Antwort und entschuldigte sich, wie zuvor. Der Herzog stand in Zweifel und die Wladyken hörten solches, was sich mit Verwüstung der Bergwerke zugetragen, sehr gerne. Aber die Bergleute schrien, riefen um Rache und baten den Herzog, daß er den Mörder, Mordbrenner und Verwüster des fürstlichen Schatzes, vermöge der vorigen fürstlichen Ordnung, mit Feuer verbrennen lassen wollte. Die Wladyken verwendeten sich mit allem Fleiß, bittend, sintemal die Klage auf ihn nicht [94] erwiesen, der Herzog wolle ihn beim Leben erhalten.

Der Herzog, den der Geitz besessen, und der mehr das Bergwerk als die Erschlagenen beklagte, sprach dies Urtheil: »Dieweil der Horymirz von vielen angeklagt und ihrer viele, die ihn bei dem Handel, da er gemordet und gebrannt, gesehen, Zeugniß geben, so soll er sterben. Nachdem er aber mir mit Feuer einen Schaden zugefügt, solches will ich ihm vergeben, also, daß er nicht verbrannt werde. Allein von wegen des Mordens, so er sich mit seinem Schwerdte auf dem Bergwerke eingelassen, mit demselben soll ihm der Kopf abgeschlagen werden.« Als der Horymirz vernommen, daß er verurtheilt und sterben sollte, redete er vor dem Herzog und den Wladyken also: »ehrenreicher Fürst, nun sehe ich wohl, daß ich von dir zum Tode verurtheilt bin, aber ich hoffe, die Götter werden anders urtheilen. Und dieweil ich ja nicht länger leben soll, so bitte ich doch, du wollest mir vergönnen, daß ich, ehe dann ich sterbe, mich auf mein liebes Roß setzen und es in diesem Schlosse ein wenig tummeln möge; und alsdann verfahre mit mir nach deinem Gefallen.«

Der Herzog lachte zu diesem, befahl, man sollte das Schloßthor mit allem Fleiß verriegeln und mit Wächtern besetzen und erlaubte dem Horymirz, [95] daß er sein Roß satteln, sich darauf setzen, sein Schwerdt angürten und vor seinem Ende kurzweilen möchte. Horymirz ging in den Stall und redete etwas mit seinem Rosse, wie denn die Stallknechte nachher Bericht gaben, sattelte dasselbe, führete es hinaus, setzete sich darauf und jauchzete. Das Roß fing an zu springen und sich munter zu tummeln. Der Herzog sah mit den Wladyken zum Fenster hinaus und verwunderte sich sehr darüber. Als er nun zum andernmale jauchzete, sprang das Roß mit ihm von einem Schloßthore bis zum anderen. Zum drittenmale jauchzete er und sprach: »nun wohlan, Schemick, Hui! in die Höhe.« Und das Roß antwortete: »Herr, halt' dich an.« Und sprang hiermit über alle des Schlosses Mauern, bis hinüber auf die andere Seite der Muldau.

Der Herzog sah mit den Wladyken hinnach und wurde gewahr, daß der Horymirz mit seinem Rosse nach dem Schlosse Rodotin eilen thät. Nach solchem Wunder baten die Wladyken allesammt, sowohl als die Diener, die gegenwärtig waren, den Herzogen, daß er dem Horymirz seine Verbrechung zu Gnaden wenden wolle. Der Herzog sandte ihm nach gen Neumietel, ließ ihm sagen, daß er sicher zu ihm kommen sollte, es wäre ihm alle seine Schuld vergeben. Horymirz kam zum Herzoge, demüthigte sich und zeigte ihm alles an, was er den Bergleuten zu [96] Przibram zugefügt, auch aus was Ursachen solches geschehen. Der Herzog fragte: wo sein Roß wäre? Er antwortete: »gnädiger Herr, es steht daheim, und ist sehr traurig; denn es ihm, mit dem unermeßlichen Sprunge, einen großen Schaden zugefügt hat. Deswegen will ich heimreiten, daß ich's warte.«

Und als er heim kam, zeigte ihm sein Roß an, es könnte nicht länger leben. Bat ihn daneben, er sollte es, wenn es gestorben, die wilden Thiere und Vögel nicht fressen, sondern vor seines Hofs Thore begraben lassen. Welches ist auch geschehen.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Büsching, Johann Gustav. Märchen und Sagen. Volkssagen, Märchen und Legenden. 2. Sagen und Mährchen aus Böhmen, Mähren, Ungarn und Oesterreich. 19. Das Roß des Horymirz. 19. Das Roß des Horymirz. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-4939-C