18. Wlasta.

Unter Libussa's Frauenzimmern aber war eine Jungfrau, mit Namen Wlasta (etliche nennen sie Valaska). Dieselbe hatte einen hohen Geist, war eine rechte Mannin und konnte dazu wahrsagen. Derselben hatte Libussa ihre anderen Frauenzimmer auf ihrem Todbette, sammt dem Schlosse Libus, befohlen. Als sie aber das Schloß in ihre Verwahrung genommen, dachte sie höher zu steigen und mehr Gewalt zu überkommen. Derowegen richtete sie, an einem gewissen Tage, ein herrliches Pauket auf dem Schlosse an und lud zu ihr etliche Jungfrauen, so ihres Gleichen und recht streitbare Heldinnen waren.

[75] Als sie aber Mahlzeit gehalten und allein waren, redete sie die Jungfrauen an und sprach: es wäre ihr Leid, daß es nun mit ihr und ihnen allen dahin kommen, daß sie nicht mehr das Regiment über die Männer haben und nach der Libussa Tod von den Männern gar unterdrückt sollten werden, gleichsam als wäre mit Libussa alle Mannheit und Tugend der Weiber zugleich untergegangen, so sie doch unter ihnen etliche Weiber sähe, welche die Libussa an Mannheit weit überträfen. Auch sie selber wolle der Libussa nicht gerne etwas zuvor geben. So nun die einige Libussa so viel können zuwege bringen, wie viel mehr sollte dies nicht können erhalten werden, wenn sie allzumal ein heimliches Fürnehmen wider die Männer machten. So dürften sie sich auch gar nicht vor dem bäurischen Fürsten fürchten; denn er käme vom Dorfe und wendete alle seine Gedanken allein auf den Ackerbau. Sie sollten ihr allein, mit gegebener Hand, Treue zusagen, daß sie die Sachen im Geheim wollten halten, so wollte sie ihnen wohl gut dafür sein, daß sie in kurzem das Regiment über die Männer wieder überkommen würden.

Sie gaben ihr alle die Hände darauf, tranken von einem Gemisch, welches ihnen Wlasta zugerichtet, davon sie den Männern sollten Feind werden und blieben alsbald ihrer viele da und übten [76] sich in allerlei Kriegesrüstungen zu Roß und zu Fuß.

Unterdeß kam dem Primislaus im Schlafe eine Jungfrau vor, welche eine Trinkschale trug, und dem Primislaus daraus wollte zu trinken geben. Als er dieselbe nicht nehmen wollte, sah er, wie die Jungfrau aus derselben Schale Blut auf die Erde goß und den Männern groß Unglück zauberte. Vor solchem Traume erschrack Primislaus, berief die Fürnehmsten des Landes zu sich, erinnerte sie, daß sie ihrer selbst sollten wahrnehmen und dem weiblichen Geschlechte nicht so viel einräumen; denn es würde ihnen von den Jungfrauen ein großes Unglück zustehen, da dieselben sich in allen ritterlichen Wehren, mit Turnieren, Rennen, Stechen, Brechen, Schießen, Jagen und anderen Sachen mehr übeten.

Die Landherren aber verlachten den Fürsten, etliche schalten auf ihn, etliche billigten der Jungfrauen Fürnehmen, daß sie sich also mannlich hielten. Als Wlasta solches vernahm, unterstund sie sich von Tag zu Tag größerer und gräulicherer Händel. Bald that sie einen Einfall auf dem Felde unter das Vieh, bald beraubte sie die Wandersleute, bald die Felder und sendete den Raub auf das Schloß. Solches nahmen die Männer nicht [77] in Acht, ließen es also hingehen, bis ihnen endlich großer Unfall daraus entstand.

Denn Wlasta hatte wiederum ein herrliches Mahl auf dem Schlosse zugerichtet, und nicht allein Jungfrauen, sondern auch Eheweiber, welche so gar wohl mit ihren Männern nicht standen, dazu eingeladen. Als sie nun satt gegessen und getrunken, fragete die Wlasta die Beweibten, ob sie lieber frei, oder der Gewalt ihrer Männer unterworfen sein wollten? Da sie aber die Freiheit der Dienstbarkeit vorzogen, hetzte sie dieselben wider ihre Männer an, und als sie nun vermerkte, daß dieselben auf ihre Männer erbittert, offenbarete sie ihren Anschlag und stellete ihnen allen eine Nacht an, in welcher sie ihre Männer, Väter, Brüder und Söhne alle im Schlosse umbringen und hernach alsbald in ihrer Rüstung und mit ihren Rossen auf einen Ort, den sie ihnen nicht weit von Prag ernennete, zusammen kommen sollten. Die Weiber verbrachten diese schändliche That an ihren Männern, wie ihnen befohlen war, kamen in ihrer Rüstung auf das Feld, und nachdem sie das Kriegsheer der Männer, so ihnen nachsetzte, erlegt, belagerten sie den Fürsten auf dem Schlosse Wischerad, mochten aber dasselbe nicht erobern.

Die Verwandten und Befreundeten der entleibten Männer waren mit ihrer Rüstung zu Primislaus [78] geflohen und ermahneten denselben, er sollte solche grausame und schändliche Uebelthat rächen und strafen. Aber Primislaus gab zur Antwort: er würde von Gott erinnert, daß er wider die Weiber jetziger Zeit nichts vornehmen sollte, und würden auch alle diejenigen umkommen, so die Weiber würden bekriegen, derhalben sollte man auf anderer Zeit Gelegenheiten warten. Hieraus erfolgte nicht allein eine große Verachtung, sondern entstand auch ein großer Unwille wider den Fürsten. Die Männer aber sammelten ein Kriegesvolk, wider des Fürsten Willen, und wollten sich an den Jungfrauen rächen, doch war ihr Kriegesheer ohne einige Ordnung, hatte auch dazu kein Haupt noch Obristen. Wlasta ließ sich nicht schrecken, fassete ihr in dieser Noth ein Herz, vermahnete die Ihren, daß sie nicht wollten kleinmüthig werden; denn es wäre die Zeit und Gelegenheit vorhanden, daß sie ganz Böhmerland unter sich bringen könnten; denn die Vornehmsten des ganzen Landes unter ihre Gewalt kommen wären. Dazu hatte Wlasta eine feine Schlachtordnung gemacht; den ersten Haufen führete Milada, den andern Hodeka, den dritten Suatana, den vierten Radeka. Wlasta aber beschloß mit den Ihrigen den ganzen Haufen.

Im ersten Angriff standen die Männer eine gute Weile, da aber der Haufen durch die Rosse [79] an der Spitze und den Seiten getrennt ward, wurden die in der Mitten umgeben und erbärmlich erschlagen. Man sagt, daß Wlasta, mit ihrer eigenen Hand, sieben starke Männer umgebracht und durch ihren Sieg eine solche Furcht den Männern eingejagt habe, daß die andern, so noch übrig blieben, mehr dahin gedacht, wie sie einen Anstand erlangen möchten, denn daß sie den Feind aufs Neue anzugreifen gedächten. Gaben auch unterdeß der Wlasta einen Tribut.

Es werden vornehmlich sieben Weiber genannt, so in dieser Schlacht sich männlich erzeigt haben, als: Malada, Nodea, Suatika, Vovasta, Radga, Zastana, Tristana. So wurde auch eine stattliche Beute hinweg gebracht und diejenigen, so sich wohl verdienet, mit Geschenken geehret. Den sieben Weibern aber, welche so ritterlich gekämpfet, wurden güldene Ketten und Armbänder gegeben und Wlasta ward als eine Göttin geehret, so hatten auch die Böhmen wider die Weiber hernach ganz und gar keinen Muth und Herz.

Als aber ein Anstand gemacht wurde, nahm Wlasta die Höhe bei der Muldau, gegen das Schloß Wischerad, ein, befestigte denselben Ort mit einem Graben, Wall und Schanzen, baueten auch bald hernach, als sich mehr Weiber sammelten, daselbst ein Schloß und Festung, auf daß sie daselbst [80] mit den Jungfrauen ihren Aufenthalt hätte. Solches nannte sie Dievin, etliche nennen es Dievizum, welches so viel heißt, als Jungfrauen-Schloß. Solches that sie darum, damit sie ihr nicht etwa einen Neid auf den Hals lüden, wenn sie es nach ihrem und nicht nach der Jungfrauen Namen nannte.

Dazumal war alles öde und wüst um dasselbe Schloß, und da etwa Aecker zu besäen, nahmen solche die Ackerleute, so den Jungfrauen nicht gut waren, ein, besäeten dieselben und erhielten das Getreide, damit es die Jungfrauen nicht kaufen könnten. Als aber Wlasta sah, daß sie ohne Lebensmittel das Schloß in die Länge nicht würde erhalten können, rieth sie, man sollte vor der Zeit den Anstand brechen, damit sie nicht Hungers sterben dürften.

Derowegen wurde von allen Jungfrauen einhellig beschlossen: man sollte über die Muldau setzen und in die nächsten Scheunen des Fürsten und in sein Vieh einen Einfall thun. Das Getreide ward fast vor des Fürsten Augen mit Gewalt aus den Scheunen genommen, das Vieh wurde von dem Felde weggetrieben und durfte sich der Fürst dawider nicht legen, oder aber auch er wollte, aus besonderem Vorsatz, der Gewalt der Jungfrauen keinen Widerstand thun, weil ihm das Glück noch zur Zeit nicht beistand.

[81] Deshalb unterstand sich Wlasta desto mehr des Fürsten Freunden zuzusetzen, verwüstete ihre Aecker, trieb das Vieh hinweg, brachte die Bauersleute unter ihre Dienstbarkeit und verwunderte gleich sich selbst darüber, daß ihr niemand einigen Widerstand thät.

Nun waren allein etliche beherzte Jünglinge übrig, welche bisweilen den letzten Haufen der Jungfrauen angriffen und denselben trennten. Diesen stellten Wlasta auf solche Weise heimlich nach: sie befahl, daß man ein Schreiben im Namen der allerschönsten Jungfrauen, so bei ihr waren, an die jungen Gesellen sollte machen, in welchem der Wlasta großer Stolz und Uebermuth vermeldet und angezogen würde, deswegen die Jungfrauen das Vorhaben hätten, sich von ihr heimlich zu wenden und sich hernach zu verehelichen. Sie gaben auch vor, als stünde ihnen allein die einige Wlasta im Wege, dieselbe aber könnte leichtlich gefangen genommen oder umgebracht werden, so etliche der jungen Gesellen sich rüsteten und zu bestimmter Zeit des Nachts vor das Schloß rückten, da ihnen dann dasselbe, sammt den Frauen, sollte übergeben werden.

Als die Jünglinge solch Schreiben verlesen und durch die Liebe gegen die Jungfrauen bethört waren,[82] kamen ihrer viele auf die bestimmte Nacht zusammen und wurden unverletzt bis in den Vorhof des Schlosses eingelassen. Als sie aber weiter hinein drangen, wurden ihrer etliche die Brücken hinunter geworfen, ihrer etliche hinter dem Vorhofe umgebracht und alle also getödtet, und konnte sich doch keiner, wegen der finstern Nacht, rächen. Als es Tag wurde, ward diese Zeitung zuerst vor den Stiradius, einen aus den Vornehmsten in Böhmen, der bei dem Fürsten in großem Ansehen und Gnaden war, gebracht, darüber er sich denn zum heftigsten entsetzte, eilends zum Fürsten in das Zimmer lief und ihn mit Wehmuth anredete: was er doch noch in die Länge verziehen wollte, daß er sich nicht den erbärmlichen Mord der Männer und das Blutbad so vieler Jünglinge wollte bewegen lassen. Er sollte doch bedenken, an welchem Orte, an welcher Stelle er wäre, was er für ein Amt auf sich hätte; nicht, daß er allda sitzen und wahrsagen sollte, sondern daß er ihnen mit Rath und That sollte zu Hülfe kommen und solche schreckliche, begangene Missethat strafen. Wofern er solches jetzt nicht thäte und ließe sich vergeblich aufmahnen, sollte er wissen, daß er von denjenigen, die er jetzt verließe, wiederum sollte verlassen werden.

Als Stiradius solches gesagt, wollte er hinweg gehen. Der Fürst aber hielt und bat ihn, [83] daß er sich doch nicht selbst ein Unglück wollte bereiten und dem Glücke widerstreben, sondern sollte vielmehr warten, bis dasselbe wiederum bei ihnen stehen würde. Er aber bat den Fürsten wiederum, daß er das Wahrsagen unterlassen, sein selbst eigen Heil und der Seinen Wohlfahrt in Acht nehmen wollte.

Wlasta hatte ihre heimlichen Kundschafter bei des Fürsten Hofe und als sie vernommen, wie Stiradius so übel gegen sie gesinnet, trachtete sie auf Mittel und Wege, wie sie ihn mit Gewalt oder List möchte um's Leben bringen. Deswegen band sie in dem nächsten Walde, durch den Stiradius reisen sollte, eine schöne Jungfrau, mit Namen Sarka, mit Händen und Füßen an einen Baum, setzte neben sie ein Näpfel mit Meth, hing neben sie ein Jägerhorn und vermeldete ihr, wie sie sich gegen Stiradius erzeigen sollte. Die anderen Jungfrauen blieben heimlich in dem Hinterhalt. Als aber Stiradius auf die Jagd zog, oder, wie andere wollen, zu Vergleichung etlicher streitiger Sachen verreisete und in den Wald kam, wie er denn daselbst oft vorüber zu reisen pflegte, hub Sarka mit halber Stimme an zu klagen und zu winseln, schrie und bat um Hülfe und Rettung. Der Diener einer ritt aus der Straße, zu besehen, was es für eine Gelegenheit, kam wieder und vermeldete, wie daß eine schöne Jungfrau allda an einen Baum gebunden wäre.

[84] Darum ritt Stiradius selbst hin und als er sah, wie die Jungfrau angebunden, fragete er: wer sie angebunden hätte und was die Ursache wäre? Darauf antwortete Sarka mit weinenden Augen: wie Wlasta und ihr Anhang diesen Frevel begangen; denn, weil sie nicht in ihre Tyrannei und böse Thaten verwilligen, so sie an den Männern begangen, und sich heimlich von ihr entbrechen wollen, wäre sie über ihrem Vornehmen verrathen worden und deshalb hätte sie Wlasta an diesen Baum gebunden und sie mit Pfeilen zu Tode schießen wollen. Aber als schon ihrer etliche ihre Bogen gespannt und auf sie gezielet, hätten sie das Jauchzen und Bellen seiner Hunde, auch das Getümmel und Gewieher seiner Rosse gehört, hätten deswegen alsbald die Flucht gegeben und in großer Eile diese Flasche und das Jägerhorn, so an dem Baume hinge, mit sich zu nehmen vergessen. Darum bäte sie ihn ganz fleißig, er wollte sich ihrer erbarmen, sie los machen und ihren Aeltern wieder überantworten, oder, da sie das nicht bei ihm erhalten möchte, sollte er sie eher ums Leben bringen, denn an diesem Aste lebendig angebunden lassen. Nach seinem Verreisen würden doch die Jungfrauen kommen, und sie schändlich ums Leben bringen, darum sie lieber vor seinen Augen sterben wollte.

[85] Stiradius ward durch diese Rede und der Jungfrau Wehklagen bewogen, daß er abstieg und die Jungfrau mit seinen Händen los machte. Alsbald fiel Sarka auf die Erde nieder, gleichsam als geriethe sie in eine Ohnmacht, that doch, als ermannete sie sich wiederum, forderte die Flasche, als wollte sie sich durch den Meth ein wenig erquicken, und that, als wenn sie solchen dem Stiradius zutränke, der mit sonderem Fleiße vergiftet und bezaubert war. Da aber Stiradius ihr Bescheid that, blies sie unterdeß das Horn und gab also ein Zeichen von ihr. Alsbald fiel Wlasta mit den andern Jungfrauen aus dem heimlichen Hinterhalt herfür, brachten einen Theil der Gefährten des Stiradius um, den andern Theil aber schlugen sie in die Flucht. Hernach überfielen sie Stiradius, der, durch den vergifteten und bezauberten Trank, beider, seiner Sinne und seiner Leibeskräfte, ganz und gar beraubt war, nahmen ihn gefangen, banden ihn mit Ketten, räderten ihn und setzten ihn vor das Schloß Wischerad, indem der Fürst heraus sah, damit ihm solches desto mehr sollte zu Herzen gehen. Der Wald, in welchem Stiradius gefangen, wird noch heute von dieser Jungfrau Sarka genannt. Man sagt, da Stiradius gefangen genommen worden, daß man in dem ganzen Walde ein großes Gelächter gehört habe, sonder Zweifel, daß die [86] bösen Geister dieses Spiels und dieser Mißhandlung sich gefreut haben.

Als die Weiber solcher Weise das Regiment überkamen, nahmen sie ihnen Männer, und nachdem sie mit denselben Kinder erhalten, machten sie ein Gesetz, daß man allen Knaben an der rechten Hand sollte die Daumen abhauen und ihnen das rechte Auge ausgraben, auf daß, wenn sie zu ihrem männlichen Alter kämen, sie sich mit dem Schwerdte nicht wohl wehren, auch nicht aus dem Bogen schießen könnten. Solches trieben sie eine gute Zeit und ward das Böhmerland sieben Jahr mit diesem Unfall geplaget.

Endlich ward, aus Anregung und Bedräuung des Volks, und daß es nun die rechte Zeit war, Primislaus bewogen, daß er auf Mittel trachtete, wie Wlasta mit gleicher Münze bezahlet und ihr solche Uebelthat möchte vergolten werden. Er vermahnete das Volk, es sollte noch wenige Tage Geduld haben. Mittlerweile fertigte er eine Botschaft an Wlasta ab und ließ auf ein sicher Geleite Milada, die um alle Anschläge der Wlasta wußte, zu sich fordern. Durch dieselbe zeigte er der Wlasta an, wie daß, ohne seinen Willen und Geheiß, die Vornehmsten des Landes sie gedächten zu bekriegen, wie er auch ein sonderlich Wohlgefallen an der vorigen Männer Untergang habe; er hätte sie auch so [87] lieb, als seine eigene Tochter, und gönnete ihr vor allen andern das Fürstenthum, weil sie seiner Gemahlin Dienerin gewesen. So wäre er auch in diesem Alter zum Regiment fast ungeschickt und möchte seinem unmündigen Sohne dasselbe nicht vertraut werden, deswegen hätte er sich einen Ort auf seinem Gute, da er zuvor gewesen, ausgesehen, wo er in guter Ruhe und in Frieden sein Leben zubringen wollte. So hätte er nun bei sich beschlossen, daß er das Schloß Wischerad, welches der Hauptsitz in Böhmen wäre, aus freiem Willen der Wlasta übergeben wolle, Zweifels ohne, Wlasta würde solcher Wohlthat eingedenk sein, ihn, als einen alten Mann, mit seinem Sohne vor aller Gewalt und Unrecht schützen und dem Sohne ein Stück Landes einräumen, welches sie wollte.

Milada lobte und billigte den Vorschlag des Fürsten, eilete zu ihrer Frauen, damit sie ihr diese fröhliche Zeitung zu wissen thäte und sie vermahnete, solche Gelegenheit nicht auszuschlagen. Wlasta ließ sich solches Vornehmen gefallen und befahl, daß sie dasselbe vollzöge, auch folgendes Tages alsbald zu Primislaus mit mehrern Frauen zöge und von ihm das Schloß Wischerad in ihre Verwahrung nähme, ihm auch zusagte, daß Wlasta den Primislaus für ihren Vater halten, und seinen Sohn als ihren eigenen Bruder in Acht nehmen wollte.

[88] Milada kam mit einem stattlichen Frauenzimmer wieder auf das Schloß Wischerad, richtete der Wlasta Befehl aus und bat, daß man ihr das Schloß übergeben wollte. Darauf bat Primislaus die Milada ganz freundlich, ehe daß er ihr das Schloß überreichte, daß sie zuvor, mit dem ganzen Frauenzimmer, mit ihm zu Mittag essen wollte. Als er solches erlangt, machte er sich fröhlich unter der Mahlzeit, bis so lange, daß er vermeinete, genugsame Gelegenheit vorhanden, sein Vornehmen ins Werk zu setzen.

Darum stand er vom Tische auf, stellete sich, als blutete ihm die Nase und wollte das Blut hemmen, gab daneben den Gewappneten ein Zeichen, daß sie heimlich einen Einfall thun, die Jungfrauen umbringen und von der Höhe hinunter stürzen sollten. Also wurden alle Jungfrauen ums Leben gebracht, ausgenommen eine, so im Stalle bei den Rossen gelassen, und bald, in dem ersten Lärmen, davon kommen war. Sonst wurden die andern alle ihrer Kriegesrüstung beraubet und entweder zu den Fenstern hinausgestürzt, oder aber erstochen.

Die Magd, so entflohen, brachte der Wlasta alsbald diese traurige Zeitung. Dieselbe forderte eilend ihre Rüstung und ein Roß, gab auch Befehl, daß sich die übrigen Jungfrauen rüsten und, wo es [89] am füglichsten, über die Muldau setzen sollten. Indem sie aber bis zu dem Rade kamen, mit welchem Stiradius kurz zuvor gerädert, fiel alsbald ein Haufen Männer aus dem Schlosse, welche mit dergleichen Rüstung wie die Jungfrauen, so erschlagen, angethan waren, daß Wlasta auch im ersten Ansehen zweifelte, ob die Magd recht von der Jungfrauen Todschlag berichtet hätte. Aber bald merkte sie den Betrug, daß sich die Männer in ihre Rüstung angeschickt hätten. Deshalb stritt sie wider dieselben ganz männlich, wie zuvor.

Aber die Männer waren ihr überlegen; sie hätten sie gerne lebendig überkommen, welches doch unmöglich, weil sie so beherzt und durstig war. Deshalb wurde sie endlich erschlagen, am 14 Mai des Jahres 743. Die Männer zogen nach dem Schlosse Diewin, nahmen dasselbe ein, und brachten alles, was weiblichen Geschlechts war, darin um. Wlasta aber blieb unbegraben liegen und wurde von den Bestien und Vögeln gefressen. Also befreiten sich die Böhmen von dem Regimente der Weiber.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Büsching, Johann Gustav. Märchen und Sagen. Volkssagen, Märchen und Legenden. 2. Sagen und Mährchen aus Böhmen, Mähren, Ungarn und Oesterreich. 18. Wlasta. 18. Wlasta. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-491D-E