Joël. II, 23. 24.
Freuet euch, und seyd fröhlich in dem Herrn, eurem Gott der euch herab sendet Früh-Regen und Spat- Regen, wie vorhin. Daß die Tennen voll Korns, und die Keltern Ueberfluß von Most und Oele haben.
Die Wage kühlte schon der Sonnen schwühles Blitzen,
Es änderte das Feld allmählig die Gestalt;
Des Grases, Krauts und Schilfs schon etwas blasse Spitzen
Verkündigten den Herbst: Die Luft, die scharf und kalt,
Entlaubte das Gebüsch, entkleidete die Hecken;
Kaum konnt' ihr welckend Blatt die nackten Aeste decken.
Welch Anblick Lycidas und seinen Brüdern
Zu diesen Andachts-vollen Liedern
Gelegenheit und Anlaß gab:
Lycid.
Da sich der Bäume Laub vermindert,
Fällt, was die Durchsicht sonst gehindert,
Zugleich, in welcken Blättern, ab.
Man kann sodann, wann sie verwehen,
Mehr in die Fern' und mehr vom Himmel sehen.
Es wird vor dem gestirnten Bogen,
Wie eine Decke, weggezogen.
[307] Arioso.
So laß auch meinen Geist, im Herbste meiner Zeit,
Wann mir des Alters Nord die ird'schen Blätter raubet,
Und meines Leibes Stamm entlaubet;
Wann Kräft' und Säfte mir vergehen,
Vom ird'schen welcken Laub und Schatten mehr befreyt,
Des Himmels sel'ge Heiterkeit
Entdeckt und ungehindert sehen!
Thyrs.
Der jetzt sowohl an Laub, als Schatten, dünne Wald
Färbt seiner Blätter Rest: Was vor Smaragd geschienen,
Wird jetzt theils gelb, wie Gold, theils röthlich, wie Rubinen.
Hier gläntzt ein gelber Baum, als wie ein gülden Moor,
Ein andrer scheinet dort, als wenn ein rother Flohr
Die lange nicht geseh'nen Zweige decket,
Als die der Blätter Rest theils zeigt, theils noch verstecket.
Die Bäume scheinen jetzt, statt weisser Frühlings-Blüht',
In gelb- und rother Blüht' zu stehen.
Ja wenn man sie von weitem sieht,
Glaubt man, gefärb'te Frücht' annoch darauf zu sehen.
Die bunten Büsch' und Bäume wollen
Ihr von der Erd' empfang'nes Laub
Derselben danckbar wieder zollen.
Bey dieser Blätter kleinen Leichen
Deucht mich, der Mensch sey ihnen zu vergleichen.
[308] Aria.
Das allerhöchste Laub fällt ab
So wohl, als das, was niedrig sitzet.
Der Fürst so wohl, als der beym Pfluge schwitzet,
Fällt hin, und sinckt ins finstre Grab.
Ja beyde kommen aus der Erden,
Und müssen auch zu Erde wieder werden.
Elpin.
Es scheint, durch ihren Fall, die gantze Luft belebt,
In tausend Circkelchen sich zu bewegen.
Der gelben Blätter Heer, das sanft, im Fallen, schwebt,
Gleicht einem gläntzenden und güld'nen Regen.
Ja unser Auge wird, als wann man Bluhmen streuet,
Zumahl
Bey heit'rem Sonnen-Strahl,
Durch ihrer Farben Meng' und Glantz, erfreuet.
Wie ich denn jüngst so schöne Blätter fand,
Daß, als, auf mein Geheiß,
Man einen Krantz aus solchen band;
Derselbe fast an Farben, Schmuck und Glantz
Dem zierlichsten und schönsten Bluhmen-Krantz
Den Vorzug und den Preis
Kaum schuldig schien zu gönnen.
Denn ob die Bluhmen gleich in hellern Farben brennen;
So waren diese hie,
In Malerischer Harmonie
Und sanfter Zierlichkeit,
Hingegen auch gemischet und verbunden.
[309]Nicht glaublich ist die Lust, die mein Gemüth empfunden,
Als ich noch auf ein ander mahl
Das, durch mich, aus dem feuchten Staub'
Erhobene frisch abgefall'ne Laub,
Im hellen Sonnen-Strahl,
Zusammen legt', und, nach der Schilder Art,
Die Farben wohl zusammen paart'.
Es war derselben buntes Spiel,
Durch den, oft selbst durch sie gefärbten, Sonnen-Schein,
Wenn er durch ihr Geäder fiel,
Nicht bloß des Cörpers Auge nur,
Der Seelen Augen selbst ein angenehmes Ziel.
Die schönste Schüssel Obst ist kaum so schön,
Der Aepfel, der Citronen Zier
Ist kaum so lieblich anzusehn,
Auf manchem mischte sich Gelb, Braun, Weiß, Roth und Grün,
Daß es, recht wie Drap d'Or, gewircket schien.
Aria.
Kein Vergnügen kann auf Erden
Mit der Lust verglichen werden,
Die ein Mensch, durch's Auge, spüret,
Wenn ihm, was die Cörper zieret,
Nicht den äussern Sinn nur rühret,
Sondern wenn er, mit Bedacht,
Aller Schönheit Quell betracht't,
Weil sodann der Wercke Pracht
Ihn zu Dem, Der sie gemacht,
Zu der Wunder Schöpfer, führet.
[310] Sylv.
Das Silber-weisse Gras, den dunckel-braunen Staub,
Die der verlängten Nacht vermehrter Thau genetzet,
Bebräm't anitzt, beblühmt und kräntzt das bunte Laub,
Manch Farben-reiches Blatt, das Aug' und Hertz ergetzet;
Durch welche hier und dort, wo es nicht gantz bedeckt,
Das Gras sein kühles Grün, mit starren Spitzen, streckt.
Dieß Schau-Spiel der Natur ergetzet dergestalt
Mein Aug' und Hertz, daß ich so bald
So Aug' als Hertz zu meinem Schöpfer schwinge,
Und, Ihm zum Ruhm, den Herbst, und dessen Nutz, besinge.
Arioso.
Um dein gleichgültigs Hertz, o Mensch, zu rühren,
Scheint die Natur die grüne Welt,
Die, durch Gewohnheit, dir nicht mehr gefällt,
Mit neuen Farben auszuzieren.
Ein Gelb, das kaum dem Golde weicht,
Ein Roth, das fast Rubinen gleicht,
Soll dich vielleicht,
Da, leider! Gold und Edelstein
Fast eintzig deine Götzen seyn,
Durch dir so liebe Farben, zwingen,
Und dich zur schuldigen Aufmercksamkeit,
Und dann zur wahren Andacht, bringen.
[311] Lycid.
Der Frucht-Baum, seiner Blüht' und Frucht beraubt,
Wodurch er erst die Luft so schön gemacht,
Sucht die verlohr'ne Pracht,
Nur bloß uns Menschen Ergetzen,
Mit bunten Blättern zu ersetzen.
Aria.
O Gott! der, auf so manche Weise,
Aus lauter Lieb', uns zu sich zieht,
Was man auf Erden hört und sieht,
Gereichet alles Dir zum Preise.
Thyrs.
Auf jedem Dorn-Strauch gläntzt anitzt und glühet
Der Hagebutten brennend Roth,
Bey welchen man der Vögel Speis' und Tod,
In rothen Beeren, funckeln siehet.
Jetzt rauschen durch die Luft, in ungezählten Schaaren,
Die Krammets-Vögel, Drosseln, Staren.
Man sieht Gesträuch und Busch voll gier'ger Fresser hangen,
Und, statt der vor'gen Frucht, mit Feder-Früchten prangen.
Aria.
Der Gott, der dorten Wachteln sandt',
Zeigt noch die unverkürtzte Hand,
Und schickt, im Herbst, so viel Geflügel,
Daß, von der Menge, Thal und Hügel,
[312]Das Feld von Lerchen, das Gebüsch
Von Krammets-Vögeln, unser Tisch
Von Feld- und Hasel-Hünern, voll.
Drum unsre Zunge, die es schmecket,
Durch süsse Lust zum Danck erwecket,
Ihn unaufhörlich preisen soll.
Elpin.
Das tiefe Blau der etwas kühlern Lüfte
Erfüllen jetzt gar viel gewölckte Düfte,
An deren Gegenwurf der Sonnen-Strahl sich bricht;
Daher sie, voller Glantz und Licht,
Mit tausendfach-gefärbten fremden Bildern,
Mit grossen Riesen, kleinen Zwergen,
Mit Vögeln, Drachen, güld'nen Bergen,
Das Firmament, aus Gold und Silber, schildern.
Arioso.
Die ihr des Himmels Gold, wie hell es gleich, wie schön,
Zur Lust würd'get anzusehn,
Und eure Freud' allein im ird'schen Golde findet,
Weil, sprecht ihr, jenes schnell, dieß nicht verschwindet;
Ach hör't: Der Unterscheid ist meistens Fantasey,
Für euch ist beyder Daur fast einerley.
Man sieht der Lüfte Gold, das Erd-Gold uns, erblassen;
Das Gold muß uns, wir müssen dieß, verlassen.
[313] Sylv.
Es pranget jede Jahres-Zeit
Mit gantz veränderter und eig'ner Herrlichkeit.
Ach, daß das menschliche Geschlechte
Es doch mit Lust betrachten möchte!
Doch, leider! wär' die Welt auch noch so schön,
So scheint's, wir schämten uns, sie anzusehn.
Aria.
Ihr, die ihr zum Preise des Schöpfers gebohren,
Indem ihr, mit offenen Augen und Ohren,
Die herrlichen Gaben nicht sehet noch hör't,
Und folglich den Geber nicht spüret, noch ehr't;
Ihr seyd nicht des Gesichts, nicht eurer Ohren, werth.
Lycid.
Man schauet, wie das Feld, Busch, Stauben und Gesträuch,
Im heitern Strahl der güld'nen Sonnen,
Mit Fäden, die gezog'nem Silber gleich,
Als zarten Netzen, übersponnen.
Ein wiederscheinendes Gewand,
Ja selbst Krystall und Diamant,
Der Tauben-Hals, ein Pfauen-Schwantz
Verändern nicht so schnell der bunten Farben Glantz;
Als man am zarten Werck der Spinneweb' erblicket,
So bald der Sonnen-Strahl die glatten Fäden schmücket.
Wenn, in der Nacht, der Thau darauf gefallen;
So hangen früh, voll Glantz und Licht,
[314]Zum schönsten Schau-Spiel dem Gesicht,
Viel Kügelchen daran, als wären sie Krystallen.
Was sich den Augen sonst verstecket,
Wird durch die Feuchtigkeit entdecket.
Gebüsche, Blätter, Gras und Kraut sind übersponnen
Mit Netzen, die so dünn und zart,
Von sehr verschied'ner Art.
Sie gläntzen, in dem Strahl der Sonnen,
Geschmückt von ihrem Wunder-Schein,
Wie Silber, Gold und Edelstein.
Es scheinet die Natur
Sich dahin zu bestreben,
Uns, von dem sonst nicht sichtbar'n Licht, die Spur,
In tausend Spiegelchen, zu zeigen und zu geben.
Zu solchem Endzweck ist mit runder Feuchtigkeit
Fast alles, was man sieht, bedeckt mehr, als besprützet,
In deren Ründ' und Vollenkommenheit
Das helle Sonnen-Licht
Im Mittel-Punct sich lieblich bricht,
Und voller Farben gläntzt und blitzet.
»Möchte doch das bunte Licht, durch der Farben Herrlichkeiten,
Unsern Geist erst zu der Sonnen, dann nach ihrem Ursprung leiten.«
Der welcken Blätter Pracht vermehrt sich überall,
Vergnügt und schreckt zugleich, ergetzet und betrübet,
Weil sie vom künft'gen Frost und ihrem nahen Fall
Uns einen traurigen, doch schönen Eindruck giebet.
Wann oft die kühle Luft ihr sprödes Laub bewegt,
Wird, durch den heisern Ton, ein süß Geräusch erregt.
[315] Arioso.
Bleiche Blätter, bunte Büsche,
Gelbe Stauden, röthlichs Rohr,
Euer flüsterndes Gezische
Kommt mir, wie ein Sterb-Lied, vor.
Aber da ihr, wenn ihr sterbet,
(Wie in einer hellern Gluht
Ein verlöschend Fünckchen thut)
Euch am allerschönsten färbet;
Wird, durch euer buntes Kleid,
Nicht nur Aug' und Hertz erfreut,
Und zu Gottes Ruhm geführet,
Sondern, auf besond're Weise,
Durch so holden Schmuck gerühret,
Wünscht mein Hertz, nicht minder schön,
Zu des Allerhöchsten Preise,
Wann ich sterbe, zu vergehn!
Lycid.
Man sieht den Gärtner jetzt auf manchen Obst-Baum klettern:
Die abgehärtete, die Runtzeln-volle Hand
Fasst kaum so bald den, durch der Aepfel Last,
Gekrümmten Ast;
So droht das fette Land
Ein süsser Hagel zu zerschmettern.
Wie, durch das Strampfen vieler Pferde,
Die Erde bebt und schallt; so schallt und bebt die Erde,
Von eig'ner Frucht bestürmt.
[316] Aria.
Es rauschet und prasselt, wie Regen und Schlossen,
Der Aepfel geschüttelt und eßbares Gold.
Ihr, die ihr den Schöpfer verherrlichen sollt,
Erweget's, damit, auch bey diesem Getöne,
Sich jeder, Denselben zu rühmen, gewöhne!
Thyrs.
Wann oftermahl der Sonnen niedrigs Licht
Bald hier bald da die grüne Nacht,
Die des Gebüsches Schatten macht,
Mit Wunder-schönem Glantz durchbricht,
Und, in der Aepfel buntem Regen,
Der auf die noch begrünte Welt,
Als wie auf grüne sammt'ne Decken,
In grossen Tropfen niederfällt,
Sich Seiten-wärts die Strahlen prägen,
Der Aepfel röthlich-gelbe Schalen
Weit schöner, als vorhero, malen;
Dann lacht mein Hertz, durch's Aug', in meiner Brust,
Und lobet Gott in meiner Lust.
Aria.
Erweg', o Mensch! nur deinetwegen
Fällt solch ein süsser Wunder-Regen
Von oben wieder unterwärts.
Der Saft, der langsam aufgestiegen
Und allgemählich sich verdickt,
Zum Apfel ward, die Zweige schmückt,
Fällt itzo, bloß dich zu vergnügen;
Drum opf're Gott ein danckbar Hertz!
[317] Elpin.
Der edle Weinstock zeigt sein fröhliches Gepränge;
Der Purpur-farb'nen Trauben Menge,
Die mehr das Laub, als dieses sie, versteckt,
Ist gantz mit Himmel-Blau bedeckt,
In dessen keuschem Duft, der angerührt verschwindet,
Die Hand ein schönes Nichts befindet.
Es strotzen die gequoll'nen Beeren,
Und bersten fast von holder Süßigkeit,
Um ihren Saft, der Mund und Hertz erfreut,
Uns ausgekeltert zu gewehren.
Sylv.
Wunder-voller Saft der Reben,
Süsser Unmuths Gegen-Gift,
Unsers Lebens halbes Leben;
Also nennt dich selbst die Schrift.
Du wirst oft der Sinnen Meister;
Deine Kraft erweckt die Geister,
Daß man sich selbst übertrifft.
Lycid.
Feuchtes Feuer, Lebens-Oele,
Quelle der Zufriedenheit,
Edler Balsam, der die Seele
Von dem Schwermuths-Joch befreyt!
Selbst die Redlichkeit im Hertzen
Mehrest du bey frohem Schertzen,
Stifter der Vertraulichkeit!
Thyr.
Man kann auch, zu Gottes Ehren,
1Wenn man trincket, fröhlich seyn.
Will uns Gram das Haupt beschweren,
Schwenckt ein Gläsgen, schencket ein!
Dieß vertreibet das Betrüben.
Wisst ihr nicht? Es steht geschrieben:
Gebet den Betrübten Wein!
Elpin.
Denckt gleichwohl bey eurem Schertzen,
Daß man groben Ueberfluß,
Stets mit Kopf- und Magen-Schmertzen,
Und mit Eckel, büssen muß.
Trinckt mit Maaß', und lasst, im Schmecken,
Sich den Geist zur Lust erwecken;
Danckt dem Schöpfer im Genuß!
2Sylv.
Wie lieblich-scharf, wie säurlich-süß, wie niedlich
Wie angenehm und unterschiedlich
Ist der Geschmack in so verschied'nen Früchten,
Die Gott der hellen Sonnen heisst
So wunderbar uns zuzurichten!
Drum rühm' ihn, mein vergnügter Geist!
Mensch, erwege doch und mercke,
Wann dein Mund was Gutes schmeckt,
Deines Schöpfers' Wunder-Wercke!
Was darin für Weisheit steckt,
Ist nicht leichtlich zu ermessen,
Da Er nicht nur in das Essen,
Und in alles, was dich tränckt,
Vielerley Geschmack gesenckt;
Sondern auch in deinem Munde
Gaum und Zunge so gemacht,
Daß recht eben in dem Schlunde,
Wenn man es genau betracht't,
Uns die Speis' erst Anmuth bringet,
Gleich da man sie niederschlinget.
Ist daher mehr, als man meynt,
Nahrung, Nutz und Lust vereint.
Lycid.
Dencke doch, wenn Schmertz und Fieber
Uns in Blut und Adern steckt,
Wie erbärmlich uns darüber,
Was man isst und trincket, schmeckt!
Muß der Eckel vor den Speisen
Uns nicht augenscheinlich weisen,
Daß man nie sein Glück ermisst,
Wann uns schmecket, was man isst?
Ew'ge Liebe, sey gepriesen!
Dir sey ewig Lob und Danck,
Daß Du solche Huld gewiesen
Im Geschmack, in Speis' und Tranck.
Gib, daß wir, so oft wir essen,
Deine Macht und Lieb' ermessen,
Die uns nicht nur Kost beschehrt,
Sondern auch mit Anmuth nährt.
Schluß-Aria à 4.
Wenn wir mit süsser Lust des Schöpfers Segen,
Den uns der Herbst in tausend Früchten beut,
Und auch zugleich, in froher Achtsamkeit,
Den nützlichen Wechsel der Zeiten erwegen;
So wird, in süsser Ruh', nach diesem Leben,
Der ew'ge Herbst uns ew'ge Früchte geben.
[321]