XXVIII. Der neue Actaeon.

Wer nur mit Kunst begabt ist, was Art die Kunst auch sei,
Hat zweier Schlangen Giftzahn zu fürchten stets dabei;
Und dieser Schlangen Zürnen gar elend machen kann,
An ihren Bissen starb schon manch hochbegabter Mann.
Das ist die Schlange Missgunst, auf beiden Augen scheel,
Drum sieht sie nie die Schönheit und immer nur den Fehl.
Und wo kein Fehl zu finden, ersinnt sie solchen hin,
Der Lüge gleich ist Missgunst eine böse Dichterin.
Die zweite Schlang' ist Kunstneid, die lauert ohn' Unterlass,
Auf Deine Blüthen giesst sie ihr tödtend Gift voll Hass;
Und da sie selbst verdienstlos, ein Wurm, vom Staub genährt,
Sticht ihrer Zunge Zweizack nach Andrer Glück und Werth.
Am Hofe Maximilians solch Schlänglein funden ward;
Es trug ein feines Hofkleid, und nannte sich von Hard.
Es hasst den fremden Künstler über alle Maassen sehr,
Dass dem der Herr geneigt ist, das hasst es noch viel mehr.
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Und wessen Kunst nicht Lichtstrahl, von oben ihm verliehn,
In dessen Brust wird Rachsucht in hellen Flammen sprühn,
Wenn irgendwo Verläumdung die Stachelzunge regt,
Die nur der wahre Künstler still und verachtend trägt.
Die Sonne sendet Gluthbrand vom Himmel, wolkenleer;
Im Vorhof von der Hofburg geht vieles Volk umher,
Dort sind Tyroler Schützen, und Steyrer dort zu schauen,
Dort wandeln Bürger Innsprucks mit Töchtern und mit Frauen.
Im Fenster liegt der Hofschranz, schaut stolz dem Treiben zu,
Da fesselt ihn der Schlummer gewohnter Mittagsruh.
Und sieh, dort unterm Fenster geht Faustus ernst vorbei;
Und zaubert auf dem Neidhard ein stattlich Hirschgeweih.
Und lachend, lärmend, jubelnd das Volk sich unten drängt,
Der Ritter oben schlummernd im Schlaf nichts Arges denkt.
Er nickt mit seiner Hauptzier von Zeit zu Zeit gar schön,
Nie ward solch lustges Schauspiel im Schlosshof angesehn.
Jetzt dröhnet Horngeschmetter durchs Schloss, das schallend gellt,
Es will zum Jagen reiten der kaiserliche Held.
Die Ritter ruft der Hornschall zur Folge nach dem Brauch,
Drauf der von Hard nun aufwacht, und denkt zu folgen auch.
Und als er sich zurückzieht, hemmt ihn der Hörner Schmuck;
An seinem Haupte fühlt er gar unbequemen Druck.
Sieht unten alles Volk stehn, den Blick nach ihm gerichtet,
Und höret das Gelächter, und wird von Scham vernichtet.
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Am Fenster muss er weilen, vergebens ist sein Mühn:
Des Hofes Damen eilen herbei, zu schaun auf ihn.
Den Kaiser sieht er reiten, Kunz von der Rosen spricht:
»Actäon seht, den zweiten!« und zieht ein Spottgesicht.
Und Faustus ruft: »Wär' jeder, der fremde Kunst verhöhnt,
Und der doch selbst talentlos, gleich Euch, von Hard, gekrönt!
Wir sähn an manchem Hof dann ein'n ganzen Hörnerwald,
Und kennten die Verläumder an ihrer Thiergestalt!«
Es lodert rothe Zorugluth dem Ritter im Gesicht.
Doch Faustus, ruhig lächelnd, ihn frei des Schmuckes spricht.
Wie rasch er da hinwegeilt, von Rachgedanken voll!
Wie Volksgelächter aufrauscht und durch die Hallen scholl! –
Bald zieht vom Hof des Kaisers Faustus gar hoch geehrt,
Er hat durch manchen Zauber sich seinen Ruhm vermehrt.
Mit seinem Wagner reitet er nordwärts und waldein,
Es trollt, der sie begleitet, Prästigiar hinterdrein.
Sie sind nicht weit geritten über Wald und Bergeshöhn,
Da sehn auf Weges Mitten sie sieben Reiter stehn.
Ihr Führer ist der Hofschranz, dem Faust so schlimm vergalt.
Der ruft jetzt seinem Todfeind entgegen donnernd: »Halt!«
Und eingelegt die Lanze sprengt er auf ihn heran;
»Jetzt lohn' ich Dir den Hauptschmuck, Du schurkischer Kumpan!«
Doch – vor dem Blick entschwindet ihm Faust in rascher Flucht,
Wohin er schaut, er findet nicht den mehr, den er sucht.
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Da dringt Drommetenschmettern hervor aus nahem Wald;
Draus reiten hundert Ritter geharnischt alsobald.
Und wie zur Flucht umwendet der Herr von Hard sein Ross,
Zieht ihm voll Muth und Kampflust entgegen gleicher Tross.
Und allenthalben Reiter, wohin sein Blick nur fällt;
Und Faustus lächelnd, heiter ihm gegenüber hält.
»Beliebt Euch Kampf, so schauet hier meine Heeresmacht;
Doch wenn Ihr meinen Rath wollt, so reitet heim ganz sacht!«
»Ja zieht mit Euern Freunden nur immer still nach Haus.
Mit Euch nicht will ich kämpfen, mit Euch ziemt mir kein Strauss.
Verläumdung zu beschämen steht wohl dem Künstler frei;
Giftschlangen sind zu zähmen, wie spitz ihr Zahn auch sei!« –
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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Lyrik. Faustus. Ein Gedicht. 28. Der neue Actaeon. 28. Der neue Actaeon. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-299F-A