502. Der Tannenbusch

Wenn man von Schwarza dem dunkeln Bergwasser der Schwarza entgegengeht, kommt man bald nach dem Dorfe Virnau. Daselbst lebte ein alter Förster, der hieß Jakob, den neckte oft, wenn er im Walde ging, mancherlei Spuk. So geschah es ihm auch zu einer Zeit, daß, wenn er auf den Anstand ging und ihm ein Hirsch in den Schuß kam, ihm, sowie er schießen wollte, ein Tannenbusch vor die Büchse trat, so daß er niemals schießen konnte, denn sowie er sich seitwärts bog, rückte der Busch nach, und wenn er dann ärgerlich das Rohr absetzte und an eine andere Stelle ging, so war zwar der Tannenbusch fort, aber auch der Hirsch. Das machte dem alten Förster viele Sorge, und er ging nach Dreißigacker, allwo ein Scharfrichter wohnte, den fragte er um Rat in dieser Sache. Der Scharfrichter besann sich gar nicht lange, sondern sagte: Wenn Euch der Tannenbusch wieder vor den Lauf tritt, so zieht Euren Hirschfänger und putzt ihn nur aus. Bald ging der alte Förster Jakob wieder auf den Anstand, und siehe, es währte nicht lange, so zeigte sich ein Hirsch, und auch der Tannenbusch stand vor der Mündung des Gewehrs. Flugs tat der Förster, wie der Scharfrichter ihm geraten hatte, zog den Hirschfänger und begann den Busch auszuputzen. Doch war es ein hartes Holz, kein Zweiglein fiel ab, aber in den Stahl des Seitengewehrs sprang manche Scharte, so daß Jakob bald abließ und nach Hause ging. Im Dorfe Virnau aber fand sich eine Frau tödlich krank, hatte viele Wunden an ihren Armen und Beinen, und kein Mensch wußte, wie sie dazu gekommen. Sie war die Hexe, die in Gestalt eines Tannenbusches den Förster geäfft, weil er sie zum öftern im Walde auf dem Holzdiebstahl angetroffen, ihr den Korb zertreten, sie geprügelt, in die Waldbuße geschrieben und ihr sonst allerlei Tort und Schimpf angetan hatte.

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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 502. Der Tannenbusch. 502. Der Tannenbusch. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2921-F