[137] 175. Wunderbäume in Dithmarschen und Holstein

In der Kirche von Süderhadstede steht ein alter Holunderbaum. Zu diesem Baume, geht die Sage, kam oft der Geist des Königs geritten, der den Dithmarschen ihre Freiheit genommen. Er ritt auf einem grauen Schimmel und betete unter dem Baume. Einst wird die Zeit kommen, da wird auf dem Heideviert, darauf Süderhadstede liegt, eine große Schlacht geliefert, das fliehende Heer wird nach dem Dorfe zugetrieben werden und wird es mit Getümmel erfüllen. Da wird der König kommen, seinen grauen Schimmel an den Holunderbaum binden und niederknien und inbrünstig beten. Dann aber werden dreihundert Dithmarscher Bauern hinter der Kirche hervortreten, bewaffnet mit Sensen, Hauen und Dreschflegeln, und aus ihrer Mitte einer in grauen Hosen, blauer Weste und mit weißen Hemdsärmeln wird herzutreten und wird dem König auf die Schulter klopfen und wird sprechen: Herr König, Er hat uns die Freiheit genommen, doch sei Er nur gutes Mutes und besteige wieder sein Pferd, wir wollen Ihm doch beistehen. Da wird der König sich erheben und seine Leute sammeln, die Bauern aber werden den Feind aufhalten, und nach neuer blutiger Schlacht wird dann ein langer Friede ins Land kom men.

So stand auch bei Süderhadstede zu den Zeiten der Freiheit auf einem schönen runden Raum eine uralte Linde, die ward der Wunderbaum geheißen im ganzen Marschlande. Ihre Höhe übertraf die aller andern Bäume ringsumher, ihre Zweige standen alle kreuzweis, ihresgleichen war nirgends zu finden. Jahr auf Jahr ergrünte sie frisch, trotz ihres hohen Alters, und die Rede ging, solange des Landes Freiheit blühe und grüne, werde auch der Wunderbaum also fortbestehen. Und so geschah es. Als der Dithmarschen Freiheit gebrochen ward, verdorrte die Wunderlinde. Aber noch geht die Sage: auf der dürren Linde wird eine Elster ihr Nest bauen und wird darinnen ausbrüten fünf weiße Junge. Das wird das Zeichen sein von der Freiheit Wiederkehr, und dann wird die Linde wieder ausschlagen und grünen, wie der dürre Birnbaum auf dem Walserfeld, wann der Kaiser Friedrich hervortritt und die große Freiheitsiegesschlacht schlägt. Und dann wird das Dithmarschenland auch wieder zu seiner Freiheit kommen. – Ein verheißungenreicher Holunder ist aus der Nortorfer Kirchhofmauer herausgewachsen und ein anderer in Schenefeld, an welche Bäume ganz ähnliche Prophezeiungen sich knüpfen.

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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 175. Wunderbäume in Dithmarschen und Holstein. 175. Wunderbäume in Dithmarschen und Holstein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2483-0