747. Die Männer im Flußberg

Hoch über Liebenstein im Gebirge erhebt sich ein Bergkopf mit zerklüfteten Flußspatfelsen, der Flußberg genannt; dort hat es gespukt und die Wanderer geneckt seit undenklichen Zeiten. Von unsichtbaren Händen wurden dort Ohrfeigen ausgeteilt; das Weinen eines kleinen Kindes ward dort vernommen, wer ihm aber nachging, fand es nie, sondern verirrte sich im Waldesdickicht. Auch das wütige Heer hat dahinten im Flußberg seinen Sitz; das kommt über den Gerberstein und den Hirschpalz dahergezogen und läßt sich im Flußberg nieder, und wen es erwischt, der ist verloren. Wenn man es durch die Luft kommen hört, muß man sich nur gleich auf den Bauch und auf das Gesicht der Länge lang auf den Erdboden legen und ein Vaterunser beten, da zieht es vorüber und kann einem nichts anhaben, weil es immer in der Luft bleiben muß, solange es sich nicht in ein Bergloch niedertut wie hier im Flußberg oder im Hörseelenbergsloch oder sonstwo. In den Flußberg geht das Loch ganz tief hinunter, und in dasselbe sind, gleichwie in der Berghöhle im Zobten, auch drei Männer gebannt, welche aber nicht lesen im liber obendientiae und auch nicht lateinisch sprechen. Der eine das ist ein Wirt und Metzger aus Steinbach bei Liebenstein, der hat den Leuten immer das Fleisch zu knapp gewogen und das Bier zu knapp gemessen, und wie er gestorben war, hat er alsfort wandern müssen und hat im Keller und in der Fleischkammer immer herumgepoltert und gerufen: Drei Kartel für e Kann! Drei Viertel für e Pfoind! – so lange, bis ein Jesuiter geholt wurde, der diesen Geist bannte, in einen Sack steckte und in den Flußberg trug. Der zweite das war ein Müller drunten in den Sauerbrunns-Grumbach bei Liebenstein, der hat die Leute beim Mahlen betrogen und gemetzt, daß ihnen die Augen übergingen, und hat auch Grenzsteine verrückt. Nachher hat er auch wandern müssen und hat in der Mühle herumgepolert und ist als feuriger Mann auf seinen Äckern und Wiesen herumgeschwebt, wo er die Grenzsteine verrückt hat. Da hat ihn auch ein Jesuiter bannen und hinter in das Flußloch tragen müssen. Nachher war noch einer in Schweina, der hat die Grenzsteine so geschickt verrückt, daß seine Äcker alle Jahre größer geworden sind; darauf hat er gar arg gespukt, daß sich die Leute, wenn es kaum anfing dunkel zu werden, nicht mehr auf den Weg von Schweina nach Steinbach trauten, denn dort lagen seine Äcker, und da wanderte er. Selbiger Mann ist ebenfalls durch einen Pöpelsträger hinauf in den Flußberg getragen worden. Und da sitzen nun die Drei, und zu ihrer Unterhaltung haben ihnen die Jesuiter ein eisernes Kartenspiel gegeben, und weil sie im Leben allzeit gern gekartet, karten sie nun auch fort und fort Solo und betrügen einander und werden uneins und wamsen sich eine Weile und machen einen Lärm und Spektakel wie das wütige Heer. Wer um Mitternacht am Flußloch vorübergeht, der kann sie drunten gellen, schreien und zanken hören, das geht durcheinander: Drei Kartel für e Kann! Drei Viertel für e Pfoind! Trumpf aus! Drei Metze für e Maß! Trumpf aus! – und so immer fort, und prügeln sich, daß der ganze Flußstein wackelt.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 747. Die Männer im Flußberg. 747. Die Männer im Flußberg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-23E6-9