997. Die drei Jungfern

Über Berchtesgaden, oder wie sie es dort in der Gegend nennen, Berchtelsgaden, ragt ein hoher Alpenberg, der Kirnberg, empor, der hat drei spitze Zacken, und diese Zacken heißen die drei Jungfern. Es waren drei Jungfern im Ort, die putzten sich und strählten ihr Haar und flochten's einander wunderschön, denn sie wollten zum Tanz gehen und waren mitnichten in die Kirche gegangen, als es zur Messe geläutet hatte, und wie sie im besten Haarflechten waren, da läutete es zur Wandlung, und sie hörten den Schall, aber ihre Finger waren so geschäftig, daß keine sich die Zeit nahm, sich zu bekreuzen. Die eine sprach bloß: Horcht, es läutet zur Wandlung! – Meinetwegen! sprach die zweite. – Wandlung hin, Wandlung her! sprach die dritte – da wurden ihnen die Finger so steif und so kalt, und die Zöpfe starrten wie Eiszapfen und waren nicht mehr geschmeidig, und die Stubenwand wich, und ward öde um sie her, und sie hoben sich und fühlten sich gehoben und sind drei Felsenzacken geworden und geblieben immerdar.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 997. Die drei Jungfern. 997. Die drei Jungfern. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2349-D