775. Die Schwerbeladenen

Unter der Stoffelskuppe, auch einer basaltgekrönten Erhebung zwischen der Rhön und dem Werratale, ist es nicht sicher; eine große Blöße heißt die Kuheller; dort hüten die Roßdorfer Hirten. Eines Abends wandelte der Roßdorfer Schulze über diese Bergestrift, da erblickte er auf der Waldblöße im Dämmerlicht zwei dunkle Männer, die in einiger Entfernung voneinander gleichmäßig schritten, war froh, Gesellschaft zu finden, und näherte sich ihnen eilend. Jetzt entdeckte sein Auge, daß die beiden Männer einen übergroßen und mächtigen, baumartigen Balken auf ihren Schultern trugen, unter dessen Last beide fast erlagen, und daß kaum zu begreifen war, wie ihrer zwei eine so entsetzliche Last zu tragen vermochten. Das wunderte den Mann gar sehr, daß in so später Stunde an so einsamer Stelle noch jemand also bemüht war, und er rief die Tragenden an mit lautem: Hollah! Wer seid ihr? Wohinaus? – Die Männer hörten ihn nicht und antworteten ihm nicht. Noch einmal rief er: Wer seid ihr, worauf geht ihr zu? – Tiefes Schweigen. Nun rief der Schulze zum drittenmal noch lauter: Heda, ihr Männer? Wo wollt ihr hin? – Da scholl gleichzeitig von beiden wie aus einem Mund und mit überaus schrecklicher Stimme die Antwort: Nach Ungnadhau sen! – Und die Männer wandelten hin und verschwanden in die Nacht. Dem Frager aber kam ein übermächtiges Grausen an, und er konnte, solange er lebte, welches nicht gar lange mehr war, jenen Ton und jenes Wort nicht vergessen, das wie eine Stimme[510] des Jüngsten Gerichtes erklungen war. Auch andere haben bisweilen jene Schwerbeladenen über die Waldblöße wandeln sehen, doch sich wohl gehütet, sie fragend anzureden.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 775. Die Schwerbeladenen. 775. Die Schwerbeladenen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2060-F