32. Hexenversammlung verscheucht.

In der Scheuer eines einsamen Schwarzwälderhofs, die entfernt vom Wohnhause stand, pflegten die Hexen ihre nächtlichen Zusammenkünfte zu halten. Den Hofbewohnern war dies so wenig bekannt, daß sie einen armen Mann, welcher sie einst um Nachtlager bat, in die Käfichkammer der Scheuer legten. Nach verrichtetem Gebet schlief er ein, wurde aber, mitten in der Nacht, durch wunderschönes Tonspiel und lustiges Gelärm aufgeweckt. Er sah die Scheuer hell erleuchtet und eine Menge Männer und Frauen darin versammelt. Theils saßen sie an einer langen, gedeckten Tafel und aßen und tranken aus kostbaren Geschirren; theils tanzten sie jubelnd umher, wozu mehrere Teufel aufspielten. Obgleich auf des Mannes Lager kein Licht fiel, fürchtete er doch, bemerkt zu werden, und betete inbrünstig um Gottes Schutz, besonders, als zwei Hexen gegen die Kammer kamen. Sie blieben jedoch an dem Eingang stehen und besprachen sich über die Freude, welche sie sich, nach so vielem Vergnügen, noch machen wollten. »Meine Nachbarin hat beim Schlafengehen ihr Kind nicht gesegnet; dasselbe wollen wir nun holen und umbringen,« sagte die eine. »Das ist ein guter Einfall!« erwiederte die andere, worauf sie sich fort machten und nach wenigen Minuten mit einem vierteljährigen Kinde auf den Platz zurückkamen und berathschlagten, wie sie es tödten sollten. [24] Endlich wurden sie einig, es bei den Füßen zu fassen und auseinander zu reißen. Da sprang der Mann heraus und schrie: »Behüt' es Gott, behüt' es Gott, behüt' es Gott, laßt das Kind gehen!« Im Nu ließen die Hexen das Kind fallen und fuhren mit ihrer ganzen Sippschaft wie der Wind zur Scheuer hinaus, worin alle Lichter erloschen. Der Mann hob das Kind auf und trug es zu dem Wohnhause, wo er klopfte und rief, daß man ihm aufmachen möge. Als er eingelassen war, erzählte er den Leuten das Geschehene, worauf sie mit brennenden Laternen sich in die Scheuer begaben. Darin stand noch die Tafel voll goldner und silberner Geschirre; aber alles, was Blendwerk gewesen, hatte seine wahre Gestalt angenommen. Manche Becher waren Pferdshufe, die Speisen Viehkoth, die Getränke Jauche geworden. Die Geschirre, welche alle mit den Namen ihrer Herren bezeichnet waren, wurden von den Leuten der Obrigkeit übergeben, die darauf die Eigenthümer, so wie die Eltern des Kindes, zum Abholen des Ihrigen, in den Zeitungen aufforderte. Die ausgeschriebenen Namen waren weit und breit nicht bekannt, und da niemand sich zu den Geschirren meldete, verkaufte man sie und erbaute von dem Erlöse dem armen Mann ein Häuslein neben dem Hofe, von dessen Bewohnern er sein Leben lang verpflegt wurde. Erst im zweiten Jahre konnten die Eltern des Kindes dasselbe holen, so weit entfernt wohnten sie, in einem fremden Lande. Die Hexen haben, seit jener Nacht, niemals wieder in der Scheuer sich sehen lassen.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Baader, Bernhard. Sagen. Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. 32. Hexenversammlung verscheucht. 32. Hexenversammlung verscheucht. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-1C58-F