Der Pilgrim

Procopii Paschale. p. 263.

Der Geistliche.

Winter ist hin, der Pilgrim zieht ins Feld,
Im Frühling er sich umschaut in der Welt,
Wo er hinkommt, find er kein bleibend Städt,
Fühlet ers jezt, was ihn da führen wohl thät,
Im Sinn ihm liegen nur heilige Oerter,
Wohin er auch zieht, dahin nur begehrt er,
Von seinem Vorhaben zurücke nicht weichet,
Bis er das Vaterland endlich erreichet.
Geistlicher Pilgrim, halt dich nicht auf,
Laß dich nicht hindern, weit ist dein Lauf,
Hie in kein Ding verliebe dich sehr,
Sonst machen sie dir die Reise nur schwer,
All falschen Betrug im Gesang der Sirenen,
Liebkosen der Welt du weißt zu verhöhnen,
Ach bist du ermüdet, wie rauh sind die Wege,
Wie wird es so dunkel, wie schmal sind die Stege.
Der Pilgrim.

Ich bin ein Pilgrim, reis' ins heilge Land,
Ob ich komm wieder, das ist Gott bekannt,
Nach Rom, Lorett in Italia,
Auch nach St. Jakob in Galitia.
Gott mich begleite, daß ichs glücklich ende,
Mein Müh und Zeit zu seinem Dienst anwende,
All Tritt und Schritt geschehen ihm zu Ehren,
Er geb mir Gnad, daß ich mög wiederkehren.
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Viel muß ich leiden auf der Wanderschaft,
Ach lieber Herr verleih mir Stärk und Kraft,
Denn der Gefahr ich unterworfen bin,
Hilft nichts dafür, ich schlag mirs aus dem Sinn.
Mein schweres Bündel muß ich selber tragen,
Weiß keinen Weg, darum muß ich oft fragen,
Groß Ungewitter, Ungelegenheiten,
Mich werden plagen, ich sehs schon von weiten.
Der bittre Hunger mir die Kräfte frißt,
Der täglich Durst mein steter Gleitsmann ist,
Bey langem Tag, wohl in dem Sommer heiß
Thu ich vergiessen manchen Tropfen Schweis.
Geld hab ich nicht, davon ich möchte zehren,
Doch trau ich Gott, der wird mir Speis bescheren.
Die müden Füß mich machen schier verzagen,
Gern hättens, daß ich sie am Hals thät tragen.
Komm ich zu einem klaren Wasserbach,
Bald um ein gutes besser wird mein Sach,
Ich halt mich auf dabey, leg die Bürd,
Mir ist, als wenn ich neu geboren würd,
Ich tret hinein und thu mich recht abkühlen,
Fast alle Glieder mein das Kühl bald fühlen,
Ich sprütz mirs ins Gesicht und thu mich waschen,
Und füll wohl auch damit mein Pilgertaschen.
Ein grünen Baum ich seh gar schattenreich,
Darunter ich mich niederlasse gleich,
Ich schau hinauf, ob er von Obst hat was,
Mit Stein und Prügeln ich ihm abnehm das.
Den matten Körper thu ich wacker laben,
Die Säck ich voll anschieb, wenn ichs kann haben,
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Damit den Durst und Hunger ich vertreibe,
Und dergestalt ich noch bey Kräften bleibe.
Im grünen Gras nehm ich ein wenig Ruh,
Ein süsser Schlaf bekommt wohl auch dazu,
Dann steh ich auf und setze fort mein Reis,
Die erste Nachtherberg ich selbst nicht weiß,
Ich bin erquickt, drum frisch darauf ich springe,
Bin lustig, guter Ding und mir eins singe
Was werd ich essen, Abends oder Morgens,
Drum laß ich Gott und klein Waldvöglein sorgen.
Der Geistliche.

In diesem Leben sind Pilgrim wir all,
Niemand sich schätze besser zumal,
Die anderen Ding sind all hier daheim,
Warum, sie sind nur von Erde und Leim:
Aber der edle Mensch ist hier Fremdling,
Muß von hinnen wandern oft gähling,
Ist für die bessere Welt doch erschaffen,
Zum Vaterland eilt er zum Himmel rechtschaffen.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Arnim, Ludwig Achim von. Gedichte. Des Knaben Wunderhorn. Band 2. Der Pilgrim. Der Pilgrim. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-07EE-A