142.
Völliger Abschied.
Melodey: Entreisse dich du liebe Seele etc.
1.
Entfernet euch ihr matten Kräffte/ von allem was noch irrdisch heist. Wirff hin die zeitlichen Geschäffte/Mein gnuggeplagter müder Geist. Nun gute Nacht/ Es ist vollbracht./ Ich fang ein ander Wesen an/ das sich mit nichts vermengen kan.
2.
Ihr Berg und Thäler helfft mir singen/ Besingen meines Jesus Preiß/ der unter so geringen dingen Mich doch so lang zu schützen weiß. Habt gute Nacht/ Ich habs bedacht/ Es ist mit mir recht hohe Zeit/ Zu fliehen die Vergänglichkeit.
3.
Ihr seyd ja wol ihr grünen Auen Im Sommer lieblich anzusehn; doch wird man auch an euch bald schauen/Wie alle [286] Schönheit muß vergehn. Drum gute Nacht/Nim diß in acht/ Mein Hertz/ du liebest von Natur Nur allzugern die Creatur.
4.
Hast du bißher noch was geliebet/ das dir hat Zeit und Krafft verzehrt; So sey dann auch nicht mehr betrübet/Wann dir wird der Genuß gewehrt. Gib gute Nacht/der Bräutgam wacht/ Und will/ daß seine Braut ihm bleib Ein wohlgeschmückt Jungfräulich Weib.
5.
Nur weg du schnöde Eigen-Liebe/ du must mein Hertze lassen leer/ Zu folgen dessen Liebes-Triebe/ dem nur gebührt allein die Ehr. Nun gute Nacht/ Was sich selbst acht; Ich geh nun von mir selber auß/ Zu ziehn in meines Liebsten Hauß.
6.
Ach reiß mich loß von allen Banden/ Von dem subtilsten Netze frey/ Mach aller Feinde Rath zu schanden/daß ich dein freyes Schäfgen sey! Hab gute Nacht/ Du List und Macht/ die mich so offt betrogen hat/ Euch fehlt an mir nun Rath und That.
7.
Wie süß ist doch ein freyer Wandel/ In voller Abgezogenheit/ Wann dieser Welt ihr toller Handel Uns keine Sorg noch Furcht bereit. Ja gute Nacht/ Du Lust und Pracht; Ich bin bereits in meinem Sinn Verlobte Braut und Königin.
8.
Verbirg mich nur in deinem Frieden/ Und drück mich tieff in deinen Schoß; Mach mich von allem abgeschieden/ Und von den Creaturen bloß; Nun gute Nacht! Die Liebe macht/ daß ich mich selbst vergessen kan/ Und sehne mich nur Himmel an!