[123] [370]Schwangrer Jungfern Trost-Gedancken.

Laß / grosse Venus / dir ja nicht zu wider seyn /
Daß wir für dein altar mit schwerem fusse treten!
Wirff einen strahl auff uns von deiner gottheit schein /
Die wir in demuth itzt dich kommen anzubeten:
Nimm unsern ehren-krantz zu einem opffer an /
Laß dieses trauer-pfand an deinen wänden hangen /
Und so es ewig nicht erhalten werden kan /
So laß die asche nur in deinem tempel prangen
Es rühme Pallas sich mit ihrer jungferschafft /
So mag auch Vesta sich für allen männern wehren /
Diana fühle nicht der starcken liebe krafft;
Wir wollen insgesammt zu deiner fahne schwehren.
Wir bieten jenen auch mit ihrem wesen trutz /
Und wollen uns die zunfft der schwangern jungfern nennen.
Nimst du uns willig auff in deinen schirm und schutz /
So sucht das volck umsonst uns flecken anzubrennen.
Wir schätzen den verlust der jungferschafft nicht groß /
Und fühlen immer noch das angenehme jucken /
Als der beperlte thau in unsre muschel floß /
Und sie sich öffnete denselben einzuschlucken.
Es war / als hätte sich uns Jupiter gezeigt /
Und wolte wiederum mit menschen liebe pflegen;
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Als hätte sich zu uns der himmel selbst geneigt /
Und wolte sich hinfort auff unserm schooß bewegen.
Die lenden huben sich / da uns die lust empfing /
Als wenn der gantze leib gen himmel fliegen wolte /
So daß die seele fast uns mit zugleich entgieng /
Indem die jungfernschafft den abschied nehmen solte.
Cupido hatte schon ein labsal zubereit /
Die geister wiederum vom schlaffe zu erwecken:
Er kam uns höchs-terwünscht zu eben rechter zeit /
Und ließ uns Ambrosin aus rothen schaalen lecken.
Drum achten wir nicht sehr der spötter grosse zahl
Und lassen andere für jungfern gerne lauffen /
Ja wolten ungerühmt / wo möglich / tausendmahl /
Um einen schnöden krantz dergleichen wollust kauffen.
Wir fragen alle welt / was ist der jungfer-stand?
Was ist die jungferschafft? Ein buch / so nicht zu lesen /
Ein schüler freyer kunst / ein bloßer wörter-tand /
Ein kind der phantasie / ein wesen ohne wesen.
Nur das gehirne hegt und mehret diese zucht /
Ihr gantzes wesen stützt der pfeiler der gedancken /
Warum? ist unbekandt. Gewiß daß ohne frucht
Man der natur hierdurch will schmälern ihre schranken.
Doch wird durch diesen wahn ein grosser theil bethört /
Und abgeschreckt von dem / was die natur wohl gönnte /
Es würde gar um viel der menschen zahl vermehrt /
Wenn jede sonder schimpff nur mutter heissen könte.
Es ist die jungferschafft / wer sie zu etwas macht /
Ein unvollkommner stand / gleich ungeförmter erden /
Der zur vollkommenheit nicht eher wird gebracht /
Als biß wir mit der zeit aus jungfern frauen werden.
Soll unser schloß gesperrt und stets geschlossen seyn;
Warum heist die natur uns nach dem schlüssel fragen?
Soll sich in unser hertz der rost nicht fressen ein /
So muß auch selbiges von keiner fäule sagen!
Der allgemeine trieb / der uns entbrennen heist /
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Und nach dem männer-volck zu schauen uns verleitet /
Der ist auch / der das öl in unsre lampen geust /
Und das geschmierte tacht ohn unsern fleiß bereitet.
Es ist ein jungfer-leib ein ungepflügtes land /
Drum kan es keine frucht in diesem stande bringen.
Erst streut man saamen aus / denn wird die saat erkannt /
Und noch zuvor versucht der pflug / das land zu zwingen.
Wer über unser thun den urthel-stab zerbricht /
Der kan auch nicht zugleich das kloster-leben schelten /
Und wer den männer-stand verdammt und übel spricht /
Bey dem wird unser thun ohn zweiffel müssen gelten.
Doch wird uns diß vielleicht nur übel ausgelegt /
Daß wir den priester nicht / wie bräuchlich / ruffen lassen /
Daß wir kein gastgebot und keinen tantz gehegt /
Daß andre leute nicht von unsern gütern prassen.
Wer aber hat den brauch zum ersten eingeführt /
Daß man den priester reich / die gäste frölich machet /
Nein / nein / es wird die zeit itzt nicht darnach verspürt /
Und wer nicht sparen kan / der darbt und wird verlachet.
Daß wir uns aber nicht was besser fürgesehn /
Wird unter allen uns am meisten vorgerücket.
Was hilffts / man rede nur zum besten / weils geschehn /
Der vogel ist entwischt / die rosen sind gepflücket.
Wir haben sonderlich uns diesen trost erwehlt /
Daß keine darff noch mag von uns die erste heissen.
Wer hat die grosse zahl derjenigen gezehlt /
Die längst den krantz verschertzt / und doch als jungfern gleissen.
Was kaum der teuffel kann / das weiß ein altes weib /
Den grund-riß der natur durch säffte zu verderben /
Sie ordnet bäder an für den geschwollnen leib /
Und heisset die geburt vor ihrer bildung sterben.
Wär arge list und kunst nicht in der welt bekandt /
So liessen sich viel mehr in unsre rolle schreiben;
Und thäte nichts dabey des apotheckers hand /
Wo würden in der welt die jungfern endlich bleiben?
Die aber doch zur zeit als reine jungfern gehen /
Die haube doch verdient / die geben sich zu frieden /
Sie sollen oben an in unsrer rolle stehn /
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Wo nicht ein altes Weib ein anders weiß zu schmieden.
Des Pöfels urthel sey an seinen ort gestellt /
Wir dürffen gantz und gar uns nicht des urthels schämen.
Das mögen diese thun / die für den beyschlaff geld /
Die zinse für die haut / und schändlich wucher nehmen.
Wir haben anders nicht / als ehrlich / nur geliebt /
Vielweniger den leib um schnöden sold verdungen;
Wer uns vor huren schilt / und böse titel giebt /
Dem sey der teuffel schaar auf seinen kopff gesungen.
Indessen kommen wir bald in die wochen ein /
Es mag uns / wer da will / das spiel vor übel halten;
Wir wollen tausendmahl viel lieber ammen seyn /
Als bei der jungfernschafft verschrumpeln und veralten.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Anonym. Gedichte. Anonyme Gedichte aus Neukirchs Anthologie. Schwangrer Jungfern Trost-Gedancken. Schwangrer Jungfern Trost-Gedancken. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-DE35-8