Ludwig Anzengruber
Das vierte Gebot
Volksstück in vier Akten

[205]

Personen

Personen.

    • Anton Hutterer, Privatier und Hausbesitzer

    • Sidonie, seine Frau

    • Hedwig, seine Tochter

    • August Stolzenthaler

    • Schalanter, Drechslermeister

    • Barbara, seine Frau

    • Martin,
    • Josepha, , beider Kinder

    • Herwig, Barbaras Mutter

    • Johann Dunker, Geselle,
    • Michel, Lehrling, , bei Schalanter

    • Robert Frey, Klavierlehrer

    • Jakob Schön, Gärtner und Hausbesorger bei Hutterer

    • Anna, sein Weib

    • Eduard, sein Sohn, Weltpriester

    • Höller, Wirtshausfreund Stolzenthalers

    • Beller, Gärtnerbursche auf dem Landgute Stolzenthalers

    • Resi, Kindsmädchen

    • Stötzl,
    • Katscher,
    • Sedlberger, , »Wiener Früchteln«

    • Mostinger, Wirt

    • Tonl, sein Enkel, fünfjähriger Knabe

    • Werner, Arzt

    • Kraft, Gerichtsadjunkt

    • Seeburger, Gendarm

    • Stöber, Detektiv

    • Atzwanger, Profoß

    • Berger,
    • Minna, seine Tochter,
    • Stille, , Ausflügler

    • [205] Tomerl,
    • Schoferl, , Vagabunden

    • Wirtshausgäste, Vagabunden, Gendarmen.

    • Begleiter der Streife, Soldaten.

1. Akt

1. Szene
Erste Szene
Schön und Anna, mit Gartenarbeit beschäftigt.

SCHÖN
kniet neben einem Blumenbeete.
'n Bast!

Anna begießt ein Beet, eine zweite Gießkanne steht neben ihr.
SCHÖN
da er keine Antwort bekommt.

Die Baststreifen zum Aufbinden! Blickt auf. Aber was treibst denn du? Du gießt ja schon dreimal aufm nämlichen Fleck.

ANNA
setzt ab.
Jesses, richtig! Du hast was wollen?
SCHÖN.
Die Baststreifen. Ich muß da a paar Stöckeln aufbinden.
ANNA.
O mein, die hab ich in ein von die Gießamper glegt.
SCHÖN.
Und draufgschöpft, und jetzt schwimmen s' im Wasser. So fisch s' halt heraus. Was hast denn nur?
ANNA
hat den Bast aus einer der Gießkannen herausgefischt und gibt ihm die Streifen.

Aber frag nit so dalket! Weißt denn nit, was heut für ein Tag ist? Kann er nit jede Minuten kommen, unser hochwürdiger Herr Sohn?

SCHÖN
brummend.

»Unser hochwürdiger Herr Sohn?« – Freilich kann er kommen, und wenn er kommt, so wird er dasein, das is aber kein Anlaß zu solche Stückeln.


Man hört eine Hausglocke läuten.
ANNA.
Du, es läut wer! Am End –?
[207]
SCHÖN.
Na ja freilich, am hellichten Tag wird er anläuten, wo alle Haustör offen sein!
ANNA.
Aus Gspaß halt.
SCHÖN.
A geistlicher Herr gspaßelt nit.

Wiederholtes Läuten.
ANNA.
Da hörst es jetzt!
SCHÖN.
Na, das wär schön!

Läuft durch das Tor und hinter dem Gitter nach rechts ab.
ANNA.

Hihi, wie er lauft! Er kann's ja selber nit erwarten. Und da tät er unsereins, a Mutter, noch ausmachen! Nimmt die Gießkanne und gießt in Gedanken wieder an der nämlichen Stelle. Ich bin so neugierig, wie er ausschaut, unser hochwürdiger Herr Sohn! Die Madeln aufm Grund werdn sich gewiß kränken, daß der geistlicher Herr worden ist. Jesses, jetzt gieß ich da 's vierte Mal!

SCHÖN
kommt zurück.

Nix is! Der Schalanter war's, der besoffene Drechsler von nebenan, mit sein Bubn, den s' grad bei der Assentierung bhalten haben und der a nit nüchtern ist. Wegen derer Neuigkeit und aus Hetz haben s' mich hinausgenarrt. Sie haben auch nach unsern Eduard gfragt und wolln ihn sehn, wenn er kommt, ich hab ihnen's aber gleich gsagt, es wird ihm keine besondere Ehr sein.

2. Szene
Zweite Szene
Vorige. Hutterer.
Hutterer kommt hinter dem Gitter von rechts.

ANNA.
Ich küß die Hand, Euer Gnaden!
SCHÖN.
Guten Abend, gnä Herr!
HUTTERER.
Guten Abend! Na, heut kommt ja Ihner Eduard, nit?
SCHÖN.
Ja, er soll wohl.
HUTTERER.
Ich hab ghört, er ist Geistlicher wordn?
ANNA.
Ja, er is hochwürdig.
HUTTERER.

Was man nit an die Kinder alles erlebt, wenn man alt wird! Ich seh 'n noch heut vor mir, den Rutschepeter, [208] der nie a ganze Hosen hat derleiden mögn! Jetzt is der gar a hochwürdiger Herr! Er hat doch, soviel ich weiß, auf was anders studiert? Warts ös gleich so damit einverstanden? Dös hätts ja in ein Seminar viel billiger richten können.

SCHÖN.
Freilich, wenn man's früher gwußt hätt.
HUTTERER.
Is ihm die Frömmigkeit so auf einmal eingschossen?
SCHÖN.

Ja, gnä Herr, das is a eigene Gschicht. Ich weiß, Sie habn sich die Jahr her gwundert, daß wir uns kein guten Bissen vergönnen, nur um den Bubn studiern zu lassen, aber das is so eins aus dem andern kommen. Meine Eltern waren Tagwerkerleut, hat keins lesen noch schreiben können, aber der Vater hat gsagt, das därf nit so fortgehn bei unsere Kinder, die müssen was lernen. Na, da hat's halt mehr schwarzs Brot und Erdäpfel gebn als Fleisch, wie man sich leicht denken kann, aber wir Kinder sind dafür fleißig in die Schul gschickt wordn. Und wie ich, mein Bruder und meine Schwester an sein Todbett gstanden sein, da hat er gsagt, sagt er: »Sehts, euch geht's schon viel besser, als's uns gangen is, müßts halt auch dazuschaun, daß's euern Kindern wieder um ein Teil besser geht als wie euch. Bei manch einem hat es kein Geschick und kein Aussehn, daß es mit ihm besser wird, aber die, die er hinterlaßt, können sich darauf einrichten, wenn er ihnen ehrlich an die Hand geht, und möchten's die Leut so halten und nit bloß alleweil alleinig auf sich denken, so hätten s' vor nötige Gedanken zu keine unnötigen Zeit, und das Geschimpf und Geraunz über Gott und Welt möcht a End finden.« Hat er gsagt – und nach derer Red habn wir uns alle, ich, mein Bruder und meine Schwester gricht. So habn auch wir für unser Kind das Opfer gebracht, aber es reut uns net, bis auf den heutigen Tag net, wie auch die Sach steht, gelt, Alte?

ANNA.
Na, es reut uns gwiß net.
SCHÖN.

Freilich hab ich glaubt, ich könnt 'm Eduard auf [209] mein Todbett auch sagen: »Halt's mit deine Kinder, wie es mit dir is gehalten worden!« Na, es hat nit sein sollen, es ist anders kommen, und das war so: er is schon bald mit seiner Studie fertig gewesen, da hat er a Madel kennenglernt – müssen nit lachen, Herr von Hutterer –, a Madel, was das für eins war, na, mein Alte soll's sagn.

ANNA.

U mein, Euer Gnaden, das war a liebs Gschöpf, nit zu groß, nit z' klein, nit z' fett, nit z' mager, so »aufrichtig« war's gwachsen, und dann das noble, feine Gsichterl mit die pechschwarzen Haar, bildsauber, mit ein Wort bildsauber, und so stolz und wieder so bscheiden und so lustig und wieder so nachdenklich und herzensgut – Wird immer weinerlicher. – und so a schöns, liebs, guts Kind ...

SCHÖN.
Na, na, jetzt wirst wieder weinen, was redst denn nachher davon!
ANNA.
Du hast mich ja selber aufgfordert.
SCHÖN
sich besinnend.

Ja so, ich hab dich selber aufgfordert. Also, daß ich sag, damals sein grad wieder die Blattern stark in Wien umgangen, das Madel hat sich gelegt, hundert und hundert sein davonkommen, sie hat draufgehn müssen. Unser Sohn hat sich's von der Familie erbeten, daß er bei der Kranken wachen darf, er ist auch dann nachtüber an der Leich gesessen und mit beim Begräbnis gewesen, aber von der Zeit ab war er ein anderer. Ich hab mich damals über ihn geärgert und gesagt: »Wenn dir deine Eltern nix mehr sein und wenn dich die Welt nimmer gfreut, so geh lieber gleich in ein Kloster!« Sagt er: »Vater, sei nicht kindisch. Ihr seids und bleibt meine lieben, alten Leut, und von der Welt will ich mich nit absperren, sie soll mich ja zerstreuen, aber – hat er gsagt – die Philippin, das war mein Lieb für Zeit und Ewigkeit, die bleibt mir, ob tot oder lebendig, die werd ich nicht los, und da wär mir's halt am liebsten so bissel seitab vom ärgsten Gwühl; in ein Kloster werd ich nicht gehn, aber Geistlicher will ich werdn!« Teuxel hnein, ich hab ihm freilich alls vorgstellt – was das für a schwerer Stand [210] wär –, aber wie ich gsehn hab, er weiß's ehnder und besser noch wie ich, da hab ich gsagt: »Bisher war's mein Sach, jetzt ist's die deine, tu, wie d' glaubst!« Da hat er mit einer Freud von neuem zum Studieren anghobn und ist Geistlicher wordn – is Geistlicher wordn – ja – no, Geistliche müssen ja auch sein!

HUTTERER.

Ah, freilich, man braucht s' schon manchmal, ich werd'n selber ersuchen, daß er unser Hedwig kopuliert.

ANNA
schlägt die Hände zusammen.
Was S' sagen, gnä Herr! So heirat d' Fräuln Hedwig?
HUTTERER.

Ja, und bald auch noch. Wenn man so a mannbars Madl auf gute Art ausm Haus bringn kann, is's ja eh a wahrs Glück. Das ewige Aufpassen, Behüten und Überwachen wird einm zwider. Soll s' ein Mann nehmen, soll der sich um sie sorgen.

ANNA
vertraulich.
Jessas, wenn sich am End gar die jungen Leut kriegen sollten, das wär schön!
HUTTERER
für sich.

Was? Was? – Die kann doch von nix wissen, wen meint s' denn nachher? Mit erzwungener Freundlichkeit, lauernd. No, erraten S' ihn etwa gar, den Bräutigam?

ANNA.

Ah, erraten tät ich ihn schon, wir habn nur allweil gfürcht, er möcht für die Fräuln Hedwig z' gring sein.

HUTTERER
klopft ihr vertraulich auf die Achsel.
Wer is's?
ANNA.
Der Herr Frey.
HUTTERER.

Der Frey? Was, der Klavierklimperer, der Tastenhacker?! Na, der sollt sich unterstehn und mir kommen! Der junge Stolzenthaler is's, wenn Sie's wissen wolln, den wird s' heiraten, das is a Partie, der kann s' doch versorgn, da kann s' doch was genießen. Ah, da hab ich a saubere Entdeckung gmacht. Also so was hat sich hinter meinem Rücken angsponnen? 's ganze Haus redt schon davon, nur ich, der Vater, weiß nix! Wär ja notwendig, daß man allweil daheim bei seiner Familie hocken bleibet und sich in gar kein Wirtshaus trau et, damit man nit hinterher [211] solche Geschichten erlebt! Na, da werdn wir aber doch gleich die Frau Mutter ins Gebet nehmen. He, Sidi! Ab durch die Türe des Seitentraktes.

3. Szene
Dritte Szene
Schön und Anna.

SCHÖN.
Da hast was Schöns angstift!
ANNA.
Mein Gott, es is mir halt so herausgerutscht, wer denkt denn –?
SCHÖN.

Wenn ein Gschöpf auf Gottes Erdboden, so soll doch der Mensch allweil denken, mein ich. Jetzt hast es!

ANNA.

Schrei du noch mit mir herum, wo mir eh so viel hart gschieht wegn der Hausfrau und besonders wegn der Fräuln Hedwig. Und 'n Dingsda, 'n Stolzenthaler soll s' heiraten, hat er gsagt? Das is ja der nämliche, der mit der Schalanter-Pepi a Techtelmechtel hat?

SCHÖN.
Ja, und nit alleinig mit der! Aber jetzt laß uns gehn, damit man's nit a noch mit anhören muß.
ANNA
im Abgehen.
Oh, mein Gott, oh, mein Gott!
SCHÖN
folgt ihr, brummend.
Ja: »Oh, mein Gott, oh, mein Gott!« Hinterher kann jeder sagen: Oh, mein Gott!

Beide sind durch das Gittertor abgegangen.
4. Szene
Vierte Szene
Hutterer und Sidonie aus dem Seitentrakt.

HUTTERER
seine Frau an der Hand nach vorne führend.
Komm nur heraus! Komm her! Was hör ich? Was hab ich hörn müssen?
SIDONIE
verschüchtert.
Ja, ich weiß nicht, was du gehört hast.
HUTTERER
grimmig lachend.
Ha!
SIDONIE.
Du lachst?
HUTTERER.

Fallt mir ein! Ich hab nix zu lachen, aber ös habts auch nichts zu lachen, das geb ich euch schriftlich. Is [212] das wahr, daß die Hedwig und ihr Klavierlehrer a Aug aufeinander habn? Is das wahr?

SIDONIE.
Lieber Anton – –
HUTTERER.

Ich bitt mir's aus, ich bin gar kein lieber Anton. Ich frag, habn die zwei ein Aug aufeinander, und wenn, wo hast du – als Mutter – dann die deinen ghabt?

SIDONIE.
Daß sie sich leiden mögen, hab ich wohl bemerkt.
HUTTERER
höhnisch.
Ah?
SIDONIE
entschuldigend.
Aber ich hab sie nicht aufgmuntert.
HUTTERER.

»Nicht aufgmuntert!« Was das für a Red is! Abschrecken hättst s' solln, daß s' gar nit auf so dumme Gedanken kommen.

SIDONIE.
Ich hab ja nur immer und alleweil abgwart, was du dazu sagen wirst.
HUTTERER
ganz perplex.
Ich? Ja, hab denn ich a Ahnung ghabt?
SIDONIE.

Aber, Anton, bei so junge Leut, die sich noch gar nit zu verstellen wissen! Du bist ja nicht blind und wirst dich von unsrer Bekanntschaft her erinnern – –

HUTTERER.

Unsinn! Ich war kein Klavierlehrer und du keine Hausherrnstochter. Was weiß ich, wie zwei Geschöpf von so ein himmelweiten Abstand auf die Lieb verfallen, wo sich das eine aufdrängen und das andere wegwerfen muß?!

SIDONIE.
Schau, Anton, sei gscheit.
HUTTERER.
Bin ich's etwa net?
SIDONIE.

Jetzt, wo du weißt, wie die Sach steht, solltest du als guter Vater unserer Hedwig ihrm Glück nicht entgegen sein.

HUTTERER.

Sonst nix? Bist du a gute Mutter? Redst du mir zu, unser einzigs Kind an ein Hungerleider zu verheiraten? Gott sei Dank, daß ich mir ihr Glück mehr angelegen sein laß. Heiraten sollt s', das steht, aber ich hab a Partie für sie, was a Partie is! Gelt, da schaust? Ja, das [213] is mein Sach. Verstanden? Jetzt geh hinein, zahl 'n Herrn Klavierlehrer aus und sag ihm gleich, daß heut die letzte Lektion war; dann bring mir 's Madel her!

SIDONIE.
Anton, übereil nur nichts!
HUTTERER.

Da wird nix übereilt, das ist unter Männern abgmacht, und wenn du meinst, ich könnt mich über eine Weil anders besinnen, so verrechnest dich stark; eher bring ich das Madel um! Himmelsapperment, geh und tu, was ich schaff! Du kennst mich doch, wenn ich einmal mein Kopf aufgsetzt hab!

SIDONIE.
Na ja, ich geh schon.

Kopfschüttelnd nach dem Haustrakt ab.
HUTTERER.

Das kommt von dö verkehrten Einrichtungen! Bei ein Bubn fallt's ein gwiß nit ein, daß man ihm a Lehrerin halt, aber bei dö Madeln muß's a Lehrer sein, da zügelt man sich so ein jungen Lakl ins Haus, und nachher hat man's davon. Unglückseligs Klavierspiel, wem das a von uns zwei eingfallen is? Der alte Stolzenthaler hat mir gesagt, es wär jetzt schon notwendig, daß sein Bub amal gsetzt wurd, und bei mein Madel merk ich, es ist a höchste Zeit, daß's unter die Haubn kommt. Dö passen ja immer schöner zsamm.

5. Szene
Fünfte Szene
Hutterer und Frey, aus dem Trakt.

FREY
erregt.
Entschuldigen Herr von Hutterer, nur auf einen Augenblick.
HUTTERER
hämisch, übertrieben höflich.
Bitte, was steht zu Diensten?
FREY.
Die gnädige Frau sagte mir, daß der Klavierunterricht des Fräuleins abgebrochen werden soll.
HUTTERER.
Ja! Habn S' Ihr Geld kriegt?
FREY.
Das wohl.
HUTTERER.
Na, also, so haben wir über den Punkt nix weiter zu reden.
[214]
FREY.

Ich maße mir natürlich nicht an, Ihren Entschluß zu kritisieren, aber meiner Ehre als Lehrer bin ich es schuldig, daß ich Sie aufmerksam mache, obwohl Ihr Fräulein Tochter ein sehr hübsches Talent besitzt und ich mein möglichstes getan habe, so war doch die Dauer des Unterrichtes zu kurz.

HUTTERER.
Eben, Sie hätten mit der Zeit auch Unmögliches leisten können.
FREY.
Mit einem Wort, es fehlt dem Fräulein noch an Geläufigkeit.
HUTTERER.

Ja, ja, sehn S', Sie könnten meiner Tochter vielleicht mehr Geläufigkeit beibringen, als der ihrem Zukünftigen lieb wär.

FREY
auf ihn zutretend, mit warmem Ton.
Herr von Hutterer, Sie wissen – –
HUTTERER
zurücktretend, ihn parodierend.
Herr von Frey, ja, ich weiß!
FREY.
Herr – aber ich weiß mir Ihr Benehmen nicht zu erklären.
HUTTERER.

Nicht? Tut mir leid. Schaun S' halt um a Häuserl weiter, vielleicht finden Sie dort einen Vater, der deutlicher ist. Ich wünsche es Ihnen!

FREY.
Ich finde Sie in übler Laune. Vielleicht ein andermal. Gehorsamer Diener!
HUTTERER.

'schamster Diener! Bemühn Sie sich nicht wegn ein andermal, ich bleib mir gleich. – Ich bitte, wohin denn?

FREY
ist gegen den Trakt gegangen.
Sie sehen, ich bin ohne Hut.
HUTTERER.

Bleiben Sie! Ruft zur Türe hinein. Sidi, die Hedwig soll dem Herrn Klavierlehrer seinen Hut mitbringen.

FREY.
Aber wozu die Damen bemühn?
HUTTERER.
Sie tun das nicht gerne? Denk mir's.Geht auf und ab, summend. Hum, hum, hübscher Abend heut, was?
[215]
FREY.
Fragen Sie mich?
HUTTERER.
Na ja!
FREY.
Sonderbar.
HUTTERER.
Ich find da nix Sonderbars. Wendung gegen die Auftretenden. Ah, da seids ja.
6. Szene
Sechste Szene
Vorige. Sidonie und Hedwig, aus dem Trakte.

HUTTERER.
Hedwig, gib dem Herrn Klavierlehrer den Hut!

Hedwig, die den Hut in Händen hat, hält ihn mit leisem Zittern Frey hin.
HUTTERER.

Na, nehmen S' ihn! Zu Hedwig. Dieser Herr wird unser Haus nicht mehr betreten. Du kannst dein Klavierspiel als aufgegeben betrachten; es sind dabei Saiten angeschlagen worden, die mir nicht behagen. Überhaupt wird nunmehr jedes Spiel für dich ein Ende haben, und der Ernst des Lebens wird an dich herantreten. Sieht Frey, der noch immer auf selbem Flecke steht. Ja – gehorsamer Diener!


Frey grüßt stumm und schreitet gegen den Trakt.
HUTTERER.
Wohin denn wieder?
FREY.
Meine Zigarrenspitze muß auf dem Piano liegengeblieben sein.
HUTTERER.

So holn Sie's. So a vergessener Ding, das ging ein noch ab. Zu Hedwig. Also, wo sind wir stehngeblieben? Ja, der Ernst des Lebens wird an dich herantreten, du wirst deine Bestimmung er füllen – kurz und gut, ich hab eine Partie für dich, an der nichts auszusetzen ist, tu mir also den Gefallen und setz auch daran nix aus!


Frey erscheint im Hintergrunde an der Türe.
SIDONIE.
Mach das arme Kind nicht verzagter, als's schon is! Sag doch, wer, damit man weiß, wo es hin will.
HUTTERER
zu Hedwig.
Du kennst den jungen Stolzenthaler?
[216]
SIDONIE.
Was, der Stolzenthaler? Ah, das ist etwas anderes!
HUTTERER.
Gelt, da schaust?
SIDONIE.
Du denkst halt doch auf dein Familie. Umarmt Hedwig. Kind, du wirst die reichste Frau am Grund.
HEDWIG.
Verlang ich's?
HUTTERER
zu Hedwig.
Also, ich bitt mir eine Antwort aus. Kennst du den jungen Stolzenthaler?
HEDWIG.
Ich hab ihn nur paarmal flüchtig gesehn.
HUTTERER.

So nimm dir die Zeit und schau dir 'n gehörig an. Ich hab seine Photographie mitgebracht. Hat ein Bild aus der Tasche gezogen, das er ihr aufdrängen will. Da!

HEDWIG
wehrt ab.
Ich danke.
HUTTERER.
Mach keine Geschichten!
SIDONIE
macht hinter Hedwigs Rücken Zeichen entrüsteter Abwehr.
Pfui, Anton!
HUTTERER
wirft einen Blick auf das Bild.

Oh, sapperlot, das is a verbotene – vom Hausierer. Steckt es rasch ein, zu seiner Frau. Es war halt gestern so a bissel lustig. Zu Hedwig. Du willst das Bild nicht sehen! Gut, kriegst es auch nicht zu sehen! Zu Sidonie. Es war halt gestern so a Abend. – Zu Hedwig. Du nimmst ihn ungschaut. Punktum!

SIDONIE
streng.
Na, jetzt laß das Kind erst zu sich kommen!
HUTTERER
sehr zahm.

Na, wie du halt glaubst, meine liebe Sidi! Ich mein nur, so stark wird s' doch sein, daß s' ja oder nein sagen kann.

SIDONIE.

Sie wird's schon sagen. Laß mich nur machen, sie wird ja sagen. Nicht wahr, mein Herzbinkerl? Schmeichelt ihr. Du wirst a Leben haben als Frau von Stolzenthaler, und dabei wirst auch unser höchste Freud sein; es kost dich nur a kleinwinzigs Wörtel. Na, druck die Äugerln zu, machs Goscherl auf und sag ja.


Frey ist durch das Gittertor getreten und schlägt es jetzt hinter sich zu.
[217]
HEDWIG
aufschreckend.
Nie!
HUTTERER.
Was?
SIDONIE.
Aber, Kind!
HEDWIG
laut.
Ich laß nicht von Robert! Sieht nach dem Gittertor.
SIDONIE.
Hedwig!
HEDWIG.
Er wird auch mich nicht verlassen!

Wieder mit einem Blicke nach dem Gittertore.
HUTTERER
kommt vor Aufregung erst allmählich zu Atem.

Das getraust du dir uns, deinen Eltern, gegenüber? – Das muß man sagen, du hast eine saubere Erziehung genossen! – Aber den Menschen hast du in sein Verderben geredt – auf alle Fälle, wie d' dich a besinnst, der muß unschädlich gmacht werdn – schau dir 'n in zwei Monaten an – in kein Haus, wo ich aus- und eingeh, mehr a Lektion!

HEDWIG
mit gefalteten Händen.
Vater!
HUTTERER.

Das geschieht ihm! Aus ist's! Und du besinn dich, was du deinen Eltern schuldig bist. Ein Gehorsam, verstehst? Eltern wissen allemal besser, was den Kindern taugt, und müßt ich dich zwingen, so würd ich dich auch zu dein Glück zwingen. Du sollst es auf der Welt besser haben als wie wir, dafür sollen eben die Eltern sorgen, daß es den Kindern immer um a Stückl besser geht, als es ihnen selber ergangen is. Da an der Stell hat das vor kurzem noch unser Hausmeister gesagt – und ich werd doch als Vater nit gegen ein Hausmeister zurückstehen! Komm, Sidi, laßn wir s' jetzt gehn. Sie soll sich das ganz alleinig überlegn.


Geht voraus nach dem Trakt.
SIDONIE.

Liebs Kind, von dem Klavierlehrer kann jetzt keine Red mehr sein, der Vater ist zu aufgebracht gegen ihn, tu dem armen Menschen nit noch schaden, gib ihn auf, dann wollen wir schon machen, daß das wegen dö Lektionen nur geredt bleibt. Sei gescheit!

HUTTERER.
Red ihr nit viel zu. Sie soll von selber darauf kommen!
[218]
SIDONIE.
Sie wird schon gescheit sein.
HUTTERER.
Ich will's hoffen.

Beide in den Haustrakt ab.
7. Szene
Siebente Szene
Hedwig, dann Frey.

HEDWIG.

Sie wollen mich zwingen zu meinem Glück. Jemanden zwingen, glücklich zu sein! Legt beide Hände an die Stirne. O mein Gott, das ist ja ein unsinniger Gedanke!

FREY
sich vorsichtig umsehend, tritt ein und kommt vor.
Fräulein Hedwig!
HEDWIG.

Robert! Leidenschaftlich mit beiden Händen die seinen erfassend und ihn etwas zur Seite ziehend. Warum sind Sie weggegangen, als ich Ihnen zu Gehör geredet, mich nicht zu verlassen?

FREY.
Konnte mein Dazwischentreten etwas nützen?
HEDWIG.
In Ihrer Gegenwart hätte ich den Mut gehabt, alles zu sagen, was mir auf dem Herzen liegt.
FREY.
Und dadurch wäre der unangenehme Auftritt nur verlängert und verschärft worden.
HEDWIG.

Wie bedächtig! Robert, ich breche Ihnen den Finger, um Sie aus dieser Gelassenheit zu bringen. Sagen Sie, was nun zu tun ist?

FREY.

Sie kennen den Mann nicht genauer, der Ihnen bestimmt ist; ich werde Ihnen denselben schildern, und wenn Sie es dann nicht wissen, was zu tun ist – – Zuckt die Achsel. Es ist dies ein Mensch ohne alle Bildung, ohne jede bessere Anlage; sei nem Vater rühmt man wenigstens Tätigkeit nach, der Junge aber rührt keine Hand und läßt andere für sich arbeiten, er hat sich nur die Aufgabe gestellt, das Leben zu genießen, und wenn Sie erst wissen, was ihm Genuß ist, dann können Sie nur mehr ein Gefühl für ihn haben, das des Ekels!

HEDWIG.

Oh, was Sie auch über ihn sagen mögen, ich [219] glaube Ihnen, ich glaube Ihnen alles! Aber nicht nach ihm habe ich Sie gefragt, was sollen wir beginnen?

FREY.

Es ist ein gewagter Schritt, den ich Ihnen vorschlage, aber es ist der einzige, und Zeit und Umstände drängen. Hedwig, vertrauen Sie sich ganz meiner Ehrenhaftigkeit an – laufen Sie mit mir in die weite Welt!

HEDWIG.
Und wenn das nicht anginge, wenn ich mich gerade dazu nicht entschließen könnte?
FREY.

Dann ist unser Schicksal entschieden. Ich habe mich für den Fall entschlossen, sofort wieder zum Militär einzurücken, und die Lektionen, die ich den Rekruten auf dem Exerzierplatze zu erteilen habe, wird mir Ihr Herr Papa nicht streitig machen. Mit einem Seufzer. Und Sie, Hedwig – Wendet sich ab, kleine Pause. –, wollen Sie Ihre Briefe zurück haben?

HEDWIG.
Nein! In Ihren Händen weiß ich sie sicher.
FREY.
Verbrennen Sie die meinen.
HEDWIG.
Niemals. Ich behalte sie als ein teueres Angedenken auf.
FREY.

Tun Sie es nicht. Der Zufall könnte diese armen Blätter einmal ans Licht bringen, und Sie ahnen nicht, welche Roheiten Sie dann von dem Manne zu gewärtigen hätten.

HEDWIG
an seine Brust sinkend.
Robert!
FREY
jubelnd.
Hedwig! Du gehst mit mir!?
HEDWIG
sich aus der Umarmung lösend.
Ich habe den Mut nicht – ich bin nicht leichtsinnig genug.
8. Szene
Achte Szene
Vorige. Hutterer und Sidonie erscheinen unter der Türe des Traktes.

FREY.

Du hast nicht den Mut, den Schein des Leichtsinns auf dich zu laden, um dir ein treues Herz fürs ganze Leben zu gewinnen? Oh, um aller Heiligen willen, habe nur nicht die Schwäche, dich willenlos ins Elend stoßen zu lassen. Erhalt mir dein Bild rein, laß mich's nicht denken herabgekommen [220] und befleckt durch den steten Umgang mit der Gemeinheit. Hedwig, laß mich ganz aus dem Spiele, gedenke meiner gar nicht, vergesse mich, nur um deiner selbst willen, mit Hand und Fuß und jeder Fiber sträube dich gegen diese unselige Verbindung!

HUTTERER
vorstürzend.

Ah, bravo, das is schön, ein Kind gegen die eigenen Eltern verhetzen! Sie elender, undankbarer Mensch, ist das der Lohn, daß wir Ihnen in unsern Haus ein Jahr und sechs Monat Geld habn verdienen lassen?!

FREY
wütend.

Mißbrauchen Sie doch nicht den geheiligten Elternnamen, Sie opfern Ihre Tochter ja doch nur einer Laune – einer reichen Verschwägerung –, Sie schlagen Kapital aus Ihrem Kinde!


Hedwig ist auf eine Gartenbank gesunken.
HUTTERER.
Herr – Sidi, halt mich, sonst geschieht heut noch ein Unglück!
9. Szene
Neunte Szene
Vorige. Schön und Anna haben Eduard in ihrer Mitte über den Hof geführt, eintretend.

SCHÖN.
Gnä Herr, gnä Herr, da is er!
ANNA.
Da habn wir 'n schon.
SCHÖN
halblaut.
Ui, da hat's was gsetzt.

Pause allgemeiner Verlegenheit.
HUTTERER
faßt sich, tritt Eduard entgegen.

Ah, freut mich sehr. Gibt ihm die Hand. Hochwürden kommen eben recht. Führt ihn vor. Bitte, klären Sie meine Tochter auf über die Pflichten, die ein Kind gegen seine Eltern hat! Wir wollen nur ihr Glück – und selbst für den Fall, daß sie das Glück nit für a Glück halt – geradheraus, ohne Umschweife –, was soll sie tun?

EDUARD.
Gehorchen und das Glück Gott anheimstellen!
HUTTERER.
So ist's! Sie sind mein Mann!

Zwischenvorhang fällt rasch.

[221] Verwandlung
Verwahrlostes Zimmer, halb Werkstätte, halb Wohnraum. Mitteltüre, eine Seitentür links, welche
offen steht. Im Hintergrunde zu beiden Seiten der Türe Betten, ein solches steht auch an der Wand links neben der Seitentür. An der Wand rechts Schränke. Im Vordergrunde rechts ein Sofa, davor ein Tisch, links eine Drehbank.
10. Szene
Zehnte Szene
Barbara, Johann, Michel.
Wie der Vorhang aufgeht, ist Johann an der Drehbank geschäftig, Barbara tritt durch die Mitte ein, sie trägt eine große Blechtasse, worauf mehrere Kaffeeschalen und ein großer Hafen stehen, ein Gebäckkörbchen hält sie nebenher zwischen ein paar freien Fingern. Michel ist noch nicht sichtbar.

BARBARA.

Da is der Kaffee. Herr Johann, hörn S' vom Arbeiten auf. Sie stellt das Mitgebrachte auf den Tisch und ruft. Michel! Setzen S' Ihnen daher, Herr Johann! Deutet auf das Sofa.

JOHANN.
Oh, ich bitt, Frau Meisterin, wie komm ich dazu –?
BARBARA.
Machen S' keine Umständ, wir sind alle nur Menschen. Lauter rufend. Michel, hörst nit?
MICHEL
von innen.
Ja, Meisterin! Tritt gähnend und sich reckend aus links. Ah!
BARBARA.
Hast wieder gschlafen?
MICHEL.
Ja, und träumt, daß ich Draxler werdn soll.
BARBARA
zu Johann.

Es is ein Skandal, der Meister schaut gar nit auf ihn, auf einmal wird sein Lehrzeit um sein, und er wird nix verstehn.

MICHEL.

Das macht nix, die Genossenschaft muß mich doch von der Draxlerei freisprechen – wegen Mangel an Beweis.

BARBARA
rückt ihm eine Schale und eine Semmel hin.
Den Kaffee tragst hinunter, wenn der Herr da is!
MICHEL.
Da laß ich 'n lieber glei herobn.
BARBARA.

Du tragst ihn hinunter, auch wenn der Herr nit [222] da is! Zu Johann. Aber greifen S' zu, lieber Herr Johann – Rückt ihm den großen Hafen hin. –, da is das Tröpferl, das Ihnen vermeint is.

JOHANN.
So viel! –
BARBARA.
Greifen S' zu, es kommt vom Herzen.
MICHEL
beiseite.
Die Meisterin muß a groß's Herz haben, wenn so a Häfen Kaffee drin Platz findt.
BARBARA.

Marschier und bleib gleich unten im Laden, damit man doch nit 'n ganzen Tag 'n Dienstboten alleinig im Gschäft laßt!

MICHEL.
's könnt sich ja a d' Meisterin abisetzen.
BARBARA.
Geht das dich was an, kecker Bub? 's Gschäft is 'm Meister sein Sach. Ich hab im Haus z' tun.
MICHEL.
Oder d' Fräuln Pepi.
BARBARA.
Die hat außerm Haus z' tun.
JOHANN
seufzend.
Ah ja!
BARBARA.
Jetzt steh mir nit weiter da herum!
MICHEL.
Frau Meisterin, wenn der Herr nit da is, was gschieht denn nachher mitm Kaffee?
BARBARA.
Kannst 'n selber trinken.
MICHEL.
Vergelt's Gott!

Setzt die Schale an den Mund.
BARBARA.
He, was treibst denn?
MICHEL.

A wengerl abtrinken, daß ich nix verschütt, wär schad drum; sicher is er mir ja eh. Küß die Hand, Frau Meisterin.


Geht durch die Mitte ab.
BARBARA
hinter ihm abgehend.
Komm mir nit so bald wieder unter die Augen, das sag ich dir!
JOHANN
allein.
Ja – die Fräuln Pepi – daß die immer außerm Hause ist!
11. Szene
Elfte Szene
Johann, Barbara zurück.

BARBARA.

So, mein lieber Johann. Setzt sich an das andere Ende des Sofas, streift sich die Schürze glatt. Aber Sie essen ja gar nichts!

[223]
JOHANN.
Nein!
BARBARA.

Is er vielleicht nicht süß genug? A Stückerl Zucker? Nehmen S' doch, a Semmerl oder ein Kipferl. Lassen S' Ihnen nix abgehn.

JOHANN
nimmt eine Semmel.
Ich bin so frei, wenn's erlaubt ist.
BARBARA.

Weil wir just so gemütlich beieinander sitzen, muß ich Ihnen doch sagen, obwohl Sie erst kurze Zeit bei uns sind, hab ich Ihnen doch was angmerkt, Sie Schlankl, Sie.

JOHANN.
Was angmerkt – mir?
BARBARA.

Na, na, lassen S' es gut sein, junge Leut sein amal junge Leut, und ich hab's net ungern, wenn s' a Gfühl zeigen. Mein Pepi sticht Ihnen halt in die Augen.

JOHANN
würgt an einem ungeheuren Brocken.
Uhum.
BARBARA.
Das is weiter kein Sünd –
JOHANN
lacht verlegen.
Hehehe, nein, nein, hehe!
BARBARA.
Aber a Unsinn.
JOHANN.
Ja, aber warum denn?
BARBARA.
Mein Tochter is nix für Ihnen. Erstens täts alle zwei miteinander nix habn –
JOHANN.
Nein! Vorläufig –
BARBARA.
Und dann hat sie ja die Bekanntschaft mit unserm Hausherrnssohn.
JOHANN
seufzend.
Ja!
BARBARA.

Da muß man halt gscheit sein. Schaun S', Johann – Vertraulich näher rückend. –, muß's denn grad so a jungs Flitscherl sein?

JOHANN
rückt etwas weiter.
Wissen S', mir wär's lieber.
BARBARA.

Das is halt Gustosach, aber wenn's wer mit einem gut meint, so muß man 'n nit nachm Taufschein fragn. – Essen S', lassen S' nix über, die Semmeln dürfen nit überbleiben, wurden ja altbacken. Stecken Sie's ein. Sie steckt ihm mit der rechten Hand eine Semmel in die rechte Tasche und, indem sie den Arm um seinen Leib [224] legt, mit der linken eine andere in die linke Rocktasche. So – sehen S' – so!


Johann bläst.
BARBARA.
Schaun S' mich einmal an, Johann.
JOHANN
hält mit beiden Händen eine Semmel, die er brechen will, über den Hafen.
Wenn's die Frau Meisterin schafft. Wendet sich etwas nach ihr.
BARBARA
näher rückend.
Gfall ich Ihnen gar nit?
JOHANN
läßt vor Schreck die Semmel in den Kaffee fallen.
Ah! Springt auf und blickt in den Hafen. Da ist mir jetzt die ganze Semmel ...
BARBARA
hat sich gleichfalls erhoben.

Is ja kein Unglück. Werden s' gleich wieder herausfischen, wo schwimmt s' denn? Sie steht neben ihm, hat die Linke um seinen Leib gelegt, ihr Gesicht dem seinen ganz nahe gebracht und schlägt ihn jetzt mit der Rechten auf die Wange. Johann!

JOHANN
reißt sich los.

Loslassen! – Potiphar! – Verstanden? Wissen S', ich bin ein katholischer Gesell! Lieber ungegessen ins Himmelsreich als mit alle Taschen voll Proviant in d' Höll! Zieht eine Semmel nach der andern heraus und wirft sie ihr vor die Füße. Da – da!


Es wird außen geläutet.
BARBARA
klaubt die Semmeln auf.

Ja, ja, komm gleich. Wirft das Gebäck ins Körbchen, mit einem zornigen Blick auf Johann. So ein dummer Mensch is mir noch nit vorkommen! Was glauben S' denn von mir?


Wütend ab.
JOHANN.
So was is mir noch in keiner Arbeit passiert.
12. Szene
Zwölfte Szene
Johann, Barbara, Stolzenthaler, Josepha.

BARBARA
läßt Josepha und Stolzenthaler eintreten und bleibt noch außen.
Gehts nur hinein, Kinder. Es will schon finster werden, ich mach uns nur ein Licht.
JOSEPHA
in teurem, aber nicht geschmackvollem Putz.
Herr Johann!
[225]
JOHANN
hinzueilend.
Da bin ich, Fräuln Pepi.
JOSEPHA
nimmt Hut und Tuch ab und gibt ihm beides.
Da – legen S' mir's auf mein Bett!

Johann geht mit den übergebenen Gegenständen Seite links ab und kehrt gleich wieder ohne dieselben zurück.
Josepha läuft, wie sie abgelegt hat, sofort nach dem Sofa, läßt sich in den Sitz fallen und stützt den Kopf in die Hand.
STOLZENTHALER
ein junger Mensch, ebenfalls ohne Geschmack geputzt, die Hand voll schwerer Ringe, eine auffallende Uhrkette, zwischen den Zähnen eine kostbare, aber sehr massive Zigarrenspitze; er lümmelt sich über den Tisch und spricht über selben zur Josepha.

Weißt, Mauserl, ich kann mir schon denken, wie dir is, denn solchene, wie ich bin, rennen wenig in Wean herum. Aber nur a Einsehn und kein Flehnerei, dös vertragt unsereins net.

BARBARA
kommt mit einer Lampe, die sie auf den Tisch stellt.

Machen Sie's nur aus, Herr von Stolzenthaler, wann s' etwa wieder dalket war. – Wie schaust denn du aus? Du hast ja gweint.

STOLZENTHALER.
Weil s' a fads Ding is, drum hab ich s' a heut früher als sonst heimgführt.
BARBARA.
Was war denn wieder?
STOLZENTHALER.

Na ja, Frau Mutter, alles, was recht is, es war schon a Schub! Aber ich bin a aufrichtiger Kerl, ich hab ihr's doch früher sagen müssen, eh ihr's fremde Leut zutragen. Mein Alter will mich verheiraten, und da ich ihm schon mehr zu Trutz als z' Gfallen tan hab, so hab ich da net nein sagen mögen. Is a wieder a Abwechslung, und a Abwechslung muß der Mensch habn, sonst wird 's Leben öd.

BARBARA
neugierig.
Wer is denn die Braut, wenn man's wissen därf?
STOLZENTHALER.
Die Hutterische von daneben.
BARBARA.
Die is sauber, und ihre Leut sein reich.
STOLZENTHALER.
Na, mit einer andern hätt mir mein Alter a nit kommen dürfen.

Josepha weint in ihr Sacktuch.
[226]
STOLZENTHALER.

Da hörn S' Ihnen dös an. Es kann ja ein Menschen recht sein, daß mer ihm merken laßt, mer weiß, was er für a Mensch is, aber mit einer Handvoll davon hat man gnug, auf die Dauer wird dös langweilig.

BARBARA.
Pepi!
JOSEPHA
weinend.
Ich laß mir's nit verbieten, von niemandem, von ihm schon gar nit, ich kann weinen, soviel ich will.
JOHANN
aus Mitgefühl ebenfalls weinend.
Das wird der Fräuln Pepi doch erlaubt sein?
STÖLZENTHALER.

Ui jegerl, jetzt fanget noch eins zum Musiziern an, ah, da wird's mer doch zu unterhaltlich. Nimmt seinen Zylinder – Stößer – vom Tisch, drückt ihn schief auf den Kopf. Gute Nacht, Frau Mutter.


Geht, eine eben gang und gäbe Melodie pfeifend, durch die Mitte ab.
BARBARA
steht bei Josepha.
Gute Nacht, Herr von Stolzenthaler!
13. Szene
Dreizehnte Szene
Vorige ohne Stolzenthaler.

BARBARA.
Aber Pepi, was hast denn?
JOSEPHA
aufspringend und durch das Zimmer laufend.

Fragn S' doch nit! Ich soll mich etwa nit kränken? Zwei Jahr geh ich jetzt mit dem Menschen, hab alle seine schrecklichen Launen ertragn, weil ich denkt hab, wenn er sich gwöhnt, so nimmt er mich am End doch und ich wurd glücklich und Hausfrau und könnt alle andern auslachen.

BARBARA.
Dös hast du glaubt? Für so dumm hätt ich dich nit ghalten.
JOSEPHA.
Und Sö, Mutter, habn's im voraus gwußt, daß's so kommt?
BARBARA
wie selbstverständlich.
Aber Kind – –
JOSEPHA.
Und da haben Sie ihn ins Haus lassen?
BARBARA.
Hab ich 'n Hausherrnssohn aus der Wohnung weisen können, wo wir dreiviertel Jahr Zins schuldig warn?
JOSEPHA.

Deswegen hätten S' mich doch unter d' Augen [227] bhalten können, nit, daß S' Landpartien mitmachen, mit dö andern im Wirtshaus sitzen bleiben und uns allein herumlaufen lassen.

BARBARA.

Aber, liebs Kind, wenn man die Leut braucht, därf man sich mit ihnen nit verfeinden, da muß man schon a Aug zudrucken, und du bist a jung und lustig, verlangst dein Vergnügn und ein bissel ein Putz, das hättn mer dir net beschaffen können, und zu keiner Arbeit bist net erzogn.

JOSEPHA.
Und warum – warum bin ich denn zu keiner erzogn?
BARBARA.

A harte hätt sich für dich nit gschickt, und was Feins konnt mer dich nit lernen lassen, hätten überhaupt keine Not gehabt und könnten anders dastehn, hätt der Mann net allweil Geld ausm Haus tragn. Dein Vater, der is an allem schuld.

JOSEPHA.

Was hab ich jetzt davon? Das Gfetzwerk und der Gschmuck werdn bald versetzt oder verkauft sein, ich steh da als a arms verlassens Gschöpf, das nix hat als a üble Nachred und um das sich kein Mann mehr umschaut.

BARBARA.

Gehst denn nit! Dir werdn noch gnug kommen. So a Madel, wie du eins bist, dös mag sein, wie's will, und is noch allweil für kein z' schlecht! Aber wenn dir gar so um ein Mann is – muß's gleich sein? –

JOSEPHA.
Lassen S' mich mit Fried!
BARBARA.
Im Ernst, da hätt ich ein bei der Hand, dürfst nur zugreifen.
JOSEPHA.
Möcht wissen, wer?
BARBARA.
Dreh dich nur um!

Wendet sich gegen Johann.
JOHANN
hat Gegenstände, die teils auf, teils neben der Drehbank lagen, aufgegriffen und in Ordnung gebracht – zuckt erschreckt zusammen.
Aber Meisterin! –

Steht mit gebogenen Knien, hat die Oberarme an den Leib gepreßt und die Unterarme und Hände quer über der Brust liegen.
JOSEPHA
in fröhlichen Leichtsinn umschlagend.
Unser Johann? Hahaha! Sie gibt ihm einen leichten Backenstreich. Tschapperl!
[228]
BARBARA.
Hahaha!
JOHANN
stimmt dumm in das Gelächter der beiden ein.
Ja – hehe – ja, he!
14. Szene
Vierzehnte Szene
Vorige. Schalanter und Martin durch die Mitte.

SCHALANTER.
Hallo, da geht's ja lustig zu! Da sein mer.
BARBARA.
Na, kommts endlich daher? Was is's denn?
SCHALANTER
zeigt auf das Rekrutensträußchen, das Martin am Hute trägt.
Siehst es nit? Bhalten habn s' ihn. Natürlich. Net werdn s' 'n bhalten, wie der a Bursch is?!
BARBARA
nähert sich Martin und hält dabei die Schürze für etwaige Tränen in Bereitschaft.
Mußt also richtig von uns fort, Martin?
MARTIN.
Ja, aber tu sich d' Frau Mutter deswegen net 's neuche Schürzel naß machen. 's zahlet sich net aus.
BARBARA.
Kommt's dir denn nit hart an, daß d' von deine Leut weg sollst?
MARTIN.

Ewig kann mer sowieso net auf der Welt beieinander bleiben. Was anders wär's, wenn s' uns weitmächtig von der Weanastadt, weiß Gott wohin, verlegen täten; aber so bleibn wir ja vorläufig da.

BARBARA.
Na, hast recht. Und wer weiß, wozu 's gut is, daß d' amal von dein Vater fortkommst?!
SCHALANTER.

Weil vielleicht bei dir 's Madl so gut aufghoben is?! Zu Johann. Aber was machen denn Sö noch da, Johann, nachm Feierabend? Gehen S' in ein Wirtshaus, daß S' auch a Mensch werdn!


Johann wechselt den Rock, nimmt später den Hut. Beide hängen an einem Haken an der Wand links.
SCHALANTER.

Laßts euch erzähln! Wir sein von die ersten gwesn, dö drankommen sein. Nur angschaut habn s' ihn, den Martin, gleich hat's gheißen: »Der Mann wird genommen!« – »Den Mann nehm ich zu mein Regiment.« Ein völligs Griß war um ihn. Ich hab's allweil gsagt, und [229] ich bleib dabei, der bringt's zu was. Dazu hat er 'n Verstand und die Reschen, und mehr braucht er nit. Meine Bikennten habn mir's übelgnommen, daß ich ihn mit der Volksschul hab aufhörn lassen und nit in die Realschul geschickt, ich hab drauf gsagt: »A Esel wird nit gscheiter, und wann er gleich aufn Doktor studiert, für ein findigen Kopf aber is die Volksschul in d' Haut hinein gnug.« Das wird sich auch da weisen. Ein Geist braucht's halt, ein Geist und a Kuraschi! Was hilft's denn, wenn ich noch so viel weiß und noch so schön reden kann, deßtwegn kann doch jeder mit mir auf Mord und Brand dischpatiern, laß ich ihm aber, wo der Gspaß aufhört, ein Deuter zukommen, dann gilt, was ich sag.

JOHANN.
Ich empfehl mich!

Geht Mitte ab.
SCHALANTER.

Bhüt Ihner Gott! Den Menschen kann ich nit leiden. Wenn er nit wie a Vieh bei der Arbeit alles zsammreißet, er wär bei mir net dö vierzehn Tag alt wordn, die er da is.

JOSEPHA
zu Martin.
Hast du a Freud zum Soldaten?
MARTIN.
A Freud? Hat schwerlich einer, wo a Muß dabei is.
SCHALANTER.

Mach dir nix draus. Klopft ihm auf die Achsel. Da steht einer, aus dem noch was wird, dazu is er der Bursch, sagts, ich hab's gsagt. Zu Barbara. Aber jetzt, Waberl, tu dich um! Auf das viele Trinken wird man nur noch durstiger, und 'n ganzen Tag habn wir nix zum Beißen ghabt, also schaff was her!

BARBARA.
Ich hab kein Geld.
SCHALANTER.
Kein Geld?
BARBARA.
Hast ja keins dalassen.
SCHALANTER.

Dalassen werd ich noch eins! Leerst du mir nit 's Geldladel aus, wenn ich nur ein Schritt ausm Gwölb mach?

BARBARA.
Heut is nix eingangen.
SCHALANTER.

Nix eingangen wär heut? Gut, nimm's nur auf dein Gwissen! Je mehr du uns herunterbringst, nimm's [230] nur auf dein Gwissen! Wenn du dein Kind den heutigen Tag verderben willst, so muß halt ich mich opfern. Da – Wirft eine Brieftasche auf den Tisch. – ich hab eine Lieferung übernehmen wolln – da liegt die Kaution, gut, ich reiß sie an. Brauch die Lieferung gar nit. Der heutige Tag is mir heilig. Gibt Barbara eine Banknote. Nimm und hol ein Wein und was zu essen – was Guts, bitt ich mir aus! A Tag, wie der heutige – –

BARBARA.

Ich bitt dich gar schön, du tragst dein Geld ins Wirtshaus, als hätten wir jeds Jahr dreihundertfünfundsechzg Bubn und alle Tag Assentierung.


Wendet sich zum Gehen.
SCHALANTER.
Du! Auf das Kaffeegeschirr zeigend. Das könntst wohl mitnehmen.
BARBARA
nimmt das Geschirr vom Tisch.
Geniert's dich?
SCHALANTER.

Ja, weil ich a Ordnung verlang! Matz will ich heißen, wenn das nit schon zwei Stunden am Tisch steht.

BARBARA.
Ja freilich!

Durch die Mitte ab.
SCHALANTER
läuft zur Mitteltüre, reißt sie auf und ruft hinaus.
Mußt 's letzte Wort habn?!
BARBARA
von außen.
Matz!

Josepha geht kurz danach links ab und kehrt erst beim Eintreten der Herwig zurück.
SCHALANTER.

Nur 'n Fuß därf man ins Haus setzen, so muß man sich schon ärgern, und da traun sich die Leut, mir was nachzsagen, weil ich lieber auswärts bin! Ja, wann dös Hauswesen a Hauswesen wär, aber schau nur amal, wie's dr da ausschaut – kein Ordnung und kein Geld vorhanden. Wenn das Hauswesen gführt worden wär, hätt man am Madel nit die Schand zu erleben braucht, und du hättst nit not, drei Jahr 'n Schießprügel z' schleppen, den einjährigen Freiwilligen hätt's uns auch noch tragn. Aber, wer is an allem schuld? Dein Mutter, an allem!

MARTIN
wirft sich lässig auf das Sofa.

Streiten S' nur nit wieder mit ihr, wenn s' zurückkommt. Dö paar Täg, die ich noch frei bin, will ich a Ruh habn.

[231]
SCHALANTER.
Und weil du a Ruh habn willst, soll ich kein Wort reden dürfen?
MARTIN.

Gegen 's Reden hab ich ja nix, nur gegen 's Streiten. D' Nachbarschaft wird sich auch nit ängstigen, wenn s' uns a Weil nit hört, und wenn ich fort bin, können Sie's ja wieder einbringen, aber bis dahin leid ich's nit.

SCHALANTER.

Du willst's nit leiden? Ja, wer is denn eigentlich der Herr da zwischen dö vier Mäuern, ich frag, wer?

MARTIN.
Na, fangen S' etwa gar mit mir an!
SCHALANTER.

Mit dir? Fallet mir ein! Sein wir uns gleich? Darfst du dir a Antwort gegen mich herausnehmen? Wär schön! Mit dir hab ich, Gott sei Dank, noch anzschaffen! Streiten werd ich mich mit dir! Wer bist denn du gegen meiner, dummer Bub!?

MARTIN
fährt empor, mit zornfunkelnden Augen.
Was habn S' gsagt? Schiebt den Tisch von sich und tritt auf Schalanter zu.
SCHALANTER
zurückweichend.
Na, na – ich hab mich halt vergessen – ich weiß schon, daß man das nit zu dir sagen darf.
MARTIN.
So sagn Sie's a nit, das därf mir niemand sagn! Das hab ich schon vor Jahren nit glitten.

Es klopft.
15. Szene
Fünfzehnte Szene
Schalanter, Martin, Josepha, Herwig.

HERWIG
altes, ärmlich gekleidetes Mütterchen, geht mit einem Stock, tritt durch die Mitte ein.
Guten Abend!

Josepha von links zurück.
SCHALANTER
beiseite.
Ui, die Schwiegermutter!Laut. Guten Abend! Sö entschuldigen schon, ich muß a bissel Luft schöpfen.

Geht durch die Mitte ab.
HERWIG.

Lassen S' Ihnen nit abhalten – ich komm nur wegen die Kinder. Geht nach vorne. Grüß eng Gott! Droht [232] Martin mit dem Finger. Dich hab ich bis in die Kuchel hinaus schreien ghört, Gifthahn!


Josepha setzt einen Stuhl in die Mitte der Bühne.
HERWIG.

Ich dank dir, Pepi. Setzt sich. So, da habts wieder die Alte, und jetzt laßts mit euch reden. – Wie's noch klein warts, da bin ich da im Haus gwesen und hab euch aufwachsen gsehn. Wenn fremde Leut alle Unarten von die Kinder lieb finden, so ist das eine Gustosachen, wenn's aber die eigenen Eltern tun, so ist das a Malör. – Es war a Malör. – Man hat von euch so wenig wie von andere Kinder sagen können, daß's ös amal schön und gscheit werden müßts, aber ös all zwei seids aufzogn wordn – Deutet auf Josepha. –, du als die Schönste – Auf Martin weisend. – und der als der Gscheiteste! So is mit eng a Stolz herangewachsen, der gefährlichste, der, der selber nit weiß, auf was und warum. Ich hab gnug dagegn gredt und hätt a nit aufghört damit, bis's eng amal zwider wordn wär und ihr doch danach tan hätts, es is aber früher euern Eltern zwider wordn, und es hat gheißen: »Hörts net auf die Alte!« Na, da hat die Alte ihr Sacherl gnommen und is gangen, reden hätt s' nix sollen und ruhig zuschaun, das war ihr net gegeben. Sie war halt a Großmutter, die Alte. Stampft mit dem Stock bekräftigend auf. Dann bin ich erst wiederkommen – wie ös schon die Kinderschuh vertreten ghabt habts – nachschaun, was aus euch wordn is. Ich hab mir gnug gsehn. Du bist schön wordn, aber noch lang nit die Schönste, und du warst net dumm, aber noch lang nit der Gscheiteste. Dös habts ös a ganz gut verspürt, aber keins hat sich's eingstehn wolln. Zu Josepha. Mit ein ehrlichen Gwerbsmann hättst du dich nit verkünden lassen – wohl aber ausrichten mit ein Hausherrnssohn. Zu Martin. Und du bist gleich blindwütig über jeden hergfalln, der nur mit ein Wörtel den großen Herrn beleidingt hat, der du ganz einwendig vor dir selber warst. Der nämliche Stolz, von dem ich vorhin gredt hab, hat das eine von euch zum Leichtsinn, das andere zum Jähzorn [233] bracht. Dich, Pepi, hab ich damals gleich 's erste Mal gwarnt: »Laß dich auf die Landpartien nit ein, bleib brav!« Und 'm Martin hab ich gsagt: »Die Leut wissen ja weiter nix von dir, als daß du nebenher ein Wirtshausbruder und ein Raufhansl bist, und da drauf brauchst dir just nit viel einzbilden, überheb dich net!« Aber da hat's wieder gheißen: »Hörts nit auf die Alte!« – Na, und so habn wir sich halt in euere Kindertägn öfter gredt, spätere Zeit weniger, und dasmal dürft wohl 's letzte Mal sein! Ich bin kommen, weil ich ghört hab, daß s' dich zum Militär nehmen und – Zu Josepha. – daß zwischen dir und 'm jungen Stolzenthaler alles vorbei is.

MARTIN.
Also doch einmal? Gschieht dir recht!
HERWIG.

Sei nit schadenfroh, Martin. – Ich komm, weil ich's für mein Pflicht halt, ich komm – und wenn's auch gleich wieder heißt: »Hörts nit auf die Alte« –, um euch zu sagen: Kinder, es is jetzt Gelegenheit und die höchste Zeit, daß's gscheit werdts! Ös habts mir schon viel Sorg gmacht und manche schlaflose Nacht kost, ös wißts ja nit, was der Leichtsinn und der Jähzorn aus ein Menschen machen können! Sie erhebt sich. Ich bitt euch mit aufghobenen Händen, daß ich mir noch Guts von euch auf der Welt erhoffen kann, werdts gscheit! Tritt zu Josepha. Schau, Pepi, mein liebs Kind, du bist jetzt wieder frei ledig. Du warst jung, so viel jung und unbehüt – viel schlimmer noch – ich will's nit bereden –, laß dich jetzt auf kein so zweites Stückl ein, das eine verzeiht man dir, wann's dein einzigs bleibt, nach ein zweiten möcht man sich schon besinnen, weil man fürcht, das Verzeihen und die Leichtfertigkeit könnten fortdauern, daß kein Herrgott für a End stünd und du selber nit. Sei gscheit, und wie damal sag ich dir: bleib brav! Wendet sich an Martin. Und du, Martin, mein liebs Enkelkind, du kommst jetzt unter lauter fremde Leut, zum Militär, und da tragt man zwar Handschuh, aber nur zur Paradi, hab ich mir sagen lassen, und für gwöhnlich faßt mer kein mit zarte Händ [234] an. Denk, wohin dich der Zornteufel bringen könnt, wenn du dich für besser halten möchst als die andern! Du hast's nit Ursach. Schau, wie dich dein Vater vorhin hat ein dummen Bubn gheißen, meinst wirklich, damit beweist man, daß man a Mann und gscheit wär, wenn man herumschreit wie a Wildling!? Drum sei gscheit, Martin, wie damal sag ich dir: Überheb dich nit! Alle sind unterdem etwas nach rückwärts gekommen, sie trippelt nach der Tür, wo ein Weihwassergefäß hängt, sie macht Josepha das Zeichen des Kreuzes auf die Stirne. So, Pepi! Sie geht zu Martin. Bei dir reich ich nit so hoch. Sie macht ihm das Kreuzeszeichen auf die Brust. So! Und jetzt bhüt euch Gott! Seids gscheit, Kinder – seids gscheit!


Ab durch die Mitte.
MARTIN
langsam vorkommend.
Du, Pepi!
JOSEPHA.
Ja!
MARTIN.
Ich weiß nit, ob's gut war, daß die Großmutter von uns Kindern fortkommen is!
16. Szene
Sechzehnte Szene
Martin, Josepha, durch die Mitte treten Schalanter und Barbara ein, welche Weinflaschen und Schüsseln mit Speisen tragen.

SCHALANTER.
Mir sein da! Die Predigt habts überstanden, jetzt könnts euch drauf stärken.
BARBARA
ordnet Geschirr und Gläser auf dem Tische.
Ich weiß ja, wie die Mutter is, nach der müßt das Madl so heilig tun wie a Klosterfrau.
SCHALANTER
füllt die Gläser.

Und der Martin wie a Kartauser und Duckmauser. Mein Gott, 's is a alts Weib, das sich in der heutigen Welt gar nimmer auskennt.

SCHALANTER UND BARBARA.
Hörts nit auf die Alte!

Martin und Josepha sehen sich an und müssen lachen.
SCHALANTER.

Ös brauchts niemand zu gfallen als euern Eltern. Laßts euch nit irr machen! Zu Martin. Du bist allweil wer, a wenn d' nix bist, noch allweil mehr als die andern! Auf Josepha. Und wenn die will, kann s' heut noch [235] a Volkssängerin werdn, a Stimm braucht s' nit, nur um die Text handelt sich's und um a Erfahrung, daß man s' zur Geltung bringt. – Angstoßen, daß ma a Freud an unsern Kindern erlebn! Singt. Hoch solln sie leben, hoch solln sie leben, dreimal hoch!


Das Orchester nimmt die Melodie auf. Alle stimmen ein und stoßen an. Das Glas Martins bricht in Scherben. Der Vorhang fällt rasch. Das Orchester bringt den schrillen Klang des zerspringenden Glases und knüpft daran gleich die Zwischenaktsmusik.

2. Akt

1. Szene
Erste Szene
Schön, Anna und Eduard kommen von rechts.

ANNA.
Das muß die Stolzenthalerische Villa sein!
SCHÖN.
Ja, der Beschreibung nach, denk ich schon selber.
ANNA.
Wie schön 's da is! Na, da hat er halt doch recht ghabt, unser hochwürdiger Herr Sohn.
SCHÖN
brummend.
Unser hochwürdiger Herr Sohn. Unser Bub is unser Eduard.
ANNA.

Das sind keine Ausdrück, einem hochwürdigen Herrn gegenüber. Zu Eduard. Das mußt du deinem Vater untersagn.

SCHÖN.

Untersagn? Das tät ich mir ausbitten. Möcht wissen, ob er das amal von seine Kinder leidt? Ja so, nun, nix für ungut, Eduard.

ANNA.
Aber ich leid es einmal nit, schon der Leut wegen.
[236]
SCHÖN.
Wo sein denn da ein?
EDUARD.

Aber, herzliebe Eltern, wie mögt ihr euch um so was streiten!? Der einzige Grund, der mich's bereuen ließe, daß ich diesen Stand gewählt, wäre ja der, wenn ihr über das Kleid euer Kind vergessen könntet.

SCHÖN.
Ah, dös is a Red! Da hörst es.
ANNA.
Weil er zu nachsichtig ist.
SCHÖN
auflachend.
Hahaha!
EDUARD
ebenfalls lachend.
Aber, Mutter!
ANNA
beleidigt.

Na ja – na – das hat man davon, wenn man sich für deine Ehr annimmt. – Ich bitt, nimmt das Glachter nit bald a End?

SCHÖN
zu Eduard.

Da muß man schon nachgebn, es geht nit anders. Zu Anna. Also, worin hat er denn recht ghabt, unser hochwürdiger Herr Sohn?

ANNA.

Siehst es, wie schön sich das macht, wenn du so sagst?! – Unser hochwürdiger Herr Sohn hat recht ghabt, daß er der Frau Stolzenthaler – wie s' no a Fräuln war – gsagt hat, sie soll gehorchen und ihr Glück Gott anheimstellen – ja. Net von dö Stadthäuser und dem wunderlieben Landgut red ich – aber jetzt, wo das Kinderl auf der Welt is, wird sie schon selber einsehn, daß auch das Glück da is!

SCHÖN.
Wir wollen's hoffen!
ANNA.

Schaun wir jetzt a bisserl hinein. Geht an das Tor, zieht an der Klingelschnur; eine helltönende Hausglocke läutet. Hörst, das is ein anderer Ton als von unserer Hausglocke; die hört man schon schwer vor lauter Alter.

SCHÖN.
Ja freilich hörn wir s' schon schwer vor lauter Alter, aber dran is die Glocken nit schuld, hehe!
2. Szene
Zweite Szene
Vorige. Beller.

BELLER
erscheint hinter dem Gitter; er trägt einen Rechen über der Schulter.
No?!
ANNA.
Sein S' so gut – –
[237]
BELLER.
Is eh offen!
ANNA.
Das is doch die Stolzenthalerische Villa?
BELLER.
Ja!
ANNA.
Is die gnädige Frau z' Haus?
BELLER.
Na!
ANNA.
Vielleicht der gnä Herr?
BELLER.
Na!
ANNA.
Wer denn nachher?
BELLER.
I!
ANNA.

Dann sein S' so gut und richten S' a Empfehlung von uns aus; sagen S' nur, von de alten Schönischen, und es is uns auftragn wordn, ein Besuch von der gnädigen Frau ihren Herrn Eltern anzsagen, sie kommen heut heraus. Verstehen S'?

BELLER.
Ja!
ANNA.
Net vergessen!
BELLER.
Na!
ANNA.
A Empfehlung von uns – und die Herrn Eltern kommen heut –
BELLER.
Wollen S' noch was?
ANNA.
Nein!
BELLER.
Adjes! Verschwindet hinter dem Gitter.
3. Szene
Dritte Szene
Vorige ohne Beller, hierauf von rechts Schalanter und Martin letzterer in Infanterie-Uniform.

SCHÖN.
Schad, daß er schon gangen is, er redt zwar nit viel, aber recht a freundlicher Mensch!
ANNA.
Na da gehn wir auch. Tut mir leid. Das Kinderl hätt ich so viel gern gsehn.
SCHALANTER.
Schamer Diener!
MARTIN
bietet Eduard die Hand.
Ah, grüß dich Gott, Eduard!
EDUARD.
Grüß Gott, Martin!
MARTIN.
Na, wie geht's dir denn in dem Gwand?
[238]
EDUARD.
Ich bin zufrieden.
MARTIN.

No, is recht, ich könnt das von meiner Kluft net sagen. Na, es gfreut mich, daß ich dich doch amal troffen hab und daß du net zu stolz bist, mir d' Hand zu geben. Ausgwichen bist mir eh, wo du können hast. Is net schön, grad auf dich hab ich 's meiste ghalten von meine Schulkameraden. Hast mir wehtan damit.

EDUARD.
Martin, es ist schwer, mit dir umzugehen, besonders wenn du meinen Stand bedenkst.
MARTIN.

Na ja, dafür, daß ich nix bin, bin ich dir halt z' laut, gelt? Du hast gstudiert und gute Zeugniß, aber, mein Lieber, wenn man a nit gstudiert is und keine Zeugniß aufzuweisen hat, so bleibt mer doch a Mensch! Manchem taugt halt das Büffeln und scheuche Wesen net, daß mer aber a ohne Zeugniß wer sein kann, das werd ich noch beweisen.

EDUARD.
Martin, was stellst du dir denn eigentlich unter einem solchen Beweis vor?
MARTIN.

Ah, dös is gut, das fragst mich jetzt? Da wird sich schon a Gelegenheit schicken, das muß von selber kommen.

EDUARD.
Ich wünschte nur, es käme bald.
ANNA.
Aber gehn wir, Kinder, gehn wir!
SCHALANTER.

Na, na, is's denn gar so eilig? Warten S' noch a wengerl, so kommt mein Weib nach und unser Madl, dös sich fürn heutigen Tag frei gmacht hat, vielleicht bringen s' noch a paar lustige Geister mit, und dann könnten wir miteinander ...

ANNA.
Wir danken recht schön, aber wir können net bleiben, wir müssen gehn.
SCHALANTER.
Bitt, wie's gefällig is. Ergebener Diener! Küß die Hand, Hochwürden!
SCHÖN.
Bhüt Gott!
MARTIN.
Servus, Eduard!
EDUARD.
Leb wohl!

Schön, Anna und Eduard links ab.

[239]
4. Szene
Vierte Szene
Schalanter und Martin.

SCHALANTER.

Seit der Hausmeisterbub in der Kutten steckt, wissen sich die Alten vor Stolz gar nimmer aus! Hast schon recht ghabt, daß d' ihm das gsagt hast vom Studiern und von die Zeugniß.

MARTIN.

Aber, Vater, jetzt lassen S' mit Ihnen reden. Aus dem, was S' im Hergehn gsagt habn, bin ich mir nit gscheit wordn. Was is eigentlich mit Ihnern Gschäft?

SCHALANTER.

No, nix is's. Aufgebn hab ich's. Seit 'm letzten Zins ist 's Gwölb gsperrt. Erst is mer der Lehrbub von seine Eltern weggholt wordn – die dummen Leut habn gsagt, er lernet bei mir nix. So gut trifft er's gar nirgends mehr! Wer weiß, wo er sich jetzt überarbeiten muß! Na, und dann habn wir den Gselln weggebn.

MARTIN.
'n Johann?
SCHALANTER.
Ja, und weil uns keiner mehr hat einstehn wolln, so hat sich die Gschicht von selber aufghört.
MARTIN.
Aber warum habn S' denn 'n Johann weggebn, der für alle Arbeit alleinig aufkommen is?
SCHALANTER.

Na ja, das hab ich selber allweil gsagt, daß er arbeit wie a Vieh, aber auf einmal – bald danach, wie die Pepi und der Stolzenthaler auseinander waren – fangt er an, gleich um die Hälfte weniger zu arbeiten; no, ich hab da kein Arg ghabt, und von mir aus hätt er's a mit der Hälfte richten können, aber dein Mutter hat mir gleich in derer Sach a Licht aufgsteckt. Der Mensch wär dir in das Madel ganz verschameriert gwesen, und dö hätt a schon angfangt, sentimentalisch z' werdn. D' Mutter hat die Pepi gleich zsammpackt und in eine lustige Gsellschaft bracht, und ich hab 'n Herrn Johann expediert.

MARTIN.
So? Und von was lebts denn ös jetzt?
SCHALANTER.

Na, weißt, wie der Michel und der Johann amal fort waren, da habn wir auch den Dienstboten weggebn, es sein da a Menge Nester leer gstanden, auf die [240] haben wir Bettgeher aufgnommen, mitunter findt sich doch so a Kleinigkeit zum Drechseln, da stell ich mich halt dazu, und fürs andre muß die Alte sorgn.

MARTIN.
Die Mutter? Ja, woher nimmt's denn die?
SCHALANTER.
Was weiß ich? 's Madl hat, glaub ich, so ein guten Verdienst.
MARTIN.
Was denn für ein?
SCHALANTER.
Wie ich hör, in ein Kaffeeschank.
MARTIN.
In ein Kaffeeschank? Na, auf dös Madl dürfts euch net viel einbilden, dö macht euch kein Ehr!
SCHALANTER
eifrig.
Ja, mein lieber Martin, mit den nämlichen Worten hab ich das schon mein Weib gsagt.
MARTIN
hat nach rechts gesehen.
Sö, Vater, da kommt einer, dem ich net gern begegnen möcht.
SCHALANTER.
Der Soldat?
MARTIN.

Ja – und allweil mitn Büchel in der Hand, der Fadian! Mein Feldwebel is's, über den ich euch schon oft klagt hab wegen seiner Seckatur beim Exerziern und seine Rapport, dö mir ein Straf um die andere einbracht und mein ganze Konduit verschandelt haben. Gehn wir auf d' Seit, bis er sich wieder verloren hat. Tät mir leid, wenn ich vor dem Kerl die Hand zum Gruß heben müßt.

SCHALANTER.
Wird a noch a Zeit kommen, wo er's gegen dich wohlfeiler gibt. Wird schon noch werdn.

Beide sind unterdem hinter das Gebüsch rechts getreten.
5. Szene
Fünfte Szene
A tempo treten auf von links Hedwig, hinter ihr Resi, mit einem Kinde im Deckchen auf dem Arme – von rechts Frey, in die Lektüre eines Buches vertieft; er trägt eine gleiche Uniform wie Martin, aber mit den Distinktionszeichen eines Feldwebels.
Gerade wie Hedwig am Gittertore anlangt, tritt Frey vor dasselbe.

FREY
nur halb aufblickend, bemerkt, daß er einer Dame den Weg verstelle.
Entschuldigen! Tritt zurück. Bitte!
HEDWIG.
Herr Frey!
[241]
FREY
läßt die Hand mit dem Buche sinken.
Oh, Sie sind's, gnädige Frau?
HEDWIG.
Wollten Sie zu uns?
FREY
kopfschüttelnd.
Man sucht nicht, was man zu meiden hat.
HEDWIG.
Es wird ein Jahr her sein, seit wir uns nicht gesehen. Wie geht es Ihnen?
FREY.
Danke, leidlich.
HEDWIG.
Leidlich. Kleine Pause. Sie fragen nicht, wie es mir ergeht?
FREY
sie anblickend.
Nein!
HEDWIG.

Sie haben recht. Ich bin ja die reichste Frau vom Grund! Wie kann ich mich anders fühlen als glücklich? Ich bin auch Mutter geworden. Resi, komm her!


Das Dienstmädchen tritt heran. Hedwig schlägt den Schleier des Kindes zurück.
FREY.
Es ist ein sehr – sehr zartes Kind und etwas – bleich.
HEDWIG
den Schleier wieder überbreitend, herb.
Krank! Zu Resi, indem sie ihr das Gittertor öffnet. Trag es ins Haus und lege es in die Wiege.

Resi mit dem Kinde durch das Gittertor ab.
HEDWIG.

Sie haben es gesehen, das kleine, arme Ding! Man sagte mir, sein Vater habe zuviel gelebt, als daß für das Kind etwas überbliebe; es wird hinsiechen, wochen-, vielleicht monatelang, aber es wird nicht fortkommen. Sie drückt ihr Taschentuch an die Augen. Oh, Sie sehen, ich bin recht glücklich! Ihnen muß es zur Genugtuung gereichen, daß Sie mich in solcher Lage finden.

FREY
schmerzlich.
O gnädige Frau!
HEDWIG.
Sie haben es mir ja vorher gesagt.
FREY.
Lassen Sie das Vergangene vergangen sein!
HEDWIG.
Ich will's, ich will sogar das Letzte weggeben, das mich daran erinnern kann, Ihre Briefe.
FREY
erschreckt.
Sie haben sie noch?
HEDWIG.
Ich hatte nicht das Herz, sie zu vernichten.
[242]
FREY.
Und ich habe Sie doch gebeten, gnädige Frau. Ich machte noch aufmerksam – –
HEDWIG.

Ich weiß, aber es geschah mir immer leid darum. Es ist mir lieb, daß ich Sie so zufällig treffe. Wollen Sie diese Briefe zu sich nehmen und zu denen von meiner Hand legen?

FREY.
Wenn Sie es wünschen. Aber wie wollen Sie mir dieselben zukommen lassen?
HEDWIG
deutet nach links.

Wenn Sie diesen Weg verfolgen, so finden Sie ziemlich außerhalb des Ortes, schon anfangs der Au, ein kleines Gasthaus. Die Tische stehen im Freien, und wenn Sie sich dort aufhalten wollen, so suche ich Gelegenheit, gegen Abend vorüberzugehen und Ihnen das Päckchen unauffällig einzuhändigen.

FREY.
Ich werde dort sein.

Beide wenden sich zum Gehen.
HEDWIG.
Gewiß?
FREY.
Gewiß!

Hedwig bleibt in der Gartentüre stehen, Frey an der Kulisse links, um einander nachzusehen, dabei begegnen sich ihre Blicke, sie stehen einen Augenblick in gegenseitiges Anschauen versunken, dann zieht Hedwig leise das Gitter hinter sich zu, und Frey entfernt sich; sobald beide nicht mehr sichtbar sind, treten Schalanter und Martin aus dem
Busch.
6. Szene
Sechste Szene
Schalanter und Martin.

SCHALANTER
pfiffig.
Martin!
MARTIN.
Was?
SCHALANTER.
Hast aufpaßt?
MARTIN.
Na ja.
SCHALANTER.

Schau amal so was! Is die Frau von Stolzenthaler gar a ehmalige Flamme vom Herrn Feldwebel, und bei all zwei, scheint mir, gloost's noch a bissel. No, is mir lieb, daß ich das weiß!

[243]
MARTIN.
Dös kann einm doch ganz gleich sein.
SCHALANTER.

Dös verstehst du nit, mein Lieber. Da laßt sich a Brandl schürn. Ich bleib jetzt da, bis ich 'n Stolzenthaler zu Gsicht krieg.

MARTIN.
Ös werdt's ihm doch nit sagen wollen?
SCHALANTER.
Natürlich.
MARTIN.
Wegn 'm Feldwebel is mir gwiß net, aber warum soll man gegen die Frau so sein?
SCHALANTER.

Ich bitt dich gar schön, sorg dich um dö nit, dö wird sich akrat wie dö anderen Weiber z' helfen wissen! Lügn und – wo dös nimmer hilft – weinen, das trifft s' wohl auch! D' Hauptsach is, daß's für uns a Geld und a Hetz gibt. Der Stolzenthaler laßt gwiß was aus, ob dafür, daß man gredt hat, oder daß man nix weitersagn soll, dös is egal! Den Herrn Feldwebel aber, den lassen wir sitzen und warten, solang uns gfällig is, dann schaun wir uns ihn an, jagn ihm erst durch a paar Wörteln ein heilsamen Schrocken ein, und wenn wir so mitten im gmütlichen Dischkurs drin sein, dann wolln wir a fragn, was er eigentlich gegen dich hat.

MARTIN.
Auf dös wär ich selber neugierig.
7. Szene
Siebente Szene
Vorige. Stolzenthaler und Höller von rechts.

HÖLLER
kleines, trotz großer Beleibtheit sehr bewegliches Männchen.

Er spricht nicht, sondern schreit, obwohl es ihm wegen Atemnot Beschwer macht. Man hört ihn schon hinter der Szene. Alsdann heim auf a paar Stund – als solider Familienvater – haha – natürlich – aber dann treff mer sich wieder unten in dem Landkaffeehaus – in dem Schandkaffeehaus – wo s' a Nudelbrett für a Billard ausgebn! Haha!

STOLZENTHALER.
Ich werd schon kommen.
HÖLLER.

's halt dich eh nit lang z' Haus, haha – kommt dir eh schwer gnug an – 'n gsetzten Ehegatten z' spieln. Haha!

[244]
STOLZENTHALER.

Na ja, mer is halt nimmer frei, und dö Meinige, obwohl s' um ein Kopf kleiner ist, will mir doch immer über d' Achsel schaun.

HÖLLER.
So duck s' halt abi zu derer Bas – wo s' d' rechte Höhen für dich hat. Haha.
STOLZENTHALER.

Wär schon recht. Aber pack an, wann d' dich traust! Was wahr is, muß mer sagn: das Weib hat amal so was Nobles in ihr. Taugt mir zwar gar nit, aber was will man machen? Na, jetzt schau ich hnein. Servus!

HÖLLER.
Servus! Schießt ab, noch hinter der Szene. Alsdann im Kaffeehaus! Net vergessen!
SCHALANTER
hat Stolzenthaler den Weg vertreten, zieht den Hut.
Ich küß d' Hand, Herr von Stolzenthaler!
STOLZENTHALER.
Ah, der Schalanter! Und is dös net der Martin?
MARTIN
salutiert.
Ergebner Diener!
STOLZENTHALER.

A schon a paar Schlachten auf der Schmelz gwonnen, was? Zu Schalanter. So habn ausgdrechselt, wie ich hör?

SCHALANTER.

Mein Gott, a bissel a Arbeit reicht nit hin, und viel is net da. Mir klein Gewerbsleut sein eh aufs Betteln angwiesen, is gscheiter, man entschließt sich gleich dazu.

STOLZENTHALER.
Freilich, wenn eng wer was gibt. – Was macht denn die Pepi?
SCHALANTER.

Was soll s' denn machen, das arme Madl? Ah, es is traurig, wenn man sieht, wie's auf der Welt zugeht. Vertraulich näherrückend. Herr von Stolzenthaler, der waren Sie ihr erster, und es kommt auch keiner, über den s' Ihnen vergessen wird.

STOLZENTHALER.
Dös glaub ich schon.
SCHALANTER.

Der habn S' alles golten und gelten alles, das is aber leider nit bei alle der Fall, mit denen Sie umgangen sein und noch umgehen, Herr von Stolzenthaler! – Alle Achtung vor Ihnerer Frau Gemahlin ...

[245]
STOLZENTHALER
drohend.
Sö! Setzen S' a bissel aus, über mein Weib wird nix gredt.
MARTIN
halblaut zu Schalanter.
Müssen S' denn gleich mit der Tür ins Haus fallen?
SCHALANTER
ebenso.
Wir habn kein Zeit, lang herumzschneiden.
STOLZENTHALER.
Ich bitt mir's aus, weil amal so a dalkete Red anghobn hat, was is's mit meiner Frau?
SCHALANTER.

No, keine fünf Minuten is's her, da hat s' da an der Gartentür mit ein saubern Feldwebel gredt. Wir kennen ihn, es is mein Sohn sein Feldwebel.

MARTIN.
Robert Frey heißt er.
STOLZENTHALER.
Mit ein Feldwebel? Wann's noch a Generalstäbler gwesen wär!
SCHALANTER.
Aber aus denen Reden is hervorgangen, daß sie sich schon von früher her kennen.
STOLZENTHALER.

Daß einer a Frauenzimmer anschmacht, das kann man keinm verbieten, aber dann bin ich kommen, und wie ich kommen bin, war ich da!

SCHALANTER.
Heut gegen Abend sollten S' die Gnädige doch nit ausgehn lassen.
STOLZENTHALER.
Warum?
SCHALANTER
deutet nach links.
Es soll da a Wirtshaus in der Au liegn, da will s' mit ihm zsammkommen.
STOLZENTHALER.
Das is a Lug, und a breitmächtige noch dazu, dafür kenn ich mein Weib z' gut.
SCHALANTER.

Ich sag ja nit, daß s' was Unehrenhafts vorhat! Brief habn sich halt die zwei amal gschriebn, und da will s' ihm die sein heimlich zruckgebn.

STOLZENTHALER
für sich.

Brief –?? Und dö wärn nit gleich verbrennt wordn, wie ich nur ein Fuß in ihr Haus gsetzt hab? Dö hätt sie noch in Händen?Plötzlich sich gegen Schalanter wendend. Wenn Sie in derer Sach so a ehrlichs Gwissen habn, daß Sie sich morgen früh noch zu mir traun, so können S' kommen. Verstanden? Der Stolzenthaler verlangt gar nix umsonst, er zahlt a für 'n Beweis, [246] daß er nit recht gscheit war. – Bhüt Gott! – Jetzt wolln wir der Gnädigen zeigen, daß wir doch nit so dumm sein!


Ab durch das Gittertor.
SCHALANTER
ihm nachrufend.

Ich küß d' Hand, Euer Gnaden! Morgen fruh werd ich so frei sein!Kommt vor. Na, was hab ich gsagt? Deutet aufs Landhaus. Heut mag's dir da drin a bissel lustig werdn!


Hinter der Szene wird auf einer Ziehharmonika mit Gitarrebegleitung ein Marsch gespielt.
SCHALANTER.
Hallo, das sein die Unsrigen!
8. Szene
Achte Szene
Schalanter, Martin. – Es treten auf von rechts, allen voran: Stötzl, der die Ziehharmonika spielt, hinter ihm Katscher. – Beide halbreife Bürschchen. – Letzterer führt Josepha am Arme, zuletzt Barbara an der Seite Sedlbergers, eines verlebten jungen Menschen, der eine Gitarre an einem breiten Bande umhängen hat. – Die Musik verstummt nach ihrem Auftreten.

BARBARA.
Na, da treffn mer s' endlich. Is das a Weg bis da herauf!
STÖTZL UND KATSCHER.
Ergebener Diener, Herr von Schalanter!
SCHALANTER.
Guten Tag!

Sedlberger hat nur stumm gegrüßt.
JOSEPHA
tritt zu Martin.
Grüß dich Gott, Martin.
STÖTZL
indem er Katscher die Harmonika aufdrängen will.
Hernach spiel du, ich will a amal d' Fräuln Pepi am Arm führn.
KATSCHER.
Fallt mer ein! Wirst ja zahlt!
JOSEPHA
auf Martins Uniformkragen zeigend.
No, noch nix da? Kein Sterndl?
MARTIN.
Laß's gut sein, ich bring's im Awanschman doch nie so weit wie du in der Degradation!
SCHALANTER.

Na, na, nur nit streiten. Kinder, nur kein Streit heut. Zu Barbara. Waberl, just hab ich a Gschäft gmacht, 'n Stolzenthaler hab ich ein Floh ins Ohr gsetzt, [247] schon a ganzs Flöhtheater; morgen hol ich mir 's Geld für dö Produktion – und heut abend habn wir wo ein einsamen Spatzen sitzen, mit dem's a Hetz gibt. 's Volk lebt! Vorwärts, daß wir kein Zeit verliern! Hollo!


Der Marsch wird wieder gespielt, und indem sich alle zum Abgeben in Bewegung setzen, fällt der Zwischenvorhang.

Verwandlung
Ein Eckzimmer im Stolzenthalerschen Landhause. In der Wand rückwärts zwei Fenster, ebenso in der linksseitigen; die rechtsseitige hat zwei Türen. Zwischen den Fenstern an der linken Seite hängt ein Spiegel über einem Trumeaukasten. Vorne in der Ecke links steht eine Wiege und Mitte der Bühne – jedoch mit Spielraum davor – ein Tisch, auf diesem liegen etliche Zeitungen und daneben ein aufgeklapptes Taschenmesser.
9. Szene
Neunte Szene
Stolzenthaler und Hedwig.

STOLZENTHALER
sitzt, eine Zeitung in der Hand haltend, knapp vor dem Trumeaukasten.
Also deine Eltern kommen heut?
HEDWIG.
Die alte Schön hat die Post dagelassen.
STOLZENTHALER.
Na, is recht.
HEDWIG
sieht auf ihre Taschenuhr.
Du gehst sonst um diese Zeit ins Kaffeehaus.
STOLZENTHALER.
Ja, aber wenn ich einmal wegbleib, versäum ich auch nix.
HEDWIG.
Warum liest du die Zeitungen nicht auf deinem Zimmer?
STOLZENTHALER.
Ich seh da akrat so gut, warum soll ich s' denn auf mein Zimmer lesen?
HEDWIG.
Ich bin's nicht gewöhnt, daß du mir da im Wege herumsitzst.
STOLZENTHALER.

Das is gut! Bin ich außerm Haus, so heißt's, ich wär kein guter Familienvater; bleib ich aber [248] amal daheim bei meiner Familie, so ist's a wieder nit recht.

HEDWIG.
Dagegen habe ich ja nichts. Aber mußt du gerade vor dem Spiegel sitzen?
STOLZENTHALER.
Ich genier dich doch nit, und wozu brauchst du 'n Spiegel? Bist ja eh schön.
HEDWIG.
Sehr galant! Aber ich möcht mich ein wenig zurechtmachen.
STOLZENTHALER.
Gehst du aus?
HEDWIG.
Ja!
STOLZENTHALER.
So? Wohin denn?
HEDWIG.
Ich werde meinen Eltern eine Strecke entgegengehen, und dann fahre ich mit ihnen im Wagen zurück.
STOLZENTHALER.
Bist a gute Tochter.
HEDWIG
ist ganz nahe an den Spiegel getreten, um Stolzenthaler zu verdrängen.
Meinst du nicht, daß zu dieser Frisur eine lebende Rose gut stünde?
STOLZENTHALER.
Freilich.
HEDWIG.
Du könntest dich nützlich machen und mir eine aus dem Garten holen.
STOLZENTHALER.
Da bringt dir wohl der Gärtner a schönere, als ich zu finden wüßt.
HEDWIG
beißt sich in die Lippen und tritt zurück.
Du bist sehr bequem.
STOLZENTHALER
für sich.
Da is schad, mich bringst net weg.
HEDWIG.
Laß mich wenigstens meinen Hut nehmen.
STOLZENTHALER
öffnet den Schrank.
O bitte, den kann ich dir auch herausreichen.
HEDWIG.
Zerknittere ihn nicht.
STOLZENTHALER
gibt ihr den Hut.
Da, ist gar nix daran geschehn.
HEDWIG.
Danke!
STOLZENTHALER
als ob er sich anschickte, den Kasten wieder zu schließen.
Was hast du denn da für eine Schatulln, Hedwig?
[249]
HEDWIG.
Du kennst sie ja – mein Schmuckkästchen.
STOLZENTHALER
nimmt es heraus.

Richtig, die Schmuckschatulln: Ja so, du willst 'n Hut aufsetzen? Steht auf und geht mit dem Kästchen nach dem Tische, wiegt es in den Händen. Na, da drin hast schon hübsch was beisamm. Darf ma nit hneinschaun?

HEDWIG
stellt sich unbefangen, folgt aber ängstlich allen seinen Bewegungen.
Der Schlüssel wird ja stecken.
STOLZENTHALER.
Nein!
HEDWIG.
Dann weiß ich nicht, wo er ist, und nehme mir jetzt auch keine Zeit, ihn zu suchen.
STOLZENTHALER
steht an der rechten Seite des Tisches, hält das Kästchen in der linken Hand und nimmt mit der Rechten das Messer von der Platte.
Ich bring's auch ohne Schlüssel auf!
HEDWIG
stürzt hinzu und faßt das Kästchen mit beiden Händen an.
Aufbrechen laß ich's nicht!
STOLZENTHALER
sieht sie groß an.

Na, na, du stürzt ja her wie eine Löwin, der man ihr Jungs raubt. Man könnt meinen, weiß Gott, was da drin is.

HEDWIG
läßt die Hände sinken.
Es ist mein Eigentum, ich lasse es mir nicht ruinieren.
STOLZENTHALER.

Bagatell, wegen dem Schlösserl. Hat sich rasch zur Seite gewendet und das Kästchen aufgebrochen. Offen is's! Stellt es auf den Tisch und nimmt einzelne Schmuckgegenstände heraus, die er auf die Platte streut. Na also, die Herrlichkeiten!

HEDWIG
greift ebenfalls hinein und nimmt mit zitternden Händen einiges wie spielend heraus.

Deinen Zerstörungstrieb hast du befriedigt, und wenn deine Neugierde gestillt sein wird, so sei so gut und verlaß mich, geärgert hast du mich ja genug.

STOLZENTHALER.

Gleich sein wir am Grund! Er stürzt das Kästchen um und schüttelt es zwischen beiden Händen, triumphierend. Haha, da is ja noch was drin, in einm geheimen Fachel!

[250]
HEDWIG
entsetzt, beide Hände vor die Stirne schlagend.
August!

Stolzenthaler zerschmettert die Schatulle an der Tischkante.
HEDWIG
sinkt in einen Stuhl, links, nahe der Wiege.
Das ist eine Gemeinheit!
STOLZENTHALER
hat aus den Trümmern ein Päckchen Briefe aufgelesen, dieselben emporhaltend.

Ist das auch ein Schmuckgegenstand? Kleine Pause, schreiend. Ist das auch ein Schmuckgegenstand? Ich bitt mir eine Antwort aus!

HEDWIG.
Schreie nicht wie verrückt! Wecke das Kind nicht auf! Mäßige dich!
STOLZENTHALER.

Ich bitt, schaffen S' nur an! Lispeln und säuseln werd ich, wenn mir zum Aus-der- Haut-Fahren is! – Ist das wahr, daß Sie einen Feldwebel in Ihr Herz geschlossen ghabt haben, der Robert Frey heißt und dem Sie heut heimlich diese Briefe haben zruckstellen wolln? Ist das wahr?

HEDWIG.
Wenn Sie es ohnehin wissen, was fragen Sie?
STOLZENTHALER.
Trutzen a noch, statt auf die Knie fallen und um Verzeihung bitten?!
HEDWIG.
Sie haben mir nichts zu verzeihen!
STOLZENTHALER.

Nix?! Schleudert die Briefe auf den Tisch. Das da hab ich zu verzeihen! Wissen Sie, Mardam – das da! – Als aufgeklärter Mensch find ich nix daran, daß man Sie schön gfunden hat, auch an dem Briefwechsel find ich nix, denn bei dö meisten Madln hat in gwissen Jahrn a Süßholzraspler ein Anwert, bis ihnen die Augen aufgehen, wann a Mann kommt, was a Mann is, und der war da ich, der Stolzenthaler – oder ich bin's net gwesen! Denn in solchenen Fällen fliegen so unnötige Papierln stantepede in Ofen, nit, daß man sie aufbehalt, noch viel weniger, daß man sie nach Jahr und Tag dem Schreiber heimlich zruckgibt, daß der Mosjö sich einbilden kann und mer selber auf den Glauben kommt, daß mer noch auf ihn denkt, denn wann noch auf ihn denkt wird, dann bin ich's net gwesen, dann hat den Stolzenthaler – der für sich d' [251] Beste noch z' schlecht halt – a Schlechte zum besten ghalten! Verstanden, Mardam? Dann haben Sie den armen Teufel nur laufenlassen, weil er ein armer Teufel is, und den Stolzenthaler nur gnommen, weil er a Geld hat, und das is eine größere Gemeinheit, eine zehnmal größere Gemeinheit, als Sie mir an den Kopf werfen können.

HEDWIG
kalt.
Lassen Sie sich scheiden!
STOLZENTHALER.

O nein, wir bleiben beisamm, jetzt fangt erst unser Zsammsein recht an. Ich werd Sie koramisieren, daß Ihnen alle Freud darüber vergeht und daß Sie's gwiß hundertmal im Tag bereuen, daß Sie sich zur Frau von Stolzenthaler hinaufgeschwindelt haben!

HEDWIG
fährt vom Sitze empor und auf Stolzenthaler zu.

Wieder?! Sie sagen es noch einmal, ich hätte nach Ihnen verlangt?! – Ah, mein Gott – und wenn Sie sich an mir vergreifen, ich werfe Ihnen die Wahrheit ins Gesicht! – Nicht mein Wille war es, der mich in dieses Haus brachte, denn zu erfahren, was ich hier erfahren mußte, dazu drängt sich kein Weib, das auf sich hält. Sie haben mir meine bescheidene Bildung zu verleiden gesucht. Musik, Lesen, all das schalten Sie langweilig, fade, unnütz. – Sie verlachten mich, wenn mich das Elend anderer rührte; Sie höhnten, weil ich nicht den Ton Ihrer Gesellschaften nachahmen wollte; Sie taten alles, um mir so widerwärtig zu bleiben, wie Sie es mir vom Anfange an waren, als man mich gezwungen, Sie zu nehmen – hören Sie? – gezwungen!

STOLZENTHALER.
Gezwungen? Haha! So redn wir halt jetzt. Gezwungen, den Stolzenthaler zu nehmen?! Daß ich net lach!
HEDWIG.

Auf was pochen Sie nur? Was wollen – was können Sie einem Weibe sein? Sie, der Sie geschaffen sind, jedes elend zu machen! Selbst wenn Sie sich eines vom Schmutze der Straße auflesen, kann es Ihnen nicht dankbar sein. Sie faßt ihn an der Hand und wendet ihn einen Schritt gegen die Wiege. An der Wiege des Kindes – das [252] dort hinsiecht und vergeht, statt zu gedeihen – sage ich Ihnen, so läßt sich kein Weib um sein Mutterglück betrügen! Das trägt keine, die ärmste, die elendeste nicht, nicht um alles Geld!

STOLZENTHALER
herrisch.

Nix mehr über den Punkt. Kleine Pause, dann gedrückt. Wenn deine Eltern kommen, reden wir weiter, jetzt führt's zu nix. Ich geh nunter ans Tor und erwart s'. Die Brief steck ich zu mir. Steckt dieselben in die Brusttasche, geht an die Türe rechts, zunächst der Rampe. Überleg dir's, was du vor deine Leut sagen willst. Ab.

10. Szene
Zehnte Szene
Hedwig, dann Resi.

HEDWIG.

Die Wahrheit – vor ihnen wie vor dir! Ah, daß ich's endlich von der Seele habe! – Nun ist's vorbei, er kann mich nimmer halten wollen, und sie können mich nach dem Vorgefallenen nicht mehr in seinen Händen lassen – ich bin frei, und nichts hält mich mehr da, wo mich nichts bindet. Sie blickt nach der Wiege, tritt hinzu und kniet an derselben nieder. Oh, daß du leben bliebest – wie andere rosig und lächelnd – zänkisch und greinend – wie andere so unausstehlich lieb! Ah, armes Ding, mir läuft ein Schauer über den Rücken bei dem Gedanken, daß ich dich geboren habe. Etwas, nur bestimmt, zu liegen die Tage und Nächte, zu leiden, zu wimmern und zu sterben, ohne gelebt zu haben!Erhebt sich rasch. Wenn sie sich aber auf dich berufen, um mich hier festzubannen –? Ich leugne, daß du ein Kind bist, ich leugne es! Und sie werden mir so kommen, sie werden mich zu bereden suchen, sie werden gegen mich sein, alle! Soll ich sie erwarten? Noch einmal das Opfer eines Versuches werden? Man kann Haß versöhnen, Unrecht vergessen, Sünde verzeihen, aber der Verachtung kann man nicht abhelfen! Das kann man nicht! – Ich muß fort – rasch entschlossen – solang ich noch den Freund in der Nähe habe und ihn zu finden weiß! [253] Sie drückt auf die Glocke, die auf dem Tische steht. Ich will zu ihm – Robert soll mir raten. Welchen Weg er weist, diesmal folg ich ihm unbedingt auf jedem.

RESI
tritt aus der zweiten Tür im Hintergrunde.
Befehlen, gnä Frau?
HEDWIG.
Bleib im nächsten Zimmer, und wenn das Kleine sich rührt, so sieh nach. Geh!

Resi ab, wo sie gekommen.
HEDWIG
hat rechts vom Tische gestanden, tritt nun zur Türe, durch welche Stolzenthaler abgegangen, und schiebt den Riegel vor.

Sie geht hinüber zur Wiege. Sei gut – wo ich auch sein werde, ich lasse dich bald zu mir holen. Mein armes Flämmchen, du sollst bei mir verlöschen. Sie schrickt empor, deckt den Schleier über das Kind. Ein Wagen! – Sie kommen – hinweg! Sie eilt an das Fenster, das im Hintergrunde rechts offensteht, und schwingt sich aus demselben, dabei entfällt ihr das Taschentuch – kleine Pause.

11. Szene
Elfte Szene
Resi, Stolzenthaler, Hutterer und Sidonie.

STOLZENTHALER
von außen, anpochend.
Hedwig! – Mach auf! Wir sind's! Trommelt an der Türe. Aufmachen, sag ich!
RESI
stürzt aus der rückwärtigen Türe.
Jesses, der gnä Herr is hnausgsperrt! Sie öffnet.
STOLZENTHALER.
Wo is die Frau?
RESI.
Grad war d' Gnädige noch da.
STOLZENTHALER
erblickt das Taschentuch am Fenster, stürzt hinzu.
Ah!!
SIDONIE.
Was bedeut denn das?
STOLZENTHALER.
Das bedeut, daß mir mein Weib durchgangen is. Aber –

Will fort.
HUTTERER
hält ihn zurück.
Warten S' a bissel. Zu Resi. Net herumstehn, marsch aufs Dienstbotenzimmer!

Resi ab.
[254]
HUTTERER.

Jetzt, Herr Schwiegersohn, können wir reden. Was da a vorgfalln is, nehmen S' mein Wort, daß mein Kind zu seiner Pflicht zrückkehren wird; aber kein Aufsehn, kein Skandal, das bitt ich mir aus!

STOLZENTHALER.

Ah, Herr von Hutterer, Sie wissen Ihnen ja gewaltig in Respekt z' setzen, da könnt ja am End a wahr sein, was Ihre Tochter sagt! – Wir habn ein Attack ghabt, weil ich dö Brief bei ihr gfunden hab –

SIDONIE.
Jesses, das unvorsichtige Kind!
STOLZENTHALER.
Und sie hat mir gsagt, sie hätt mich nie mögen, zwungen wär s' worden.
HUTTERER.
Unsinn, zugredt hat mer ihr halt, wie Elternpflicht is!
STOLZENTHALER.

Dank schön für d' Auskunft.Großartig. Wenn Sie Ihre Tochter wiedersehen, so sagn S', ich laß s' grüßen, und jetzt willige ich in die Scheidung; aufzwingen tut sich der Stolzenthaler niemand, dös tut er net!

HUTTERER.
Aber, Stolzenthaler ...
STOLZENTHALER
ohne auf ihn zu hören.

So ist's also wahr!? Schlägt die Hände ineinander und ringt sie nach dem Boden, vor Wut weinend. Jesses und Josef, das muß mir gschehn, 'm Stolzenthaler, wo sich Hunderte – was Hunderte? – wo sich Tausende glücklich schätzen wurden, da muß grad ich auf eine treffen, die mein Anwert gar nicht z' schätzen weiß! – Herrgott, jetzt sitzen wir alle da, und kein is recht gschehn. Dö is petschiert samt ihrm Feldwebl, ich bin's aber a! Und wenn ich jetzt gleich eine find, kann ma a jede bereden, daß s' mit ein nach Ungarn abi rennt und unitarisch wird, wann ihr etwa vor derer Prozedur graust!?

SIDONIE.
Anton, ich bitt dich, halt dich net auf, verliern mer kein Zeit, suchn wir das unglückliche Kind!
STOLZENTHALER
schnellt ein paar Schritte nach dem Fenster zu.

Ja, ich bitt, da suchen Sie s', so weit die Au liegt; können lang herumrennen. Viel Vergnügn! Zurück. [255] Ah, Sie können's gar net verantworten, das eigene Kind in Jammer stürzen und noch fremde Leut mitverbandeln, und dös alles, mein lieber alter Herr, dös war so rein unnötig – aber so ganz unnötig!


Wirft sich in einen Stuhl.
HUTTERER
gebeugt.
Es war unnötig! Komm, Sidi!Er faßt seine Frau an der Hand, und sie wenden sich zum Gehen.

3. Akt

1. Szene
Erste Szene
Frey an der linken Ecke des Tisches vorne links, Johann an der rechten Ecke des Tisches vorne rechts, ihm gegenüber sitzt Minna, etwas seitwärts Stille. Berger nimmt – von dem rückwärtigen Tische rechts – ein Damentuch und einen Sonnenschirm auf.

BERGER.
Minna, dein Tuch und dein Schirm.
MINNA
sich erhebend und ihm entgegenhüpfend.
Danke, Papa, ich bin recht froh, daß wir gehen.
FREY
unruhig.
Es ist kaum glaublich, daß sie jetzt noch kommt. Was mag sie abgehalten haben?
BERGER
mit Minna am Arme vortretend.
Herr Stille!
STILLE.
Ja?
BERGER.
Sie haben bezahlt?
STILLE.
Ja!
BERGER.
So kommen Sie, wir gehen.
STILLE
rasch aufstehend.
Ja!
[256]
BERGER.
Das war ein hübscher Tag heute.
STILLE.
Ja!
BERGER.

Ihre Gesellschaft abgerechnet. Sagen Sie mir nur, wie ein Mensch weniger Worte haben kann als ein Papagei?


Geht mit Minna nach rückwärts.
STILLE
nachfolgend.
Hm, ein Papagei sucht sich vermutlich angenehm zu machen. Ich nicht.
BERGER.
Nein – das kann Ihnen niemand nachsagen.

Alle drei hinter dem Zaune nach links ab.
JOHANN
mit hochgerötetem Gesichte, in der linken Hand ein Sacktuch, lockert sich mit der Rechten die Halsbinde.

Ich darf in kein Wirtshaus mehr gehen – nein – der Schmerz in einem trinkt mit, und dann wird's zuviel.

2. Szene
Zweite Szene
Frey, Johann. Von rechts hinter dem Zaun treten auf und kommen durch die Mitte vor Schalanter, Martin, Stötzl, gleich darauf Barbara und Sedlberger. Später aus dem Hause Mostinger und Tonl.

SCHALANTER.

Da wärn wir an Ort und Stell – Verstohlen nach Frey deutend. –, und dort sitzt a unser Mann. – Aber wo bleiben denn die andern? So kommts doch!

BARBARA
noch hinter dem Zaun.
Na, na, da sein wir ja schon.
JOHANN
ist aufgestanden.
Guten Abend, Herr Schalanter!
SCHALANTER.
Ah, guten Abend, Johann! Sein Sö a da? Wie geht's?
JOHANN.
Danke –
SCHALANTER.
Na, das is recht! Heda, Wirtshaus!
BARBARA
ihren Begleiter auf die Achsel dreschend.
Sedlberger, da schaun Sö Ihnen, nachher um, daß ich was Guts krieg!
MOSTINGER
kommt eilig aus dem Hause, der kleine Tonl hängt sich an seine Schürze und läuft nebenher.

Guten Abend – guten Abend wünsch ich!Zu Tonl. Laßt aus, du! Mußt d' übrall dabeisein? Wirst net bei der Mutter [257] in der Kuchel bleibn? Zu den Gästen. Was ist denn gfällig?

SCHALANTER.

Ein Wein, aber a guter, schlechten hab ich heut schon gnug trunken. Bringen S' gleich a paar Flascheln mit, dö für uns ausreichen, wie S' uns da sehn.

MOSTINGER.
Schön, solln zfrieden sein, Euer Gnaden! Verlassen S' Ihnen! Eilig ab ins Haus.

Tonl läuft bis zur Türe mit, bleibt dort zurück, klettert auf die Bank und beginnt an dem Gewehrriemen zu spielen.
SCHALANTER.

Jetzt sein wir erst noch nit vollzählig. Da kann mer sich ja nie aufn Wirt sein Augenmaß verlassen. Wo is denn 's Madl und der Katscher?

BARBARA.
No im Dischkurs. Laß doch 'n jungen Leuten a a Freud. Da kommen s' eh schon.

Josepha und Katscher werden hinter dem Zaune rechts sichtbar.
JOHANN.
Ah, jetzt gibt's mehr ein Stich ins Herz!
3. Szene
Dritte Szene
Vorige ohne Mostinger. Josepha, Katscher, später Mostinger zurück.

BARBARA
droht ihnen mit dem Finger.
Na, seids amal da, ös Schlimmen?
JOSEPHA
läßt Katschers Arm fahren.
Jesses – du mein Gott – wer steht denn da? Der Johann!
JOHANN
linkisch und verlegen.
Ja, ich bitt!
JOSEPHA
gibt ihm die Hand.
Grüß Ihnen Gott! Wie geht's Ihnen denn?
JOHANN
seufzend.
Ach ja!
JOSEPHA.
War dös a Seufzer!
JOHANN.
Ich bitt Sie, das ist jetzt allgemeins Bedürfnis und noch am billigsten.
JOSEPHA.

Und wie Sö ausschaun! Ganz verwahrlost. Gehn S', halten S' Ihnen und lassen S' Ihnen a bissel auf gleich richten. Sie schickt sich an, seine Halsbinde zu ordnen, [258] wendet ihr Gesicht gegenüber dem seinen ab. Ui – und trunken hat er a! Na, Sie braucheten schon wirklich wem, der auf Ihnen schauet.

KATSCHER
zu Barbara.
Was is denn das für a Figur?
BARBARA.
Brauchen nit z' eifern, es is nur a ehmaliger Gsell.
KATSCHER
boshaft.
Ah, wenn das a ehmaliger Gsell von Ihnen is, Frau Schalanter, dann hab ich kein Ursach.
MOSTINGER
eilig aus dem Hause kommend; er trägt eine große Blechtasse, worauf Flaschen und Gläser stehen.

So, meine Herrschaften – Verstummt sofort, wie er Tonl mit dem Gewehrriemen spielen sieht – entsetzt. Tonl – du Himmelsapperment – gehst mer weg, gehst mer vom Gwehr weg, 's könnt' ja 's größte Unglück gschehn!


Tonl springt von der Bank auf und läuft ins Haus.
BARBARA
aufkreischend.
Jesses! Es wird doch net gladn sein?
MOSTINGER
besorgt.
Freilich is's gladen.
SCHALANTER.
Tun Sie's weg, wann S' a Furcht habn!
MOSTINGER.

Glauben Sö, ich rühr das Ding an?! Ich kann ja nit umgehn damit. Es ghört mein mittern Bubn, der allweil, wo er nur kann, mit dö Jager rennt. Wo er's nachher daheim hinlehnt oder hinhängt, da bleibt's schon von mir aus, dös können S' mer glaubn. Aber dös is a wahr, der Sackermenter laßt sich nie blicken, wann er's ausm Weg räumen soll. Ja, ich tät schön bitten, wo setzen sich denn die Herrschaften hin?

SCHALANTER
nach dem Tische vorne links weisend.

Da setzen mer uns her. Ruck mer zsamm, habn mer alle Platz. Mit Verlaub. Guten Abend, Herr Feldwebel!


Martin salutiert und setzt sich an das rechte Ende.
Frey erwidert militärisch den Gruß.
SCHALANTER.
Nur abirucken nacheinander.

Mostinger stellt die Flaschen und Gläser auf den Tisch, Schalanter schenkt ein, prüft das Getränk und füllt dann die Gläser der andern.
[259]
JOSEPHA
war, nachdem sie die Halsschleife Johanns geknüpft hatte, zurückgetreten, jetzt geht sie wieder auf ihn zu, vertraulich.
Habn S' denn gwußt, daß wir herkommen?
JOHANN.
Ah nein, davon hab ich kein Ahnung ghabt.
JOSEPHA.
Dös wär jetzt weiter was gwesen, wann S' ja gsagt hätten und ließen mir die Freud!
JOHANN.
Eine Freud? Ja, wenn ich das gwußt hätt!
JOSEPHA.

Mein Lieber, wenn Sie nit so schön lügen lernen wie die andern, werden Sie's bei die Madeln nie weit bringen.

JOHANN.
Verlang ich das, Fräuln Pepi?
JOSEPHA.
Lassen S' doch d' Fräuln weg.
JOHANN.

Haben Sie früher so was an mir bemerkt, oder leg ich's vielleicht jetzt darauf an, wo ich mich verwahrlos, trink und net auf mich schau?

JOSEPHA.
Und muß denn das sein, daß S' Ihnen verwahrlosen, trinken und nit auf Ihnen schaun?
JOHANN.

Das is ja eben 's Elend, es müßt gar nit sein, wenn man den natürlichen Dingen ihren Verlauf ... wenn man den Dingen ihren natürlichen Verlauf lassen hätt. Ah, Ihre Leut können's nit verantworten! Aber, Pepi, schaun S', wenn Sie mit Ihnen reden ließen – alles wurd gleich anders, wann Sie mit mir durchgingen, wohin, wo wir all zwei fremd sein, wann Ihnen die Leut gar nit kennen und wann ich mich über alles hinaussetz, Pepi, über alles –

JOSEPHA.

Na, da hätten S' weiter was! Na, na, mein lieber Johann, aus Ihnen redt jetzt der Wein. Ich denk gar nimmer ans Heiraten; für ein Braven wär ich a Unglück, und ein Schlechten möcht ich selber nit.

BARBARA.
Aber, Pepi, wie kannst denn 'n Herrn Katscher so lang alleinig sitzen lassen?
JOSEPHA.
Jesses, er wird nit sterben! Ich komm gleich!
KATSCHER.
D' Fräuln Pepi nimmt halt ein Gselln auf.
STÖTZL.
Ein Altgselln.
SEDLBERGER.
Ein ältlichen Altgselln.
[260]
JOSEPHA.

Wenn S' zahlt habn, Johann, so gehen S'! Ich will nit, daß auf Sie gstichelt wird. – Behalten S' mich im Andenken, aber schaun S' mer net nach, mich tät's nur scheniern, und Ihnen machet's kein Freud. Wann S' aber amal hörn, daß ich gstorbn bin, dann kommen S' zu meiner Leich – gwiß –, damit doch ein ehrlicher Mensch dabei is, 's andere wird eh lauter Glumpert sein.

JOHANN.
O Pepi!
JOSEPHA
tätschelt ihm die Wange.

Na, na. Tschapperl, am End weinen wir gar, zahlet sich aus! Sein S' gscheit und schaun S' wieder auf Ihnen – hörn S' – machen S' mir nit die Schand, als ob mein Wort nix bei Ihnen geltet! – Bleiben S' gsund, alls andere gibt sich mit der Zeit. Den guten Willn gegen mich werd ich Ihnen nie vergessen, Johann.Drückt ihm die Hand. 's soll Ihnen recht gut gehn dafür! Schon halb gewendet, dreht sie sich rasch wieder gegen ihn. Sö, wann ich a bravs Madl find – so eine, die sich d' Hand, an der ich s' halt, sauber abwischt, wann s' erfahrt, wer ich bin – soll ich Ihnen s' rekommandiern? Ja? Gibt ihm einen leichten Schlag auf die Wange. Bhüt dich Gott!


Geht an den Tisch, wo die andern sitzen.
JOHANN.
Und das Madl habn s' mir verschandiern müssen! Traurig durch die Mitte hinter dem Zaune links ab.
4. Szene
Vierte Szene
Vorige ohne Johann und Tonl. Gäste.
Von rechts treten nach und nach Personen auf und besetzen die drei freien Tische. Mostinger läuft bedienend ab und zu.

SCHALANTER
zu Josepha.
Na, setz dich amal!

Nachdem Josepha Platz genommen, sitzen die Personen an diesem Tische in folgender Ordnung: Schalanter Katscher Josepha Frey Martin Barbara Sedlberger Stötzl.
SCHALANTER.

Ich muß eng ja aufführn. Es is nämlich [261] unsern Sohn sein Herr Feldwebel, der uns die Ehr schenkt. Erlaubn S'! Das is dem Martin sein Schwester, das is mein Alte – Barbara, a schöns Buckerl –, dö andern gehn mich, Gott sei Dank, nix an.

STÖTZL, KATSCHER, SEDLBERGER. Oho!

SCHALANTER.
Sehn S', Herr Feldwebel, jetzt habn S' d' ganze Familie kennenglernt.
FREY.
Ja, jetzt kenne ich die ganze Familie. – Wirt, zahln!
MOSTINGER
an einem der rückwärtigen Tische beschäftigt.
Gleich werd ich kommen!
SCHALANTER.

Aber, Herr Feldwebel, werdn doch nit schon gehn? Wär uns nit lieb, wenn wir Ihnen von da vertreibeten, wir hätten – weil sich grad die Glegenheit schickt – a paar Wörtel wegn unsern Martin z' reden.

BARBARA.
Ja, der arme Teufel klagt, daß S' so viel streng gegen ihn sein.
FREY.
Soll er sich anders halten, wird er nicht zu klagen haben.
BARBARA.
Na, a bissel a Nachsicht kann man doch ein jungen Menschen angedeihen lassen.
FREY.
Wenn er's verdient.
BARBARA.
Pepi, komm da hrüber, daß d' a für dein Bruder reden kannst!
FREY.
Lassen Sie das Mädchen, wo es sitzt!
SCHALANTER.
Sie soll nur bleibn, auf Madeln halt der Herr Feldwebel nix.
MARTIN.

Und, Gott sei Dank, kann ich a für mich selber reden. Schon lang hätt ich gern um a Auskunft ersucht, warum grad gegen mich so vorgangen wird.

FREY.

Weil Sie mich vor Ihren Eltern fragen, so will ich Ihnen die Antwort nicht schuldig bleiben. Ich handle nicht aus Gehässigkeit gegen Sie, ich tue meine Pflicht. Sie sind der Nachlässigste, sind ein Trinker, ein Raufbold –

BARBARA.
Das sind Schwächen.
SEDLBERGER.
Der Mensch is kein Vieh, wenn er a a Soldat is.
[262]
FREY.

Und wie Sie verlangen können, daß man Ihnen alle Ausschreitungen nachsehen soll, das begreif ich nicht. Wir haben in der Kompagnie Leute aus den besten Häusern, die ihrem Dienst unverdrossen nachkommen und vor denen man Sie nicht herumschreien lassen kann, daß Sie sich für einen Soldaten zu gut fühlen.

MARTIN.
Ich bin a zu kein geborn.
FREY.

Das glaub ich. Wenn ich es aber, soweit an mir liegt, versuche, einen aus Ihnen zu machen, so geschieht es zu Ihrem eigenen Besten, und vielleicht sehen Sie das später auch einmal ein.

MARTIN.

Dank schön, geben S' Ihnen dö Müh net. Da sitzen meine Eltern, noch brauch ich kein Vormund, und zu was ich nit taug, taug ich nit!

FREY.
Sie taugen auch sonst zu nichts.
MARTIN.
Oho, Herr Feldwebel, da fragn S' amal da herum, an dem Tisch sitzen Leut, die mich besser kennen.
SCHALANTER.
Ah, Herr Feldwebel, unser Martin hat ein Kopf!
STÖTZL.
Der Schalanter-Martin is a ganzer Kerl!
SEDLBERGER.
Verstanden?!
FREY
erhebt sich.

Mit wem red ich? Mit dem Martin Schalanter doch allein! Zu diesem. Woher Sie diesen Dünkel haben, weiß ich nicht. Im Haus ist Ihnen wahrscheinlich zuviel nachgesehen worden, und Sie haben nicht das beste Beispiel vor Augen gehabt.

SCHALANTER.
Das geht auf uns!
FREY.

Solchen Sinn aber biegt oder bricht die Welt. Solange ich Ihr Vorgesetzter bin, werde ich sorgen, daß Sie der Kompagnie weder außer der Kaserne noch in Reih und Glied Schande machen, darauf geb ich Ihnen mein Wort, und damit haben wir ausgeredet. Adieu! Wendet sich. Herr Wirt!

SCHALANTER.
Das laßt du dir und uns sagen?!
MARTIN.

Laßn mer's gut sein, Vater! Net hetzen, Sie wissen, wann ich amal anfang, weiß ich nit, wo ich aufhör!

[263]
SCHALANTER
verächtlich.
Feiger Kerl!

Frey zählt gerade Mostinger Geld auf die Hand.
MARTIN
gepreßt.

Herr Feldwebel, es is nit recht, ein Menschen so zu reizen! Verstehn S'? Es war schon oft da, daß, wann der Mann vor der Front sein Teil kriegt hat, bis's ihm zviel wordn is, daß hernach der Unteroffizier a vor der Front sein Teil kriegt hat, der grad gnug war.

FREY.

Diese alberne Drohung hör ich nicht das erstemal von Ihnen, ich will sie auch diesmal nicht gehört haben. Ich fürchte Sie nicht.

SCHALANTER.
So hau ihm doch das von der Stolzenthaler aufn Tisch, damit wir a amal reden.
FREY
rasch hinzutretend.
Was nannten Sie da für einen Namen?
MARTIN.

Kennen S' ihn? Haha! Mein lieber Herr Feldwebel, da nehmen S' Ihnen ein Beispiel dran, daß man sich auch mit Leuten, die man veracht, nit verfeinden soll, weil man nit weiß, was einm die für ein Streich spielen können.

FREY
bestürzt.
Was heißt das?
MARTIN.

Das heißt, daß wir vor einer gwissen Villa im Hinterhalt glegen sein und daß die gwisse Dame nicht kommen kann, weil der Herr Gemahl alles weiß!

FREY.

Mein Gott, Sie haben die arme Frau denunziert? Um mir einen Possen zu spielen, ein wehrloses Weib preisgegeben –! Ah, das ist feig! Sie sind noch erbärmlicher, als ich gedacht habe, Sie sind wirklich, wie es sich von einem Menschen erwarten läßt, dessen Vater ein Säufer und dessen Mutter eine Kupplerin ist!

SCHALANTER.
Derschlag ihn!
MARTIN
stürzt an dem Tisch vorüber, auf Frey zu.
Das nehmen S' zruck!!
FREY
faßt ihn an der Halsbinde und dreht ihn hinter sich.
Beiseit, Schuft! Geht vorne an dem Tische vorbei, biegt dann in die Gasse ein.
[264]
MARTIN
ist nach dem Gewehr gestürzt, hat es vom Nagel gerissen, ruft ohne Aufregung, ganz in dem Tone, als hätte er noch etwas Gleichgültiges zu sagen.
Herr Feldwebel! Schießt, wie sich der Gerufene nach ihm kehrt.

Frey stürzt lautlos zusammen.
MARTIN
wirft das Gewehr weg.
Du wirst kein mehr seckiern!
JOSEPHA
ist aufgesprungen, hat sich bei dem Schusse die Ohren verhalten, jetzt läuft sie auf Martin zu, aufschreiend.
Jesus! Marie! – Martin, was hast denn tan?!
MARTIN
abwehrend.
Weg! Laß mich fort! Stürzt in die Kulisse links ab.

Josepha folgt ihm.
Wie Martin auf Frey anlegte, war an den Tischen folgende Bewegung: an dem rückwärts links abwehrende Gesten, sowohl dem Bedrohenden als dem Bedrohten geltend; an dem rückwärts rechts ducken sich die Personen, um nicht etwa durch einen Fehlschuß getroffen zu werden; an dem Tische vorne rechts versuchte man, Frey durch Gebärden zu warnen, obwohl er schon mit dem Rücken gegen diese Gesellschaft steht; wie der Schuß fällt, lösen sich diese Gruppen, und dann drängt alles gegen den Gefallenen, wobei der Tisch rückwärts rechts umgeworfen wird. Nur an dem Tische vorne links,
wo alles entsetzt aufsah, bleiben nun alle erstarrt sitzen, allein Barbara ist aufgestanden, aber auf den Stuhl, wo Frey neben Schalanter gesessen, hingesunken.
ALLE
durcheinander.
Mord! – Hilfe! Er hat ihn erschossen!
BARBARA
händeringend.
Oh, mein Gott!
MOSTINGER
schreiend.
Gendarmerie!

Unter allgemeinem Tumult fällt der Zwischenvorhang.

[265] Verwandlung
Gegend in einer Au. Ein kleiner Wiesenplan, rings umgeben von Büschen, dieselben schließen dicht, nur rechts und links (erste Kulisse) schmale Pfade. In Mitte des Hintergrundes ein breiter Weg, derselbe liegt schräg gegen den Vordergrund und bildet eine kleine Erhöhung, welche die Auftretenden hinan- und – gegen die Bühne – hinabsteigen müssen. Über dem Ganzen leuchtet ein klarer, lichter Sternenhimmel. Die Bühne steht einen Augenblick leer.
5. Szene
Fünfte Szene
HEDWIG
erscheint auf dem schmalen Pfade links – erschöpft.

Mein Gott, wieder der Platz! Wie oft habe ich ihn schon gekreuzt! In der Furcht, verfolgt zu werden, gehe ich in der Irre und, wie ich sehe, immer im Kreise herum. – Ah, es ist nicht mehr möglich, Robert zu finden. Ich will rasten. Mut und Kraft sammeln. Wenn ich dann immer nach einer Richtung vorwärts dringe, so muß ich ja endlich auf eine Ortschaft, auf eine menschliche Wohnung treffen. Sie setzt sich auf einen kleinen Erdhügel links.

6. Szene
Sechste Szene
Die Vorige. Josepha und Martin erscheinen auf dem breiten Wege.

JOSEPHA
welche Martin führt, besorgt.
Martin!
HEDWIG
leise, ängstlich.
Wer kommt?
MARTIN
taumelnd.

Es hilft nix, mich tragen die Füß nimmer. Die Angst, die in mir steckt. Das Herz schlagt nit natürlich – als wollt's heraus! Laß mich! Er sinkt zusammen.

JOSEPHA
kniet an seiner Seite nieder und legt seinen Kopf in ihren Schoß.
So rast halt a bissel, aber nit lang!
[266]
7. Szene
Siebente Szene
Vorige. Tomerl und Schoferl stürzen eilig über den breiten Weg herein.

TOMERL.
Ui, heut ziehn s' der grean Bettfrau d' Tuchet weg!

Schoferl läuft nach links.
TOMERL.

Schoferl, net da eine, da gehts der Donau zu, da komm übri! Erblickt Martin und Josepha. Ui, da sein ein. Machts eng davon! D' Streif kommt! Mit Schoferl vorne rechts ab.

JOSEPHA.
Martin, um Gottes willen!
MARTIN.
Soll d' Streif kommen! Mach, was d' willst, ich kann nit weiter!
8. Szene
Achte Szene
Vorige ohne Schoferl und Tomerl. Die nächtliche Streife. Voran Kraft und Werner, dann auf einer Bahre, von vier Männern getragen, Frey. Es folgen Hutterer, Sidonie, Stöber, Seeburger und Gendarmen, welche einen Trupp Vagabunden beiderlei Geschlechts eskortieren; Bauern, als Begleiter der Streife, mit Laternen und Fackeln ausgerüstet.

KRAFT
unterm Auftreten.
Nur immer geradeaus, den kürzesten Weg!
WERNER.

Für ihn ist auch der kürzeste zu lang. –Die Bahre erscheint im Hintergrunde. Er stirbt, ehe wir die offene Straße erreichen.

FREY
schwach.
Wasser!

Der Zug hält.
KRAFT.
Was ist?
SEEBURGER.
Er verlangt zu trinken.
KRAFT.
So setzt ab und gebt ihm!
WERNER.
Wer hat den Krug? Leuchtet!

Licht wird herzugebracht.
HEDWIG
hat entsetzt den Vorgängen gelauscht; sie erhebt sich, wie die Bahre nahe bei ihr niedergestellt wird; jetzt, [267] wo die Lichter herangebracht werden, erkennt sie Frey.
Allbarmherziger Himmel! Robert!

Wirft sich über die Bahre.
KRAFT.
Mein Gott, was haben wir denn da wieder?
SIDONIE.
Unser unglückliches Kind!
KRAFT.
Ah, die Dame, nach der zu suchen Sie mich baten?

Während der folgenden Vorgänge ist die Bahre so umstellt, daß das Publikum wohl das Zureichen des Kruges, aber nicht den Sterbenden trinken sieht.
SEEBURGER
welcher mit Stöber neben Martin und Josepha steht.
Herr Adjunkt!

Kraft tritt auf die Gruppe zu.
STÖBER
mit einer Laterne hinzuleuchtend.
Da ist eine in unserm Bezirk Bekannte. Bedeutend. Ihr Name ist Schalanter!
KRAFT.
Das ist der Bruder? Keines antwortet. Helft dem Burschen auf die Beine und bindet ihn!
MARTIN
schnellt empor.
Warum?
KRAFT.

Das weißt du ganz gut, Lump! – Die Dirne zu dem übrigen Gesindel und den Mann noch heute an die kompetente Militärbehörde!


Martin und Josepha werden nach rückwärts geführt.
KRAFT
zu Hutterer und Sidonie.
Ich bitte, Ihre Tochter von da zu entfernen!
HEDWIG
noch immer an der Bahre kniend.
Nein, – nein!
KRAFT.

Wir haben Eile, jeder Verzug ist für den ... Kranken gefährlich; wenn Sie an der Bahre nebenher gehen wollen, das kann ich gestatten. Zu den Trägern. Auf – langsam –


Die Bahre wird gehoben, Hedwig steht daneben und hält die herabhängende Rechte Freys in ihrer Hand und drückt sie an die tränende Wange.
FREY.
Was ist das für eine Hand?
HEDWIG
weinend.
Die meine!
FREY.
Hedwigs?
HEDWIG
schluchzend.
Ja!
[268]
FREY
in dem singenden Tone, welcher den in letzten Delirien Liegenden eigen ist.
Ah – die Nacht ist schön!
KRAFT
winkt den Trägern, ergriffen, leise.
Vorwärts!

Der Zug setzt sich in Bewegung. Hedwig hält die Hand des Sterbenden fest in der ihren. Wie die Bahre verschwindet und hinter ihr die letzten Personen sich verlieren, schießt eine leuchtende
Sternschnuppe über den Nachthimmel.
Der Vorhang fällt rasch.

4. Akt

1. Szene
Erste Szene
Schön und Anna im Garten beschäftigt; Eduard tritt durch die Mitte ein.

EDUARD.
Guten Morgen, liebe Eltern!
SCHÖN.
Grüß dich Gott, Eduard!
ANNA
zu Schön.

Du setzst halt schon wieder 'n Respekt aus dö Augen! Zu Eduard. Guten Morgen, hochwürdiger Herr Sohn, was führt denn dich so zeitlich in aller Gottes Fruh her?

EDUARD.

Die Sorge hat mich hergetrieben. Gestern ist dem unseligen Menschen, dem Martin Schalanter, das Todesurteil publiziert worden, und heute morgens soll er erschossen werden. Ich denke nun, es wäre gut, wenn man diese Vorgänge hier im Hause vertuschen könnte und für einige Tage die Zeitungsblätter beiseite schaffte. Die Kenntnis von all diesen düsteren Einzelheiten würde Fräulein Hedwig, ich wollte sagen, die junge Frau Stolzenthaler – seit sie von ihrem Manne geschieden ist, bin ich immer uneins, wie ich sie nennen soll –, es würde sie, glaube ich, zu sehr erschüttern.

ANNA.

Ah, ja freilich, dös wär gfehlt! Mein Gott, seit s' [269] vor acht Tagen ihr Kinderl begraben hat, is s' eh nimmer z' kennen. Dö Nachtwachen und die Kränkung haben das arme Weib ganz zsammgrackert. Ja, ja, da mach lieber ein Sprung hnein – bei ihnen is alles fruh auf –, sonst kommt etwa doch d' heutige Zeitung aufn Tisch, und dös dürft net ratsam sein, da hast schon recht.

SCHÖN.

Ja, jetzt hat er schon recht, unser hochwürdiger Herr Sohn, aber zu Anfang von derer Affär hat er ein Bock gschossen.

ANNA.

Das gschieht einm hochwürdigen Herrn nie. Wer hat's denn wissen können, wie's ausgeht? Hintnach is leicht reden.

SCHÖN.

Na, wann dürften wir denn nachher was reden, wann net hintnach, mir Leut ausm Volk, dö mir von vornherein nix z' sagn haben?! Ich bleib dabei, er hat damals a bissel voreilig 'n Gehorsam empfohlen.

ANNA.
Hätt er vielleicht 's Gegenteil predigen sollen?
SCHÖN.

Dös schon gar net – und ich weiß ebensogut, wie unsereins net so und net so sagn, damit man einm nit nachsagen kann, er hätt so oder so gsagt, das kann er a nit; aber was er können hätt, dös will ich ihm wohl sagn – weil dös auf der Hand liegt – und völlig selbstverständlich is – ganz natürlich – nämlich, wenn man die Sach betracht – so – na ja! – na ja ... das is gut, jetzt weiß ich selber nit, was er eigentlich hätt tun sollen!

EDUARD.

Oh, ich weiß es heute nur zu gut. Ich hätte mich erst ganz genau mit den Verhältnissen vertraut machen sollen, und dann wäre es am Platze gewesen, ohne der Neigung des Mädchens irgendwie das Wort zu reden, dem Vater Hedwigs die geplante Verbindung auf das eindringlichste abzuraten.

SCHÖN
bedauernd.
Ganz richtig!
ANNA.
Du lieber Gott! Daß dir das net früher hat einfalln können!
EDUARD.

Leider! Aber, daß ich es sage, ich dachte damals nur an euch und mich, und ich war gewohnt, euch immer [270] zu gehorchen, geschah es nun, um euch eine Freude zu machen, oder weil ich ganz gut einsah, daß es zu meinem Besten war.

SCHÖN.

Ja, ja, mein lieber Eduard, du warst aber a unser Einzigs, wir haben nie ganz alleinig auf uns denkt; was dich a ernstlichs Opfer kost hätt, das hätt uns ja eh gar kein Freud machen können, und wann was hat sein müssen, so hat mer dir immer durchblicken lassen, warum und weswegen. Gelt ja?

EDUARD
beide an den Händen fassend.

Ich weiß es. Ihr wart die sorglichsten Pfleger meiner Kindheit, die treuesten Berater des heranwachsenden jungen Mannes, und jetzt, nachdem wir Jahre mit gleichem Herzschlag durchlebt und uns alle kleinsten und größten Erinnerungen gemeinsam verbinden, jetzt seid ihr meine ehrlichsten, meine trautesten, meine besten Freunde. Gott erhalte euch mir, treue Elternherzen! Drückt ihnen die Hand und geht in den Haustrakt ab.

SCHÖN
kleine Pause.
Du, hörst, Alte? Der Bub wird a bissel weinen, wenn wir sterben.
ANNA
trocknet sich die Augen.
So sterbn wir halt net.
2. Szene
Zweite Szene
Vorige ohne Eduard. Josepha, darauf Schalanter und Barbara.

JOSEPHA
durch die Mitte, sie hat einen abgetragenen Morgenanzug an, das Haar nur zurückgestrichen und durch ein Netz zusammengehalten, darüber aber ein kokettes Häubchen und an den Füßen Stöckelschuhe mit Aufputz.

Gutn Morgn! Sie verzeihn schon! Ich hab 'n geistlichen Herrn zum Tor hereingehn gsehn, ich soll ihm a Post sagn, dö nöt mehr viel Zeit hat.

SCHÖN.
Müssen halt warten, er kommt gleich.
ANNA
halblaut.
Na, das machet sich schön, wann er mit so einer redet.
SCHÖN
ebenso.

Natürlich wird er mit ihr reden ... Er is [271] ja Geistlicher, und bei ihm muß eins, wann's gleich von aller Welt veracht wird, noch a Ansprach suchen können, und hat unser Herrgott mit Sünderinnen gredt, wird doch er sich nicht z' gut dafür halten!


Schalanter und Barbara erscheinen hinter dem Gittertor.
BARBARA.
Pepi!
JOSEPHA.
Wer ruft? Ah, Sö sein's!
BARBARA.
Wir hätten dich was z' fragen.
JOSEPHA.
Na, da bin ich.

Schalanter und Barbara treten in den Garten. Ersterer bleibt an der Türe mit gesenktem Kopfe stehen.
BARBARA
zu Schön.

Erlauben S', Herr Schön – wir sein nur unserer Tochter nach, weil wir s' über d' Straßen haben laufen gsehn – wir sein gleich fertig – wir gehen heut eh lieber allen Leuten ausm Gsicht. Zu Pepi. Warst du beim Martin drin, Pepi?

JOSEPHA.

Nein, er hat nit nach mir verlangt, und es is das nix für mich. Ich hab eh die ganze Nacht gweint. Ich hab ihm gestern die Schoberlechner- Leni, die er früher gern gsehn hat, hineingschickt und ihr Zigarrn und a paar Groschen Geld für ihn mitgebn.

BARBARA.
Sie habn uns gestern nit zu ihm lassen. Hat er nix gsagt, ob er uns sehn will?
JOSEPHA.
Nein!
BARBARA
zu Schalanter.
Gehn wir halt hin!

Schalanter nickt, ohne aufzublicken.
JOSEPHA.

Na, da gehn S' in Gotts Nam, daß's nit etwa z' spät wird! Bei mir versäumen S' nix, 's hat wohl noch a Weil hin, bis S' mich im Spital aufsuchen können, aber es bleibt nit aus.

BARBARA
wendet sich.
Mir habn a Unglück mit dö Kinder!
SCHALANTER.

Ja, ja – mir mit sö – Hebt den Kopf, sieht alle starr der Reihe nach an. – oder sö mit uns! Senkt den Kopf wieder und geht mit Barbara durch die Mitte ab.

[272]
ANNA
schlägt die Hände zusammen.
Wie denen sein muß – wie denen sein muß, das kann ich mir gar nit vorstellen.
SCHÖN.
Ich a nit, Gott sei Dank!
3. Szene
Dritte Szene
Schön, Anna, Josepha. Aus dem Trakte treten auf: Hutterer, der ein Bettkissen unter dem Arme trägt, und Sidonie. Beide führen Hedwig in ihrer Mitte. Eduard folgt.

HUTTERER
sein Haar ist ergraut.

So! Komm nur, mein Kind, du kannst schon im Freien sein, wenn du willst, die Luft ist ganz mild, die schadt dir nix.


Sie geleiten sie zu einer Bank, er schiebt ihr den Polster an der Lehne zurecht.
JOSEPHA
tritt zu Eduard, der etwas seitwärts von der Gruppe steht.
Hochwürden, sein S' nit bös, aber mein Auftrag hat Eil, Sie werden mich wohl kennen?
EDUARD
nickt und sieht besorgt nach der Kranken hinüber.
Ja! Keinen Namen! Was bringen Sie?
JOSEPHA.
Mein Bruder hat sagen lassen, er möcht Ihnen gern noch einmal sehn, und Sie wissen – –
EDUARD.

Ich weiß. Ich gehe sofort zu ihm. Zu Hedwig tretend. Gnädige Frau, ich empfehle mich! Fassen Sie Vertrauen! Gott, der so schwere Prüfungen über Sie verhängte, wird Ihnen auch die Kraft verleihen, dieselben zu ertragen.

HEDWIG
sehr bleich und angegriffen aussehend, sie spricht schwach, aber mit klarer Stimme und langsamer, nachdrücklicher Betonung.

Keine Phrasen, Hochwürden! – Wissen Sie, wie man das nennt, wenn jemand eine Prüfung veranstaltet, um ein Ergebnis herbeizuführen, auf das er ganz gut im voraus rechnen kann? Man nennt das experimentieren. – Vor Jahren wohnte ein Mediziner in unserm Hause, den ich als kleines Mädchen von ganzem Herzen verabscheute, weil er arme Kaninchen lebend zerschnitt. Er wußte ganz genau, wie weit er sich auf die Stärke dieser Tierchen verlassen konnte, ob sie ihm tot unter dem [273] Messer bleiben würden oder wie lange sie lebend und leidend zu erhalten waren, wenn er ihnen durch gute Pflege »Kraft verlieh, die Prüfungen zu ertragen«. – Leise lächelnd. Wollen Sie mich glauben machen, Gott wäre so ein Mediziner? Da Eduard sprechen will, hebt sie abwehrend die Hand und fährt fort. Ich will Ihnen sagen, was mich tröstet. Ich habe mich einem Gebote gefügt, das das einzige ist, das eine Verheißung in sich schließt, »auf das du lange lebest und es dir wohl gehe auf Erden!« Das Wohlergehen hat nicht zutreffen wollen; ich hoffe zu Gott, daß auch der andere Teil der Verheißung sich als trügerisch erweist und daß mich mein Kind bald nachholt.

EDUARD.
Oh, wenn ich es doch vermöchte, diese Gedanken aus Ihrer Seele zu bannen!
HEDWIG
schüttelt sanft lächelnd den Kopf.
Nein! Sie vermögen's nicht. Reicht ihm die Hand. Leben Sie wohl, Hochwürden!

Eduard verbeugt sich und geht durch die Mitte ab.
SIDONIE
näher tretend.
Mein arme Hedwig!
HEDWIG
bittend.
Ich möchte jetzt gerne allein sein.
HUTTERER.
Kind, es wär vielleicht doch besser, wenn jemand in deiner Näh bleibet.
HEDWIG
schüttelt leicht den Kopf.
Ich danke für euere Sorgfalt.
HUTTERER
schmerzlich.
Du meinst, die kommet a bissel spät.
HEDWIG.

Ich sage ja nichts. Wenn ich euch jetzt wie ein lebendiger Vorwurf bin, so laßt euch doch vor mir nichts merken, ich werde es ja nicht mehr lange sein.

HUTTERER
erschüttert.

Kind? – Er faßt ratlos nach der Hand seiner Frau. Sidi! Fährt sich mit beiden Händen in die Haare, in Tränen ausbrechend. Ah, grau – grau – das ist die richtige Farb – die richtige! – Von Sidonie gefolgt, in den Trakt ab.

SCHÖN
schiebt Anna zur Gartentür hinaus.
Geh fort, Mutter! [274] Kommt vor zu Josepha, legt ihr die Hand auf die Achsel. Sö! Kommen S'!
JOSEPHA
die mit ihrer Schürze über die Augen fährt.
Ja!
HEDWIG
aufblickend.

Wer ist das? Das Mädchen sollt ich kennen. Sie erschauert. Ach ja, ich weiß!Streicht mit der Hand über die Stirne und den Scheitel. Es war auch sonst von ihr die Rede. Wir gehören in eine Kategorie.

SCHÖN
erzürnt.
Frau von Stolzenthaler, wann sich wer anderer trauet, das von Ihnen zu sagen ...
HEDWIG.

Nur ruhig, Alter! Nimmt das kleine Bukett, das sie an der Brust trägt, herab. Die hab ich aus der Vase von den gestrigen zusammengelesen.Eine weiße Rose herauslösend und sie Josepha hinhaltend. Übernächtig – bleich – und welk – paßt das? Nehmen Sie! – Ob an einen oder an mehrere, wir sind ja doch zwei Verkaufte!


Josepha hält mit beiden Händen die Linke Hedwigs und drückt sie an die Lippen.
Zwischenvorhang fällt rasch.

Verwandlung
Gefängniszelle. Die Türe befindet sich in der Hinterwand, nahe der linken Ecke des Gemaches; in der rechten Ecke steht die Pritsche. In der Mitte der rechten Wand ist das Fenster angebracht, durch welches auf die gegenüberliegende Mauer ein schmaler brennender Streif vom Frühsonnenschein fällt.
4. Szene
Vierte Szene
Profoß Atzwanger, Martin, dann Eduard.

ATZWANGER
steht unter der Türe.
Die Alten dürfen net hrein?
MARTIN
sitzt auf der Pritsche, beide Arme auf die Knie, den Kopf in die Hände gestützt.
Er schüttelt den Kopf.
ATZWANGER.
Solln s' draußt bleibn? Er tritt zurück.
EDUARD
erscheint unter der Türe und zeigt Atzwanger einen Zettel.
[275]
ATZWANGER.
Ich bitt nur einztreten, Hochwürden!

Läßt Eduard eintreten und geht, hinter sich die Türe schließend, ab.
MARTIN
geht Eduard entgegen.
Ah, du bist's, Eduard? Das ist schön, daß du kommst!
EDUARD.
Ich finde dich gefaßt.
MARTIN.

Ich nimm mich halt zsamm. Es gschieht mir ja recht – und es is jedenfalls gscheiter, wie noch länger als Auswürfling unter dö Menschen herumlaufen. Ich komm mir vor wie a wilds Tier, das nachträglich zu einer menschlichen Bsinnung kommen is. – Er sieht nach der Türe. Es ist schon spät, gelt ja?

EDUARD
ausweichend.
Es ist nicht spät. – Wolltest du etwas von mir? Kann ich vielleicht etwas für dich tun?
MARTIN.

Nein! Sehn wollt ich dich noch einmal. Sagn wollt ich dir, daß du mir der liebste von meine Spielkameraden warst, wann wir gleich die spätern Jahr immer weiter auseinanderkommen sein. Du warst mir der liebste und unliebste, denn du warst mir immer voraus, dir war ich allweil neidig, ich weiß a seit kurzem, auf was. Auf dein ruhigs, anständigs Elternhaus. Wie du jetzt vor mir stehst, denk ich zruck an die Zeiten, dö glücklichen Täg – wo mer noch von nix gwußt hat. – Es hätt ganz anders werdn können.

EDUARD.
Du mußt nicht zurückdenken.
MARTIN.

Net zruck, Eduard, wohin denn? Vorauf liegt ja nichts. Sieht wieder nach der Türe. Es wird immer später.

EDUARD.
Du erwartest jemand?
MARTIN.

Weißt, was muß der Mensch doch haben, an das er sich halten kann in schwerer Stund, a der schlechteste! Ein Herz, auf das er zähln kann, das's zutiefst ehrlich mit ihm meint, und wann er ihm a allweil nur weh tan hat. Ich ging mich hart, recht hart, von da.

EDUARD.
Sage nur, wer, Martin. Es ist wohl noch Zeit, daß man ...
[276]
MARTIN.

Hinschickt? Nein! Sie muß von selber kommen. Erbarmen hast ja auch du mit mir, aber sie – sie hat mich immer gern ghabt, und a Lieb, a Lieb möcht ich noch sehn, bevor ich von der Welt geh.

5. Szene
Fünfte Szene
Vorige. Atzwanger, Herwig.

ATZWANGER
die Türe öffnend.
Schalanter, da is wer! Herwig tritt unter die Türe.

Atzwanger geht ab. Die Türe bleibt offenstehen.
MARTIN.
Großmutter!

Stürzt auf sie zu.
HERWIG.

Rühr mich net an mit dö Hand – mit Händ net! Sie lehnt den Kopf an den Türpfosten links, leise weinend. Das muß ich an dir erleben, Martin? Das hätt ich nit denkt! Hätt's nit denkt!

MARTIN.

O Großmutter, weil S' nur da sein! Ich weiß ja, daß mich nix weiß brennen kann und daß ich Ihnen all die Lieb, Treu und Sorg schlecht heimzahl, aber Sie sein die einzige Seel auf Gottes Erdboden, um die mir is. Mit gefalteten Händen. Sein S' gut mit mir, Großmutter, sein S' gut!

HERWIG.

Der Gang is mir recht hart wordn bei meine alten Füß, und weil's mir da – Zeigt aufs Herz. – sitzt, aber sehn hab ich dich doch müssen, Martin, und ich bin nit kommen, daß ich dir 's Herz schwer mach.

MARTIN.

Dös wird's mir von selber. Wenn s' mich nur allweil auf Ihnen hätten hören lassen, Großmutter, ich könnt jetzt als braver Bursch vor die Leut dastehn und Ihnen könnt ich für dö alten Täg manche Freud machen – so hab ich Schimpf und Schand über dös weiße Haar bracht, und jetzt soll ich hinaus, wo die Welt im lichten Sonnenschein liegt ... Herrgott, ich bin ja doch nur a armer Teufel, der nach und nach so schwarz wordn is. Ich frag net, ob es gerecht is – aber is's menschlich, ein hinknien lassen – ein letzten Blick ins Land – d' schwarze Binden – [277] »Fertig!« – ah! Bricht zusammen und umfaßt die Knie der Herwig. Großmutter, helfen S'!


Herwig wird ohnmächtig.
EDUARD
steht ihr bei, leise.
Martin!
MARTIN
fährt rasch empor.

Jesus, Maria! Was is ihr? Großmutter, sein S' gscheit! Großmutter, ich bin ja schon wieder kuraschiert – hörn S'? Eduard, nimm dich um sie an, schau, wie s' zittert, führ s' nachher – wenn wir schon a bissel weit weg sein – über die Stiegn, bring s' nach Haus, laß s' a nit so bald allein, tu mir die Lieb! Ich bin schon wieder kuraschiert, Großmutter, es handelt sich ja nur um ein Augenblick, dann is ja alles vorbei, und es is gut für mich, und es is recht. Haben S' kein Angst um mich, ich sorg mich nur um Ihnen, nur um Ihnen.

HERWIG.
Sorg dich net, ich bin schon wieder, wie ich sein soll. Bleib nur du stark, Martin!
MARTIN.
Ja, Großmutter! Ruhig. Sie kommen über die Stiegn herauf.
EDUARD.
Martin, wenn du deine Eltern doch noch sehen wolltest –
MARTIN.
Nein! Sie habn mir nichts zu verzeihen und ich ihnen nichts abzubitten.
EDUARD
im Tone versöhnlicher Einrede.
Denk an das vierte Gebot!
MARTIN.

Mein lieber Eduard, du hast's leicht, du weißt nit, daß's für manche 's größte Unglück is, von ihre Eltern erzogn zu werdn. Wenn du in der Schul den Kindern lernst: »Ehret Vater und Mutter!«, so sag's auch von der Kanzel den Eltern, daß s' darnach sein sollen.


Außer der Türe marschieren Soldaten auf.
ATZWANGER
in die Türe tretend.
Schalanter!
MARTIN.

Ich komm schon! Die wenigen Schritt, die ich noch zu gehen hab, will ich nimmer vom Boden aufschaun, den letzten Blick mach ich in das ehrliche Gsicht, in treuen Augen, denen ich manche Tränen kost hab und dö schon über meiner Wiegn gwacht haben. Großmutter, niemand [278] weiß, was darnach kommt, damit ich aber – was auch kommt – ruhiger geh, verzeihts mir!

HERWIG
legt ihm die Hände auf den Kopf.
Verzeih dir Gott, wie ich dir verzeih – und die Welt, wie dir Gott verzeihen wird.
ALLE DREI.
Amen!

Ein Armensünderglöcklein ertönt.
Der Vorhang fällt.

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TextGrid Repository (2011). Anzengruber, Ludwig. Dramen. Das vierte Gebot. Das vierte Gebot. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-DD7B-0