Peter Altenberg
Pròdrŏmŏs
[7] Ein unbescheidener Titel. Im Titel liegt das, was mangewollt hat. Und im Inhalt das, was man nicht gekonnt hat. Die Gegenwart wird ihn verdammen, pardon, belächeln. Aber die Zukunft wird ernst und nachdenklich bleiben. Ein Wegweiser ist kein Ziel. Aber ein Weg-Weiser!
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Keiner, dem laut tönend zu sprechen ist, hat das Recht, stumm abzutreten. Und wenn er nur verkündet, welches die beste Tinte, welches die vorzüglichste Schreibfeder sei. Nur der Stumme ist unnützlich. Er könnte niemandem den Weg ein wenig verkürzen helfen, erleichtern, den er selbst zu wandeln hatte zeitlebens, vom Irrtum zum Richtigeren! Und ein jeder, ein jeder deckt Irrtümer auf, Zeit seines Wandelns. Aber er zieht es vor, es mit ins Grab zu nehmen. Weshalb?!? Aus Schadenfreude.
Der Geist ist die endentwickelte Natur.
Der Geist muss die Natur in sich besiegen, wie der reife Mensch seine unsinnigen Kindlichkeiten!
Oh schöne Kinderzeit, wenn du nur nicht so stupid wärest! Oh schöne Kinderzeit, wenn du [7] nur nicht sounsicher wärest! Immer kannst du eine Tollkirsche für eine Kirsche nehmen – – –.
»Aber das ist ja gerade das Rührende und Poetische daran« erwiderte mir eine Dame mit verklärten Blicken.
»Das finde ich nicht«, erwiderte ich trocken.
Der Geist in uns jedoch befiehlt es unerbittlich: Isserst, bis du hungrig, höre auf, bevor du satt bist!
Wir reagieren leider nicht auf Träumereien. Nur auf Feldherrn-Befehle! Das Moltke-Gehirn in uns! Gehirn, der Sieger! Nacht-Träume sind nicht zwingend. Aber Tag-Erkenntnisse!
An eure Pflicht, Eltern! Eltern-Liebe?!? Nein, Eltern-Erkenntnisse! Eltern-Weisheit ersetze endlich die dumme und bequeme Eltern-Liebe!
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Solange du sagst: »Nun ja, ich gebe es zu, die Luft in diesem Raume ist gerade nicht Ozon-reich, [8] Waldesluft ist anders – – –,« solange du noch die tändelnde ironische Note zur Verfügung hast, bist du unreif und unrettbar. Erst bis du sauerstoffarme Luft in irgend einem Raume, in dem du zu atmen gezwungen bist, als eine tödliche Beleidigung deines Organismus, als ein Verbrechen an ihm, als eine Selbst-Verstümmelung empfinden wirst, bist du auf dem Wege des Reif-Werdens! Auch Erkenntnis ist noch zwanglos. Zwingend ist erst Verzweiflung!
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Der junge Neger in Europa sagte: »Ich bleibe meiner Freundin in Afrika getreu. Ich gehe niemals mit Damen schlafen, die ›auf mich fliegen‹, oder auf die ›ich fliege‹, also aus Liebe. Ich gehe nur mit Damen, die ich mir kalt bezahlen darf.«
Es gibt nur »seelische Untreue«! Sonst könnte der Genuss einer ersehnten Speise auch fast bereits Treulosigkeit sein!
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Ich kenne nicht absolut genau den Wert-Grad von Schlafmitteln. Professor Neusser nannte mir als die überhaupt unschädlichsten Veronal und Hedonal. Daher sind sie es wahrscheinlich. Ferner Alkohol, insofern er einschläfernd wirkt!
Aber das ist das allein Wichtige dabei: Jedes Schlafmittel muss im Organismus seine Wirkungvollkommen zu Ende auswirken können! Es muss sich gleichsam restlos in Schlaf umsetzen [9] können! Das heisst, ungestörter Schal in sauerstoffreiner Luft, also bei geöffneten Fenstern, bis zum von-selbst-Erwachen! Es gibt da keine konventionelle Zeitbemessung. Eine jede wäre ein Verbrechen!
Möge das Unnatürliche wirken, bis das Natürliche zu seinem notwendigen Siege gelange! Das Schlaf-Mittel verzehrt sein Gift selbst restlos im Schlafe, wenn es durch nichts daran gehindert wird!
Ich schläfere dich künstlich ein, damit du natürlich erwachest!
Lasse dich um Gottes willen durch die übertriebenen Zahlen »15 Stunden Schlaf«, 20 Stunden Schlaf, 30 Stunden Schlaf, nicht abschrecken! Es kommt ein Augenblick, da du nicht weiterschlafen kannst! Um diesen allein handelt es sich. Ein fast Übersättigtsein von Schlaf muss eintreten. Du wirst dich matt und ungewöhnlich dabei fühlen. Die Natur hat aber alle Gifte in dir bereits besiegt! Der Sieger darf sich matt und ungewöhnlich fühlen! Vom Siege!
Irgend ein Schlaferzeugungs-Mittel nehmen und demselben nicht Zeit lassen, im Organismus sich endgültig auszuwirken als Schlaf, ist eine Art von Selbstmord.
Es ist der »tückische Selbstmord«, der ungewollt gewollte!
Es ist der idiotische Selbstmord.
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Wenn ich auf der Strasse im Spätherbst oder sogar im Winter eine junge Mutter antreffe, deren Kinder noch Socken und keinerlei Unterkleider tragen, möchte ich jedesmal vor ihr ehrerbietig Front machen!
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Eltern verdienen erst diesen Ehrentitel »Eltern«, wenn sie in höchster Kultur, in höchstem Wissen, in Liebe, in genialer Intuition, es zuwege bringen, das Pubertätsalter ihrer Kinder bis an die äusserste mögliche Grenze hinauszurücken! Der Natur Zeit lassen, Zeit lassen ist alles!
»Meine Tochter wurde erst Weib mit 17 Jahren, mein Sohn erst Mann mit 17« sagte eine edle Dame stolz zu mir. Und ich segnete diese einzige Mutter innerlich.
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»Das Geschlechtsleben meiner Kinder ist meine bange zitternde Sorge Tag und Nacht«, sagte eine Adelige zu mir. Anderen sind es die Dienstboten und Kleider und Hüte.
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»Mein Sohn wird bestimmt zu mir kommen und mich fragen, wenn er nach dem Weibe verlangt!« sagte ein edler Vater zu mir zuversichtlich. »Was aber soll ich ihm antworten?!? Mir bangt!«
Sagen Sie zu ihm: »Gehe zu jenem Weibe, bei [11] dem der Gedanke, sie nie wiederzusehen, dich tief bedrücken würde! Selbst im Bordell kannst du eine solche finden. Es muss unter allen Umständen vorerst eineseelische Angelegenheit sein!«
Aus Seelischem allein erblüht Kraft und Frieden.
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Bei geschlossenen Fenstern schlafen und so die Luft, die der Organismus als für seine Zwecke unbrauchbar ausatmet, wieder einatmen müssen, heisst ein idiotischer Selbstbetrüger sein!
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Geld ist eine vollkommen gleichwertige Kraft zur Erhaltung unseres Organismus wie unsere übrige Nervenkraft. Es ist ganz ebenso ein Erzeuger, Erhalter, Steigerer unserer Gesamt-Lebens-Energieen. Daher gibt es eine ganz identische ökonomische Hygiene und Diätetik. Sparsamkeit ist die Tugend der Tugenden. Geiz und Verschwendung sind Laster! »Ich bin Blut-arm« ist gleich »Ich bin Blut-arm«!
Akkumulation von Lebens-Energieen, auf der Basis von Erkenntnis und Weisheit, wird die Marke der künftigen Generation sein. Jede Speise zum Beispiel, die ich meinem Organismus zuführe, zwingt diesen zu einer ungeheuren Ausgabe von Lebens-Energieen, um das Geschäft der Verdauung, der Verarbeitung in brauchbare Stoffe und der Ausscheidung von Unbrauchbarem durchzuführen. Bei zarten Organisationen kann es sich sogar ereignen, dass die aufgewendete Kraft der Verdauungsarbeit grösser ist als jene, die durch die Kraft der verdauten Speise neu zuströmt. Also eine Schwächung des Organismus statt einer Stärkung. Siehe Über-Ernährung von Kindern und zarten Frauen!!! Von der Kraft, die der Speise innewohnt, musst du, Törichter, Leichtsinniger, die Kraft abziehen, die du aufwenden musst zu ihrer Verarbeitung! 20, minus 50, ergibt minus 30. Es gibt auch eine Algebra der Verdauungstätigkeiten!
Wenn ich hungrig bin, verdaue ich sogar Sägespäne![13] Wie würde ich aber dann erst Sole en filet, sauce tomate, verdauen?!? Oder mit Sauce Crevette oder Sauce Parmesan?!? Hunger verbunden mit edler Wöchnerinnen-Kost! Höchste Erzeugung von Lebens-Energieen! Le minnimum d'effort et le maximum d'effet gilt nicht nur in Sachen der Kunst.
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Das jüngste Buch von Peter Altenberg bereitete seinen zahlreichen Verehrern und Verehrerinnen eine arge Enttäuschung. Man erwartete sich von seinem engumgrenzten Talente nicht viel. Aber mehr oder weniger richtige Aphorismen zur Lebensführung?!?
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»Sage mir, wie kommt es, dass du in deinem bewegten rastlosen ereignisreichen Dasein gerade nur diese eine ziemlich unscheinbare Geliebte niemals innerlich überwinden konntest?!? Wie ein ›Krebs der Seele‹ frisst die Erinnerung an dir – – –!?!«
»Das ist, weil sie gegen alle Tücken und feigen Grausamkeiten des Schicksals nur eine einzige Waffe besass – – – ein Tränenerschimmerndes Auge!«
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Ich ass einmal diese wunderbaren nahrhaften grossen gelben Bohnen in Essig und Öl, spuckte natürlich die ganz unverdaulichen Schalen aus, wie Schalen von Trauben. Da verzog die junge Dame an meiner Seite ihr wunderschönes Gesichterl zu einer bösartigen Grimasse.
Ich erwiderte sofort: »Sehen Sie, Gnädige, ganz dasselbe Schnoferl möchte ich machen, wenn Sie diese gänzlich unverdaulichen und beschwerlichen Schalen hinunterschlucken würden! Mich würde das noch viel mehr ekeln!«
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Viele Dinge in diesem Büchlein haben den Charakter von flüchtigem Dilettantismus. Immerhin besser alsschwerfälliger Bücherwurmismus!
Götterdämmerung. Das Orchester singt, jauchzt in tiefster Erregung die Spannung der wartenden Frau auf ihren Helden Siegfried. Da erscheint statt Dessen der »fremde Mann«.
Eine Welt von Verzweiflung in einer bangen Minute. Dann Stille. Das Orchester ist vor Trauer in sich zusammengesunken.
Die Frau, erschöpft: »Wer drang zu mir?!?« Wer drang zu mir?!? Lebens-Leit-Motiv aller edlen Frauenseelen.
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Meinem vergötterten Vater schickte ich zum 70. Geburtstage zwei Schachteln Tamar Indien Grillon, Paris.
Ich schrieb dazu: »Die anderen kommen mit Geschenken für das Greisenalter – – – wunderbarer Lehnsessel, seidener Schlafrock, Rheinwein, Pelz-Schuhe etc. Ich aber mache dir diese Geschenke entbehrlich«!
Ich bringe deinem Greisenalter die Jugendlichkeit!Jeden Morgen vor dem Frühstück eine Pastille! Morgens, nicht abends!
Die Verwandten sagten: »Verrückt ist er. Ist es ein Geschenk eines Sohnes?!? Was bezahlt Grillon für die Reklame?!?«
In seinem 75. Lebensjahre sagte mein Vater zu mir: »du, was ist es mit diesem Worte ›Greisenalter‹?!? Ich begreife es nicht. Wie mit 20 fühle ich mich, in jeder Beziehung. Sollte es wirklich [16] dein gepriesenes Tamar bewirken?!? Ich glaube es fast schon selber – – –.«
Tamar Indien Grillon, ideales Verjüngungsmittel, sei gepriesen!
Sie adaptiert uns für das Seiende, bewahrt uns vor ungewissen und dennoch möglichen »werdenden Welten«, die aus unseren überschüssigen Kräften erblühen wollen. Sie nimmt selber deine treibenden überschüssigen Kräfte in sich auf, dich scheinbar erlösend, [17] dich auf das »normale Mass« immer zurückbringend!
Deine Träumereien, deine Utopien, deine Wahrheits-Ahnungen, deine Fanatismen nimmt sie liebevoll gleichsam in ihrem Becken auf! Sie kann dich vor allem bewahren, was dir scheinbar unzuträglich ist, indem sie dich es erhoffen lässt, dass in deinem Söhnchen, deinem Töchterchen deine von dir nicht erreichten Ideale zur Betätigung kommen werden. Sie betrügt die naturgemässe Entwicklung um Generationen! Sie entzieht dich deinen Idealen, um sie auf deine Kinder zu übertragen, die sie dann doch nicht erfüllen!
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Von der Betätigung der Gesetze der Diätetik und der Hygiene hängt ausschliesslich die Evolution der Menschheit in geistig-seelischer Beziehung ab!
Wir sind Untiere. Aber wir wissen es bereits, wie wir Götter werden könnten! Es ist ein langer, langer Weg. Aber Gott hat Zeit! Das ist eine seiner Genialitäten! Er rechnet mit unbegrenzten Stunden! Heute?! Morgen?! Übermorgen?!? Nein, er ist zuversichtlich; in Milliarden Jahren!
Die Natur in uns muss ersetzt werden durch denGeist! Denn der Geist ist nichts anderes als zum Bewusstsein ihrer selbst gekommene Natur! Die Natur,wissend geworden über sich selbst! Die Natur, aus den Dämmerungen geleitet durch das Gehirn des Menschen, in die TagSonne [18] ihres eigenen Geistes! Die Natur zum Frieden gebracht durch Endgültigkeiten! Welt und Gehirn Identitäten geworden!
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Tamar Indien Grillon, Pastille aus Frankreich, Bohnen-Schote des exotischen Baumes, ein Teil bist du der Menschen-Lebenskräfte selbst! Du kannst Greisen die Martyrien des Alters ersparen, Frauen die Martyrien des Alt-Werdens, Männer kannst du auf den Höhen ihrer Leistungsfähigkeiten erhalten, Kindern ihr ideales Wachstum garantieren! Frisch undweich-zart musst du sein, und genommen erst beim Erwachen aus endgültigem ergiebigem Schlafe! Die Menschen warten in dieser Hinsicht fälschlich auf die »Natur«. Denn die Natur in ihnen wartet wieder auf den »Geist«, der die Natur erlöst in ihnen von ihrer eigenen Unzulänglichkeit! »Ich weiss, was not tut!« Gott sei Dank hat endlich die Naturkraft ihre Macht verloren, damit der »Geist«, die zum Bewusstsein ihrer selbst gelangte Natur, seine Herrschaft antreten könne! Tamar besiegt die unzuverlässige Naturkraft!
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Ich fluche denen, die die Poesieen der Kindheit, der Jugend preisen! Lob des »Idiotismus« im Menschenherzen! Nur der »Wissende« kann glücklich sein, der Reife, der »Erschauende«! Gott allein ist wahrhaft glücklich, denn Er ist »All-wissend«, [19] Entwirrer aller Wirrnisse, schwebend über den Dingen in den Dämmerungen! Frauen können nie glücklich sein, denn sie haben ihr Schicksal nicht in der Hand. Sie sind daher zeitlebens tragische Persönlichkeiten!
Ein idealer Arzt sagte zu einem höchst-kultivierten Patienten: »Mein Herr, ich habe mehr von Ihnen profitiert als Sie von mir!«
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Nur die äusserlich vollkommene und innerlich sanftmütige edle Frau, kann den Mann um seines Fanatismus willen für sie achten und verehren. Die andere, unbewusst im Gefühle ihrer öden und lächerlichen Unzulänglichkeiten, verachtet in ihm eigentlich seinen begeisterten Idiotismus, hat wenig Anerkennung für den Tölpel, der ihre Leere für voll nimmt! Man darf daher eigentlich nur jene Hand liebevoll berühren, die einer liebevollen Berührung würdig ist! Infolge ihrer Vollkommenheit!
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Reine sauerstoffreiche Luft bei Tag und Nacht, zu jeder Stunde, muss zu einer »fixen Idee« der [20] Menschheit werden! Alle Gesetze der Hygiene müssen im modernen Kulturmenschen zu »fixen Ideen« auswachsen, zur Macht des Unentrinnbaren in uns! Gesund sein, bisher, hiess, der Wahrheit trotzen können! Krank sein heisst, die Wahrheit ersehnen, sich ihr schliesslich demütig unterwerfen, um zu einer nächst höheren Gesundung zu gelangen! Krankheit ist die Möglichkeit zu einer höheren und endgültigen Gesundheit! Bisherige Gesundheit ist Trotz, der gebrochen wird!
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Grünes Erbsenpürée ist ungleich leichtverdaulicher als grüne Erbsen in ihren unverdaulichen Schalen. Es ist daher die Betätigung eines Blödsinnigen, dieselbe Frucht absichtlich in schwer verdaulichem Zustande zu sich zu nehmen. Für den Verdauungsapparat gelten dieselben Gesetze wie für den Künstler-Organismus: Le minnimum d'effort – – – et le maximum d'effet! Der bisher Gesunde lebte schwerfällig trotz seinem Verbrechen an den Gesetzen der Natur! Der künftige Gesunde wird leicht leben vermittelst der Gesetze der Natur!
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Den Gipfel ihres erreichbar möglichen Nerven-Tonus, ihrer Lebens-Energieen, ihrer Emotion-Fähigkeit, erreichen die meisten Menschen nur in seltenen Augenblicken ihres Lebens. Beim Anziehen zum [21] ersten Balle; beim ersten Berühren einer geliebten Hand; Fahrt zum Theater; Wir verreisen morgen früh; Er kommt, Er kommt; Verlobung; unerwartetes Geld; Der Tod geliebter Menschen. Da werden sie momentan zu inneren Künstlern, zu jauchzenden, jammernden, erbebenden in Freud und Leid, zu verzehrt werdenden! Aber die Künstler sind immer auf diesen Gipfeln. Alles macht sie erbeben, jauchzen und jammern. Das Schicksal der Welt tönt in ihnen nach, und wer in die Donau geht, ist ihr gemordetes Kind! Fünfzigmal höchstens während deines Daseins, schlapper unbewegter Mensch, wirst du zum empfindsamen Künstler-Menschen!
Aber dieser ist es ewig, bis zu seiner Sterbestunde, jauchzend, jammernd! Verzehrt werdend und wieder auferstehend!
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Anhäufung von Lebens-Energieen durch Einführung kolossal leichtverdaulicher nahrhafter Speisen, sogenannter Rekonvaleszenten-Kost, Wöchnerinnen-Kost, durch Atmen in ganz reiner Luft bei Tag und Nacht, durch Freiturnen, durch Hautpflege, Abführmittel etc. etc. und Benützung der angehäuften Spannkräfte zu seelisch-geistigen Betätigungen, ist der Entwicklungsweg der künftigen Menschen!
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Melancholie jeglicher Art ist das Gefühl der Unfähigkeit, den Weg seiner Ideale zu Ende gehen zu [22] können! Deshalb machen sich die, die sich schwach fühlen, vorzeitig künstliche nahegelegene Ideale, um ihren Melancholieen entrinnen zu können!
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Ich spielte mit einem Mädchen schweigend Domino. Ich sah, dass sie erbleichte, wenn sie gewann; dass sie jedoch rosig wurde, wenn sie verlor und ich hingegen im Gewinne war. Wir spielten um nichts.
»Mizi hat Sie mit Herrn v.T. betrogen – – – –« sagte später einmal ein Schwarzalberich zu mir frohlockend.
»Nein« sagte ich. »Erbleicht sie beim Domino, wenn er verliert, wird sie rosig, wenn er gewinnt?! Nun also!«
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Eine Speise essen, die dem dir heilig sein sollenden Verdauungsapparate mehr Widerstand entgegensetzt als unbedingt nötig ist, ist eine barbarische Betätigung! Ein mürbes Filet de boeuf und hingegen einzähes Filet. Fettdurchwachsener fettumsponnener Schinken und hingegen ein zerfliessendes sich fast von selbst auflösendes Schinken-Steak!?! Dein diätetischer Wahlspruch sei: »Es zerfliesse auf der Zunge!«
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Der Verdauungs-Apparat des Kultur-Menschen [23] muss geschützt werden wie ein Baby von seiner Mama. Zärtlichste Sorgfalt.
»Wie würdest du dann erst gedeihen, Dame, bei leichtverdaulichen Nahrungsmitteln! Fast genial fröhlich könntest du werden!«
Wie wenn ein Bergführer sagte: »Ich kann das Klosterwappen noch erklimmen mit 30 Kilo Gepäck am Rücken – – –.«
Wie würdest du es da erst erfliegen, gepäcklos, Bergführer?!?
Das Seelische allein ist das dem Wesentlichen des menschlichen Nervensystemes entsprechende. Das Sexuelle kann nur die letzte unentrinnbare Auslösung ungeheurer aufgesammelter seelischer Lebens-Spannkräfte sein! »Ich sehne mich zu Tode, geliebtestes Geschöpf dieser Erde. Der Schlaf flieht mich, ich versage die Speise, ich segne dein geliebtes Dasein unter bitteren Tränen Tag und Nacht – – –.«
[24] Nun erst erhöre ihn, Weib! Nun erst, nachdem du ein physiologisch Unentrinnbares geworden bist infolge seelisch-zehrender Not!
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Für die Mysterien des Nervus Sympaticus die Mysterien der Condurango-Wurzel im Condurango-Weine! Ein Likörgläschen, ganz langsam, in kleinen Unterbrechungen, in kurzen Schlucken, getrunken, während der Mahlzeiten! Es verschafft innere Freiheit und Frohheit. Man wird fast zu einem Künstler-Organismus! Man wird von sich selbst befreit!
Das sanfte flüchtige Berühren einer geliebten Hand, insgeheim, unter dem Tische, während eines Nachtmahles – – – und die elektrische Vibrations-Maschine! Für die erste Sache gibt es leider keine Kur-Anstalten. Aber für die letztere!
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Ich halte die elektrische Vibrations-Massage für eine Quelle der Regeneration und idealer Evolution der Menschheit.
Er befindet sich in ununterbrochenen unbewussten Gereiztheiten. Seine Sündhaftigkeit geht an den Nebenmenschen aus. Ein doppeltes Verbrechertum – – – an sich und an den unschuldigen anderen!
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Immer wieder auf gewisse Dinge zurückkommen?!? Ja, man kommt immer wieder darauf zurück, dass 2 und 3 5 ergebe.
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Vino Condurango, die undurchdringlichen Mysterien unseres Nervensystemes besiegst du durch die undurchdringlichen Mysterien der Condurango-Rinde des Ceylon-Baumes!
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Lenke deine höchste Aufmerksamkeit nicht auf dieBewegung, die du vollführst, sondern auf die Rast, die dieser Bewegung folgen muss! In der Rast liegt alle Wirkung! Bewegung ist ein Hilfsmittel, um die Rast zu ersehnen und in derselben zu gedeihen!
Im Rasten allein liegt die Weiter-Entwicklung unserer [26] organischen Kräfte. Im Ausrasten von höchster Bewegung!
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Maeterlinck und Altenberg erwünschen es sich, dass die Seele des Menschen an Terrain gewinne. Sie sehen darin die Quelle der Weiter-Entwicklung. In den Menschen sind ungeheure Kapitalien von Lebens-Energieen noch aufgespeichert, scheintot eingesargt. Sie können nur frei werden, in lebendige Kraft umgesetzt werden auf seelisch-geistigem Wege! Gott gab uns eine Seele zu seiner Wiederauferstehung in uns. Aber wir liessen sie eingesargt. Erwache, Seele, und herrsche! Jeder Mensch trägt in sich den träumerischen Idealismus des Friedrich Schiller. Aber er hält es für unpraktisch, denselben in sich zu erwecken!
Leichtest-verdauliche Nahrung für moderne Kultur-Menschen: Ausschliesslich weisses Fleisch: Poularde, Chapon de Styrie, ganz frische Fluss- und Seefische (vor allem Zander, Fogosch, Sole, Branzin, Schellfisch), junge Rebhuhn-Brüste, Hirn, Bries; dann [27] ganz weichgekochter Karolinen-Reis; Spinat; ganz weiche Eidotter; Fleisch-Suppe; Extraktum Puro; Beef tea jellie; Sardines de Nantes, geschält natürlich; Erdapfel- Pürée; Gervais-Käse, mit Salz; grünes Erbsen-Pürée; ganz mürbe Schinken-Steaks; ganz weich gekochte Makkaroni; rohe Eidotter in Fleischsuppe gesprudelt; saures Obers; abgekochtes Obers mit einem Gläschen Rum zur Parfümierung; Schwedischer Tee (Tee direkt in siedendes Obers geschüttet, bis es goldgelb wird); Emmentaler-Pürée; Crême d'orge; Ostsee-Fettheringe, Milchner; alles was überhaupt möglich ist, in Pürée-Form! Jede Speise werde entweder durch Zubereitung in Pürée-Form, oder im Munde durchZähne und Speichel! Der Magen empfange ausschliesslich Pürées! Den edlen wunderbaren mysteriösen Verdauungs-Säften ihre Arbeit erleichtern, ist die Sache, der Wunsch des kultivierten Menschen!
Wöchnerinnen-Kost, Rekonvaleszenten-Kost! Womöglich in ruhender Stellung bleiben, bei stets geöffneten Fenstern, Tag und Nacht frische Luft!
Die M. ist eine Schwächung des Organismus. Wehe der, die sie nicht schwächt. Sie glaubt über sie zur Tagesordnung übergehen zu können! Aber die M. rächt sich für Missachtung – – –.
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Wenn jemand sagte: »Mir schadet das nicht – –,« denke ich immer: »Aber wie nützte es dir dann erst, wenn du es vermiedest – –?!?«
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Unser Organismus ist ein Kapital, mit dem man in Weisheit ein Rockefeller-Vermögen machen oder in Dummheit Bankrott machen kann!
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Französischer Champagner: Erhöhung der Lebens-Energieen durch Erlösung von Hemmungen. Man singt innerlich: »Verkauft's mein G'wand, i fahr in' Himmel – – –.«
Es kommt da ein Moment, in dem einem der unbezahlte Zins und die treuelose Geliebte gleichgültig werden – – –.
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Alkohol ist ein Rasiermesser in den Händen einesKindes, eine Toledanerklinge, Waffe des Lebens, in den Händen des reifen Wissenden!
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Das gewöhnliche Weib erlöst uns vom Nachdenken, vom Vor-denken. Heiliges Medikament für Den, der eben dazu keine Kraft hat!
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Französischer Champagner: Eingesargte, in Bescheidenheit und Demut bisher eingesargte Originalität lebt auf, erblüht bei sanften Frauen. Das, was der strenge Tag nicht duldet, die ewige Wahrhaftigkeit, traut sich hervor. Der Gatte, der Geliebte, Knechte des strengen Tages, erbleichen vor den neuen unverständlichen Welten. Der Künstler-Mensch jedoch, der Rahm-Abschöpfer des Lebens, frohlockt bewundernd! Denn, siehe, das Genie im Alltag-Menschen erwacht! Wie sonst nur bei feierlichen Gelegenheiten, diesen Ausnahmsfällen der schlappen Seele!
Der Atem einer Frau muss dich seelisch beglücken können, der Duft ihrer Bluse und jedes Kleidungsstückes überhaupt. Alles an ihr muss märchenhaft wirken, wirklich etwas Zauberhaftes. In einem Meer von Sehnsucht musst du zu ertrinken wähnen, Tag und Nacht. Die Sehnsucht muss dich krank machen, noch kranker und noch kranker; und dann fast irrsinnig. Dann, dann erst öffne die Schleusen, erlöse und begatte dich! Dann erst! Vor den schrecklichen Toren des Irrsinns musst du stehen können und warten! Früher hast du kein Anrecht auf Seligkeit!
Wehe denen, die Glück haben! Der Weg, der [30] Weg, diese langsame Akkumulation von ungeheuren Lebens-Energieen ist ihnen erspart, ist ihnen versagt! Sie sind betrogen um das einzig Wertvolle! Armselige Besitzende! Welten-Gerechtigkeit! Don Juan um sich selbst betrogen!
Gott wartet seit Jahrtausenden geduldig auf das Durchdringen dieser Erkenntnis! Er selbst ist die antizipierte Kraft, die endgültig aus allem Geist und aller Seele wird! Deshalb versteht Er es, weil Er es ist!
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»Ich liebe dich« jauchzt die Naturkraft in uns und wird dann elend enttäuscht um dieses Jauchzens willen.
»Ich erkenne dich als die mir Zugehörige« sagt bedächtig der Geist in uns, und lebt dahin in unzerstörbarem Glücke.
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Nagelpflege: Nach dem lauen Bade schiebe die sorgsame Mama dem geliebten Kinde mit dem Ballen des Daumens ganz sanft die Haut an der Nagelwurzel zurück. Aber ganz sanft.
Aristokratische Hände verpflichten zu vornehmerer Lebensführung!
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Der Kulturmensch hat mit der Nahrungs-Aufnahme solange zu warten, bis eine ungeheure Sehnsucht nach Speise eingetreten ist, fast eine Speise-Liebe! Was der erhöhte beschleunigte Stoffwechsel einer Bergpartie in 5 Stunden an Nahrungs-Sehnsucht in dir erzeugt, erzeugt das gewöhnliche Leben erst in doppelter, dreifacher, vierfacher Zeit. Kraft haben zuwarten ist Alles. Auf seine tiefste Nahrungs-Sehnsucht warten können! Die Erlösung hinausschieben, hinausschieben! Heiliger Satz: Iss erst, bis du hungrig, höre auf, ehe du satt bist! Es muss zu einer »fixen Idee« werden, zu einer Religion. Ideale Forderung: Der gesamte Verdauungsapparat sei rein und in Ruhe, bevor neue Nahrungszufuhr eintritt. Nahrungszufuhr muss eine unentrinnbare Notwendigkeit sein. Darin allein bestehe ihr Genuss! Das Unentrinnbare allein sei unser Gesetz!
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Kindern, die hungrig sind, schwerverdauliche, wenig nahrhafte Dinge zu geben, ist ein verbrecherischer Idiotismus.
Oft sieht man dieses zarte edle Maschinchen bereit, eine wunderbare Arbeit zu verrichten. Aber die »Erwachsenen« stopfen gleichsam Häcksel und Holzspäne hinein! Nur der Wissende kann gütig sein!
Hartleibigkeit länger als 12 Stunden ertragen, ist eineSchändlichkeit. Auf die »Natur« warten wollen, ist ein zynischer Blödsinn. Auf welche?!? Auf die, die wir im Laufe der Kultur uns zerstört haben?!? Auf eine verlorene warten?!? Ja, ist denn Tamar Indien Grillon, Cascara Sagrada, Bitterwässer, weniger Natur?!? Ist die in der Welt verteilte Naturkraft nicht die unsrige?!? Wird die Kraft der mysteriösen Bohne Tamar nicht die meine, indem ich sie meinem Organismus einverleibe und dienstbar mache?!? Wehe denen, die die Natur verloren haben und dennoch auf sie noch immer warten wollen! Kraft meines Geistes fange ich mir die in der Welt verteilten Naturkräfte ein und mache sie mir zu meinen eigenen! Die Welten-Kräfte mir dienstbar gemacht kraft meines Geistigen in mir!
Nein, eben nicht mit einem Wort.
Sondern mit Millionen Wörtern, mit Wort-Schrapnells, mit einem Regen von Wort-Ekrasitbomben in diesen Feind Stupidität hineinkartätscht!
»Ich gebe meinem geliebten Kinde statt Fleisch nur mehr französischen Gervais-Käse mit Salz, und eine Schüssel Spinat. Man nennt mich verrückt. Ich bringe gerne dem Gedeihen meines Kindes den Ehrentitel ›normal‹ zum Opfer,« sagte eine junge Frau zu mir.
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Reis ist das edelste Verbrennungsmaterial, Heizmaterial für diesen Ofen »Organismus«. Aber er muss prima sein. In der Reis-Sorte sparen, ist eine Gemeinheit. Feinster Karolinen-Reis. Jedes Korn matt-durchscheinend wie Edel-Alabaster! Ganz weich gekocht und dennoch jedes Korn in Form bleibend. Reis muss, gekocht, aussehen wie hart und dennoch im Munde zergehen.
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»Alles wirkt individuell« sagte ein Skeptiker und trank statt Kaiserbrunn-Gebirgsquellwasser Schwefelsäure.
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Eine Zahnbürste muss halbweich und breitflächig sein. Sollte mir jemand darauf erwidern, er könne sich absolut nur einer harten und schmalen bedienen, so wäre es besser, ihm eine Schrotladung in den Mund zu schiessen. Besser auf einmal kaput, als in einer langen Reihe mühseliger Angriffe!
Ein Mann, der leidenschaftlich Krebse ass, legte immer die Scheren auf den Teller seines jungen [35] Weibes, das ebenfalls gern Krebse ass, und begnügte sich mit dem übrigen. Das ist eigentlich das Wesen aller Zuneigung auf Erden! Etwas anderes gibt es eigentlich nicht.
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Es gibt keine sexuellen Unentrinnbarkeiten. Es gibt nur seelische Unentrinnbarkeiten für den Kulturmenschen.
»Ich liebe dich«, und dessen physiologische Konsequenzen! »Würdest du sie aber auch lieben, wenn sie unbenützbar wäre?!?« »Ganz ebenso!«
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Zur Freiheit muss man reif sein! Das ist das Erz-Gebot. Schwarzen Panthern darf man nicht zur Freiheit verhelfen wollen. Und dummen unerzogenen Frauen!
Eine Welt von edler Sanftmütigkeit muss in euch wirken und wirken, auf dass ihr der Freiheit würdig, nein, fähig seid! Schwarzen Panthern kann man nicht in den Strassen der Grossstadt ihre Freiheit gönnen! Sie gehören in Käfige!
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»I möcht' so gern heut' mit dir schlafen gehn, Maxi; aber i kann's dem Menschen dort net antun. Er frisst mir dann morgen wieder nix zu Mittag – – –.«
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Seid nackt unter der Hülle des Kleides, in Wind und Wetter – – – und Franzensbad wird verödet liegen!
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Mit seinem Kräfte-Kapitale wirtschaften können wie John Rockefeller mit seinem Geld-Kapitale, ist alles!
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Als ich kam, errötete sie. Als ich ging, erbleichte sie. So war sie bereits dadurch meine geliebteste Geliebte geworden.
Wisst Ihr, was das heisst, freien offenen Hals tragen?! Es heisst, freie offene Seele tragen, freien offenen Geist tragen! Wie dein Hals ist, so bist du!
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Einen Menschen wirklich lieb haben, heisst, ihm in der Konversation soviel Konzessionen machen, auf ihn so viele Rücksichten nehmen, dass man zu einem kompletten Kretin wird! Aber dann hat man [37] ihn eben auch nicht mehr wirklich lieb infolgedessen.
»Sie erinnern mich, mein Herr, an eine Legende; in allen Ihren Betätigungen. Im Sonnenbrande in einer staubigen Dorfstrasse lag ein schrecklich verwesender Hunde-Kadaver. Alle Menschen wichen ihm aus und flohen. Da sagte Christus, der Herr: »Weshalb flieht ihr?!! Seht doch diese wunderschöne Perlenreihe von Zähnen, die der Verwesung trotzt und schimmert – – –!?!‹«
Übertriebene Reinlichkeit ist Schwächung.
[38] Auch der Leib muss sich erst sehnen, nach Reinlichkeit, um zu exzeptioneller Kraft zu gelangen! Die Hautporen müssen gleichsam bereits weinen nach lauem Wasser und milder Seife! Dann komme die Erlösung über sie! Heilige Rache der Armen. Sie sind gezwungen, auf die Notwendigkeit zu warten!
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Ein laues Bad (27°) sei ein königliches Fest deiner Haut! Sie sehne sich ihm direkt entgegen, wie der Liebende nach der Geliebten! Sie geniesse es wie eine Erlösung, leidenschaftlich. Verwöhne doch diese Zarteste nicht durch immerwährende Feste. Die Haut gewöhnt sich rasch an den Luxus und wird schlaff. Einem Menschen, der nur einmal in der Woche lau badet, merkt man es sogleich an. Wie nach einem kurzen Aufenthalt am Semmering wird er! Stoffwechsel-beschleunigt! Verjüngt. Aber der, der täglich lau badet, hat die stumpfe gleichmässige Physiognomie des reinlichen Alltag-Menschen. Das laue Bad sei ein Reiz, eine Erlösung, ein exzeptionelles Glück für die Haut!
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Die Wahrheiten, die Erkenntnisse liegen schlapp, fast leblos in uns, ohne elastische Kraft und Spannung. Sie müssen erst zur Macht von »fixen Ideen« auswachsen, um in uns zu wirken! Wir müssen irrsinnig an ihnen werden können.
Der Fanatismus von Dreh-Derwischen ist da gerade [39] noch genügend! Was nicht zur Tiefe einer Religion auswächst, erhält nicht Wurzel, Blüte und Frucht in unseren Herzen! Es bleibt ein Jour-Gespräch!
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Die Liebe des Kulturmenschen zu einem geliebten Geschöpfe enthält zugleich auch alle väterlichen undmütterlichen Freundschaften, die es überhaupt auf Erden gibt. Wenn man ein echtes Liebespaar erschaut, müsste man es zugleich empfinden: »Ein edler Papa mit seinem vergötterten Baby – – –.«
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Von der Zufälligkeit, ob der Knabe zum ersten Male im Leben eine geliebte oder eine ungeliebte Hand in Zärtlichkeit berührt, hängt das Schicksal seines ganzen Daseins ab!
In dem einen Falle wird er ein Milliardär an Lebens-Energieen, in dem anderen ein Bankrotteur!
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Seelische Liebe ist der genialste Akkumulator und Regenerator. Ferner das Licht der Sonne, von selbst endender Schlaf bei weit geöffneten Fenstern, Freiübungen in freier Luft, zarteste Rekonvaleszenten-Kost, Tamar Indien Grillon und Vino Condurango.
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Jede organische Erkrankung ist bei erblich Unbelasteten absolut nichts anderes als die Bestrafung [40] für sämtliche Verbrechen an den Gesetzen der Hygiene und Diätetik, die der Betreffende während seines Lebens stündlich begangen hat!
Im Buche des Schicksals wird jede Sünde (die tiefste Sünde ist die Unwissenheit) eingetragen, das Resultat der Addition ergibt die »organische Erkrankung«! Organisch erkranken, heisst unwissend gewesen sein!
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Kein erblich Unbelasteter braucht organisch zu erkranken! Es ist ihm als Wissendem beschieden das Gnadengeschenk der gerechten Natur, sanft im Lehnstuhle hinüberzuschlummern!
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Sämtliche Stoffwechsel-Krankheiten sind nichts als Sühne für Verbrechen! Gott duldet deshalb nicht, dass sie leicht heilbar werden!
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Krebs ist Sühne für alle schrecklichen Unwissenheiten, ein Endresultat von unbewussten Verbrechen. Um aufzurütteln aus dem Stumpfsinne!
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Der geniale Maler, das heisst der, der mit seinen Edel-Sinnen einfach der Natur und ihren romantischen Schönheiten näher gerückt ist als die übrigen Menschen, erschaut in einer Alm-Wiese mehr und verborgenere Poesieen als die anderen Touristen des Lebens.
[41] Im Bilde macht er es ihnen daher plausibel, gräbt es heraus, macht aufmerksam und verständlich. Sodass der Mensch auf diesem Umwege des »Gott-gesandten Lehrers« die Welt in ihrem mysteriösen Wunderbaren erkennen, verehren lernt.
Aber der bereits vom Künstler aus End-Gelernte, der, der sehen und hören und empfinden kann aus erster Hand?!? Der »End-Kultivierte«?!? In einer Art von historischer atavistischer Dankbarkeit wird er auf diesen Lehrer der Jahrhunderte, »Künstler«, zurück blicken; aber das direkte zarte Abbild der Natur, »Photographie«, wird sein ganzes lebendiges Künstler-Empfinden nun in ihm kurzer Hand bereits erwecken können! Er ist selbst Lebens-Künstler geworden! Und die zarten tragischen Gestalten der Dramen von Ibsen und Maeterlinck findet er weit tiefer in jeder Familie, in der er verkehrt, und genialer dargestellt von einem jeden, der seine Bürde durch das Leben schleppt!
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Eine Speise zu sich nehmen, die nicht eine unbedingte Notwendigkeit ist für den Organismus und nicht zugleich leichtest verdaulich ist, wird einmal als ein Vergehen gegen die Sittlichkeit beurteilt werden!
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Die Schönheit des Apollo-Falters (weiss- durchschimmernd mit schwarzen und orangefarbigen Ringen),[42] des Tagpfauenauges (zimtbraun mit lila Flecken), des Alpenbock-Käfers (schwarzsamtartig und hellgrau) waren meine ersten tiefen Leidenschaften. Wiesen an Berg-Lehnen, im Sonnenbrande, von dörrenden Erdbeeren duftend, bevölkert mit märchenhaft schönen Geschöpfen und dazu die Gefahr der Kreuzotter unter weissen Steinen! Man erschauerte vor Glück und Erregung.
Ich kaufte einem wunderbaren 7 jährigen Mäderl, von der ich hörte, dass sie eine ganz exzeptionelle und ausschliessliche Liebe für Tiere habe (niemals spielte sie mit Puppen, sondern nur mit Tieren aus Papier geschnitten) einen sehr schönen kleinen Elefanten aus einer Masse modelliert.
Sie erhielt ihn mittags während der Suppe. Sie erbleichte vor Erregung. Sie sagte nur: »Aber essen tu ich jetzt nix mehr – – –.« Und ging in ihr Zimmerchen.
Was, was müsste man einer Erwachsenen schenken, damit sie sagte die heiligen Worte der Seele: »Aber essen tu ich jetzt nix mehr – – –«?!?
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Ich sprach einmal in einer Winternacht eine zarte[43] wunderschöne ganz junge Gefallene an, bewunderte ihr edles Gesichterl. Sie wurde grob, sagte: »Sie, halten Sie einen anderen zum Narren, nicht mich!« Ich liess mich nicht abschrecken, sie zu bewundern wegen ihrer süssen Schönheit. Da sagte sie: »Nun, wenn es wirklich Ihr Ernst ist, so beweisen Sie es mir und kaufen Sie mir am Stefansplatz das schönste lebzeltene Herz, das es gibt, in einer Stand-Bude. ›Bitte sehr‹ erwiderte ich. Sie erhielt das schönste Herz. Es kostete 2 Kronen. ›Nun will ich Sie aber nicht länger aufhalten‹ sagte ich.«
»Nein, heute freut mich mein Geschäft nicht mehr, begleiten Sie mich bis zum Haustore, ich gehe mit meinem wunderschönen Lebzelt-Herzen nach Hause. Es ist meine glücklichste Nacht.«
»Nun, und wenn ich mit Ihnen schlafen ginge?!?« »Das wäre dann wieder ganz etwas anderes. Nein, lassen Sie mich heute allein mit meinem Glücke – – –.«
Der Fisch fürchtet sich nicht vor seinem Elemente »frisches Wasser«, aber der Mensch vor seinem Elemente »frische Luft«!
Habe ich das schon einmal geäussert?! Mache mir erst einen Vorwurf, bis ich es das zehntausendste Mal gesagt habe. Und dann erst, wenn du wenigstens bereits daran bist, es aufzufassen und zu befolgen!
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Die meisten Dinge, die einem am Herzen liegen, sollte man jedesfalls bescheidener und diskreter vorbringen, um das Selbstbewusstsein der Idioten nicht zu kränken!
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Edle englische Woll-Stutzeln (Puls-Wärmer) ersetzen den teuersten Pelz. Sie sind wie ein Ofen. In geschlossenem warmem Raume sogleich abzulegen! Man beneidet niemand mehr um seinen Seehund-Pelz für 500 Kronen. Man besitzt in der Tasche wunderschöne schwarze oder braune oder dunkellila Woll-Stutzeln für 2–3 Kronen! Pelz der Armen!
In jeder Gewandung muss man die tiefe Rumpfbeuge nach vor- und rückwärts, die tiefe Kniebeuge, das Anfersen, das Beinheben nach vor- und seitwärts, den Port-de-bras nach auf- und seitwärts, das Arm-Stossen nach unten, oben, seit- und vorwärts in unbeschreiblich beschleunigtem Tempo ausführen können! Jedes Gewand sei von selbst auch ein Turn- und Tanz -Gewand! Ein Schutz der Beweglichkeit und Freiheit! Eine zarte diskrete Hülle deiner lebendigen Kräfte! »Ein Turngewand?!? Eben dasselbe ist es, in dem ich auch das Kaiserliche Opernhaus besuche!«
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Werde so fein, so empfindlich in deinen idealen Träumereien, dass ein unelastischer Gang, eine ungeschickte Gebärde beim Grüssen oder sich erheben von einem Sessel, dich bereits tief enttäuschen könnten und ernüchtern! Dann bist du gefeit gegen diesen Feind »Unzulänglichkeit«!
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In einer süssen sanften edlen Stimme jedoch wieder kann bereits ein ganzer tiefer Mensch verborgen liegen! Grabe ihn daher aus, mit allen seinen Schätzen, vorsichtig, und folge nur getrost dem Laute dieser menschlich-süssen Stimme! Sie wird dich nicht irreleiten!
Denn Gottes Stimme tönt nur aus Gott-Ähnlichen!
[46] * * *
Ich sah eine junge Person in unbeschreiblicher natürlicher Anmut Arm und ideale Hand auf die Sessellehne legen. Ich sagte sogleich infolgedessen zu ihr: »Sie können nicht lügen!«
»Nein, das kann ich leider nicht« erwiderte sie.
Anmut der Gebärde verpflichtet zu innerlicher Anmut und Reinheit! Innerliche Anmut und Reinheit bewirken wieder Anmut der Gebärde!
Der »fremde Mann«, der dazu da ist, ihr ökonomisch das Leben möglich zu machen. Mann gewordenes Portemonnaie. Sie nützt ihn daher unerbittlich aus, leistet nur das unbedingt Notwendige, auf kaltem Wege unentrinnbarer Verpflichtung. Erzgepanzert liegt sie gleichsam, den Blick starr in Fernen gerichtet, seelenlos.
Der »Flug« oder »das Flugerl«, der, auf den sie mit ihren Sinnen momentan fliegt; Seelen-los, eine Fresserin, Verzehrerin in leiblichem Durst und Hunger ist sie da! Rassasiée, wendet sie sich ab, unbekümmert um sein ferneres Schicksal!
Er war ein »Flug«, ein »Flugerl«, die sinnliche Sehnsucht einer verflüchtigten Stunde. »Ich habe meinen Durst gestillt an ihm. Und basta.«
Der »Strizzi«. Der, dem ihr Herz gehört, der, um den sie zagt, weint und leidet. Der, der ihr Gelegenheit gibt, ein Weib zu sein! Der, den sie [47] lieb hat wie eine Mama ihr Baby, der, den sie sich krank wünscht, um ihn pflegen zu können, arm, um ihn erhalten zu können, tot, um ihn ewig beweinen zu können!
Die anständigen Frauen fühlen nichts von einer solchen Drei-Teilung. Oder doch?!?
Erregungen in sich sich anhäufen lassen können, ohne der drängenden Erlösung nachzugeben, gehört zumWesen der genialen Naturen. Sie repräsentieren Naturkraft-Speicher, riesige Etablissements, aus denen man dann unerhörte Symphonieen, Dramen, Gemälde, Wahrheits-Bücher etc. beziehen kann!
Auf Reizungen unmittelbar reagieren müssen, istungenial! Es ist, sein immanentes Künstlertum im Keime ertöten!
Seelische Fruchtabtreibung!
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Philosophie des Optimismus! Es ist einfach der »vorausschauende Geist«. Utopien sind »noch nicht« realisierte Dinge.
Von Wien aus, an seinem Schreibtische, mit seiner Geliebten in Berlin, Konversation führen können[48] – – – Anna, deine liebe süsse Stimme, Anna, Anna – – –, war auch einmal eine Utopie.
»Ich trage Zwicker-Nummer 20«.
»Und ich sehe mit freiem Auge bereits diese Dame dort am Ende der Allee!« »Ist es möglich?!« »Ja, es ist möglich!« Utopien – – – Fernblicke!
»Behalte lieber die Kraft, die dazu aufgebraucht würde, in dir zurück. Du kannst vielleicht daraus ein ›flammendes Gedicht‹ erzeugen!«
»Ich aber esse erst, bis ich den Hunger eines Schneeberg-Ersteigers habe! Eines Hoch-Touristen in Aktion!«
»Ich kann solange nicht warten – – –.«
[49] »Dann kannst du auch kein genialer Organismus werden!«
Wir können während unseres ganzen bewegten Daseins seelisch nichts erleben, was wir nicht restlos bei Richard Wagner in Musik umgesetzt wiederfänden! Er hat unser Herz und alle seine Emotionen bereits in Musik umgesetzt!
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Man wird sehr bald Theater bauen für Kinematograph-Vorstellungen! Die Natur aus erster Hand, unverfälscht vom Künstler erhalten, wird die Marke kommender Entwicklung sein! Ich lerne Brasilien kennen und das Fällen von Urwald-Bäumen nicht mehr durch Berichte, phantastische Erzählungen und Gemälde, sondern direkt mit allen Poesieen und Schauern der Natur selbst!
Wir sind endlich reif geworden für die Darbietungen der Natur auf direktem Wege! Zola war daserste Genie, das das erkannt hat! Dass die Menschheit reif geworden ist für die künstlerische Kraft der Natur selbst, vita ipsa! Die, die keine Kraft haben, keine [50] künstlerische Fähigkeit, die Natur-Schönheit, die Natur-Merkwürdigkeit, aus erster Hand zu geniessen, im Leben der Stunde selbst, diese noch nichtFreigesprochenen von diesen Lehrjahren »Kunst«, die Lehrlinge des Daseins, werden uns nicht irre machen! Sokrates beirrt durch Bett-unreine Kindlein!? Welten-Schönheit aus erster Hand, erfasst von diesen Künstlern »Auge«, »Ohr«, »Herz«, »Gehirn«!
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Was eine Mama in ihrem Kindlein zu erblicken die Liebes-Genialität hat, an Merk-Würdigem und Wunderbarem, das hat der Künstler in bezug auf alle Menschen! Sie sind seine ihm ans Herz gewachsenen Kindlein! Er erzählt von ihnen, er erlebt an ihnen minutiöse nichtssagende vielsagende Ereignisse, wie eine Mama an ihrem Baby. Eine liebevolle Mama macht sich oft lächerlich, weiss die seelische Fassungskraft der Fremden nicht zu taxieren. Desgleichen der Künstler. Er weiss die seelische Fassungskraft der Fremden nicht zu taxieren – – –.
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Nur ein Künstler versteht eine Mama. Sie ist selbst ewig in einer »künstlerischen Ekstase«, in einer »genialen liebereichen Erkenntniskraft« in bezug auf diesen einzigen Organismus »ihr Kind«.
Wie beneidet der Künstler die Mutter! Was [51] sie um einen einzigen durchzuerleben hat, erleidet er um alle!
Pflanze und Genie besitzen die Erdkraft, von überall, aus der zufälligen Umgebung, die für sie dienlichen Nährsalze zu ziehen – – –.
Die Mittelglieder »Tier« und »Mensch« jedoch[52] sind angewiesen, einer bestimmten Nahrung mühselig nachzupürschen – – –.
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Ehebruch. Aluminium hat eine so unentrinnbare Leidenschaft zu Sauerstoff, dass es denselben selbst aus so zähen Verbindungen wie mit dem Chrom zu reissen im stande ist und ihn für sich gewinnt!!
Künstler, Dichter, ahnet ihr noch nicht, dass das »werdende Weib« euch näher stehe als das »gewordene«?!
Welche »niedere Form« zweckdienlicher Notwendigkeiten repräsentiert denn dieser dem Manne entgegen ächzende Leib?!
In welcher Freiheit hingegen, losgelöst vom Zwecke, ganz in Grazie und Zartheit schwebend, steht das Kind-Weib vor dir, Künstler?! [53] Die traurigen Schwierigkeiten endgiltigen Ereignisses sind noch in weite Fernen gerückt und nah gerückt ist Gottes Plan, der Seele eine unbeschwerliche Hülle zu geben.
Diese Form prävalierender Göttlichkeiten in dem dem Fortpflanzungs-Geschäfte später so schnöde gewidmeten Kunstwerke »Frauenleib«, hat der ZeichnerFidus zu seinem Hauptthema gemacht.
Und die Jünglinge, welche diesen Kindlichen sich nahen, tragen daher auf ihrem Antlitze jenen Ausdruck, welcher mehr dem eines Beatrice-erfüllten Dante als dem eines besitzwahnsinnigen Fauns entsprechen!
10.000 Kilometer weit zieht das Häringmännchen an die Küste aus dem unendlichen Ozeane, um das Weibchen zu befruchten!
In das Gehirn des Häringmännchens legte die vorsorgliche Weisheit der Natur diesen Gedanken, an die ferne Küste zu ziehen zu dem Liebe-strotzenden Weibchen!
Sie sorgt eben für die Erhaltung – – – der Häring-Rasse!!
Petrarcas Seele entflammte sich zu einem ewigen[54] Feuer an dem Antlitz einer Dame, welche er ein einziges Mal im Leben sah, an einem Altare knieend! Niemals zog er an die Küste, zu ihr!
Aus Fernen, aus Seelentiefen, gleich dem Ozeane, liebte er sie und dreissig Jahre lang blieb er »in ihrer Ferne«!
Und ohne seinen Körper befruchtet zu sehen, lebte dieses Weibchen selig in dieser unfruchtbaren Liebe dahin!
O unergründliche Weisheit der Natur, die du à tout prix deine Zwecke zu erreichen strebst!!
Du sorgst für die Erhaltung der Petrarca-Rasse!!
Denn mit dieser Dame zeugte er so aus Fernenseine Kinder, die Liebeslieder!
»Giwril, mein Freund, du bist mein Folterknecht! Wenn ich mit dir zusammenkomme, esse ich 24 Stunden lang absolut nichts, trinke nur Eau de Cologne-Wasser. Damit ich die Sicherheit eines idealen Atems habe!«
»Habe ich es verlangt, gewünscht?!« [55] »Nein, aber auf deinem bleichen Antlitz liegt die maladie de l'idéal!«
»Maladie?!«
»Maladie! Denn die Gesundheit in uns wäre es, die Kraft zu haben, die Unzulänglichkeiten ertragen zu können! Wie die starke Lunge selbst Miasmen ertrüge, während die schwächliche daran krank wird!«
»Nein, meine süsse Freundin, Märtyrerin meiner Liebe! Die Gesundheit ist, die Zulänglichkeiten rastlos zu ersehnen, zu erstreben! An Unzulänglichkeitenerkranken und zugrunde gehen können, ist die Gesundheit einer Seele, die als Kranke zu leben zu gesund ist!!«
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Puvis: »Si tu mets une image sur une muraille, qu'elle ne peut pas digérer, cette muraille vomira cette image!«
P.A.: »Si tu mets une âme d'homme sur une âme de femme, qu'elle ne peut pas digérer, cette âme de femme vomira cette âme d'homme!«
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Einst sagte ich: »He, eine Dame, die meine Neigung erringen soll, müsste mindestens so schöne Hände haben, als meine Füsse schön sind!« Endlich fand ich eine solche. Aber es war eine Siamesische Prinzessin in Bangkok, aus einer englischen illustrierten Zeitung.
[56] »Warum lässt du dir dieses Bild einrahmen?!« sagte meine Geliebte zu mir. »Dieses Chinesengesicht?!«
»So – – –«, sagte ich und betrachtete die Tatzen meiner Angebeteten, welche für mich zu sterben jeden Augenblick bereit war!
* * *
Ich sass einmal mit zwei Gefallenen. Die eine alt, fertig, zerpatscht vom Leben wie die Fliege unter der Pracke. Die andere jung, blühend. Die Alte war ungeheuer lustig und die Junge ungeheuer traurig. Da sagte ich zu der Alten: »Du, wieso ist es?!?«
Da sagte die Alte: »Du, die hat's noch nicht nötig, lustig zu sein – – –!«
Pürée von ganz mürbem, hellrosigem, fettlosem Schinken, Pürée von grünen Erbsen, Pürée von gelben Bohnen, Pürée von Karolinen-Reis, Pürée von Bries, sauce tomate, beef tea jellie in Suppe mit gesprudelten rohen 8 Eidottern, Extractum »Puro« in gesprudelte Eidotter-Suppe, saures Obers, frischer Gervais-Käse mit Salz, Spinat, Pürée von prima-Erdäpfeln – – –.
Von der Kraft jeder Speise muss der denkende Mensch die Kraft abziehen, die erforderlich ist, um sie zu verarbeiten! Daher ausschliesslich leichteste Wöchnerinnenkost, Rekonvaleszenten-Kost! Mit den[57] Ersparnissen an Verdauungsarbeiten wird man zumgenialen Menschen! Das Genie ist nichts anderes als ein natürlicher Akkumulator von ersparter Arbeit im Organismus!
Und Hartleibigkeit darf es nicht geben!
In der Hälfte von 24 Stunden muss es irgendwie behoben sein!
Das Schädliche jedes Heilmittels kann durch Ruhe und Diät wieder ausgeglichen werden!
Was schwächt, kann durch Bett-Ruhe ausgeglichen werden!
Bett-Ruhe, erstklassiger Accumulator von Lebens-Energieen.
Der Schmerz während ihrer Abwesenheit muss tiefer sein als das Glück, das ihre Anwesenheit dir bietet!
* * *
Er besass ein kleines Taschentuch von ihr, mit ihrem Lieblings-Parfum »Cuir de Russie«. Er konnte nur einschlafen, wenn er dasselbe in seiner linken Hand festhielt. Er war jedenfalls erfüllt von Milliarden innerer Zärtlichkeiten. Jede ihrer Hautporen vergötterte er gleichsam. Er war tief traurig darüber, dass er nicht jeden ihrer Atemzüge in sich hineinsaugen konnte, den geliebten Duft ihrer Haare, ihrer Haut unaufhörlich [58] einatmen konnte! Diese unersetzlichen Lebens-Elixire!
Sie hingegen sagte: »Ich bin für ihn sicherlich etwas, was ich für keinen andern Menschen auf dieser Erde noch sein könnte. Ich werde das aber erst recht spüren, bis ich anfange zu verwelken. Aber vorläufig bin ich ein grosses Luder und muss es leider bleiben! Bis ich anfange zu verwelken! Dann werde ich ihn aber belohnen für alles Ausgestandene.« Womit?!? Nun, mit dem Pofel, der übrig geblieben ist!
* * *
Sehnsucht, Sehnsucht, die du aus den Herzen der Menschen und der Tiere ausströmst, ausströmst, ausströmst, und keine Seele findest, die dich liebevoll aufnimmt, wohin, wohin begibst du dich denn?!?
Zu einem Gedichte wertest du dich um, zu einer verschwiegenen Träne, zu einer ernsten philosophischen Stunde, zur Melancholie, die sanft und gerecht macht!
Nichts, nichts geht verloren von den Herzens-Kräften. Und das Winseln eines ausgesperrten Hundes kann an das Ohr eines Musikers dringen, der es in eine Symphonie umwandelt: Treue und Sehnsucht.
Tamar Indien Grillon, morgens vor dem Frühstück eine Pastille, gut zerkaut.
[59] Vibrations-Massage, ausgiebig bis zum ersten Ermüdungsgefühle.
Schlafen bei geöffneten Fenstern, das Bett hart an das Fensterbrett herangerückt.
Essen von Rekonvaleszenten-Kost, Wöchnerinnen- Kost, leichtestverdaulich und nahrhaft.
Warten können auf Hunger, auf Bergpartie-Hunger! So wirst du zu einem John Rockefeller deines Lebens-Kapitales!
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Eine jede Krankheit kann ausschliesslich nur durchErsparung an Lebensenergie-Ausgaben und Anhäufung von Lebensenergie-Einnahmen besiegt werden!
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Ich sagte zu einer jungen Dame: »Sie sind sehr schön. Aber Sie könnten noch tausendmal schöner werden! Durch Vino Condurango und Tamar Indien Grillon!«
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Spürst du es, wenn du ausgeschlafen bist, nämlich restlos?!? Eine Unmöglichkeit tritt nämlich dann ein,[60] noch länger im Bette zu bleiben! Ein Ekel vor dem Liegen! Dann erst bist du ausgeschlafen! Ein direkter Ekel vor dem Liegen! Bett-Flucht! Das Bett wird plötzlich zu einem unnötigen und lästigen Gegenstande! Dann erst bist du wirklich ausgeschlafen! Bis die Bett-Liebe zum Bett-Ekel wird!
Rancune haben nur die Missgestalteten!
Wer mitbekommen hat, was nötig ist, kann nicht allzu boshaft sein! Er ist versöhnt mit dem Schicksal!
Was einem Menschen versagt ist an Idealen, das gleicht er aus durch Böswilligkeiten an anderen! Er rächt sich an den anderen für das, was er zu wenig mitbekommen hat!
Sein »nicht Cocquelin-mässig französisch-sprechen« müssen die anderen büssen! Wer »ideal« schreitet, schreitet scheinbar »affektiert«; denn das gebräuchliche Schreiten ist »Plumpheit« und »Schwerfälligkeit« – –.
Er hat innerlich niemanden zu beneiden!
Er ist, der er ist und überhaupt sein kann!
Er ist in gewisser Beziehung sein eigenes vollendetes Ideal! Sein restlos erfülltes eigenes Schicksal! Aber die anderen sind Rudimente ihrer eigenen Möglichkeiten! Das frisst an ihnen wie ein Krebs. Sie trauern um sich selbst! Sie sind verzweifelt über die, die wenigstens das sein können, was sie sind! Sie hassen die, die wenigstens das sind, was ihnen gnadenweise vom Schicksale beschieden wurde! Den lieb haben können, der mehr kann als man selbst, ist »Menschlichkeit«! Ich liebe »Maeterlinck«, »Strindberg«, »Zola«, »Hamsun«, »Ibsen«, »Gorki« etc. etc.!
[62] * * *
Ich bin überzeugt davon, dass andere meine Ideen schon besser, deutlicher oder ganz so ausgedrückt haben.
Aber es ist notwendig, eine geschlossene Phalanx zu bilden gegen die »Stupiditäten«. Die Wahrheit muss, in welcher Form immer, Vorstösse machen, immer und immer. Eine »lächerliche Figur« werden dabei, ist das geringste Märtyrertum.
* * *
Den Menschen den Wert des ausgiebigen von selbst endenden Schlafes näherrücken, ist eine wertvollere Tat als alle Dramen und Gedichte der Welt!
* * *
Im Menschenleben selbst liegt, erblüht alle Poesie, wenn er danach lebt! Jeder wird zum Dichter, wenn er seine überschüssigen Kräfte in sich anhäuft, die zu »Symphonieen des eigenen Lebens« werden!
Nur der, der immer gerade soviel immer wieder ausgibt als er besitzt, bleibt eingesperrt im kleinen Kreislaufe, ein ödes Geschlechts-Tier! Seine Melancholieen drängender Kräfte ertragen können, heisst Mensch sein! Trauern-können um seine Gott-Unähnlichkeiten! Sich davon jederzeit erlösen können im »geschlechtlichen Rausche« ist Feigheit! Es ist »sich betrügen um Ideale«, aus einem tragischen Ideal-Dasein ein bequemeres Hausierer-Leben konstruieren! Beethoven konnte sich nur in Symphonieen [63] erlösen!Es stand ihm eben kein anderes Mittel zu Gebote!
Wehe denen, die »gesund« bleiben und »friedevoll« auf Kosten ihrer Ideale!
Satan in uns ist nichts als der verleugnete Gott!
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Die meisten edlen Frauen trauern innerlich um ihre Unzulänglichkeiten, sind bedrückt und zaghaft. Deshalb ersehnen sie einen, der soviel seelische Kraft hätte, ihre Unzulänglichkeiten zu Zulänglichkeiten umzudichten und aus ihnen Königinnen und Märchenprinzessinnen des Daseins zu machen!
»Ich bin nichts, nichts – – –« fühlt sie. »Aber wenn er es findet?!? Sollte ich ihn aufklären?! Aber wird es andererseits anhalten bei ihm für ein ganzes Leben!? Ich bin jedesfalls vorläufig seine kleine Königin, vorläufig, ich, ich, eine doch Bettelarme! Er hat eine Bettlerin gekrönt! Trage es würdig, Bettlerin!«
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Was »aus Liebe« geschieht, geschieht gleichsam unter den segnenden Händen der Natur! Die »Welten-Seele«, die in der Welt verteilte latente Seelen-Kraft, wird in irgend einer Weise dabei in lebendige Kraft umgesetzt!
Ohne seelische Betätigung gibt es nur schwächendes Bleich-Werden! Die Seele allein ist der Motor dieser zarten Lebensmaschine »moderner Mensch«![64] »Ich kann ohne Sie nicht mehr existieren Anna – – –«. Sie errötet, sie gedeiht, sie lebt auf!
»Ich möchte Sie nur momentan besitzen, geniessen, Anna – – –.« Sie erbleicht, sie wird zaghaft, sie stirbt ab! Es gibt ober uns, planend, eine segnende, eineverfluchende Kraft der Gesamt-Natur! Der Gesamt-Seele!
* * *
Ich lernte eine junge Dame kennen, die ihren Kanarienvogel so liebte, wie jeder Mann in seinen idealen Träumereien von seinem vergötterten Geschöpfe geliebt werden möchte! Es war das Muster-Beispiel einer wirklichen gegenseitigen Liebe!
Er blickte sie immer an, immer und immer, in Zärtlichkeiten, die das Gefäss Herz zu sprengen drohten! Seine kleinen schwarzen Äuglein schrieen vor Liebe und Zärtlichkeit. Seine Füsschen tanzten, seine Flügel bebten vor Zärtlichkeit. Und die Herrin trank und trank diese unglaubliche Liebe in sich hinein, und wurde stark und froh und zuversichtlich dadurch!
Und dann starb das geliebteste Vögelchen eines tragischen Todes. Die Mutter des Mädchens trat zufällig darauf. Und es war aus! Alles war aus. Irreparabel. Sie lebte seitdem wie eine Absterbende.
»Wenn er mich anblickte mit seinen winzigen schwarzen geliebten Äuglein – – –.
Aber die Augen der Männer haben Wucherer-Blicke, Blicke von geriebenen Geschäftsleuten.
[65] Weshalb gräme ich mich?!? Ich, ich allein unter Tausenden lernte doch das Wesen der Liebe kennen – – –.«
* * *
»Der Duft deines Polsters, auf dem du eine Nacht lang geruht, und der den Duft deiner Haare, deines Atems, deiner Haut enthält, kann mein Dasein verschönern, verklären.«
»Dann gehe also hin, brich ein und bringe mir den ersehnten Smaragd-Schmuck!«
Da wuchs er sogleich von selbst zu seinen nächsthöheren Gipfeln empor und ohrfeigte sie. »Ihr habt eure Macht mitbekommen, um uns hinauf- nicht herunter zu bringen!«
* * *
Iss um zu leben, lebe nicht um zu essen! Wie lange dauert es, bis eine alte Erkenntnis durch irgend einen Hokus-Pokus zur Kraft eines unentrinnbaren Gesetzes anwachse in den Gehirnen!?!? Welches pikante Gewürz, um den Idioten Etwas mundgerecht zu machen?!? Es sei »gepfeffert« – – –.
Warte nun aber gerade so lange, bis dieser Gedanke für dich etwas direkt Beseeligendes erhält! Gerade so lange! [66] Dann erst bist du idealisch-reif zu neuer Nahrungs-Aufnahme!
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»Wie der Morgentau für zarte Wiesenblumen, wie Regen nach Trocken-Tagen sei meine Schönheit, meine Anmut für dich! Wie ein beglückter Gärtner, will ich dieses Edelste, ›Mannesgehirn‹, betreuen, beschützen, fördern. Und mein Triumph sei seine Gipfel-Höhe!
Wenn der Duft meiner Haut, meiner Haare dich beglücken, so duften sie infolgedessen wieder in diesem Augenblicke stärker, angeregt durch deine Beglückung! O Mann, lasse mich diesen Anteil nehmen an dem Gebäude deiner Welten-Seele!«
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Möge ein jeder sein Scherflein beitragen – – –; dann kommt die Milliarde zustande – – – an Wahrheit und Licht!
* * *
Fleisch, ich habe nichts gegen Fleisch. Aber ich bin davon tief überzeugt, dass, wenn einer in Eifersuchtsqualen dahinvegetiert, und dabei täglich schwarzes Fleisch isst, er dem Mord- und Selbstmord-Gedanken näher rückte als wenn er in derselben Zeit Gervais-Käse und Spinat zu sich nähme!?!
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Harte erstklassige Eidotter, passiert durch HaarSieb,[67] mit Estragon- oder Bertram-Essig und ein wenig Salz, zu einem dicken Brei verrührt!
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Zwischen schwarzem Fleisch und weissem Fleisch ist ungefähr der Kraft-Unterschied der robusten Lungen-Kraft eines trainierten Meister-Ringers und der zarten Lungen-Kraft eines gesunden neugebornen Kindleins. Schwarzes Fleisch ist daher nur für erstklassige Meisterschafts-Ringer des Lebens! Ich empfehle Schill-Steaks, Fogosh-Steaks, Zander-Steaks, Branzino-Steaks etc. etc. in leichten Paradeis-Saucen, in leichten mehl-freien Einmach-Saucen, Sauce Hollandaise etc. etc. Ich empfehle desgleichen eingemachtes Hirn und Bries.
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»Ich habe Verluste, also suche ich dieselben natürlich durch Bett-Ruhe und Rekonvaleszenten-Kost auszugleichen« sagte die edle junge Frau sanftmütig an gewissen Tagen.
»Mir schadet das nichts« sagte im gleichen Falle die Brutale und sekierte während dieser Tage ihre ganze Umgebung infolge ihrer Nerven-Überreizung.
Es schadete ihr wirklich nichts – – – aber den anderen!
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Empfinde Wäsche-Wechsel nicht als etwas Selbstverständliches. Empfinde es als Besonderes, Regenerierendes, [68] Wunderbares! Empfinde es als eine neue »Häutung«, wie die Libelle aus der Puppe, in lichtere, reinere, leichtere Welten!
Das Selbstverständliche ist Nerven-Mord. Das mit Bewusstsein erfasste Nützliche wird erst zu einem Nerven-Tonikum.
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Frischer französischer Gervais – Käse, mit Salz, mildestes, sanftestes Nahrungsmittel dieser Erde, gleichsam Edel-Betreuerin unseres Verdauungssystems. Weshalb nehmen dich hie und da satte Menschen zum Dessert, während du für dich allein bereits ausreichtest, einem Hungrigen alle Lebenskräfte in edler einfacher Art zu spenden?!?
Jungen zarten Frauen möchte ich an »gewissen« Tagen nur Gervais-Käse geben und Hühner-Bouillon, beaf-tea-jellie, Spinat, weichgekochten Karolinen-Reis, durchsichtige Sago-Suppe, Erdäpfel-Pürée, grünes Erbsen-Pürée, rohe Eidotter gesprudelt in klare Hühnersuppe.
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Die Kopfbedeckung ist ein Irrsinn, eine überkommene Institution dieses Mittelalters »20. Jahrhundert«! Es ist nicht weniger blöd als Hexenverbrennung! Die Hutmacher wollen eben existieren; wie die Postkutsche zur Zeit der Eisenbahnen!
[69] * * *
Einen geraden idealen Rücken haben, ist eine Voraussetzung eines kultivierten Menschen. Dazu ist ein jeder verpflichtet. Junge Damen mit unidealem Rücken müssten auf Bällen boykottiert werden. Niemand tanze mit ihnen!
Frei-Übungen zu einer rhythmischen Klavier-Begleitung (amerikanische Kriegs-Märsche), unerhört präzise, blitzschnell ausgeführt, erhöhen das Turnen zu einem »hygienischen Tanzen«. Das Tanz-Turnen.
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Schöne Frauen, traget Socken, Sommer und Winter lang, und keinerlei Unterkleider! Es macht euch widerstandsfähig und rosig!
* * *
»Es gibt Frauenhände, deren Berührung mir Lebens-Energieen zuführt, es gibt Frauenhände, die mir Lebens-Energieen rauben!«
Sauge einer jeden Speise ihre Kraft, ihre Seele aus, vermeide ihre schwer verdaulichen Rückstände, die Überflüssigkeiten! Was zu einem leichten Brei in deinem Munde vermittelst der Zähne und des Speichels verwandelbar ist, das schlucke hinunter – – –. Das andere – – – schlucke nicht hinunter!
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Kleidung – – – Verhinderer dieser wunderbaren Verbindung »menschliche Haut« und »atmosphärische Luft«!
Reine Hände sind fast schöne Hände. Man hat jedenfalls Mitleid mit ihnen.
[71] Und das ästhetisch Vollkommene überlassen wir ausschliesslich den Schicksals-Genies! Denen, die es mitbekommen haben als Erbteil! Hagen kann nie Siegfried werden. Er ist bleich und schwarz, schwerfällig und von langsamer Verdauungskraft.
Hagen mit manikürten Händen – – – ha ha ha ha. Es bleiben dennoch ewiglich schwere Mord-Hände!
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»Mein Gatte geht im Schneegestöber ohne Hut, lässt die Schneeflocken in seinen geliebten Haaren zerrinnen – – –« sagte stolz eine junge Dame. »Die Passanten bleiben lächelnd stehen, aber das ist eben mein grösster Stolz!«
Da begann er heimlich des Morgens mit den adeligen Frei-Übungen: Arm-heben nach auf-seit-abwärts-vorwärts, in blitzschneller Präzision. Beinheben vor-und seitwärts. Anfersen. Tiefe Rumpfbeuge nach vor-und rückwärts. Alles in blitzschneller Präzision. Bis zur ersten leichten Ermüdung. Dann Rast in Liege-Stellung.
Eines Tages sagte sie beglückt: »Du schreitest nun leichter und froher dahin, mein Lieber – – –.«
Der »Deutsche Aufsatz« des Gymnasiums ist das Unglück des späteren Lebens.
Es ist eine »geistige Schwäche«, das Wesentliche und Wertvolle einer Sache nur in einem verdünnten Brei von Überflüssigem geniessen zu können!
Es ist die unselige Fähigkeit, einen monumentalen erzenen Satz zu einem Artikel zu zerreiben, eine Skizze zu einer Novelle auszuwalzen wie die Köchin den Strudelteig, aus einer gehaltvollen Szene ein gehaltloses Stück zu machen!
Es ist die schreckliche Fähigkeit, stundenlang Konversation zu führen, statt stundenlang schweigen zu können und in einer Minute das Erschöpfende sanft mitzuteilen!
Sparsamkeit, sagt Bernhard Shaw, ist die Tugend der Tugenden!
Bis zu dem Augenblicke, da ich das las, hätte ich mich gescheut, diese These als meine ureigenste Erkenntnis seit 25 Jahren zu propagieren! Ich freue mich aufrichtig, dieselbe nun bei einem gefunden zu haben, dem man jedenfalls eher glauben wird als mir!
Sparsamkeit ist die Tugend der Tugenden!
Man muss das einer Künstlernatur liebevoller glauben als jeder anderen, da gerade diese die Verluste ihrer Lebensenergieen in jeder Beziehung, seelisch, geistig, körperlich und ökonomisch, tiefer und tragischer empfindet wie jene Naturen, deren Produktionskräfte auf minder Wertvolles gerichtet sind!
Ein Franzose hat es so wunderbar ausgesprochen:[73] »Être artiste, c'est tout simple – – le minimum d'effort et le maximum d'effet!«
Nüchtern und knapp!
Aber wir erlernen das schrecklich Überflüssige im »Deutschen Aufsatz« des Gymnasiums! Es verfolgt uns dieses Danaergeschenk des schönen Stils, der wohlklingenden Sprache, in alle unsere geistig-seelischen Emanationen!
Die gute Hausfrau hat sich noch allein die Fähigkeit erhalten, die Knochenzuwage zum Beefsteak als etwas Störendes zu empfinden!
Wir aber haben uns daran gewöhnt, zu verdaulicher Geistesnahrung unverdauliche Knochen und Flachsen freudig mitzubezahlen und mit hinunterzuschlucken!
Überwindet den »Deutschen Aufsatz« des Gymnasiums, ihr, die ihr als Gereifte ins Leben entlassen seid!
Wir erlassen euch für immer Einleitung und Schluss und alle Vergleiche aus dem Mittelalter und Altertume!
Ziele, fertig, triff ins Schwarze!
Ich glaube, der Leser wartet schon lange auf eine solche Ausdrucksweise – – nur der Schreibende hat noch nicht den Mut dazu! Sparsamkeit ist die Tugend der Tugenden, sagt Shaw.
Wozu?!? Um im besten Falle normal zu werden?!? [74] Aber die gesunde Lunge bedarf reiner sauerstoffreicher Luft, um »göttlich« zu werden,über-menschlich!
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Man gab Vino Condurango Magenkrebs-Kranken, zur Linderung. Nun wird man es Magen-Gesunden geben, zur Erhöhung!
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Den Kranken, das heisst den Herunter- Gekommenen zu seiner früheren Höhe zurückbringen – – – armseliges Bemühen!
Den Gesunden von seiner Höhe zu Gipfeln endzubringen – – – Gott-gefälliges Werk! Von eigener Höhe zu überhaupt erreichbarer Höhe!
Erschöpften Kräften aufhelfen?!? Aber unerschöpfte zu unerschöpflichen machen! Das ist das Werk!
Der »Rekonvaleszent« erwachte aus einem 15-stündigen Schlafe bei weit geöffneten Fenstern. Er war wie neugeboren. Wie erwachte aber da erst einer, [75] der kein »Rekonvaleszent« wäre! Nicht neu-geboren, sondernhöher entwickelt!
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»Hauche mich an« sagte er; »denn dein geliebter Atem führt mir die Kraft zu, die ich brauche, um die Verzweiflungen zu ertragen, die du mir sonst seelisch anderweitig auferlegst – – –.«
Die Spannung, die eintritt, wenn wir als Kinder Coopers »Lederstrumpf« lesen und mit dem geliebten Edelsten »Wildtöter« oder dem »Cingachgouck« mitleben, mit-leiden, mit-sterben, eben dieselbe Spannung müsste eintreten, wenn wir Erwachsene geworden [76] sind, dem geliebten Weibe gegenüber. Man möchte sie retten, schützen, betreuen – – – aber man kann nur in Tränen und Angst ihr Schicksal lesen, den Schlaf verlieren und die leichte Tagesfreude. Und auf das nächste Kapitel ihres Lebens warten – – – wird sie also untergehen oder nicht?!?
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»Ich wünsche mir leidenschaftlich ein Töchterchen« sagte eine junge Frau zu mir, »aber nur, um ihr alles das ersparen zu können, woran ich selbst gescheitert bin – – –. Einen Knaben müsste infolgedessen leidenschaftlich mein Gatte sich erwünschen!«
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Im »Variété« lernt man es, wie weit es ein jeder in einer Spezialität bringen könnte. Der kommende Mensch wird ein Variété-Künstler seines Gesamt-Organismus sein!
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Ich traf in einem Bäckerladen um 4 Uhr morgens ein bleiches mageres wunderschönes Kind von 14 Jahren.
Ich sagte zur Bäckermeisterin: »Reissen Sie doch um Gottes willen dieses zarte Geschöpf nicht um diese Stunde aus dem Schlafe, jetzt, in den Entwicklungsjahren – – –.«
»Ja, mein lieber Herr, glauben Sie, dass es mir besser ergangen ist seinerzeit?!?« [77] »Desto tiefer müssten Sie es nun mitfühlen können!«
»Also bitte, wenn der Herr Doktor übrigens glaubt – – –« sagte die Bäckermeisterin und schickte das süsse Geschöpf wieder schlafen.
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Antiphon! Hartgummi-Kugel mit Stahl-Bügel! Getreuer Bebüter tiefen von selbst endenden Schlafes! Helfer der Natur selbst, die liebevoll an der Nacht-Arbeit ist, die Schäden des Tages wiederherzustellen! Das Ohr verschliessest du und den Nerven gibst du den Frieden bewusster Sicherheiten. Sei gesegnet!
Zu kaufen in den Läden für chirurgische Instrumente. In Wien bei Breuer, I., Führichgasse.
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»Ich kann nach dem Tempo eines amerikanischen Militär-Marsches hundertmal die tiefe Rumpfbeuge machen« sagte eine junge Dame; »und dann habe ich noch meine Hilsen Loute-Torte erfunden:
10 kreisrunde Blätter aus Hohl-Hippen-Teig, gefüllt mit Crême fleur d'orange, übereinandergelegt. Mein Bruder ist ein Dichter. Aber wenn er diese Torte isst, sagt er jedesmal: »Hilsen Loute, du bist die grössere Dichterin!««
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Jeder kultivierte Mensch möchte ein Goethe-Leben führen. Da er aber die Kraft nicht dazu [78] hat, versauft er sich. Das heisst, seinen Gram dar über!
In meinem Hotel ist es durch 3 Zentimeter dicke Kokos-Teppichläufer und 10 Zentimeter dick mit Werg ausgefütterte Tuchtüren als zweite Aussentüren, ferner durch strengste Vorschriften an die Bediensteten, für welche Stille-Prämien ausgesetzt sind, unmöglich gemacht, anders als durch den Wunsch gleichsam der Natur selbst geweckt zu werden! Von 10 abends bis 10 morgens ist jedem meiner Gäste absolute Ruhe garantiert!
In meinem Gasthofe werden ausschliesslich, unter Aufsicht eines Arztes, Speisen zubereitet, die in einem normalen aber zarten Organismus in 2–4 Stunden vollkommen verdaut sind!
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»Mein Geliebter ist bloss ein Schreiblehrer. Aber ich ersehne es mir, dass er der Welt eine grosse deutliche Schrift beibringe, sie in seinem Gebiete [79] wenigstens erlöse! Kann mein Leib, meine Seele ihm dazu dienen, bon. Es soll seinen Idealismus anfeuern, den Menschen eine deutliche Schrift beizubringen – – –.«
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Vibrations-Massage! Den Kranken machst du vielleicht gesund, aber dem Gesunden verleihst du sicherlich göttliche Kräfte!
Man muss soweit heruntergekommen sein, schwerverdauliche Nahrung nicht mehr zu vertragen, um so weit hinauf zu kommen, durch ausschliesslich leichtverdauliche Nahrung eine neue Höher-Entwicklung erreichen zu können!
Sein eigener Sohn werden können, sich in sich selbst höher-organisieren zu seiner End-Entwicklung! Aber es von seinen Kindern erwarten, erhoffen?! Feigheit!
[80] * * *
Es gibt nur zweierlei Menschen: Die, die in irgend einer Weise den Plänen des Schöpfers in Bezug auf die Sanierung der Menschheit Vorschub leisten, und die »Après moi le déluge- Menschen«, also Christliche und Jüdische!
Man schütte die trockenen Teeblätter statt in siedendes Wasser, direkt in siedendes bestes Obers (unabgerahmte Milch). Dann lasse man es »ziehen«, bis die Milch goldgelb geworden ist, seihe die Teeblätter heraus und fertig! Man hat das wertlose Wasser durch nahrhafte Milch ersetzt und dieser die Tee-Seele eingeflösst, das Tee-Aroma, ein Tonikum der Nerven.
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Eine Familie gründen heisst, seine für eine Milliarde von Menschen-Schicksalen ausreichende latente Freundschaft auf ein Frauen-Schicksal und zwei bisfünf Kinder-Schicksale herabdrücken.
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Freiturnen, in blitzschneller Präzision ausgeführt, macht frei. Wovon?!? Fast von allem, was bedrängt! Was bedrückt!
[81]Man darf eine Dame fragen: »Waren Sie heute schon im Schwimmbade?!?«
Aber die ebenso natürliche andere Frage – – – ist unerlaubt.
Und dennoch garantiert die zweite Art dir Jugend und Schönheit mehr als die erstere. Aber man darf nicht fragen: »Tust du etwas für deine Jugend und Schönheit, geliebtestes Geschöpf?!?«
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Auf seinen »Hunger« warten können, ist fast der Triumph körperlich-seelisch-geistiger Erziehung. Überall kannst du dir den heiligen Hochgebirgs-Touristen-Hunger erzeugen, der gleichsam Leder noch verdaulich machen möchte.
Die Zeit verschafft dir ihn. Vielleicht in 24 Stunden, in 30. Aber dann sicherlich. Bis dahin musst duausharren können in Ausharrungs-Kraft! Habe ich das schon einmal mitgeteilt?!? Ich sollte es noch hundertmal erwähnen. Bis zum Überdrusse. Stahl-hart-elastisch werden, um ausharren zu können bis zum Hochgebirgs-Hunger!
Ein wirklich glücklicher Augenblick im Leben: Wenn der Zahnarzt sagt: »So, heute sind wir fertig geworden. Sie brauchen vor einem halben Jahre nicht wiederzukommen – – –.«
Schwerfällig gehen, ist ein Verbrechen. Denn man könnte es ändern! Irreparabel ist ein Nasenrücken. Aber selbst der wird durch edle Gedanken veredelt, aristokratisiert!
Der Mörder »Optimismus«! Es wird schon gehen. Es ist anderen auch gelungen. Weshalb gerade mir nicht?!? Ist es nicht heute, ist es morgen. Dieser feige schleichende Gedanken-Mörder »Optimismus«!
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»Ich bereite mich in jahrelanger gegenseitiger Zärtlichkeit mit meinem Kanarienvogel für den vor, der da kommen wird – – –!« [83] »Ein solcher wird nicht kommen, Fräulein – – –. «
»Dann bin ich wenigstens denen entgangen, die zu wenig edle Zärtlichkeit gehabt hätten – – –.«
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Die Märchen vom Jugend-Brunnen sind Antizipationen künftiger Menschheits-Entwicklung! Alle Träume sind antizipierte Entwicklungen – – –.
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Ich höre, dass man Vino Condurango bei Magenkrebs verordnet. Welche Kraft muss dieses Mittel erst spenden können, solange der Magen noch gesund ist?!?
Nachmittags-Schläfchen. Man ziehe sich vollständig aus wie abends, ziehe das Nachthemd an, nehme die Antiphone ins Ohr, lege sich ins Bett! Man spiele »Nacht-Ruhe«; so holt man in einer halben Stunde, in einer Stunde, viele viele versäumte Stunden ein. Man kann dann wirklich neuausgerüstet das Tageswerk vollenden bis zur Nacht! Völlig gerüstet für den Kampf der Stunden.
[84] * * *
Freiturnen zu den ungeheuren Klängen von amerikanischen Märschen in einem Riesen-Orchestrion, Firma Caivioli, mit Anfeuerung durch die Zurufe des Turnmeisters, wie beim Parforce-Reiter auf ungesatteltem Pferde im Zirkus durch den Stallmeister! Freiturnen nach Trommelwirbeln! Die Musik muss aufstacheln und Kräfte auslösen! Freiturnen sei eine Art Bewegungs-Schlacht. Vor, vor, nur vor, gebt euer Letztes!
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Jeder Organismus ersehnt sich unentrinnbar seinen möglichen Ideal-Zustand und nur bewusste Weisheit kann ihn ihm verschaffen!
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Eine Dame schrieb einem Manne, den sie nicht leiden konnte und der sie nicht leiden konnte: »Heute abends kommt zum Nachtmahle Fräulein B. zu uns, an die Sie kürzlich das schöne Gedicht gerichtet haben. Kommen Sie, Sie brauchen mich selbst jedoch nicht einmal zu begrüssen.« Und der Herr tat ihr die Ehre an, zu kommen und sie nicht einmal zu begrüssen. Aber im Inneren befanden sich die Siege der Seele – – –.
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Philosophie des Optimismus. Im 17. Jahrhundert sagte einmal einer: »Man wird einmal von Paris nach Wien fernsprechen können – – –.«
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Pferde-Misshandlung. Sie wird aufhören, bis die Passanten so irritabel-dekadent sein werden, dass sie, ihrer selbst nicht mächtig, in solchen Fällen tobsüchtig und verzweifelt Verbrechen begehen werden und den hündisch-feigen Kutscher niederschiessen werden – – –. Pferde-Misshandlung nicht mehr mit ansehen können, ist die Tat des dekadenten nervenschwachen Zukunfts-Menschen! Bisher haben sie eben noch die armselige Kraft gehabt, sich um solche fremde Angelegenheiten nicht zu kümmern – – –.
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Kindheit und Jugend sind die öden torkelnden Verbrechen des Unwissens! Die Sandwüsten gepriesenen Instinkt-Vegetierens! Gott weiss, und nur der Wissende kann Gott-ähnlich werden, tief und friedevoll! Kindheit und Jugend – – – Hallstädter Kretin-Dasein! Idylle des Trottels!
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Melancholie ist, den Abstand seines Seins von seinen eigenen möglichen erreichbaren Idealen spüren! Wehe dem, der diese Melancholieen nicht hätte! Vorzeitig seine Ruhe, seinen Frieden finden, heisst die [86] Sedan-Kapitulation seiner selbst unterzeichnen! Melancholie ist die Stimme Gottes in uns, die uns unentwegt an unsere Pflicht ruft, Gott-ähnlich zu werden! Diese dunkle unentwegte Stimme, die tönt und nicht zur Ruhe kommen lässt. Wehe denen, die beruhigt dahinleben. Nur auf erreichten Gipfeln ist endgiltige Ruhe!
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»Ich liebe dich« wird ersetzt werden durch »Ich erkenne dich.« »Ich erkenne dich, Freundin, als die mir Zugehörige! Du wirst mir Kraft verleihen zu meinen Gipfeln – – –. Und ich werde dich belohnen durch Sanftmütigkeiten, die aus der Kraft meines Friedens kommen, den ich wieder nur dir verdanke – – –.«
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Es wird eine Zeit herankommen, da werden alle arbeitenden Menschen den Dienst versagen, wenn es nicht in einem durch erstklassige elektrische Ventilatoren mit sauerstoffreicher reiner Luft erfüllten Raume geschieht. Alles andere ist Kräfte-Meuchelmord!
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Die Sohlen meiner Schuhe beginnen zu reissen, ihren Dienst zu versagen. Aber ich habe seit 2 Jahren noch ein Paar amerikanischer Schnürschuhe in Reserve. Das macht mich sorgenlos, frei und glücklich. [87] Es ist ein Tonikum für die Nerven. Schuhe in Reserve haben!
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Semmering, ungeheurer Speicher von Lebens-Energieen! Sei gesegnet! Du adeliger Stoffwechsel-Beschleuniger!
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In jedem Menschen ruht schlummernd die »Göttliche Seele«. Indem man sie in einem Menschen anerkennt, erwacht sie sogleich und beginnt sich zu regen – – –.
Misstrauen in sie hingegen hält sie in Schlummer versenkt. Sie bedarf schützender und gläubiger Kräfte, um zu erwachen zu ihrem zarten Leben – – –.
»Sie zeigte mir einmal begeistert in einer Auslage einen Ring, und es war wirklich unter Hunderten von Ringen der zarteste, feinste und diskreteste – – –.«
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»Ich habe heute nachts eine Suppe erdichtet« sagte das Fräulein G.E. »Geräucherte Sprotten, geschält, entgrätet, im Siebe passiert zu Pürée, in [88] einer dünnen Einmach-Brühe. Potage G.E.! Vielleicht nicht für alle mundlich, aber immerhin meine Erdichtung – – –! Das sind unsere modernen Dichtungen!«
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Ich erwarte allein schon von der Vibrations-Massage eine Erhöhung und Erlösung des Menschengeschlechts!
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Tonikum. Betrachte doch genau das Antlitz eines jungen Mädchens, unmittelbar vor einem Balle oder einer Opern-Vorstellung. Es erreicht in diesen Augenblicken seine Schönheits-Möglichkeiten durch erhöhte Verbrennungsprozesse im Organismus. Freudig bewegt. Eben diesen Ausdruck erhöhten Daseins sollte stets der Verkehr mit einem Edel-Manne erzeugen. Ein Edel-Mensch muss ein Tonikum sein!
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Ein Dutzend Leinen-Sacktücher von feinstem Gewebe besitzen und bewundern und lieb haben können! Besorgt sein können um ihr Schicksal bei der lieblosen Wäscherin. Freudig bewegt sein, wenn sie heil zurückkehren. Verzweifelt sein, wenn ihnen ein Leids geschah – – –. Eine solche Frau – – – da sind eben diese Taschentücher nur Gratis-Proben von Welten-Impressionabilität. Alles Edle wird da überhaupt auf fruchtbaren [89] Boden fallen. Die Seele wird nicht verstreut in alle Winde für nichts und wieder nichts – – –.
Es gibt nur »seelische Beziehungen«. Das Sexuelle ist dann nur die Erlösung von übermächtig angesammelten, aufgespeicherten Lebens-Energieen der Seele. »Da die Geliebteste von 7 bis 1/2 12 nachts, in Tränen gebadet, starr und stumm, in sich versunken, bei der »Götterdämmerung« verharrte neben mir, musste ich sie um 1 Uhr morgens in meine liebevollen Arme nehmen. Es war gar kein Unterschied mit dem heiligen Opernhause. Sie sagte sanft: »Es ist die Fortsetzung – – –.««
Ich möchte die Summe der Lebens-Energieen meines Geliebten, in körperlicher seelischer geistiger und ökonomischer Beziehung, betreuen und beschützen, erhalten und vermehren zu jeder Stunde. Durch meine liebevollen Kräfte. Ich möchte für diese Edel-Maschine »Mann« das sein was reine Bergesluft und leichte feine Nahrung sind! Ein Tonikum für seine Gottes-Ähnlichkeiten!
Und erlischt eines Tages meine magische Anziehungskraft, so will ich sanftmütig aus seinem [90] Leben verschwinden, gedenkend der heiligen Tage und Nächte, da er gedieh gleichsam unter meinen Atemzügen!«
Meine Geliebte sagte mir einmal: »Mit mir allein nur siehst du immer aus wie ein träumerischer exaltierter, von magischen göttlichen Kräften erfüllter Künstler. Wie Beethoven, Symphonieen gebärend. Da möchte ich dir zu Füssen sinken, dass ich das vermag, und dem Schicksal danken – – –.
Mehr Glück vielleicht und Liebe bei den anderen Frauen, aber diesen Ausdruck des Antlitzes nur bei mir!«
»Ich und Marie wollen nun endlich heiraten, nach diesen Jahren der Unsicherheiten. Auch haben wir ein Kind. Ich möchte die Kur-Anstalt in Z. daher übernehmen – – –.«
[91] »Ich habe weder Weib noch Kind. Ich möchte meine unerschöpften Kräfte den kranken fremden Menschen weihen. Ich möchte daher die Kur-Anstalt in Z. übernehmen – – –.«
Aber es erhielt sie natürlich der erstere, denn er hatte doch eben Weib und Kind zu erhalten!
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Vanité, du »Krebs der Seele«, du Flügel-Stutzer zum Fluge auf die Gipfel der Gottähnlichkeit, du Hemmer und Verhinderer, bleibe fern dem Dasein der jungen Hilsen Loute V.! Vanité, du einziger Krebs der Seele! Du Zerstörer der edlen sanftmütigen Menschlichkeiten in uns! Bleibe fern!
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Menschen-freundliche Menschen! Ärzte, Advokaten, Kaufleute, gleichviel. Aber Menschen-freundliche Menschen!
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Er wählte unter hunderten von Ansichtskarten die feinste wunderbarste aus, photographierte Schneelandschaft, verschneites Dörfchen. Da kam infolgedessen momentan eine rosige Begeisterung auf ihr zartes Antlitz. Und den, den sie liebte, hasste sie momentan, denn er wählte eine Schmarren-Karte aus. »Idiot« fühlte sie. Und dennoch zugleich: »Aber ich kann ihn dennoch keiner anderen überlassen – – –. Den anderen kann ich überlassen, [92] aber ich verehre ihn. Woher kommt es?! Niemand weiss eine Erklärung – – –.«
Ein Minister, der in den »Zwischenpausen« Bäume fällte! Ein genialer Regenerator seiner selbst! Im All liegt alle Kraft. Hole sie dir dort, Geschicke-Lenker!
[93] * * *
»Meine Grossmutter wird nicht alt. Sie hat eine riesige Wiese hinter dem Haus zu einem Wäldchen von Rosenbäumchen umgestaltet. Von ihrem Fenster aus überblickt sie ihr künstlerisches Sorgen-Kind, den Rosen-Wald. Es ist bereits zu einer fixen Idee geworden. Gott sei Dank. Es lenkt ab, macht vergessen. Es ist fast das Glück des Irrsinnigen. Aber es lenkt ab, macht vergessen – – –. Meine Grossmutter kann nicht sterben. Wer schützte denn dann ihr Rosen-Wäldchen?!?«
* * *
Solange reine sauerstoffreiche Luft für die Menschen nicht zu einer Art von »fixer Idee« geworden ist, solange können sie ihre Entwicklungs-Gipfel nicht erreichen! Es ist das Medikament für Geistes-Riesen!
* * *
Solange leichtest-verdauliche Nahrung (saures Obers, Sardinen, Französischer Gervais-Käse, grünes Erbsen Pürée, ganz mürber Schinken, Fische, Hirn, Bries, Poularde, Chapon etc. etc.) nicht zu einer Art von »fixer Idee« geworden sind, solange können die Menschen ihre Entwicklungs-Gipfel nicht erklimmen! Le minnimum d'effort et le maximum d'effet gilt vor allem für die Verdauungskräfte!
Man wäscht sich äusserlich mit Wasser und Seife. Aber das innerliche Waschen ist wichtiger!
Keine Rückstände. Purgiert, purgiert! Innerlich frei und leicht sein – – –. Ganz rein sein, von aussen und von innen! Das Wesentliche des Genies! Aber für jeden erreichbar, der sich die Mühe dazu geben möchte – – –.«
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Schwarzes Fleisch erzeugt Schwarz-Alben, weisses Fleisch Licht-Alben. Siegfried, Poularde-essend, Hagen, Rindfleisch, Wildpret-essend! Hirn und Bries können Engel erzeugen, wunschlose sanfte Flieger – – –! Über-Irdische! Doch schwarzes Fleisch zeugt Schwer-Fällige!
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»Mehr kann ich leider nicht bieten als ich zu bieten habe« sagte sie sanftmütig zu dem Geliebtesten und opferte sich der strengen unerbittlichen Stunde – – –. Sie fühlte: »Du hast mich von Herzen lieb. Da muss ich mich irgendwie doch revanchieren – – –.«
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Bekenntnis. »Ich bin schwerfällig, ungraziös – – – und die blonde Mizl ist anmutig und leichtfüssig. Aber meine Plumpheit rührt ihn, trotzdem ihn [95] ihre Leichtigkeit begeistert. Er achtet es in mir, dass ich meine Schwerfälligkeit verachte und ihre Leichtfüssigkeit anbete! Insofern bin ich bereits für ihn die, die ich nicht bin! Wenn ich sie hassen würde, würde er stutzig werden, bedenklich. Aber ich liebe sie um ihrer Leichtfüssigkeit willen. Ich begreife es nicht, dass er nicht zu ihr geht. Er hat zuviel Mitleid mit meiner elenden Schwerfälligkeit. Mein Bewusstsein, dass ich schwerfällig bin, ist meine Leichtfüssigkeit. Er achtet in mir das schreckliche Bewusstsein meiner Unzulänglichkeiten.
Und dennoch wird er eines Tages trotzdem zu ihr gehen, zu der schwebenden Tänzerin, der leichtfüssigen fast-Fliegerin.
Da vergrabe ich dann meinen Kopf unter der Decke, und bleibe so 2 mal 24 Stunden in Angst und Bangen – – –.«
Falls man ihn rüttelt, auferweckt, sieht er die Dinge wie die anderen, die Vorgänge des Tages und der Stunde. Aber lasst ihn! Dass er im lichten Traume verkünde, was da kommen wird!
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Richard Wagner hat die in die Welt verteilte, verstreute »göttliche Seele« eingefangen und in Musik umgesetzt. Daher findet ein jeder, der eine Seele [96] hat, dieselbe voll und ganz darin enthalten, umgesetzt in Tönendes. Deshalb wird er zu Tränen gerührt, weil er plötzlich sein Tiefstes, Bestes, Geheimnisvollstes sich entgegentönen hört!
Als mir eine junge wunderbare Person sagte: »Ich war gestern zum ersten Male bei ›Rheingold‹. Aber ich begann sogleich bei den ersten Takten bitterlich zu weinen – – –«,
da begann ich sie sogleich unbeschreiblich lieb zu haben.
Der Graf, der mit ihr damals ein Verhältnis hatte, sagte zu mir: »Ich war nahe daran, sie zu verlassen, aus gewichtigen, vor allem sozialen Gründen. Aber ein Geschöpf, das bei den ersten Takten von ›Rheingold‹ in Tränen ausbricht?!? Niemals!«
Denn sie gibt unserer Seele die Kraft, aus ihr eine Märchen-Prinzessin zu machen! Ein über-irdisches Geschöpf also! Sie verleiht uns die Kraft zur hysterischen Sentimentalität der Religiosität! Sie treibt uns zu den Gipfeln unserer Gefühls-Möglichkeiten. Sie entreisst uns der Bequemlichkeit der geregelten Stunde. Wir können uns an einen edlen Hund kolossal attaschieren. Dennoch wird uns seine Ausdünstungstets fatal bleiben.
Anders bei der Frau. Ich liebe fanatisch den Duft deines Kleides, deiner Achselhöhlen – – –.
[97] Sie ist eine mysteriöse Geberin. Nur muss mannehmen können! Ihre Mysterien!
Die Frau. Vielleicht ist gerade das an ihr wertvoll, was »unbenützbar« ist. Wie am Spinate seine Form und seine Farbe. Natürlich benützt man ihn zur Ernährung, zum verspeisen, wegen Eisengehalt und anderer wichtiger Ingredienzien. Aber sein Wert?!? Aus der Erde wächst er frei, dunkelgrün und eigentümlich gedrechselt; niemandem zu Nutzen in diesem Zustande und dennoch wunderbar!
* * *
Ein Kartoffelfeld, abends, mit den weiss-lila Blüten und dem Geruch von Erde-Kraft – – –. Man müsste bei Kartoffel-Pürée, bei Kipfel-Erdäpfel in der Schale, heiss gekocht, dieselbe Stimmung haben können!
Aber man frisst und frisst – – –. Dennoch könnte man dabei dieselbe Stimmung haben. Und noch dazu die andere! Reales und romantisches Geniessen zugleich!
Eine Grossmutter ging des Mittags mit ihrem wunderbar schönen Enkelkinde, einem 8jährigen Mäderl, über den Graben. Das Kind machte Halt vor einem Manne, der bewegliche Blech-Männchen verkaufte, Männchen, die in rasender Geschäftigkeit die Arme schwangen in Boxerhandschuhen infolge eines geheimnisvollen Mechanismus. Ideale Freiturner und Boxer, ohne Unterlass. Merkwürdige Unermüdliche!
Das wunderbare Kind hielt seine Grossmama zurück, die vorwärts drängte: »Wozu ihre Tantalus-Qualen vergrössern?!? Es kostet ja doch 3 Kronen!«
Da trat ein fremder Mann vor, zog den Hut, sagte zu dem wunderbaren Kinde: »Darf ich Ihnen diesen Gegenstand schenken, Fräulein?!?«
Weder die Grossmutter noch die Enkelin sagten eine Silbe. Sie standen da. Perplex.
Er kaufte den Hampelmann und überreichte ihn der jungen Dame. Niemand sprach ein Wort dabei.
Die Grossmutter sagte später verlegen: »Weil du aber auch immer bei allen Sachen auf der Strasse stehen bleiben musst – – –.«
Das Kind verstand das gar nicht – – –.
Sie fühlte: »Jemand Fremder war sanfter zu mir als alle meine Angehörigen – – –.«
* * *
In sich selbst versunken bleiben – – – einziges Verbrechen des Mannes! Aus sich heraus gehen – – – einzige Pflicht! In die Welt! Goethisch [99] werden! Rundum schauen und planen. Wie der Kondor über den höchsten Bergesgipfeln. Meine Frau, mein Kind,mein Geschäft – – – das heisst: meine Vorurteile, meine Leere, meine Un-Menschlichkeit!
Er ging in die Vorstadt hinaus, zu der Frau, die ihr Kindchen misshandelt hatte. Er trat ein, gab der Bestie zwei fürchterliche Ohrfeigen, liess sich verurteilen, fertig. Er hätte ruhig sagen können: »Nevermind, was geht es mich an, mein Knäbchen macht wirklich im Französischen bereits ganz prächtige Fortschritte – – –.«
* * *
Wir sassen an der ersten Tisch-Reihe, hart an der Rampe der Variété-Bühne. Nummer 12, die amerikanische Tanz-Sängerin. Ich setzte mir gleichsam zehntausend Augen ein, um sie damit ganz in mich einzusaugen. Aber mein Freund drehte den Sessel gegen die Bühne zu, sass mit dem Rücken dagegen, um sich »die Tantalus-Qualen zu ersparen« – – –.
Kannst du es gegen das Licht halten und es gleich mysteriösem Spinneweben-Netze achten?!?
Einer, der ein vollkommenes Spinnweben-Netz [100] im Walde zerstören könnte?!? Wovor hätte er noch überhaupt Achtung?!? Wenn mysteriöse Vollkommenheiten ihn kalt und lieblos liessen?!?
* * *
Solange einer noch abends Geselchtes mit Sauerkraut gut verträgt, ist er nicht reif, die Vorteile der Ambrosia-Nahrung: 8 rohe Eier, gesprudelt in Hühner-Bouillon, zu ermessen! Er pampfe sich an, der ordinäre Klachel!
Am nächsten Tage schriebe er unter anderen Umständen vielleicht aber einen Essay voll Witz und milder Weisheit. Aber so greift er an, vernichtet, schlägt zu wie Fafner und Fasolt. Un-französisch – – –. Un-menschlich.
»Ich habe nichts gespürt von Unverdaulichkeiten – – –!« denkt er am nächsten Morgen.
Aber die Leser haben es gespürt!
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Der Philister erniedrigt jede »heilige Erkenntnis« zu einer Selbstverständlichkeit, nur um darüber zur Tagesordnung übergehen zu können. Er sagt: Das weiss ja sowieso ein Jeder!
Dem anderen, der es ernst und idealisch meint mit dem Leben, ist es eine »Offenbarung«.
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Niemand kann über sich selbst hinaus – – – schändlichstes feigstes un-christlichstes Wort, das [101] je geprägt wurde. Ein wahres Judas-Wort der Menschheit! Wer gebückt geht, kann ein Gerade-Geher werden, wer gerade geht, ein »Flieger«!
Ein Schwert, das nicht zuschlagen kann, nicht besiegen kann! Alle Wahrheit, alle Erkenntnis muss zurKraft einer »Idée fixe«, einer »Verrücktheit« auswachsen! Man muss ein Irrsinniger werden können an seinen Erkenntnissen! Begeisterung ist das Nervenmaterial Gottes! Es fehlt den Juden! Sich selbst verbrennen können an einer Erkenntnis! »Ich sterbe für diese Idee – – –!«
Aber diese anderen fühlen: »Was geht das Alles mich schliesslich an?!?«
Begeisterung ist das, was uns zwingt, besser zu werden als wir sind – – –! Es ist der heilige Unruhe-Bringer!
* * *
»Läuten Sie an einer Glocke, mein Herr, wenn Sie erwecken wollen! Aber bitte, läuten Sie nicht so heftig, dass man davon aufwache – – –!« Ha ha ha ha!
gepriesen?!?
Es darf aber kein Reizungs-Gefühl zurückbleiben. Ganz sanft hingleiten wie über die Haut eines Kindchens! Nur so effleurieren!
In 6 Wochen kannst du dich dann gesichert in regen-triefende Wiesen legen!
Un-abhängig sein von Sturm und Feuchtigkeit, ja diese aufsuchen als »freundliche Elemente«! »Ich verkühle mich nie und nirgends!« Triumph des modernen Kultur-Organismus!
* * *
Platoniker sein heisst, seine Lebens-Energieen unter Verschluss halten können, bis das »Ideal« erscheint.
Nicht der feigen Stunde sklavisch dienen müssen! Am Unzulänglichen nicht sich erlösen müssen! Die Schwäche, warten zu können; die Kraft!
Eine vollkommen schöne Frau als ein »lebendiges Kunstwerk Gottes« erfassen können, ist der Gipfelpunkt künstlerischer Entwicklung im Manne. »Sie hat mich betrogen – – –?!? Ich finde es dennoch nicht. Sie hat noch immer ihre zarten Hand- und [103] Fussgelenke und diese süsse wunderbare Aussprache. Und dieses edle Gehen, Gleiten, und das nonchalante Sitzen einer Königin – – –. Sie hat ihn betrogen, nicht mich. Denn sie gab ihm das Minderwertige und beliess mir ihre unvergänglichen Schätze!«
* * *
Dekadenz. Eine junge Dame war bereits so dekadent, dass, als sie auf dem Nach-Hause-Wege ein Fiakerpferd malträtieren gesehen hatte von einem rohen Kutscher, sie zu Hause das Essen erbrechen musste. Infolgedessen machte ihr verzweifelter junger Gatte die Anzeige beim Tierschutzverein. Infolgedessen werden wegen Dekadenz der Nerven künftig die Tiere nicht mehr misshandelt werden!
Man wird es einfach nicht mehr aushalten können.
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Aristokratisch essen, heisst nur eine solche Speise und nur so geniessen, dass sie in 2–4 Stunden vollständig und fast ohne Rückstände aufgebraucht ist!
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Den Tätigkeiten des Verdauungs-Apparates täglich eine Million Lebens-Energieen ersparen. Es kommt den höheren Funktionen zugute. Gott-ähnlich werden ist eine Sache von aus freier Weisheit aufgestapelten Lebens-Energieen!
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Ich bitte diejenigen inständigst, die sich bei mir an Form, Kleinheit des Repertoires und so weiter stossen, sich wenigstens das ihnen plausibel Erscheinende herauszunehmen. Ich will gern beschimpft werden, wenn auch nur die feige schamlose Furcht vor Zugluft aus dem Leben der Menschen ein bisschen verschwinden könnte – – –.
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Der wunderbare schmale seidene spanische Schal mit langen Fransen, um die Schultern gelegt, verpflichtet bereits zu sanften elastischen Bewegungen.
Man übt sich unwillkürlich dann das Rumpf-Drehen ein, nach links und rechts, nach rück- und abwärts. Es zwingt dazu! Aber unsere Kleidung ist allen Schwerfälligkeiten angepasst. Irdischer Schwere allzufeiger Sklave. Diejenige Kleidung ist die schönste, in der man unbeengt einen Doppel-Salto-mortale noch vollbringen könnte!
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Sombrero – – – einziger Hut für schöne edle Frauen. Tod der Mode! Zum Sombrero darf man aber nicht den Gang watschelnder Gänse haben! Sondern Tortajada-Beweglichkeiten!
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»Weil ich Sie momentan freundschaftlich angeblickt habe, Fräulein, deshalb müssen Sie mich sogleich um 5 Kronen bitten?!?« [105] »Soll ich einen vielleicht um 5 Kronen bitten, der mich feindselig anschaute?!?«
Lesbische Liebe. Da weiss man doch genau, was im anderen vorgeht, sich ereignet. Denn man ist es selbst, nur projiziert in einen Zweiten, Gleichen! Das Mysterium des Ich, erlebt an diesem Mysterium Nicht-Ich! Sie erlebt ihre eigene Seligkeit an einer Fremden, die doch wieder Ich-gleich ist.
Aber ihr Weinen im »Rheingold«, Opernhause, war ihr Weinen. Niemand hätte es früher oder später so tun können. Sie weinte und weinte – – –. Da wurde sie die einzige. Die, die nie war und die, die nie mehr kommen wird! Die Unersetzliche. Die, die bei »Rheingold« weinte – – –!
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Liebes-Abschiedsbrief. Ich – bin – zur – [106] Besinnung – gekommen. Möge – es – Dir – gut – ergehen – auf – Erden!
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Kennt ihr den Ausdruck eines in erhöhten Lebens-Energieen erstrahlenden Antlitzes, eines gleichsam seine eigenen Schönheits-Gipfel rührend erklimmenden?!? Nun, dann kennt ihr auch in jeder Stunde euer Schicksal bei der geliebten Frau! Denn sie ist ein unbewusster diätetisch-hygienischer Organismus und sie wird innerlich sich stets nur und ausschliesslich das erwünschen, was für sie ein Tonikum stärksten Grades sein kann! Einen Lebens-Energie-Vermehrer!
Darin hat sie geniale Intuitionen. Ewig erträumt sie ihre Tonika.
Unwillkürlich wird sie dabei allmählich dem feindselig gesinnt ohne es zu wollen, der sie atonisch lässt, macht ihm ihre schlaffen leblosen Züge und ihre Un-Elastizitäten zum schweren Vorwurf.
»Ich werde ein bisschen stark, mein Freund – –.«
Da müsste er erbeben wie ein »ästhetischer Meuchelmörder«, einer, der die Schönheit mordete.
Aber er lässt sie massieren, unternimmt eine kleine Reise, opfert sich wirklich auf – – –.
Sind es aber Tonika, Tonika?!? Stoffwechsel-Beschleuniger?!?
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»Auf mein kleinen Spiegel verlass' i mi, nur auf [107] den« sagte eine wunderschöne Leichtsinnige zu mir. »I schau in der Früh hinein und weiss alles. Mit 14 Jahren hat mi einmal einer ang'schaut, ang'schaut, i hab' mein Herz nur so schlagen gehört. Da hab' i in den Spiegel geschaut, zufällig. Seitdem weiss i, wie i alleweil ausschau'n müsst', ausschau'n sollt', ausschau'n könnt' – – –. Auf Den wart' i, der mir das verschafft – – –.«
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»Meine 5 Freunde haben meiner Geliebten heute abends kolossal den Hof gemacht. Ich freute mich riesig über ihre gute Laune. Aber dann ›übersah‹ sie mich. Da wurde ich eine »lächerliche Figur«. Da stieg mir das Weinen auf. Ich wurde seelen-krank, sah schlecht aus. Da sagte sie, ich missgönnte ihr jedes unschuldige Vergnügen.
Ich konnte ihr nicht erwidern: »Geliebteste, hättest du um 11 Uhr 50 Minuten meine Hand unter dem Tisch nur ein einzigesmal sanft, flüchtig berührt – – – es wäre alles anders gekommen. Du unterliessest es. Weshalb?!? Ich habe dir nur Gutes gespendet. Du unterliessest es heute abends, es mir einfach mitzuteilen, dass du mir dennoch gut gesinnt geblieben seiest, trotz allem – – –!«
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Eine junge Dame sagte zu mir: »Das Windes-Rauschen in den Wipfeln der Rot-Tannen bei Sonnen-Untergang macht mich allein friedevoll und melancholisch [108] zugleich. Idealster Zustand der Seele. Ihnen allein wage ich das zu sagen. Es ist wie wenn alles, alles bereits vorüber wäre und über leidenschafts-erlöste Welten der Abendwind dahin rauschte in Versöhnungs-Gesang – – –.«
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Sie sagte zu mir: »Mein Kindchen ist nicht schön. Ich werde in ihr daher eine Riesenseele züchten müssen, damit Mitleid und Verehrung die ästhetische Anziehungskraft ersetze!
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»Ich bin nichts. Vorläufig weiss ich nur, dass michmisshandelte Pferde unglücklich machen – – –. Meine Nacht-Ruhe mir rauben!« sagte eine ganz junge Dame zu mir. »Ich könnte mich einem Manne hingeben, der einen Kutscher deshalb ermordete – – – – –.«
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Die wirklich edle Frau trauert um ihre zahllosen [109] Unzulänglichkeiten, und ist gerührt erstaunt, dass er sie nicht merke. »Wer bin ich, die ich den Kreislauf von 4 Wochen stets durchzumachen habe, statt des geraden Weges in die Sterne?!?«
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»Weniger wäre mehr« sagte der elastische Kultur-Akrobat und reduzierte seine tägliche Nahrung auf 10 in Fleischbrühe eingesprudelte rohe Eidotter.
»Milliarden meiner Atemzüge gingen bisher kraftlos, ungenützt verloren in den Weltenraum, bis einer kam, der aus ihnen unermessliche Lebens-Energieen schöpfte – – –!«
Idylle. Ich besitze einen Stahlfeder-Schützer aus schwarzen langen Borsten-Bündeln in einem hellblauschimmernden, opalisierenden matten Glastöpfchen.
[110] Feder-Schutz in idealer Hülle. Ich denke an die Gesellschaft »Kinderschutz«. Etwas Zartes, Brauchbares wird sanft und zärtlich erhalten. Ich bette die willig-elastische Kuhn-Feder ein wie ein Kindchen in eine Wiege. Ich bin sicher, dass ihr nichts Böses geschieht. Sie trocknet und ruht. Und das Glastöpfchen, der Borsten-Behälter, irrisiert hellblau wie Wasserwellen im Sonnenlichte. Und Stahlfeder und Feder-Trockner erwidern meine Liebe, meine Zärtlichkeit, denn sie lassen sie sich ruhig gefallen!
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Langweile, wie gesund, wie ausruhend wärest du, wenn du nicht zugleich so sehr Stoffwechsel hemmtest und daher uns wieder unlebendig machtest! –
Geniale Organisation: Eine ungeheure Summe von treibender Kraft in sich aufspeichern können, ohne Schutz-Ventile öffnen zu müssen! Dampfkessel, die nicht platzen!
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Beginnende Tragödie. Er sagte zu ihr: »Ich bin in[111] glücklich, dass dir der Spargel so schmeckt. Ich könnte dir stundenlange zuschauen essen – – –.«
Sie wurde bei dieser Bemerkung nicht rosiger, ihr Antlitz veränderte sich in nichts. Sie ass ruhig, wie wenn nichts Besonderes sich ereignet hätte, nichts Heiliges und Mysteriöses, nämlich die seltene Zärtlichkeit eines übervollen Herzens – – –.
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Richtig denken, richtig träumen ist, auf dem bequemeren leichteren geistig-seelischen Wege Entwicklungen antizipieren, die, embryonal, schweren Jahrhundert-Geburten entgegen harren. Wer den Frieden der Menschheit erschaut, erträumt, muss ihn als latente Möglichkeit in seiner eigenen Organisation tragen! Niemand glaubt wirklich an Etwas, das er nicht in sich selber irgendwie als realisierbar spürte! Nur daraus schöpft er seine träumerischen Kräfte!
Wer an das künftige Fliegen wirklich glaubt, muss bereits unerhörte exzeptionelle Elastizitäten in sich spüren. »Ich fliege fast.«
Skeptisch sein heisst einfach keinerlei Keime künftiger Entwicklungen in sich tragen!
Schmach des Daseins – – – ich stagniere! [112] Ich stagniere, ich schrumpfe ein – – – Vorbereitungen für das Sarg-Mass!
Der Paradiesvogel ist wunderbar – – – nur darf man von ihm nicht erwarten, dass er Klavier spiele. Denn das tut er einmal nicht.
»Hättest du mich besser erzogen!« sagt Lulu zu Dr. Schön.
Auf das Prokrustesbett seiner Bedürfnisse kann man jede Frau legen. Aber was hat man dann von dem verkrüppelten Rumpfe?!
Chinin ist wunderbar gegen Fieber.
Der Kenner sah ein Kieselsteinchen mit einem Schneeklümpchen behaftet den Tannwald-Abhang herunterrieseln.
Jedem Vorteil, den ich für mich einem lebendigen Geschöpfe hienieden abringe, entspricht in unentrinnbar gleicher Grösse ein Nachteil. Ein kastriertes Tier wird sanft und lenkbar. Aber es ist ein »kastriertes Tier«!
Weshalb zeigst du das mühselig in endeloser Arbeit dem Leben Abgerungene als dein Schönstes?!? Siehe, deine übertriebenen Muskeln machen dich nur schwer und gewichtig und sind bestimmt, zu Fett zu werden, wenn deine Urkräfte im Laufe der Tage nachlassen! Im Sarge deiner Muskeln wirst du dann erstarren! Aber das von Anfang an dir Verliehene, die Gnadengeschenke eines gütigen milden Schicksals, das ist dein Schönstes, dieses [114] weise nach! Was dir an Gott-Ähnlichkeit anhaftet von Eltern und Ureltern her, das weise nach!
Deine Beweglichkeit aus dem Edelbau heraus erweise, die an den Flug der Engel mahnt, an das Schweben überirdischer Gebilde!
Zeige die adelige Zartheit deiner Hand- und Fussgelenke, das edle Gerüste deiner Hände und Füsse, die feine Beweglichkeit deiner langen mageren Finger, die Wohlgeordnetheit deiner feinen Zehen; zeige, dass dein fettloser Hals wie ein bewegliches Stahl-Scharnier ist, zeige, dass deine Rumpfbeuge nach vorne und rückwärts ist wie windbewegtes Schilf!
Zeige, dass dein Schädel als ein geräumiges adeliges Gefäss für ein Welt-Gehirn intendiert war vom Schicksal und dass dein Antlitz durch die Nase nicht zu einem bekümmert zu Boden gerichteten, sondern zu einem geradeaus in das Leben oder sogar ein wenig in die Sterne blickenden werde!
Zeige, dass du weit und nobel dahinwandeln, dahinschreiten kannst, dass du federnd auf einem Sessel dich niederlassen, federnd dich erheben kannst! Zeige, dass die Schwere, dieses vom Tode Herkommende, keine Macht mehr über dich hat und dass du leicht und schwebend geworden bist, wie ein erster Entwurf zum künftigen Flieger! Zeige deine einfachen Mühelosigkeiten; wie der Vogel mühelos ist und die Gazelle. Zeige einen Brustkasten, der schon in der Wiege vom Schicksal aus zur Hochwölbung bestimmt war! Zeige, dass die Gnade der Natur wertvoller ist als der Schweiss des Menschen! [115] Zeige, wie die edle Beweglichkeit deines Leibes die ewige Quelle edler geistiger Beweglichkeit ist, gleichsam der Jugend-Brunnen, in dem der schwer und stagnierend werdende Geist sich immer wieder zu Beweglichkeit und Frische badet!
Zu einer solchen Männer-Schönheits-Konkurrenz werden dann auch edle Frauen in Menge eilen: denn ihrem oft betrübten und enttäuschten Auge wird sich das Bildnis von Organisationen bieten wie von altenglischen Königsprinzen, und sie werden die adeligste Hülle, ja die untrügliche Bestätigung erblicken von Geistig-Seelischem im Menschen, von zarter Kraft, von Mass und innerer Würde!
Ich gliedere hier zu dieser Abhandlung noch einige recht unliebsame Aphorismen an, die nicht gerade geeignet erscheinen, den Kreis meiner Freunde um ein Beträchtliches zu vermehren:
Es gibt keine »plastische Schönheit«. Es gibt nur eine Schönheit in der Bewegung. Die »plastische Schönheit« ist das, was als überflüssig überwunden werden muss!
Nur das Skelett am Menschen ist schön. Das Fleisch ist das, was man sich schleunigst abgewöhnen muss!
Heilige Magerkeit, getreueste Beschützerin unserer Beweglichkeiten! Werde das Ziel kommender Generationen!
»Wadeln« sind fast ein moralischer Defekt.
[116] Junge, edle Mädchen sollten die, denen sie ihr Schicksal anzuvertrauen beabsichtigen, fragen: »Wie oft können Sie die tiefe Kniebeuge machen, mein Herr?!?«
Dies ist die Tragödie Elektra von Hugo von Hofmannsthal:
Die geniale Göttlichkeit »Wahrheit und Gerechtigkeit«, eingedrungen ohne Rest in diesen zarten Frauenleib »Elektra«! Alles andere musste da heraus, Platz machen, weichen, vernichtet werden: edle Sanftmut, unbewusstes Träumen, jungfräuliches Hoffen, antizipierte Schauer kommender Seligkeiten, Braut-Beben, heiliges Mutter-Werden-Wollen!
Alles musste da weichen der göttlicheren Mission »Wahrheit und Gerechtigkeit auf Erden!«. Wie dasGenie wird Elektra, über das kleine gewöhnliche Schicksal des Menschen hinaus, verdammt, erhöht zum Vertreter des »göttlichen Willens«!
Wie die Walküre, ausserhalb und oberhalb des weiblichen Empfindens, nur die Gebote des Gottes[117] befolgend, so Elektra hier die Gebote göttlicher Gerechtigkeit!
Die Begriffe: Mutter, Schwester, Liebe, Bräutigam, Erfüllung, Mütterlichkeit, Glück, Frieden, werden hinweggeschwemmt von der Sturmflut leidenschaftlicher Gerechtigkeitsliebe, und das Ziel, den feig hingemordeten Vater, Agamemnon, an der schmählichen Mutter und Aegisth zu rächen, den feigen Verbrechern zügelloser Sexualität, leuchtet blutrot als eine einzige ausfüllende fixe Idee in ihrem entweibten, vermännlichten Genie-Gehirne!
Um sie herum sind Menschlein: kriechende, hoffende, sehnende, wünschende, sich begnügende, dahinlebende! Chrysotemis, die süsse Schwester, will lieben und gebären!
Aber blutrot leuchtet in Elektras Gehirne, unzerstörbar, die göttliche fixe Idee der Gerechtigkeit!
Ich bin ein fanatischer Anti-Alkoholiker, aber ausschliesslich nach dem Tolstoi-Prinzipe: Wenn die Menschen einmal so gesundheitsgemäss, so weise mässig, so bewusst, erkennend das Gute und das Böse, leben werden, dann werden sie in ihren genialen Nüchternheiten des Alkohols entbehren können. Die Krücke Alkohol für den Lahmen! Der Alkohol ist das Betäubungsmittel, damit wir es nicht spüren, wie weit entfernt von unseren innersten unentrinnbaren Idealen wir dahin vegetieren! [118] Damit wir nicht vorzeitig verzweifeln! Der Alkohol lässt uns Zeit – – – zum Entschluss des Selbstmords! Der Gulden, den wirmehr ausgeben als wir sollten, die Frau, die wir als Ungeliebte, Unverehrte dennoch in unsere Arme nehmen, die Stunde, die wir dem notwendigen Schlafe rauben, die Nahrung, die wir überflüssigerweise geniessen, alles, alles, was nicht das heilige Notwendige im Haushalt des natürlichen Organismus repräsentiert, es muss durch Alkohol in unseren reuevollen Gedächtnissen ausgetilgt werden! Die Melancholie über seine Sünden, seine Unwissenheiten, seine Schwachheiten muss hinweggeschwemmt werden durch Bier und Wein und Schnaps! Bei irgend einem Glase Bier wird einem die ohne Liebe genossene Frau, der überflüssig ausgegebene Gulden und das ganze Martyrium des Daseins gleichgiltig! Bier besiegt jede unglückliche Stimmung, schwemmt sie dahin. Der Zins steht vor der Türe oder die Schneider-Rechnung. Aber beim vierten Krügel Löwenbräu sage ich dem Hausherrn die grässlichsten Dinge ins Gesicht, innerlich natürlich, schmeisse ich den Schneider die fünf Treppen hinab, innerlich. Und selbst die Geliebte erhält einen Tritt, innerlich. Bier besiegt jede unglückliche Liebe.
Alkohol füllt die schreckliche Kluft aus zwischen dem, was wir sind, und dem, was wir sein möchten, sein sollten! Werden müssten! Als der Affe erkannte, dass er ein Mensch werden könnte, begann er zu saufen, um den Schmerz [119] seines Noch-Affe-Seins hinwegzuschwemmen. Als der Mensch erkannte, dass er einGöttlicher werden könnte, begann er zu saufen, um den Schmerz seines Noch-Mensch-Seins hinwegzuschwemmen. Gebt dem Menschen die ihm zugehörige Tätigkeit – geistige oder körperliche –, die ihm zugehörige Frau, die ihm zugehörige Nahrung, die ihm zugehörige Ruhe – – – und er wird es, ohne selbst es zu wissen, spüren: Αριστον μεν ύδωρ.
Alkohol ist die Ausgleichung für unsere Unzulänglichkeiten! Je zulänglicher wir sind nach den idealen Plänen Gottes, desto weniger Alkohol brauchen wir. Alkohol ist der Massstab für die Melancholie des Idealisten. Ich schwemme es hinweg, dass ich noch nicht göttlich sein kann!
Im Affenreiche von einst erhob sich ein etwas heller gefärbter Affe an einem Krück-Aste aufrecht und sagte mit exaltierter Stimme: »Und es wird, es muss eine Zeit kommen, sie ist organisch unentrinnbar in der notwendigen Entwicklung von Ursache zu Wirkung, da werden die Affen auf Zweien gehen, aufrecht, und die Kletter-Hände werden verkümmern zu Geh-Füssen und ihr werdet nicht mehr euch von Ast zu Ast behende schwingen können!«
»Elender Dekadent!« brüllte ihn nun die Herde an. »Willst du unsere wertvollsten Kräfte verkümmern machen?!?« [120] »Jawohl,« erwiderte der heller gefärbte, an einem Baumaste aufrecht gelehnte Affe, »zu Gunsten wertvollerer Kräfte, die da kommen werden!«
Daraufhin schrieb der damalige Nerven-Pathologe Professor Schimpanse eine Broschüre: Die Décadence und ihre Gefahren.
An die Wiege des Königssohnes schwebten durch die hohen Fenster die Feen und es entbrannte ein edler Wettstreit unter ihnen, wer dem Königssohne die wertvollste Gabe verleihen würde.
Die eine verlieh Schönheit, die andere Gesundheit, die dritte Geist, die vierte Gemüt etc. etc.
Man konnte jedoch keiner den Preis zuerkennen.
Da schwebte die jüngste Fee eilig herein (immer ist es die jüngste und immer verspätet sie sich) und rief: »O Königssohn, ich aber verleihe dir die Gabe, dich nur in Liebe mit einem Weibe verbinden zu können, sonst aber dazu unfähig zu sein!«
Als dies die übrigen Feen vernahmen, verhöhnten sie ihre Kollegin und nannten sie sogar eine »Moderne«, obzwar dieser Ausdruck damals noch gar nicht existierte.
Aber die junge bleiche Königin im Wochenbette rief: »Sie hat den Preis errungen!«
Der König glaubte, seine Frau sei übergeschnappt,[121] aber er getraute sich nicht, es zu sagen und führte alles auf das »Kindbettfieber« zurück.
Da verfluchten alle übrigen Feen das Königshaus als pervers und entzogen zur Strafe dem Königssohne alle verliehenen Gaben.
Der König war erschrocken und verzweifelt.
Die jüngste Fee aber lächelte und lächelte.
Denn sie wusste es, dass aus ihrer verliehenen merkwürdigen Gabe ganz von selbst alle Tugenden und Genialitäten entspringen würden, die die Feen dem Königssohne entzogen hatten.
Und so geschah es.
Der Königssohn wurde ein Wunder an Weisheit und Güte, an Kraft und Heldentum und allen adeligen Menschlichkeiten.
Aber im Zenite seines Lebens suchte er einst die jüngste Fee auf (in einem meilenweiten Walde) und bat sie, für ein einziges Mal den segensvollen Fluch doch von ihm zu nehmen. Denn er kenne eine wunderbar schöne Maid, die er aber nicht lieb haben könne, dieweil sie schlecht und dumm sei und gefrässig.
Und die Fee gewährte es ihm für dieses eine Mal.
Später erschien ihm die Fee, die eine ausgemachte Idealistin war, und fragte gespannt: »Nun, o Königssohn?«
»Gar net schlecht, gar net schlecht!« erwiderte dieser hoheitsvoll.
[122] Kleider müssen lose an dir hängen, gleichsam verkündend: Die Bewegungsfreiheit unseres Herrn ist uns heiliger als unsere eigene sogenannte Schönheit! Ärmellöcher können nicht weit genug sein! Wir wollen unserem Herrn, unserer Frau den edlen Port-de-bras ermöglichen! Das sei unser Kleiderschönheitsehrgeiz!
* * *
Beurteile die Schönheit des Antlitzes einer Dame erst in dem Augenblicke, da ihr endlich einer, von dem sie es längst erwartete, sagte: »Ich habe Sie sehr, sehr lieb.« – – –
Dann erst befindet sie sich in ihrem überhaupt erreichbaren Schönheitshöhepunkte!
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Naturalismus und Romantik. Man kommt eben allmählich darauf, dass die »blaue Blume« der Romantiker ganz einfach wirklich auf dem wirklichen Felde wachse – – – die Feld-Glockenblume, die Kornblume, das Vergissmeinnicht etc. etc., und zwar schöner, lieblicher, weltentrückter und sanft-mysteriöser als die Blumen auf dem lächerlichen Humus von Wolkenkuckucksheim – – –! Im »Realen« das »Ideale« noch aufspüren können – – – das allein heisst wirklich ein Romantiker sein!
[123] Man soll nicht »auffallen« in der »guten Gesellschaft«. Aber der, der das Französische so spricht und betont wie Sarah Bernhardt oder Coquelin ainé, fällt auch auf – – –.
Webe denen, die durch nichts auffallen! Jede Voll kommenheit ist auffallend!
»Das Herbstrot der Blätter ist ein Mysterium der Weltenschönheit – – –« fühlte der Dichter. Nüchtern und berauscht zugleich sein können! Synthese der Künstlernatur!
»Sind wir weniger Weltenspiegel als du?!? Nur verhieltest du dich um ein weniges ruhiger. So konnte die Welt sich deutlicher spiegeln!«
Wenn es einer Köchin einfach unmöglich ist, ihrer Herrschaft eine Speise vorzusetzen, an die sie nicht mit äusserster Sorgfalt und fast nervenzerstörender Konzentration alle ihre Fähigkeiten gewendet hat, so hat sie »künstlerische Veranlagung«.
Seine einfache Pflicht tun ist unkünstlerisch, in allem.
Mehr als seine Pflicht tun, seiner »idealen Verpflichtung« nachkommen, ist künstlerisch, in allem und jedem!
Ohne Herz gibt es keinerlei Kunst. Nur darf das Herz bei den Vorkommnissen der Stunde und des Tages nicht zerrinnen, auseinanderfliessen, sondern nur weich-elastisch werden! »In Form bleiben« wäre der technische Ausdruck für das Künstlerherz! Wir haben mehr Arbeit zu leisten, als einen Toten, eine Enttäuschung zu beweinen!
Oscar Wilde schrieb über einen Mörder-Schriftsteller: »Ich hoffe, dass die Emotionen, die Herr D. bei der Ermordung seiner Gattin gehabt hat, reinigend auf seinen Stil wirken werden!«
Gmunden, du mein Heimatlichstes auf dieser Welt, wie sanftmütig gehst du mit mir um, immer spendend und spendend und spendend, und meine inneren Zärtlichkeiten aufnehmend in stummer friedevoller Schönheit! Ohne mich bist du ein totes Traumland, ohne dich bin ich ein toter Träumer. Ich erwecke dich, du erweckst mich zu träumerischen Lebendigkeiten!
»On ne vit pas de ce qu'on mange, on vit de ce qu'on digère!« [126] Dieses gilt nicht nur für Speisen, sondern auch für Bücher und Menschen! Vor allem für diese!
Erkenntnisse in ein System bringen ist, einige wenige lebensfähige Wahrheiten in einem toten Meer von Lüge ertränken wollen!
Ein guter Schuh ist ein schöner Schuh! Ein Schuh, der meinem Fusse, meinen Zehen die Bewegungsfreiheit, Elastizität und Zartheit garantiert, wird eben dadurch bereits zu einem schönen Schuh! Eine andere Schuhschönheit ist widersinnig!
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Wirklich gut, ganz frei und zugleich ganz ruhig-anmutig, in einem Vergnügungsetablissement wie zum Beispiel »Maxim« sich zu benehmen, versteht nur die edelrassige Aristokratin und die grosse Hetäre. Die »Bürgerlichen« haben alle dort einen Zug von armseligem Dilettantismus.
Auf wienerisch: »Drah-Dilettantinnen!«
Vermeide alle Situationen, durch die du verlegen werden könntest! [128] Wie anmutig tanzt man oft allein in seinem Zimmer. Oder singt und deklamiert. Jedoch, wenn man sich beobachtet fühlt?!? Da werden die Elastikgelenke zu Pappendeckel!
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Die wirklich vollkommen schöne Frau betrachte sich als ein »lebendiges Kunstwerk«. Sie sei um sich so besorgt, wie die Kunsthistoriker um wertvolle Marmorstatuen!
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Für eine Frau kann ein einziger bewundernder liebevoller und zugleich respektvoller Blick eine Regenerationskur bedeuten, mehr als 25 Franzensbad-Eisen-Moorbäder!
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Ein Aphorismus ist etwas, was dem Schreibenden einen Essay als Kommentar erspart, den Lesenden jedoch infolgedessen aufs höchste schockiert.
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Trachte, Irregeleiteter, dass ein Trunk Hochquellenwasserleitung, aus dem Schneeberg-Herzen, Kaiserbrunn im Höllentale, dich mehr beselige, als alle Pommery und Roederer der Welt!
[129]
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Eine ungeschickte, linkische, unfreie, verlegene Verbeugung beim Betreten eines Zimmers ist der Massstab für alle anderen Kulturlosigkeiten in einem Organismus! Vor allem sage frei und leicht: Guten Abend!
Eine junge Amerikanerin, jung, schlank, tritt auf, in einem geschlossenen Kleide aus schwarzer plissierter Seide.
Wie Damen gekleidet sind zu einem Souper. Nicht anders. Anti-Variété.
Sie singt und bewegt sich wie Kinder in der Kinderstube.
So innerlich rücksichtslos gegen das Publikum. So ganz sie selbst einfach.
Ihre Art und Weise ist fürstlich. Fürstlich.
»Ich bin, die ich bin, nichts weiter!«
Der Durchschnittbesucher weiss damit nichts anzufangen. Er findet es fade.
Der Kavalier in der Loge getraut sich nicht, sie zum Souper einladen zu lassen.
Nur der Dichter im Parkett wagt es, für sie zu schwärmen. Da ist nichts Riskiertes dabei.
Der Direktor fühlt: Es ist kein Succés mit ihr. Das Publikum ist jedesfalls noch nicht reif. Vielleicht in 50 Jahren ... vorläufig wünscht man den Firlefanz.
[130] * * *
Sich an eine gute, dem Organismus wertvolle Sache »gewöhnen«, ist ein Merkmal »geistiger Schwäche«. Den Wert einer Sache immer und immer wieder in gleicher Intensität empfinden können, ist ein Merkmal »geistiger Spannkraft«!
Mein wunderbarer seidener Regenschirm! Meine unverwüstlichen amerikanischen Schuhe! Mein ideales Opernglas! Meine süsse anmutige Frau!
Er sagte: »Sie sollen nicht meine Schrift erlernen, sondern die Ihrige! Rasch, ohne Bedenken, weite Striche, vorwärts, leben Sie sich aus auf dem Papiere, vor, nur vor!«
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Es ist nicht gut, wenn man dem Genie ausserhalb seiner »genialen Funktionen« noch anmerkt, dass es ein Genie sei! Kraftvergeudung rächt sich irgendwo!
* * *
Genialität. »Ich glaube es nicht,« sagt die blinde Helen Keller, »dass, ohne mich zu überheben, jemals ein Sehender einen so tiefen Genuss von der Edelrose haben könnte wie ich, wenn ich sie mit meiner Innenhand umfasse und ihren Duft in mich hineintrinke!«
Z.B. Bergesalm mit Zirbelholzkiefergestrüpp und Polstern von gelbem Moose. Erinnerungen an Freiheit, Schönheit und Frieden! Dinge im Tale für dieBergsehnsüchtigen!
Ein Garten sei ein Extrakt eines wirklichen Stückes der Natur! Aber wirklich der Natur selbst!
Man spüre nicht die vermittelnde Menschenhand.
Deshalb sind Beete etwas Naturwidriges.
Alle, alle Blumen seien als »Wiesenblumen« behandelt, verstreut auf die ganzen Wiesen wie sonst Löwenzahn, Margueritten etc. Die Orchideenwiese! Die Ritterspornwiese! Die weisse Hyazinthenwiese! Die blaue Hyazinthenwiese! Die rot-gelbe Tulpenwiese! Die gelbe Nelkenwiese!
Dann Teiche, die wahrhaftiges Sumpfleben darstellen, nicht in öder Kreisform und künstlich klar, sondern bizarr, naturgemäss und erfüllt von Leben undVerwesung zugleich!
Dann der weiss-rot-goldene Karpfenteich, angefüllt mit weiss-rot-goldig gesprenkelten Karpfen! Herrliche Tiere!
Dann der »dunkle Teich«: Umrandet von Rotbuchen. Auf dem Teiche schwarze Schwäne mit roten Schnäbeln.
Der graue Teich: Silberweiden rundum und graue Gänse mit hellroten Schnäbeln.
[132] Die Natur selbst in ihren eigenen künstlerischen Merkwürdigkeiten!
Exotische Blumen, die wie frei auf Wiesengrund wachsen! Gleichsam nicht mehr im »Käfig des Blumenbeetes«!
Teiche, die Naturausschnitte repräsentieren!
Nicht mehr von Menschengnaden herausgezirkelt!
Das Mysterium der Natur erhalten! Schonungsvoll wiederhergestellt in dieser »mordenden Kultur«!
Und breite Tafeln an den Gartengittern: »Von heute an bis – duften die Syringen, die Linden! Von heute an bis – blüht die weiss-rote Tulpenwiese.«
Dann werden Menschen kommen einer höheren Lebensordnung, an dem Gitter harrend, um zu geniessen, was bisher wenige des Genusses für wert hielten! Genuss-Fähigere!
4 Uhr nachmittags. Sonne, Sonne, Sonne und Wasserspiegel. Er fuhr im Boote an der Schwimmschule vorbei. Da stand auf der letzten Stufe, die in den See führte, eine Fünfzehnjährige, aschblond, in einem weissen Trikot, das ganz nass war und rosig durchschimmerte. Er lud sie ein, sich an das Boot anzuhängen. Er fuhr in die wunderbare Bucht mit [133] Haselstauden und Schilf. Ihre nackten Arme waren unbeschreiblich schön und das Antlitz mit den runden Augen und der breiten Stumpfnase das einer Wassernixe.
Wenn er sie am Lande traf, war sie das armselige Bürgermädchen.
Da sagte er verlegen: »Wie geht's, Annerl?!?«
Um 4 Uhr nachmittags aber hing sich jeden Tag die süsse Wassernixe in weissem Trikot mit nackten Armen an sein Boot an. Er sprach nie ein Wort mit ihr, berührte hie und da zärtlichst ihre süssen nassen kalten Hände an dem Bootrande.
Wenn er sie am Lande traf, war sie das armselige Bürgermädchen.
Da sagte er verlegen: »Wie geht's, Annerl?!?«
Frau B.
Geliebtestes Seestädtchen, mit deinen unbeschreiblichen Abenddämmerungen am See-Ufer, wenn plötzlich nach verbrecherischer Tagesschwüle ganz kühle Wasser-duftende Luftwellen kommen und die Felder Kukuruz-süss zu duften beginnen, wie erlöst von bannender Tagesschwüle, geliebtestes Seestädtchen, ich sah die Dame tanzen, nachts, auf der Kurhaus-Réunion. Es war die süsse Anmut der ganzen Natur selbst, vereinigt in einem zarten Menschenleibe! So wie ich, einige Stunden früher, sass und sass und sass, die Wasserfläche anstarrte in ihrer mysteriösen Schönheit, die zerschlissenen zerrinnenden Wolken, die schiefen See-pflügenden Jachten, die fliegenden und ins Wasser einrutschenden Schwäne, den durchscheinenden weissen Wasserdunst im Abenddämmern, so sass ich nun und trank mit meinen Augen die unermessliche Anmut deiner heiligen Bewegungen in mich hinein, Frau B.!
Oh, wie viel süsse kindlich-freudige Lebenskraft, wie viel zugleich bereits von Ergebung und Müdigkeiten, [135] wie viel inneres zartestes Erleben, wie viel stummes Nachgeben, stilles Dahinschleichen, war in deinem süssen Tanzen, Frau, und das Wissen, dass Jugend eine Sekunde währt, erlischt und niemals wiederkehrt – – –!
Ich fühlte: Wer, oh, Frau, genoss dich so wie ich mit meinen Augen, da ich dir tanzen zusah in der Nacht der Kurhaus-Réunion?!?
Ein Herr sagte zu mir: »Sehen Sie, da haben Sie einmal ausnahmsweise recht; Sie, das muss eine sehr fesche Person sein! Da muss man sich gleich durch ein Mitglied des Vergnügungskomitees vorstellen lassen. Lieber Herr Apotheker – – – ja, die im weissen Kleid, die so fesch tanzt, ja, die, bitt' schön – – –.«
– – –
« – – – ja, der verrückte Schriftsteller hat auch g'sagt, gnä' Frau, es liegt so was in Ihnen – – –.«
Die Dame: »Er blickte wenigstens so – – –.«
»Ja, hat er?! Ja, die Dichter, die können blicken. Bei uns is es mehr drinnen – – –.«
Immer dachte ich es mir: Woher, woher nimmt der gottbegnadete Dichter Maeterlinck diese dem Irdischen so süss entrückten Gestalten, diese allerzartesten Frauengebilde, die wie mit Libellenflügeln über dem Leben schwirren und gleichsam edleren Gesetzen gehorchen und aus einer Welt zu kommen [136] scheinen, wo die primitiven Sexualkräfte bereits in seelisches Empfinden völlig umgesetzt und verbraucht wurden!?!
Woher nimmt er diese Gestalten, die gleichsam auf besseren Sternen wohnen als unsere alte Erde ist und im Leben des Tages ein Mysterium bilden von überschwenglichen zartheitkranken Seelen?!? An welchen Quellen der Natur trank der Dichter?!? Wo entdeckte er die Kräfte, die zugleich vom sicheren Boden des Alltags und zugleich aus den Geheimnissen der Allwelt kamen?!?
Nun las ich sein Buch, »Das Leben der Bienen«.
Hier war die Quelle!
Im Bienenstaate, in diesem irdischen Geheimnisvollsten, im Bienenkorbmärchen, wo die hunderttausend Jungfrauen einem höheren Zweck zuliebe ihr keusches Dasein führen, die Königin ihr königliches Leben lebt und dennoch eines Tages in einer dunklen Ecke verschmachten muss, wo die Drohnenschlachten sich ereignen, die ewig patrouillierenden Wächter beim Eingange mysteriösen Dienst verrichten, wo rastlose Arbeit im Finstern stattfindet, geheimnisvolles Morden von Prinzessinnen im Schlaf, geheimnisvolles Werden im Finstern, wo riesige wachsbleiche Wachsgebäude sechs-wandiger Zellen sind, wunderbar errichtet, wo Schrecken ist durch Eindringlinge bei Nacht, Klagelaute und Gemurmel, selbstlos-freudiger Auszug des Schwarms ins öde Ungewisse, Hochzeitsglück in Lüften und zugleich der [137] Tod, alles Gesetzen unterworfen, die der Mensch niemals ganz durchdringt, voll Weisheit, voller Unergründlichkeit, ein lichter Weg und eine dunkle Wirrnis!
Wo Gesetze unerbittlich ehern herrschen, die der Mensch nicht enträtseln, nicht bekämpfen kann, da, da lernte es der Dichter, der Bienenzüchter während 20 Jahren, die Menschen, losgelöst vom Tages-Gesetze, in antizipierten Entwicklungsstadien der Seele zu erfassen, die gleichsam bereits ausserhalb des Irdischen sich befinden und wohin ausser der wissende Blick Gottes nur noch der ahnende Blick des Dichters zu dringen vermag!
Es war in einer ganz kleinen Provinzstadt, ich war Obmann der Geschworenen. Lauter Bauern. Eine »Madonna« von siebzehn Jahren war angeklagt. Sie hatte in einem Stalle geboren. Sie lehnte in dem schmerzlichen Augenblicke an der Stallwand. Das Kind war direkt, wie sie sagte, auf die Steinfliesen heruntergefallen. Den Schädel eingedrückt. Niemand glaubte es ihr.
Der Verführer sass im Gerichtssaale.
Wie ein Verführer – – – schön und roh, gemein bis in die Knochen. Was ging es ihn an?! Hätte sie sich nicht –!?
Meine Bauern-Kollegen sagten zu mir: »Na, na, Sie, dös kennen mir. Wenn mir nix kennen, dös [138] kennen mir. Dös is a Luder! Sie sein alle so. Dös andere möcht' ihnen passen. So a Kanaille!«
Da sagte ich in meiner äussersten Not zu diesen Bauernklacheln: »Meine Herren, sie hat monatelang an Kindswäsche genäht. Sie hat Kindswäsche genäht, meine Herren, fleissig und emsig. Kindswäsche – – – bedenken Sie, seit Monaten – – –!«
Das Wort »Kindswäsche« ist bereits überhaupt wie ein Purgiermittel, es wirkt milde und auflösend bei Seelenverstopfung.
Die Bauernschädel dachten:
»Wann sie im vorhinein Kindswäsche genäht hat – – –?!?«
Sie bekam also nur zwei Jahre, wegen fahrlässiger Tötung.
Der Verführer sass da, schön und roh, gemein bis in die Knochen. Was ging es ihn an?!? Hätte sie sich nicht – – –.
Sie dachte: »Ich will, ich will leben für dieses heilige Welten-Gehirn des Mannes, das der Welt endlich den Frieden bringen soll nach Jahrhunderten des Chaos, für das Bismarck-Gehirn der Welt, das endgültiges Licht brächte ins Dunkel, Ordnung in die Wirrnis! Ich will daher, dass jede meiner Bewegungen ihn beglücke, ihn leicht und froh und arbeitsfreudig und menschenfreundlich erhalte, der Atem meines Mundes, die Form meiner knabenhaften [139] Brüste, der Duft meiner Haare und was sonst noch an mir ist. Kraft und Freudigkeiten will ich ihm bringen, dass er an seiner Mission arbeiten könne, die Welt zu erlösen von ihren Lügenhaftigkeiten! Mit meinem Leib, diesem bezweckten Geschenke Gottes, will ich ihn reicher machen und reicher, da ich denselben nur mitbekam, um aus diesem Menschen »Mann« den Menschen »gottähnliches Wesen zu machen! Der Schöpfer dachte sich in genialer Weise mich als Mittel aus, den Mann durch mich zu Seinem Ebenbilde zu erhöhen! Wie die Sonne und der Regen für Blüten will ich sein für ihn, wie der Sauerstoff für die Lungen, wie der Schlaf für die Ermüdeten, eine Heil-Spenderin! Wie wenn die Geliebte des Blondin nur dafür Tag und Nacht sorgte, dass er sicher den Niagara-Fall auf gespanntem Seile überschritte! Oder dass Battie Seeth abends im Löwenkäfig Herr bliebe! Oder der Gelehrte sein Ziel fände! Der Dichter sein Gedicht!«
So erträumte sie es, gleichsam in dem Gitterbettchen ihrer jungfräulichen Kinderstube.
Aber später merkte sie es, dass die anderen Damen andere Pläne hatten mit dem Mann.
Sie dachte: »Weshalb, weshalb wollen sie ihn nicht erhöhen, sondern erniedrigen?!?«
Und Frau D. sagte einmal zu der Weinenden: »Sie müssen ihn eifersüchtig machen, meine Liebe, glauben Sie es mir. Es muss ihm vor Verzweiflung sein Gehirn ausrinnen. Er muss ganz vertrottelt [140] werden und um sich selbst herum zu rasen beginnen, wie eine in der Kerzenflamme angebrannte Fliege. Glauben Sie es mir. Sie dürfen ihn nicht zu sich selbst kommen lassen!«
Und sie glaubte es ihr. Aber sie fühlte zu sehr in sich die Mission, den von Gott in den Schädel des Mannes eingesetzten »Welt-Extrakt« Gehirn zu schützen, als dass sie es zu ihren Gunsten hätte schwächen und ausrinnen lassen können. So überliess sie ihn unter Tränen den Damen, die weniger »Religion« in sich hatten.
Eines Morgens waren an allen hervorragenden Plätzen der Stadt riesige Plakate in englischen roten und weissen Lettern auf Goldgrund angeschlagen: Bürger, meine Kinder!
Ich beginne mit einem Gleichnis: Wenn ein zartes Linnen, in Tagesbetätigungen ein bisschen verbraucht und zerrissen, in jeder Nacht von einer idealen Näherin und Büglerin aufs allerzarteste wieder-hergestellt würde, so könnte theoretisch dieses Linnen ewig dauern!
Nun, sehet, so eine ideale Näherin und Büglerin an eurem Leibe, eurem Geiste und an eurer Seele, die in Tagesbetätigungen abgenützt werden, ist euer Schlaf!
Ich verkünde euch daher die Stadt des Schlafes![141] Von acht Uhr abends an beginnt die gesetzliche Totenstille in meiner Stadt und wehe, wer durch einen Laut sie störte!
Von acht bis neun ist es meinen geliebten Bürgern gestattet, sich für die heilige Nachtruhe vorzubereiten.
Jeder meiner Bürger hat ein staatlich verbrieftes Recht auf zehn Stunden Schlaf innerhalb 24 Stunden!
Im tiefen, von selbst endenden Schlafe liegt die Kraft des Leibes, der Seele und des Geistes meiner Bürger! Was sie an Kräften bei Tage hinopfern, zum Wohle der Gesamtheit, muss ihnen nachts unter staatlicher Garantie und Kontrolle ersetzt werden, damit ihr Lebenskapital sich nicht verringere, das ein Faktor des Gesamtwohles ist!
Die Gerichte werden ihre Tore schliessen müssen, denn der vollkommen ausgeschlafene Mensch ist sanftmütig und weise und fügt sich liebevoll von selbst in die Gesamtordnung ein!
Die Ärzte werden auswandern, denn der innerhalb 24 Stunden vollkommen ausgeschlafene Mensch bringt immer während der Nachtruhe alle Wunden wieder zur Verheilung, die seine Tagestätigkeit ihm etwa schlüge!
Es gibt keine unglückliche Ehe, denn der vollkommen ausgerastete Mensch, also auf der Höhe seiner geistig-seelischen Clairvoyancen, weiss zu wählen und zu warten, weiss Ideale aufrecht zu erhalten, und auch in Weisheit zu verzichten!
Franzensbad wird verödet liegen und Karlsbad [142] und Marienbad für meine Bürger! Ihr werdet liebenswürdig werden wie der Japaner, beweglich wie der Franzose, eisenfest wie der Deutsche, arbeitstüchtig wie der Amerikaner und in tausenden Familien werden besonders Veranlagte, Überlebensgrosse erstehen, zu Genies gemästet an ausreichendem Schlafe!
Jeder wird zu seiner Kraft, zu seinem Können kommen und diese unglückseligste Herde, die vergeblich Wollenden, werden aussterben, verschwinden!
Ich gebe euch das Gesetz der Gesetze, kein anderes! Denn aus ihm erblüht von selbst der Friede, die Kraft und das Glück!
Ich gebe euch die Stadt des Schlafes!
Von acht Uhr abends an herrsche Todesstille! Bis sechs Uhr morgens!
Oh Mensch, lasse doch, Verbrecherischer, Irrsinniger, Blödester, dieser unerschöpflich gütigen langmütigen Natur, die das Äusserste an Zartsinn und genialen Fürsorglichkeiten für dich aufwendet, lasse ihr doch um Gottes willen Zeit, in der heiligen Stille der Nacht, an dir, Sünder, das wieder auszubessern, gutzumachen, wiederherzustellen, was du in Tagestätigkeiten verausgabt und verloren hast!
Bürger, meine Kinder, ich bin nur euer eigener Gesetzgeber in euch selbst, vorzeitig, rechtzeitig aus euch hinausgestellt als euer befehlender König!
Amen.
Im empfehle den Damen als zartesten Zimmerschmuck für Vasen die Mond-Viole, Lunaria biennis.
Es sind lange, zarte Zweige, an welchen viele viele ganz dünne weiss-silberne durchscheinende perlmutterglänzende Membranen gleichsam gespannt sind. Wie Silberhäutchen. Es sieht ganz merkwürdig aus. Wie wenn Japaner es sich erdacht hätten! Mehr so wie kunstgewerblich.
Sie werden mich fragen: »Was sind es?! Blüten, Blätter, Früchte?! Ist es ein Baum, ein Strauch?! Und wo gedeiht er?!«
Ich antworte ganz bescheiden: »Ich weiss es nicht.«
Ich hatte nie die Absicht, dem edelzarten Gewächse durch Wissen das Romantisch-Märchenhafte zu nehmen, das es in seiner geheimnisvollen Merkwürdigkeit ausstrahlt. Es gibt genug Leute, die beim Anblick der süssen Mond-Viole sagen würden: »Dieses Gewächs nämlich gehört in die Klasse der sogenannten – – –« und jetzt kommt meistens ein lateinischer Name.
Ich bin nicht so. Ich habe es seit einem Jahre mit Geschick vermieden, mir eine Aufklärung über meine süsse geliebte Pflanze aufbürden zu lassen. Ich weiss nur, dass sie schön ist.
Konditorei im Seestädtchen, ein Genie im Verborgenen, Grossstadt-Konditoreien mit aufgeblasenen Namen weit hinter sich lassend.
Z.B. Nuss-Crême-Kugeln, in einer geöffneten entkernten Malagatraube eingebettet.
Die Dreizehnjährige hatte wunderbar edle Beine in grauseidenen Strümpfen, hörte ganz impassibel den Médisancen zu.
»Jawohl,« sagte der Dichter, »Anna sprang ganz direktement aus dem Sacré-Coeur in das Pavillon ›Irroy‹ in ›Venedig in Wien‹ als Animier-Mädchen. Es wurden da natürlich grausame Worte gesprochen, für die es einer gewissen Vorbereitung bedurft hätte. Da sah ich Tränen langsam ihre Wangen herabgleiten. Ich legte meine Hand sanft auf die ihrige. Sie erwiderte mir jedoch: »C'est moi, c'est moi seule qui a tort, monsieur. Excusez moi – – –.«
Der Dichter schenkte der Dreizehnjährigen mit den edlen Beinen in grauseidenen Strümpfen zehn Nuss-Crême-Kugeln in Malagatrauben eingebettet.
Sie sagte: »Ich werde auch im Sacré-Coeur erzogen – – –.«
Die junge Gräfin sagte: »Was sagen Herr Dichter zu dem süssen Fräulein, das sich auf einer Schilf-Insel splitternackt von Herrn so und so photographieren liess?!?«
»Ich sage, dass wenn die Frau Fabrikdirektor von C. dazu seinerzeit den Mut gefunden hätte, sie jetzt nicht jahrelang ihre Mitmenschen mit den Berichten vergangener Schönheit belästigen würde [146] müssen. In uns allen lebt und webt nämlich unentrinnbar das Ideale und der Sinn für Vollkommenheit. Eine schöne Hand dürfte nicht lange im Handschuh bleiben wollen, ein schöner Fuss sehnt sich krankhaft nach Sandalen und verachtet eigentlich den schönen teuren Schuh, der ihn nur einsargt! Wenn eine schön tanzt, wird sie uns baldigst etwas vortanzen. Oder in späteren Jahren uns allzuoft die Mitteilung machen: ›O, mein Herr, ich war eine leidenschaftliche Tänzerin.‹ Das Vollkommene hat Altruismus in sich, es möchte sich dem Nebenmenschen offenbaren, mitteilen, ihn beglücken und erfreuen, es scheut nicht das Licht der Öffentlichkeit, spürt eine innere Mission. Die Schönheit will nicht ungenossen sterben! Nur das Unzulängliche bleibt gerne in Schranken, deckt sich, schützt sich mit verlogenen Prinzipien, sagt: ›Ich bin einmal nicht dafür‹!«
Die junge Gräfin zahlte dem Dichter seine ganze Konditorei-Rechnung infolge dieser Ansichten.
Die Dreizehnjährige kreuzte die wunderbaren Beine in grauseidenen Strümpfen und sagte: »Im Sacré-Coeur haben wir unter uns eine Königin erwählt. Die, die am schönsten war. Eines Nachts wurde sie erwählt. Man macht ihr von nun an alle ihre Aufgaben, hilft ihr, wo man es nur kann, schnürt ihr ihre Stiefelchen zu, ja man wäscht sie sogar. Man ist selig, ihr helfen zu dürfen – – –.«
»Und was wird aus dieser Unglücklichen im Pavillon ›Irroy‹ werden?! « sagte Frau von G. mitleidsvoll[147] und besorgt. Sie dachte aber: »So ein junges Mistviecherl – – –.«
Der Dichter erwiderte: »Einer meiner reichen Freunde wird sie demnächst heiraten, Gnädige!«
»Ich bezahle also, bitte, fünf Marons glacés, ein Melonen-Eis und zwei Butterteig-Palmiers,« sagte die Gnädige und entfernte sich schleunigst infolge dieser Hiobspost.
Die junge Gräfin sagte: »Wo befindet sich diese Schilf-Insel, auf der man sich nackt photographieren lassen kann?!?«
Die Dreizehnjährige hingegen hatte Bauchschmerzen infolge von Nuss-Crême und Eis-Wasser.
Eine junge Dame kaufte sich eine wunderbare grün-blau-lila schillernde Tiffany-Vase. Und dann in einem Naturalien-Sammlung-Geschäfte einen grün-blau-lila schimmernden Riesenkäfer aus Brasilien.
Diese beiden Objekte stellte sie in ein viereckiges Glaskästchen aus geschliffenen dicken Glasplatten auf ein dickes poliertes graues Birkenholzbrett. Darunter schrieb sie:
Die Damen der Bekanntschaft sagten: »Eine exzentrische Person! Immer muss sie etwas Apartes haben – – –.«
Er hatte die Dame innerlich ganz überwunden, war mit ihr, mit sich fertig geworden. Sein siedendes Rückenmark war durch die Nordpolarkälte seines Gehirnes besiegt worden. Aus einem Träumer war ein Erwacher, aus einem dunklen Romantiker ein heller Klarseher, ein Clairvoyanter geworden!
Und dennoch verdankte er diesen Sieg dem Zufall! Dem Zufall ihrer Unzulänglichkeiten!
Hätte sie die Hände der N.B. gehabt, das Adelsantlitz der Prinzessin R. in M., den Ambrateint der Frau Professor T., die Stirne der E.T., die tönende und dennoch sanft-mysteriöse Stimme der Ch. de V., die französische Grazie der R.L., die Lawn-tennis-Kunst der Schwestern P., die Naturliebe, die Rax- und Schneebergliebe der Gr. E., den englischen, über den Dingen sanftmütig schwebenden Humor der M.M., die süsse Bohêmenatur der L.L., die sehnige Elastizität der Th. K., den Adel und die sanfte Würde der Fr. M. – – – er hätte niemals die Krankheit seiner sehnsuchts-irrsinnigen Nerven heilen können durch diesen ernsten kalten Arzt »Erkenntnis«! Er wäre unterlegen seinem Herzen! Was ihn rettete, was ihn ewig retten wird, ist der glückliche Zufall der Unzulänglichkeiten der Angebeteten! Wehe, wenn er eine Zulängliche anträfe auf seinen Wegen! Da triebe er mit einem abgerissenen Säumchen ihres Kleides einen Kultus bis an sein Lebensende, der mehr dem Irrsinn gliche als der[150] Liebe! Da ertränke er im Meere seiner eigenen Zärtlichkeiten!
Aber ein gütiges Schicksal spült nur Atome deiner Ideale dir an den Strand! Da kannst du »irrsinnig« werden auf Zeit, kannst deine vierzehn Tage machen, kündigen und geh'n, geheilt entlassen.
Elisabeth Barret-Browning, die Dichterin, schrieb an ihren Gatten, Robert Browning, den Dichter:
»Vergiss es nie, oh mein Geliebter, dass Du frei bist! Deine Entwicklung, Dein Sein, Dein Werden, sind mir teurer als die Empfindung, Dich ganz und ganz allein zu besitzen! Ich bin über nichts erstaunter als über dieses Mysterium, dass Du immer wieder in meine liebevollen Arme kommst!
Dass Gewohnheit und Selbstverständlichkeit des Besitzes Dich noch nicht müde, gleichgültig gemacht haben!
Was, was haben wir Armseligen denn Euch zu bieten?!?
Trotz unserer liebevollen Herzen?!?
Jede, jede junge schöne Frau besitzt doch in ihrem wunderbaren süssen Leibe schon die mysteriöse Anziehungskraft auf den Mann eines Magnetes auf Eisen!
Wodurch könnten wir diese besiegen, wir, die wir eigentlich nicht mehr zu bieten haben als jene?!?
Deshalb staune ich, erbebend, dass Du zu mir, [151] zu mir wiederkehrst, wiederkehrst und wiederkehrst, Geliebtester!«
»Menschen« von Ellen Key. (S. Fischer, Verlag, Berlin.)
Des Dichters Robert Browning und der
Dichterin Elisabeth Barrett Liebe und Ehe.
Ich habe für eine teure Dame das Buch zusammen gestrichen und zerschnitten. Es blieben übrig Seite 149, 13. Zeile bis Seite 203 inklusive.
Nun ist es ein Extrakt geworden!
Auf diesen Seiten erlebt man das Märchenhafteste des Daseins – – – Zwei, die zusammenkamen!
Zwei, die, im Weltenraume einzig für einander bestimmt – – – sich fanden!
Dies, dies allein ist das Wesen der Ehe, wie Gott es sich erträumt hat in seinen romantischen Weltenplänen!
Da allein entsteht dieses unbeschreibliche und mysteriöse Erblühen der rastlosen Selbstlosigkeiten! Die Dauer-Romantik!
Die Dauer-Romantik, die unerschöpflich Kräfte saugt und saugt für ihr zartes gebrechliches Wesen aus dem Sein des anderen!
Männer, wartet auf die euch Zugehörigen im Weltenraume!
Wartet bis zu eurer Sterbestunde! Da habt ihr [152] dann in eurem Innern eine Ehe gehabt, eine wahrhafte wirkliche Ehe, mit der, die nie kam!
Sechs Uhr abends rückt heran. Ich spüre es heranrücken. Nicht so intensiv, wie die Kinder den Weihnachtsabend heranrücken spüren. Aber immerhin. Punkt sechs Uhr trinke ich Tee, ein feierliches Geniessen ohne Enttäuschungen in diesem belasteten Dasein. Etwas, was man sicher hat, man hat seine friedevolle Glückseligkeit in seiner eigenen Macht. Es ist direkt unabhängig vom Schicksale. Schon das Eingiessen des guten Hochquellwassers in mein schönes weites Halb-Litergefäss aus Nickel macht mir Freude. Dann warte ich das Sieden ab, den Sang des Wassers. Ich habe eine riesige halbkugelige tiefe Schale aus ziegelrotem Wedgewood. Der Tee ist aus dem »Café Central«, duftet wie Almwiese, wie Kohlröserl und Gräser im Sonnenbrande.
Der Tee ist goldgelb-strohgelb, niemals bräunlich, leicht und unbedrückend. Dazu rauche ich eine Zigarette »Chelmis, Hyksos«. Ich trinke sehr, sehr langsam. Der Tee ist ein inneres anregendes Nervenbad. Man trägt die Dinge leichter dabei. Man fühlt es, eine Frau sollte eine solche Wirkung ausüben. Aber sie tut es niemals. Sie hat noch nicht die Kultur friedereicher Sanftmütigkeiten, um wie ein edler warmer goldgelber Tee zu wirken. Sie glaubt, sie verlöre dann etwa ihre Macht. Aber mein Tee [153] sechs Uhr abends verliert niemals seine Macht über mich. Ich sehne mich ihm täglich in gleicher Weise entgegen und liebevoll vermähle ich ihn meinem Organismus.
Man fragte mich einmal: »Sie, P.A., welche von allen Anerkennungen hat Ihnen am meisten Freude bereitet in Ihrem Leben?!?«
Ich erwiderte: »Einmal schrieb mir eine fremde Dame aus Berlin: ›Mein Herr, seitdem ich Ihren Satz über die Heiligkeit des Schlafes gelesen habe, bin ich nicht mehr imstande, mein dreizehnjähriges süsses wunderschönes Töchterchen aus dem Morgenschlafe zu reissen! Sie weiss nichts davon und ist sehr erstaunt über diese glückliche Wendung ihres Geschickes!‹
Diese Worte haben mir seit 1897 bis heute die grösste Freude von allen bereitet!«
»Und weshalb gerade diese?!?«
»Ich habe einen jungen, mir ganz fremden schönen Organismus durch einen einzigen Satz aus der Ferne vor Anämie, vor Franzensbad, vor Entwicklungsstörungen, vor Melancholieen und Depressionszuständen bewahrt, habe ihm Gesundheit, Lebensheiterkeit und Frieden gesichert – – –!«
Eine Dame sagte zu mir: »Empfehlen Sie mir ein wunderschönes Buch – – –.«
»Lesen Sie ›Die Hochzeit der Esther Franzenius‹!«
»Ist es wirklich so besonders schön?!?«
»Ich habe es nicht gelesen – – –.«
»Wie?!?«
»Ich hörte nur einen Satz daraus zitiert: ›Sie überliess ihm ihre Hände wie einen Trunk und schaute zu – – –.‹ Lesen Sie daher die ›Hochzeit der Esther Franzenius‹!«
Als mein Buch herauskam, 1896, entspann sich bei den wenigen, die überhaupt daran Anteil nahmen, oft eine heftige Auseinandersetzung darüber, ob man zu betonen habe ›Wie ich es sehe, oder 'Wie ich essehe‹!?
Die letztere Betonung nun ist die einzig richtige:
Denn insofern eine Individualität nach irgend einer Richtung hin eine Berechtigung, ja auch nur den Schein einer Berechtigung hat, darf sie nichts anderes sein als ein Erster, ein Vorläufer in irgend einer organischen Entwicklung des Menschlichen überhaupt, die aber auf dem naturgemässen Wege der möglichen Entwicklung für alle Menschen liegt! [155] Der »Einzige« sein ist wertlos, eine armselige Spielerei des Schicksals mit einem Individuum.
Der »Erste« sein ist alles! Denn er hat eine Mission, er ist ein Führer, er weiss, die ganze Menschheit kommt hinter ihm! Er ist nur von Gott vorausgeschickt!
In allen Menschen liegt ein zarter trauriger, Ideale träumender Dichter tief verborgen. Alle Menschen werden einst ganz fein, ganz zart, ganz liebevoll sein, und die Natur, die Frau, das Kind mit allen Zärtlichkeiten lieb haben eines exaltierten Dichterherzens.
Der Dichter ist nie der »Einzige«. Dann wäre er wertlos, ein Seelen-Freak! Er ist der »Erste«. Er fühlt es, er weiss es, dass die anderen nachkommen, weil sie bereits in sich verborgen die Keime seiner eigenen Seele tragen!
Es darf nicht heissen ›Wie ich es sehe‹.
Es muss heissen ›Wie ich es sehe‹!
Wahre Individualität ist, das im voraus allein zu sein, was später alle, alle werden müssen! Falsche Individualität ist, ein zufälliges Spiel der Natur sein wie ein weisses Reh oder ein Kalb mit zwei Köpfen. Wem nützte es denn?!? Es gehörte in ein Kuriositäten-Kabinett der Menschheit!
Und ich gab mein Wort, nicht zu kommen.
[156] Da liessest du, meinen Bitten nachgebend, deine Türe, die in mein Zimmer führte, unversperrt.
Draussen lag die vereiste Waldstrasse im Mondlicht und der Sturm sang vom Mürztal herauf in den schwarzen Föhrenwald hinein am Göstritz.
Ich lag und lauschte.
Ich lag und weinte.
Hie und da, in langen Zwischenräumen, hüsteltest du. So von der ungewohnten Berg-Nacht-Luft.
In namenloser Wehmut begrüsste ich diesen zarten Laut als das einzige Zeichen deiner Anwesenheit.
Der Sturm sang vom lichten Mürztale herauf in den dunklen Föhrenwald hinein.
Von Zeit zu Zeit hüsteltest du.
Ich lag und lauschte.
Ich lag und weinte.
Langsam – verging – die Nacht.
Am Morgen sagtest du: »Weshalb sind Sie nicht gekommen?!?«
»Wenn ich gekommen wäre, Sie hätten mich beschimpft, vertrieben – – –.«
»Was macht das?! Aber es wäre dann mächtiger gewesen in Ihnen als Ihr Eid!«
»Darf ich mir die ganze Schachtel nehmen?! Ich rauch' die so riesig gern – – –« sagte sie zu mir.
[157] Ich war verzweifelt. Ich betete das süsse, anmutige Geschöpf an, während jedoch die ganze Schachtel »Chelmis Ramses« im Café zehn Kronen kostete, Trafik acht Kronen.
»Ja, nehmen Sie die ganze Schachtel!«
Als ich die Zigaretten dem Kellner des eleganten Nachtcafé bezahlen wollte, sagte er: »So ein Mistviecherl; nimmt Ihnen gleich eine ganze Schachtel weg!«
»Nun,« sagte ich, »da haben Sie die zehn Kronen. Was kümmert es Sie?!«
»Nein,« sagte der Kellner, »die Sache ist so, die Dame hat mir die Schachtel sofort für zwei Kronen weiterverkauft. Morgen verkauf' ich sie wieder für zehn Kronen, folglich schulden Sie mir nur die zwei Kronen, die ich der Dame bezahlt habe!«
Ich war selig. Ich sagte: »Sie, ich lasse mir von Ihnen nichts schenken, verstehen Sie mich?!«
Er: »Das würde ich auch gar nicht wagen. Aber ich habe es Ihnen vorgerechnet!«
»Ja, aber weshalb tun Sie denn das für mich?!«
»Herr Doktor, ich kenn' Sie schon so lang, Sie sind ja auch schon quasi von unserm G'schäft. Herr Doktor, wir müssen zusammenhalten gegen diese Mistviecher!«
So hielten wir denn zusammen gegen die Mistviecher, wobei ich ganze acht Kronen ersparte.
Der gebildete Philister: »Ich weiss ja, was er sagen will damit, der Richard Wagner. Glauben Sie, ich bin so dumm?!? Aber könnte er nicht viel einfacher und verständlicher sagen:
Das würde ein jeder verstehen. Nein, er muss es umdrehen, um uns zu blamieren!«
Mir aber, mein Herr, gefällt die erste Fassung tausendmal besser. Sie ist aus dem Mysterium hochadelig-weiblichen Empfindens heraus gedichtet:
[159] ist das Um und Auf jeder moderne Entwicklungen durchmachenden Frau.
»Ich wünsche es, dass mein Geliebtester die Gipfel seiner eigenen Fähigkeiten erklimme! Mit mir, aber auch sogar gegen mich. Was ihm dazu verhelfen mag, ist mir heilig. Ich selbst bin selbstverständlich immer bereit. Aber reiche ich aus?!? ›Zu neuen Taten, teurer Helde, wie liebt' ich dich, liess' ich dich nicht?!?‹«
Sie wurde ganz krank vor Erregung, als sie Battie Seeth sah mit seinen 25 Löwen. Sie bat ihren Kavalier, es ihr doch zu gestatten, zu den Löwen sich zu begeben. Er sprach also mit dem Bändiger darüber. Eines Nachts nach der Vorstellung befahl also Seeth den Löwen Achmed in die offene Arena. Achmed knurrte schrecklich, umschlich das fremde Mädchen, erhob ohne böse Absicht die Pranke. Seeth gab ihm einen leichten Schlag darauf, da küsste das Mädchen den Löwen rasch auf die Schläfe. Fertig.
Ich fragte sie, welche Empfindungen man dabei habe?!?
Sie erwiderte: »Gar keine. Man ist verloren. Man lebt schon nicht mehr. Es ist einem alles ganz gleich. Das Leben hängt so an einem dünnen Faden, dass es bereits abgeschnitten, nicht mehr vorhanden ist, vorüber. Aber das ist das Wunderbare [160] daran. Ich möchte auf dem Turmseile tanzen ohne Rettungsnetz. Bleibe oben oder stürze! Krepiere, wenn du Balance verlierst! Ich möchte in einer Arena so reiten auf ungesatteltem Pferde, dass die Damen in Ohnmacht fielen und die Herren Stallmeister erbleichten!«
»Das sind die Geschäftsspesen der Berühmtheit,« sagte ich.
»Nein,« sagte sie, »man riskiert ja nichts. Denn ein Leben ohne das ist überhaupt nichts wert.«
Ich fühlte: »Geborene Löwenbändigerin.«
Sie sagte: »Ich habe einen ›Freund‹. Er ist wie der Löwe Achmed. Das Leben hängt da stets an einem Faden.«
Ich begleitete sie nachts zu ihrem Hause.
Irgendwo im Dunkeln stand ein Mann mit einem Mädchen. Meine Begleiterin schlich sich an, stürzte sich auf die Rivalin und ohrfeigte sie fürchterlich.
Der Mann zog ein Messer und stiess es meiner Begleiterin zwischen die Rippen.
Ich segne eure armseligen Unzulänglichkeiten, ihr, die ihr mein allzu zartes Herz entzündet! Da spielet ihr mit uns nur – solang wir mit euch spielen! Mögest du mir nie erscheinen, körperlich vollkommene, seelisch zarteste, anmutsreichste, verständnisvollste, lieblich-sanfteste, Blumen und Tiere fanatisch verehrende, edel-bescheidene, in dich gekehrte, [161] leicht versöhnliche, milde-gütige, vornehm-würdevolle, ruhige und dennoch innerlich erbebende süsse Fraue, mögest du mir nie, nie erscheinen! Denn plötzlich erkennend der anderen schreckliche Unzulänglichkeiten, würde ich da, wie ein irrsinniger Sklave, nichts tun, als den Boden, den du wandeltest, Tage und Nächte lang mit meinen Ehrfurcht-bebenden Küssen tränken! Unzulängliche, schützet mich vor den Wahrheits-Ekstasen meines bisher mit Lüge gepanzerten Herzens! Schützet mich! Auf dass ich lachen könne meiner Tränen, Einhalt gebieten könne meinem Schmerze und Gott, dem Idealeträumer treu bleiben könne, indem ich Euch immer treulos werde!
Ich zog in das ruhige Zimmerchen, fünften Stock, gutes, altes Stadthotel, ein, mit zwei paar Socken und zwei riesigen Flaschen Slibowitz für unvorhergesehene Fälle.
»Bitte,« sagte der Zimmerkellner, »soll ich das Gepäck holen lassen?!?«
»Ich habe keines,« sagte ich einfach.
Dann sagte er: »Wünschen Sie elektrische Beleuchtung?!«
»Jawohl.«
»Es kostet fünfzig Heller per Nacht. Sie können aber auch bloss Kerze haben,« sagte er in Berücksichtigung der gegebenen Umstände.
[162] »Nein, ich wünsche elektrische Beleuchtung.«
Um Mitternacht hörte ich Geräusche von zerrissenen und zerkratzten Papiertapeten. Dann kam eine Maus, stieg meinen Waschtisch hinan und betrat das Lavoir, machte überhaupt verschiedene artige Evolutionen, begab sich sodann wieder auf den Fussboden, da Porzellan nicht zweckentsprechend war, hatte überhaupt keine festen weitausgreifenden Pläne und hielt schliesslich die Dunkelheit unter dem Kasten bei den gegebenen Umständen für ziemlich vorteilhaft.
Morgens sagte ich zu dem Dienstmädchen: »Sie, eine Maus war heute nacht in meinem Zimmer. Eine schöne Wirtschaft!«
»Bei uns gibt's keine Mäuse, das wäre nicht schlecht. Woher sollte denn bei uns eine Maus herkommen?! So was lassen wir uns überhaupt gar nicht nachsagen!«
Ich sagte infolgedessen zu dem Zimmerkellner:
»Ihr Stubenmädchen ist ein freches Geschöpf. Heute nacht war eine Maus im Zimmer.«
»Bei uns gibt's keine Mäuse. Woher sollte denn bei uns eine Maus herkommen?! So was lassen wir uns überhaupt gar nicht nachsagen!«
Als ich in das Hotelvorhaus trat, betrachteten mich der Herr Portier, der Herr Hausknecht, die anderen beiden Fräulein Stubenmädchen und der Herr Geschäftsführer, wie man einen betrachtet, der mit zwei paar Socken, zwei Slibowitzflaschen einzieht und bereits Mäuse sieht, die nicht da sind.
[163] Auch lag mein Buch »Was der Tag mir zuträgt« offen auf meinem Tische und ich überraschte einmal das Stubenmädchen bei der Lektüre desselben.
Unter diesen facheusen Umständen war meine Glaubwürdigkeit in bezug auf Mäuse ziemlich untergraben. Dafür hatte ich immerhin einen gewissen Nimbus eingeheimst und man rechtete nicht mehr mit mir, liess mir sogar kleine Schwächen passieren, drückte ein Auge zu, benahm sich ausserordentlich kulant wie mit einem Kranken oder anderweitig zu Berücksichtigenden.
Die Maus jedoch erschien jede Nacht, kratzte an der Papiertapete, bestieg häufig den Waschkasten.
Eines Abends kaufte ich eine Mausefalle samt Speck, ging mit dem Instrument ostentativ an dem Portier, dem Hausknecht, dem Geschäftsführer, dem Zimmerkellner und den drei Stubenmädchen vorbei, stellte die Falle im Zimmer auf. Am nächsten Morgen war die Maus drin.
Ich gedachte nun, ganz nonchalant die Mausefalle hinabzutragen. Die Sache sollte für sich selber sprechen!
Aber auf der Stiege fiel es mir ein, wie erbittert die Menschen werden, wenn man sie einer Sache überführt, zumal eine Maus sich nicht in einem Passagierzimmer eines Hotels befinden sollte, in dem es Mäuse einfach »gar nicht gibt«! Auch wäre mein Nimbus eines Menschen ohne Gepäck, mit zwei paar Socken, zwei Flaschen Slibowitz, einem Buche »Was der Tag mir zuträgt« und der nachts bereits Mäuse [164] sieht, dadurch beträchtlich erschüttert worden, und ich wäre sofort in die peinliche Kategorie eines sekkanten und höchst ordinären Passagiers herabgesunken. Infolge dieser Bedenken liess ich die Maus in einem für diese Zwecke ziemlich geeigneten Orte verschwinden und stellte meine Mausefalle auf dem Fussboden meines Zimmerchens wieder leer auf.
Von nun an wurde ich mit noch zärtlicherer Rücksicht behandelt, man wünschte mich unter keinen Umständen zu erregen, gab nach wie einem kranken Kindchen. Als ich endlich abreiste, war bei allen freundschaftliches Mitgefühl und Attachement vorhanden, obzwar ich als Gepäck nur zwei paar Socken, zwei leere Slibowitzflaschen und eine Mausefalle mitnahm!
Mir ist der Lift noch immer ein »Mysterium«.
Ich bin nicht so blöde, durch leichte Gewöhnung an die Segnungen moderner Kultur mir den Reiz derselben zu zerstören!
Ich fühle dieses geheimnisvolle Stiegenüberwinden, diese Kraftersparnis meiner Kniegelenke, meines Herzens, meiner ach! keineswegs kostbaren Zeit noch immer als etwas Wunderbares.
Die Türe meines Lifts schiebt sich von selbst langsam zu, was für Leute mit Paketen oder Körben direkt störend, für einen Schriftsteller jedoch ziemlich angenehm sich gestaltet.
[165] Ich weiss nicht, an welcher Art von Maschinerie mein Lift hängt. Ich erfahre nur hie und da durch den Hausmeister, dass heute etwas nicht ganz in Ordnung sei oder dass der Installateur da sei. Ich verstehe jedoch weder, was für eine Katastrophe im Entstehen war, noch was ein Installateur ist. Beides jedoch scheint mit eventuellen Lebensgefahren vereinbarlich zu sein.
Grässlich ist es, mit einem fremden Menschen hinaufzufahren. Man glaubt die Verpflichtung zu haben, ein Gespräch zu entrieren, und überlegt es sich krampfhaft von einem Stockwerke zum anderen. Es ist eine verlegene Spannung wie bei der Maturitätsprüfung. Das Gesicht nimmt einen starren glotzenden Ausdruck an. Endlich sagt man: »Ich empfehle mich!«, mit einer Betonung wie wenn man eine Freundschaft fürs Leben geschlossen hätte.
Deshalb, um allen diesen Unannehmlichkeiten auszuweichen, komme ich immer erst um 6 Uhr morgens nach Hause. Da darf der Lift noch nicht funktionieren.
Ein Vanderbildt seiner Lebens-Kräfte.
Vor allem: Warte auf die, um die du Tag und Nacht tief besorgt sein könntest, wie eine Mama um ihr zartes Baby. Nur von seelischen Tätigkeiten kommen dirunerschöpfliche Kräfte. Aus den inneren Tätigkeiten der Sehnsucht und der zärtlichen Besorgnis!
Wehe dem, der »liebelos« sich ausgibt. Nichts kommt ihm zurück von seinen gespendeten Kräften!
Er züchtet sich seine künftige Stoffwechsel-Erkrankung, diese schreckliche Abrechnung!
* * *
»Ich bin müde – – – aber man muss es überwinden« sagte der Idiot. »Wo käme man hin, wenn man sich immer nachgäbe?!?«
»Ich bin müde« sagte der Dampfkessel, »aber man muss es überwinden.« Da barst er.
* * *
»Mein Kind muss um 7 morgens aufstehen, wegen der Schule. Daher muss es einfach bereits um 7 abends schlafen gehen. In drakonischer Strenge sorge ich dafür, ausnahmslos. Und die oft erbitterten [167] Mienen wird die Zukunft in dankbar-freudige umwandeln. Jedesfalls habe ich meine ›hygienische Pflicht‹ getan. Und eine andere gibt es überhaupt nicht!«
»Mein Kind gedeiht. Es kann nicht anders als gedeihen!
Ein Ziegel müsste denn vom Dache stürzen und es treffen.
Sonst aber habe ich sein Schicksal in ehernen Händen, nein, in ehernem Gehirne – – –.«
»Deutschland gedeiht« sagte Bismarck, »ich habe sein Schicksal in ehernen Händen, nein, in ehernem Gehirne!«
Zerkauen, ja, aber was?!? Granitwürfel?!? [168] Und zum edlen Gervais-Käse bedarfst du überhaupt keiner Zähne!
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Im Anfang des Lebens ist die »breiartige Nahrung«. Und zum Schlusse! Und dazwischen sind die Irrtümer. Die nennt man »Das Mannesalter«! Die Reife!
Mit einem schönen Weibe nicht rechten heisst Künstler sein! [169] Ihr einziges unzerstörbares Mysterium ist die Schönheit ihrer Form.
Wie sollte durch das, was sie tut oder unterlässt, ihr süsser märchenhaft wunderbarer Leib schlechter, minderwertiger werden?!? Er spendet ewig gleichmütig seinen Märchen-Zauber!
* * *
»Du hast mich betrogen, Geliebteste?!? Keineswegs. Noch immer duftet mir jede Pore deines vergötterten Leibes!«
* * *
»Wenn sie Kake-Walk tanzte, begann meine menschliche Verzweiflung über die so oft Treuelose einen schrecklichen Kampf mit meiner künstlerischen Begeisterung für sie. Eine erbitterte Schlacht wogte in meinem Nervensysteme und wiederholt schien die Kränkung den Sieg in Händen zu haben. Aber jedesmal erhielt der Gegner in mir wieder durch eine unbeschreiblich geschickt und überraschend ausgeführte Bewegung die Oberhand, bis er endlich siegreich das Panier in meinem Herzen aufpflanzte!«
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Sexuelle Dinge nicht besprechen?!? Wie wenn der Botaniker sagte: »Wir wollen uns auf das Wurzel-Leben der Pflanze nicht weiter einlassen – – –.«
[170]
* * *
» – – – – – nur bleibe mir immer, mein Sohn, elastisch wie Kautschuk, körperlich und geistig; daran allein werde ich es merken, dass die Frauen dir nur nützen und dich nicht belasten!«
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Er gab im Bordelle den 7 Mädchen absichtlich je zwei Kronen, damit sie Hasard spielen sollten. Er sah eine Weile aufmerksam dem Spiele zu. Da merkte er allmählich, an wessen Mädchens Schicksale in Gewinn und Verlust er die regste Teilnahme hatte. Auf diese fiel dann seine Wahl.
* * *
Freiübungen bei dem übertriebenen Marsch-Tempo italienischer Märsche. Mit ungeheurem Flach-Trommel-Wirbel, diesem Auslöser von Bewegungs-Spannkräften! Los! Vor! Halt!
In Schweiss gebadet, ruhten die Truppen, flach auf dem Boden liegend – – –.
»Sie haben mit der süssen Baronin so schön Ein-Walzer-Schritt (Boston) getanzt, dass alle aufhörten zu tanzen und Ihnen lieber zusahen – – –.«
»Wenn ich nicht so gut mindestens tanzte, dass [171] alle anderen aufhörten zu tanzen und lieber zusähen, würde ich es überhaupt nicht wagen zu tanzen!«
Jemand starb ihm dahin, den er lieb hatte –[172] – – da suchte er die Frauen auf, den Alkohol, diese beiden Ablenkungen vom eigenen Ich.
Jemand starb ihm dahin, den er lieb hatte – – – da schuf er die Symphonie »Gedenken«!
* * *
»Ich halte meine eigenen Seelen-Tätigkeiten nicht mehr aus« sagte der Schwächling des Lebens und ging ins Bordell, sie herabzumindern – – –.
* * *
Er sagte zu ihr: »Ich kenne die zehntausend Variationen auf deinem geliebten Antlitze. Ich kenne darauf die Schwächungen der Langweile und die Stärkungen anregender Stunde! Ich kenne die Totenmaske der Enttäuschung und das verklärte Künstler-Antlitz traumversunkener Minuten! So bin ich deiner nie sicher und du ersparst mir den schrecklichen Barbaren-Glauben, deiner sicher sein zu können!
Ewig kommen und versinken Welten auf deinem geliebtesten Antlitz, und ich stehe vor diesem brandenden Ozeane, ohnmächtig und dennoch in Andacht versunken!«
* * *
»Sage ihr doch, dass sie auf Erden keinen getreueren Freund haben könne als mich, und dass sie es einst bereuen werde – – –.«
Ich sagte es ihr.
Sie erwiderte: »Ich weiss es. Aber der Parfüm[173] »Cuir de Russie« hat auf mich bereits schon eine anregendere Wirkung als er und seine Liebe – – –.«
»Ich musste es erst erfahren, dass du doch von allen der Beste seiest – – –.«
Sie musste es erst erfahren, dass man nicht ewig jung und anziehend bleibe und daher sich rechtzeitig an den Idioten anklammern müsse – – –.
* * *
Eifersucht. Es kommt ein Augenblick der Verzweiflung, der »zehrenden Not«, der die Seelen-Spannkräfte aufzehrt, vernichtet. »Es hat ihm die Seele weggefressen.« Der Dichter im Menschen stirbt ab, wird gemordet. Die unermessliche Dichter-Kraft im Menschen wird heimtückisch hingemordet. Es bleibt der »nüchterne Mensch« übrig. Um diesen Mord am Dichter in uns trauern wir. Eifersucht ist die Angst, dass der Dichter in uns heimtückisch ermordet werde – – –. Es ist die Angst vor unseren Nüchternheiten, wenn der Dichter in uns tot ist – – –. Man mordet den Dichter in uns, nicht uns!
* * *
»Ausgleichungen. Das Wort ist leider nicht von mir. Aber wenn ich dir deine Zigarette anzünden [174] darf, Hilsen Loute, so habe ich tiefere Empfindungen als der, der dich in Besitz nimmt!
›Ich habe Hilsen Loute die Zigarette angezündet, 11 Uhr abends, Café D., 5. Februar 1905.‹«
* * *
Perversitäten?!? Ein dilettantischer Ausdruck. Was dich rosig macht, mit frischen blinkenden Augen, was dein Herz höher schlagen macht, deinen Appetit fördert, deine Bedrücktheiten bannt, deine Beweglichkeiten steigert, deine Lebens-Frohheit weckt, ohne fascheuse Reaktionen, das, das kann nicht »pervers« sein; was es auch sonst sei!
Es gibt nur eine Perversität – – – sein Lebens-Kapital schwächen, verringern!
* * *
Wie das Antlitz Rubinsteins beim Spielen von Beethoven, wie das Antlitz Beethovens beim Komponieren, wie das Antlitz eines fanatischen Berg -Erklimmers auf dem erreichten Gipfel, so müsste der Ausdruck des Antlitzes einer werden, die dich wirklich lieb hätte!
Jeder müsste zu ihr sagen: »Waren Sie vielleicht kürzlich am Semmering?!?«
Wie das Antlitz eines, der in der Ziehungsliste soeben läse, er habe den Haupttreffer gemacht!
Was man durch Turnen und Tanzen erreichen kann, Erhöhung des Stoffwechsels, muss mindestens auch die Liebe erwirken können! Sonst remonstriert [175] der Körper unbewusst gegen die angebliche »seelische Erlösung«! Im letzten Grunde ist die Liebe eine hygienisch-diätetische Angelegenheit.
»Ich habe Otto sehr, sehr gern, aber meine Verdauungstätigkeiten lassen dennoch nach – – –.«
»Wenn Georg bei mir ist, werde ich frisch und unbedenklich.«
»Ich war sehr strenge gegen meine Dienstboten; aber seit ich Karl kenne, bin ich ungeheuer milde mit ihnen.«
»Wir sind alle Kanaillen, solange wir nicht unser ›Ideal‹ gefunden haben. Dann erst beruhigen wir uns.«
Der liebende Mann sagt: »Ich habe alles getan, was in meinen Kräften steht – – –.« Aber was nicht in seinen Kräften steht?!? Da erst begänne vielleicht ihr Glück!
* * *
»Ich erfinde soeben, mein Herr, eine neue warme Fisch-Sauce; habe daher keine Zeit, Ihren Liebesbrief zu beantworten – – –.«
»Als ich anfing, älter zu werden, begann ich für ihn wunderbare Stickereien zu verfertigen. Dadurch gab ich mich mit meinen nunmehrigen Kräften ihm hin, wie in den Zeiten meiner blühenden Jugend auf andere Weise.
Ich sagte zu meinen Nachfolgerinnen: ›Gebt nur acht, mit euren zarten nackten Füssen, auf seinen Bett-Teppich. Denn ich habe ihn in Tränen gestickt – – –.‹«
* * *
Zu allem, zu allem gehört Seele. Und selbst ein Hemdknöpfchen wird besser halten, wenn es mit Seele angenäht ist – – –.
* * *
Es gibt Tiere, die die Gefangenschaft nicht vertragen und trotz »sorgfältigster Pflege« eingehen. Nur Tiere?!?
* * *
Wenn meine wunderbare vergötterte Mama abends ins Theater, in Gesellschaft ging, empfand ich als Kind einen Schmerz, der gerade so schrecklich war wie die späteren Eifersuchtsqualen des Erwachsenen. Die zehrende Not!
»Kannst du mir das antun, kannst du mir das, das antun?!? Du, du, die ich so märchenhaft lieb habe?!? Kannst du zu anderen Menschen gehn?!?«
Ja, sie konnte es. Sie konnte es ganz leicht und einfach.
[177] Gibt es eine Mama, die zu Hause bliebe wegen des Jammerns ihres Kindchens?!?
»Er wird sich schon beruhigen, gnädige Frau,« sagte die Bonne, »gehen Sie nur rasch fort – – –.« Aber er beruhigte sich nie.
* * *
Einen Menschen erziehen heisst seine sexuellen Dinge in seelische Angelegenheiten umwandeln können! Die Rück-Umwandlung geschieht dann von selbst.
* * *
Wenn eine Frau einen Mann, der jahrelang in grenzenloser Sehnsucht an ihr hängt, dennoch nie erhört, ist es nur deshalb, weil sie den edlen Schwärmer nicht enttäuschen möchte!
* * *
Der Frauen-Mund, der einen Frühlings-Wiesen-Atem hat, möchte eigentlich immer spenden und spenden und spenden – – –. Das Vollkommene trägt eine Beglückungs-Mission in sich.
Meine Mama sagte zu mir: »Ich habe mit 16 Jahren[178] geheiratet, und 5 Kinder geboren. Ich war meinem Manne treu. Wozu habe ich meine 2 wunderbaren Hände, meine 2 wunderbaren Füsse mitbekommen?!? Zu meiner Aufgabe hätten auch minderwertigere Exemplare genügt – – –.«
* * *
Halten wir uns an die erreichbaren Ideale und verschaffen wir uns dadurch den Tonus unserer Nerven. Zum Beispiel: Bryant and May, London, Royal Wax Vestas. Die edelsten Wachszündhölzchen der Welt.
Sie erfüllen ihren Zweck in unübertrefflichen Vollkommenheiten. Zündhölzchen-Genies!
Man ist immer wieder überrascht und tief erfreut. Ein Schächtelchen 4 Kreuzer! Niemals eine Enttäuschung.
Ich kannte einen ganz armen Menschen, der immer Wax Vestas, Bryant and May, bei sich trug und den es glücklich machte, anderen damit Feuer anzubieten für ihre edlen Zigaretten.
Man hielt es für unnötig in seinen Verhältnissen.
Aber gerade in seinen Verhältnissen war es nötig.
Der einzige Luxus, die einzige Noblesse, die er sich noch gestatten konnte!
* * *
»Um ihrer sanften gleitenden Schritte willen liebte ich sie. Diese eine Vollkommenheit liess der Phantasie wenigstens die Möglichkeit, sich die übrigen nicht vorhandenen zu erträumen. Irgendwo aber [179] wenigstens muss das ›Gott-Ähnliche‹ sich erweisen, zum Durchbruche gelangen! Wenn es ›irgendwo‹ sich schüchtern vorwagt, dann ist es auch sicherlich überall im Keime vorhanden – – –.«
* * *
Ideale Zahnstocher: Breite dünne aus Pfaffenkäppchen-Holz. Sie sind fest und dennoch elastisch; biegsam wie Toledaner-Klingen. Eine Dame sagte zu mir: »In meinem Hause gibt es nur Zahnstocher aus Pfaffenkäppchen-Holz!«
In einem solchen Hause möchte ich leben. Da befindet sich alles unbedingt auf der Höhe der Zahnstocher – – –!
»Er opferte sich auf für mich; aber er hatte kleine schwarze Punkte auf der Nase. Deshalb musste ich ihn allmählich hassen – – –.«
* * *
»Ich möchte wegen Ihrer süssen sanften Stimme vor Ihnen hinknieen. Aber Sie würden es lächerlich finden und blamierend. Eine Kirche findet es weder lächerlich noch blamierend, wenn jemand hinkniete – – –.«
[180] * * *
Wenn »Don Juan« wirklich es wüsste, was eine Frau zu ihrem wirklichen Glücke brauchte, würde er momentan die Kraft verlieren, ein Don Juan zu sein. Nur aus seiner dummen Frechheit schöpft er die Kraft, ein sieghafter Don Juan zu bleiben!
* * *
Unser Nervensystem trägt keinerlei Verantwortung für seine Moment-Impressionen. Jede Minute hat ihre eigenen Gesetze. Frage mich um 6 Uhr, was ich um 5 für ein Mensch war?!? Vielleicht ein höherer, vielleicht ein niedrigerer – – –.
* * *
Die Frau fühlte: »Wenn der Trottel mich so lieben könnte wie der Weise! So wirklich nur das lieb haben könnte, was an mir auch wirklich liebenswert wäre! Aber dann würde er wieder nicht für mich ›leben und sterben‹ können!
Der Weise muss eine Meinung eigentlich von uns haben, die uns alle zwänge, uns aufzuhängen! Einer, der alle unsere Unzulänglichkeiten spürte – – –. Deshalb favorisieren wir den Idioten. Aber wir wissen es dennoch zugleich, dass er einer ist!«
* * *
Es hätte für den Ichtiosaurus eine ungeheure Seelen-Kraft dazu gehört, in der Kreide- und Schachtelhalm-Periode unserer Erd-Entwicklung die heutige Entwicklung [181] zu erträumen! Dieselbe Kraft wäre erforderlich, heute die künftigen Entwicklungen zu erschauen! Nur Dichter haben es.
Aber die »Leugner«, die »Gottes-Leugner« müsste man vorerst vernichten!
Die »sich in den Weg Stellenden« infolge von verkümmerten eingeschrumpften Herzen!! Fluch denen, die »das Tier in ihnen selbst« predigen! Der Schachtelhalm-Wald, der den Buchen-Wald nicht ahnte und verleugnete! Und den zu endgültiger Gott-Ähnlichkeit prädestinierten Organismus »Mensch«! Fluch dem »nur sich selbst Sehenden«!!
* * *
Es gibt zwei Arten von unmöglichen Menschen: die, die uns leicht in Verlegenheit bringen können undwollen, und die, die sich leicht in Verlegenheit bringen lassen!
Die ersteren sind rohe Schurken, die letzteren Lebens-unfähige Allzuzarte. Wenn man aber die ersteren sofort umbrächte, könnten die letzteren verhältnismässig bequem bestehen!
* * *
Wertschätzung. Ich bin 46 Jahre alt geworden und habe niemals eine Frau »rülpsen« gehört. Aber von Männern noch fast einen jeden! Von anderen Geräuschen gar nicht zu reden.
[182] * * *
Wenn eine Frau ihre eigene »ästhetische Unzulänglichkeit« betrauert, wie muss sie den eigentlich verachten, der davor weinend in die Kniee sänke – – –.
»Ich weiss, was du von mir brauchst, Schurke, aber sage es doch wenigstens gerade heraus – – –« fühlt sie.
Man kann nur Vollkommenheiten anbeten. Denn nur diese sind in der Lage, es uns zu glauben, dass sie vollkommen sind!
»Jawohl, mein Herr, mein Busen ist so, wie sie ihnbesingen – – –.«
* * *
In bezug auf ihre mysteriöse Anziehungskraft erscheinen einer schönen Frau alle Männer eigentlich als Irrsinnige. Aber sie äussert es nicht, sondern nützt die günstige Konstellation einfach aus. Wie wenn in einem Irrenhause einer zur alten Wärterin sagte: »Sie sind die Kaiserin von China!«
»Jawohl, mein Herr, das bin ich« erwidert ruhig die versierte Wärterin.
* * *
Der Mann hat nicht die geringste Ahnung davon, wodurch er ununterbrochen und in jedem Augenblicke eine Frau bitterlich enttäuschen könnte.
»Weshalb lässt Karl morgens jedesmal die Seife in das Seifenschüsselchen herabfallen?! Kann er sie denn nicht leise hinlegen?! Oh wie ich auf dieses Geräusch [183] schon bereits ängstlich und verzweifelt jedes mal warte, lauere! Oh wenn ich es ihm nur einmal sagen könnte! Aber ich werde es nie!«
* * *
Bordell. »Bevor ich mit Ihrem reichen Freunde mich auf mein Zimmer zurückziehe, Herr Dichter, werde ich Ihnen noch Ihren geliebten Kake-Walk vortanzen. Es ist mein Bestes, was ich zu bieten habe. Beneiden Sie Ihn nicht. Er bekommt nur den schäbigen Rest – – –.«
* * *
Entwicklung. Seitdem man die Schwäne mit kerzengeradem Halse malt, trauen sie sich auch in der Natur nicht mehr den gewundenen Schlangenhals zu tragen.
Oder sollten sie ihn nie gehabt haben?!?
Sehr geehrter Herr,
Sie haben mir es heute brieflich mitgeteilt, dass Sie sich in bezug auf Ihre geliebte Frau und mich in qualvoller Todesnot befinden. Obzwar Ihre süsse Gattin mir nicht gleichgültig ist, ist es von nun an [184] für mich selbstverständlich, Sie, mein Herr, in jeder Beziehung zu berücksichtigen.
Ergebenst
* * *
Mit 19 Jahren hatte ich ein Verhältnis mit einer wunderbar schönen jungen »Gefallenen«. Aber obzwar sie selbstverständlich für einen jeden um wenige Kronen zu haben war, ging dennoch keiner meiner Freunde und Bekannten je mit ihr. In diesen Kreisen wahrt man noch und respektiert die Rechte der Seele!
»So gehe denn, Anna! Aber möge er mindestens so glücklich werden an dir wie ich bereits, wenn ich den Griff deines Schirmes an meine Lippen drücke – – –.«
Da sagte sie erbleichend: »Ich gehe nicht –.«
* * *
»Kannst du, Anna, einer Fliege die Flügel, die Beine ausreissen und den Leib so langsam dahinsterben lassen?!? Wegen nichts, wegen einer Laune?!? Aus Ungezogenheit?!?
Vor der Zeit wurde sie alt, wegen der Enttäuschungen, wie alle Menschen.
Es ist ein Krebs der Seele, unmerklich zernagend.
Sie wurde 60 Jahre alt, immer dicker, immer gelber, immer enttäuschter.
Ihr ältester Sohn hatte ihr schon vor Jahren gepredigt: »Mama, Schlafen ist wichtiger als Essen und Trinken. Lasse doch wenigstens der Natur Zeit die Sünden unserer Unwissenheiten zu tilgen!«
Sie erwiderte: »Um 6 Uhr morgens muss aber das Speisezimmer gebürstet, geklopft werden, ferner, aber davon verstehst du ja nichts – – –«
Nein, davon verstand er nichts.
Die Lebens-Ordnung auf Kosten der Hausordnung!
Diese Hausordnung wurde ihr grässlicher Henker.
Das Gesetz der leblosen Materie hatte das Gesetz der lebendigen Materie besiegt!
Die Hausordnung die Lebensordnung!
Eines Nachts wurde sie gehenkt, gehenkt, gehenkt – – – – – dann im letzten entsetzlichen Augenblicke befreit, losgemacht, abgeschnitten – – – aufgespart nämlich für einen späteren noch entsetzlicheren Anfall der Herzkrankheit und Atemnot! [186] Die Augen, die Augen, erfüllt mit unsäglicher Angst! Diese Augen schrieen: »Hilfe!«
Ihre Tochter, die sich selbst in Leid verzehrte, wegen der mannigfachen Enttäuschungen, Krebs der Seele, und ebenfalls ein bisschen dick und schwammig wurde infolgedessen, sagte nach diesem ersten Anfalle: »Heute habe ich mir einen Revolver gekauft. Wenn mir dasselbe passierte wie Mama, passiert es mir ein zweites Mal nicht mehr – – –«
Der älteste Sohn sagte: »Gott führt Buch über unsere Einnahmen und Ausgaben während unseres ganzen Lebens. Er hofft, dass wir haushalten werden, segnet uns darum. Aber wir tun es nicht. Gott weint nicht über uns, lächelt nicht über uns. Er ist gerecht und wartet. Er will die Wahrheit unseres Lebens durch entsetzliche Strafen erzwingen. Er kontrolliert den allmählichen Konkurs des Lebenskraft-Kapitales und bestraft ihn mit ›chronischer Krankheit‹«!
Man erwiderte dem ältesten Sohne: »Philosophieren statt Mitleid haben, pfui, aus der Art Geschlagener!«
Ja, aus der Art war er geschlagen:
Er besass das rechtzeitige, das vorzeitige Mitleid, das Präventiv-Mitleid, jenes allein wertvolle Gefühl, das sich bereits mit dem Denken vermählt hat, dasHerz-Gehirn, das Gehirn-Herz!
Die alte Schwester der kranken Dame spielte mit ihr jeden Abend Bézigue, liess sie gewinnen, [187] damit sie noch ein bisschen sich freuen könne. Man schickte ihr aus Aufmerksamkeit Seefische, Austern, Champagner, beaf tea jellie ins Haus.
Sie dachte: »Für die Würmer mästet man mich.«
Aber sie sagte: »Ich danke euch von ganzem Herzen. Es hat mich so erfreut.«
Dem ältesten Sohne sagte sie: »Du, ich habe 45 Jahre hindurch meine armen Dienstboten morgens um 5 Uhr aus dem Schlafe getrieben, wegen der Hausordnung. Glaubst du, dass das nun die Strafe ist?!?«
»Ja. Ich glaube es. Ich weiss es!«
Die Verwandten kamen meistens nachmittags. Da war das Haus schon in Ordnung.
Die Sterbende sagte bei der Jause: »Willst du den Tee licht oder dunkler, bitte, du kannst beides haben, nein, es macht wirklich keine Mühe?!? Mit Milch oder mit Rum?!? Oder mit Zitrone?!? Bitte, bediene dich doch. Ja, was du mir da erzählst, ist wirklich sehr komisch. Nein, wer hätte das gedacht?! Marie, servieren Sie die Orangen-Creme. Bitte, nehmen Sie von den Südfrüchten. Auf meine Datteln und Malagatrauben bin ich wirklich sehr stolz. Ich verrate nicht die Quelle.«
»Dieses Geheimnis nehme ich ins Grab mit,« sagte sie lächelnd, worauf sie jemand vorwurfsvoll auf die Hand tippte. Abends war sie ganz erschöpft von der Jause und den Gesprächen.
Um 9 Uhr spielte ihre alte Schwester mit ihr Bézigue und liess sie absichtlich gewinnen.
[188] »Wie konntest du?! Wusstest du denn nicht, dass alle 8 Könige bereits draussen sind?!?«
Nein, sie wusste es angeblich nicht.
»Ich getraue mich wirklich kaum, die 50 Heller von dir anzunehmen – – –«
»Mache doch keine Geschichten. Ich habe korrekt verloren.«
»Nun, auf Revanche.«
In derselben Nacht kam der letzte Anfall. Das Herz arbeitete sich zu Ende. Es wollte und konnte nicht. Entsetzlich!
Sie starb lautlos.
Die Tochter erwachte und sagte in die Dämmerung hinein: »Mama – – –«
Dann schrie sie: »Marie, Agnes – – –«
Die aus dem Tief-Schlafe aufgeschreckten Dienstboten erschienen fast taumelnd.
Am Vormittage erschien der älteste Sohn. Er sagte zu Marie und Agnes: »Ihr seid ja ganz gelb. Ihr habt zu wenig geschlafen. Legt euch nieder!«
Zu seiner Schwester sagte er: »Lege dich nieder und schlafe! Bist du nicht gewarnt genug? Ich werde sorgen, dass dich niemand wecke – – –«
Sie fiel weinend in Kleidern aufs Bett.
So wurde es 1 Uhr nachts. Und nichts rührte sich im Hause.
Der älteste Sohn hielt Wache!
Er trat in das Zimmer zu der toten Mutter, stellte sich hin, küsste ihre Hand und sagte: »Zum ersten Male schläfst du dich aus, Irregeleitete! Ich hielt seit[189] jeher den Schlafenden für einen Gestorbenen. Er istunfähig für das Lebendigsein, noch nicht reif, noch nicht parat. Ich hatte immer tiefstes Mitgefühl, wenndas Leben ausrasten wollte vom Leben! Nun wirst du die Stunden einbringen, arme Mama, mit Zinsen und Zinseszinsen!«
Am Tage des Leichenbegängnisses sahen alle ganz unausgeschlafen aus, gelb, verwittert, schlaff, wie vorzeitig gealtert. Sogar der Hausmeister und die Hausmeisterin, die die Sache nichts anging, sahen verfallen aus.
Die Tote im Sarge hatte ein ganz friedevolles Antlitz.
Die Tochter liess am nächsten Morgen das Speisezimmer usw. usw. bürsten, klopfen, reinigen, die Teppiche mit Kraut natürlich.
»Wenn Mama es noch sehen könnte – – –« fühlte sie.
Ich sah wie du gingst, schleichend schleifend gleitend, mit weiten Schritten, der Oberkörper sanft nachgebend der Bewegung. Da liebte ich dich!
Ich sah deine wunderbaren schmalen Hände mit den leichten langen adeligen Fingern auf der Sessel-Lehne lässig lehnen, schwebend, wie Schmetterlinge noch fast im Fluge auf Blütendolden sitzen. Da liebte ich dich!
Ich sah dich sanft dich bücken und in unerhörter[190] Leichtigkeit irgend einen Gegenstand vom Boden aufheben. Da liebte ich dich!
Ich sah dich deinem Vater schmeichelnd über die grauen Haare zärtlich streichen. Da liebte ich dich!
Ich sah dich deinen Goldfischen das Wasser im Aquarium sorgsam reinigen. Da liebte ich dich!
Ich sah dich genial Lawn-tennis spielen. Da liebte ich dich!
Ich sah dich in japanischer Grazie Tee trinken. Da liebte ich dich!
Ich sah dich sticken und nähen, lesen und Briefe schreiben. Da liebte ich dich!
Ich sah dich mit einem Wort in allen deinen süssen unbewussten Wahrhaftigkeiten. Da musste ich dich lieben, lieben!
Aber es kam ein Tag, da geschah alles nur mehr für mich, für mich, und mir zuliebe – – –.
Da hörte ich auf, dich zu lieben!
Ich war gerührt, erstaunt, ergriffen, selig und bewegt – – –.
Aber es war, wie wenn eine riesige mysteriöse grenzenlose Liebe nun in kleinem handlichem Taschenformat herauskäme, eine gemeinverständliche Edition.
Die zum Gebrauche adaptierte Liebe – – –!
Es ist Sache des Kulturmenschen, sobald er auch nur einen einzigen Gulden in seinem Eigentume hat, ein Testament zu machen! [191] Die Möglichkeit der Verfügung über irgend ein Eigentum über das Leben hinaus aus der Hand zu geben, ungenützt zu lassen, ist dieFahrlässigkeit eines Unkultivierten!
Das Testament und seine Art ist das Zeichen aller Kultur-Grade in einem testierenden Organismus! Dein Testament bist du!
Hier allein kannst du, losgelöst von Zwang und Leidenschaft der Stunde und des Tages, gleichsam träumerisch, versunken in eine Zeit, da das Irdische nichts mehr für Dich bedeutet, deinen in freier Geistigkeit, in freier Seelenruhe geläuterten Willen wirken lassen!
Das bisher durch tausend Rücksichten geknebelte Menschentum in dir mag in dieser Stunde der Entrücktheit aus diesem verworrenen Getriebe »Leben«, nun erblühen, sich dieses einzige Mal vielleicht entfalten, und, während du bisher als starrer Ich-Mensch leben musstest im Kampf ums Dasein, erwachse in dieser kurzen Stunde der Testament-Abfassung deine bis dahin unterdrückte Menschenfreundschaft!
Gerechtigkeit und Sanftmut, Weisheit, Voraussicht, edle Menschenkenntnis, befeuert und gestärkt durch seinen lebhaften philosophischen Trieb, seine Dankbarkeit für das gütige Schicksal des Daseins, das einem Eigentum verlieh, zu beweisen, vereinigen sich nun in dem Organismus eines kultivierten Testators zu einer seine bisherigen Lebenskräfte in eins zusammenfassenden und das Gebäude seines [192] Lebens krönenden geistig-seelischen Betätigung!
Wehe den konventionellen gleichgültigen Testamenten!
Der letzte Wille sei gleichsam ein Überfliegen über seine eigene Persönlichkeit hinaus, aus freierem friedevollerem Lande kommend, mit verklärter Geisterhand geschrieben, einen Hauch von Gottes Gnädigkeit enthaltend!
Dein Testament bist du!
Es trage den Stempel einer abgeklärten Stunde, da ein bereits Verstorbener dennoch am Leben war! Es sei der Ausdruck der von düsterer Erdenschwere erlösten Menschenseele, die versäumten Idealismus nachholen möchte!
Jeder Kultur-Mensch müsste eine Schreibfeder haben, die irgendwie mit seiner Persönlichkeit zusammenhinge! Man müsste es sich einfach nicht recht vorstellen können, wie er mit einer anderen schreiben könnte. Jede andere müsste für ihn direkt eine Gedanken-Hemmerin, eine Empfindungs-Zurückdrängerin sein! Während die ihm zugehörige Schreibfeder gleichsam von selbst Geist und Seele zu Papier brächte, in Schrift umsetzte!
Meine Feder ist die blaue Stahlfeder Kuhn 201. Wie eine Cremoneser Geige, wird sie durch Benützung immer sanfter und besser. Oft scheint sie [193] fast dem sogenannten » Gedankenfluge« vorauszueilen. Jedesfalls überlasse ich mich ihr, als einer sicheren edlen Führerin.
Ein ausländischer Psychologe schrieb mir vor zwei Jahren: »Ich brauche es für ein grundlegendes Werk – – – was wissen Sie mir über die Art Ihrer Produktion Wichtiges mitzuteilen?!?«
Ich erwiderte sofort: »Blaue Stahlfeder Kuhn 201, Papier-Gross-Quart-Format, starke Pappendeckel-Unterlage, um, im Bette liegend, schreiben zu können. Seelenruhe und etwas Geld. Alles andere nebensächlich!«
Wenn mir eine junge Dame sagt: »Ich schreibe alles nur mit der Feder so und so,« wird sie mir bereits dadurch innerlich nähergerückt. Wenn eine ältere Dame es sagt, halte ich es für eine Schrulle.
Keine bestimmte Schreibfeder zu benützen, ist ein Zeichen von »mangelnder Individualität« würde ein Moderner dekretieren.
Ich aber sage nur sanft und bescheiden: Blaue Stahlfeder Kuhn 201, sei bedankt!
Sandalen, ideale Fuss-Nichtbekleidung!
Überlege es aber erst, ob die »fatale Neuerung«, der du dich ergibst, in der ästhetischen Welt entschädigen könne für die Unannehmlichkeiten gestörter und verletzter Gewohnheiten!?!
Ob deine zarten Gelenke am Fusse, dein hoher[194] edler Rist, deine lieblichen rosigen und beweglichen Zehen, deine Mitmenschen mit dem ungewohnten Anblicke deiner Nacktheiten zu versöhnen imstande sind?!?
Ich sah einst im Sommer auf der See-Esplanade zwei Kinder von 9 und 11 Jahren mit Sandalen und nackten Füssen.
Die Schönheit des Anblickes kämpfte einen Augenblick lang mit der Un-Gewohnheit. Aber dasKünstlerisch-Vollkommene trug den Sieg davon.
Nur wünschte ich es mir sogleich innerlich dringend, nicht alle anwesenden Kinder auf der Esplanade von nun an mit nackten Füssen in Riemen-Sandalen spazieren gehen zu sehen.
Die »Gunst des Schicksals« spreche da stets das letzte Wort, und die »perfide Eitelkeit« sogleich tölpelhaft mitkonkurrierender Mütter würde die »hygienisch-diätetische« Welt zwar fördern, aber der »ästhetischen Welt« zugleich schreckliche Opfer auferlegen!
Der Fuss, nackt in Riemen-Sandalen, ist das gewiss gleichsam von der Natur vorbestimmte und vorausgeträumte Ideal.
Aber zu dieser letzten und höchsten Entwicklung des Fusses muss man erst gleichsam die griechischen Götter der Schönheit versöhnt haben durch ästhetische Vollkommenheit!
Bleibe solange verhüllt, eingesargt, oh Mensch, in deinem Gewande, bis du durch Schicksal [195] oder Selbst-Erziehung ein »ästhetisches Zeugnis der Reife und Vollendung« vor dem Throne der Natur niederzulegen imstande bist!
Riemen-Sandalen an nacktem Fusse sind die ideale Fussbekleidung!
Aber möge dieser durch seine Form-Vollendung erst es versuchen, mit seiner ungewohnten Nacktheit die Mitmenschen zu versöhnen!
In einem Prater-Wirtshaus. 5 Kreuzer-Tanz. Nachts.
Sie und er an einem Tische.
Sie, spöttisch, aufreizend: »No also, jetzt sein mer alsdann da – – –.«
Stille.
Er: »No, hab' i Ihna g'hindert zu tanzen?!? Na also. Was woll'ns?!?«
Sie: »Wer red't von Tanzen?!?«
Es kommt jemand, sie zum Tanze aufzufordern.
»Ich danke, ich tanze nicht – – –.«
»Gib doch dem Herrn keinen Korb – – –.«
Sie blickt ihn an, blickt ihn an, fühlt: »Du Falscher, du Feiger – – –.«
3 Uhr morgens. Er lauert ihr und ihren beiden Tänzern auf, schleicht nach, verschwindet.
Ein Morgen, ein Vormittag, ein Nachmittag des Irrsinns, der Herzens-Not. Krebs der Seele. Es frisst an, zehrt, untergräbt, höhlt aus, vernichtet. Kanaille![196] Abends 5 Uhr kommt er mit ihr zusammen bei der Sophienbrücke.
Sie habe nur getanzt, er selbst habe sie dazu doch animiert. Nichts sei geschehen. Wirklich gar nichts.
Er steht schweigend.
»No,« sagt sie, in der tausend Leben unausgeschöpfter Jugend brausen, »no,« sagt sie liebevoll, »Sie grosser Dummrian, Sie – – –.«
Er sticht ihr ein Messer in den Bauch.
Die Wiener Geschworenen sprachen ihn frei vom Morde, wegen »momentaner geistiger Unzurechnungsfähigkeit«.
Der Dichter aber träumte: »17-Jährige, tausend Leben unausgeschöpfter Jugend brausten in dir – – –. Amen.«
Nach den Mühseligkeiten, Demütigungen des Gelderwerbes vermittels Blumen und Champagner im »Englischen Garten« kommen die Mädchen ins Kaffeehaus, als freie Herrinnen, zu ihrem eigenen Vergnügen, gleichsam momentan in Prinzessinnen umgewandelt aus dienenden Sklavinnen. Niemand darf mehr denken über sie: »Zudringliche Geschöpfe« oder es sogar aussprechen: »Bitte, belästigen Sie uns nicht!«
Sie sind Damen geworden, die Gnaden austeilen, nach Laune und eigenem Willen. Von 3 Uhr morgens[197] an spielt Herr Karl dort auf seiner süssen sanften Geige. Wally beginnt zu tanzen und Steffi und Tertschi. Jede in ihrer Weise eine Vollkommenheit. Wally tanzt, wie eine kranke, leidenschaftliche Seele sich austanzen möchte, um sich zu erlösen. Oft mit Tränen in den Augen und Hilfe suchend. Steffi tanzt in wilder, wunderbarer, unermüdlicher Kinder-Naturkraft. Tertschi tanzt wie die süssen Wiener Mädel tanzen auf dem Relief vom Strauss-Lanner-Denkmal im Rathausparke. Wie ein Modell zu Seiferts wunderbar zarten Reliefen ist sie. Besonders der Gesichtsausdruck. So weltentrückt vor Tanzesfreude.
Erfüllt von romantischen Träumereien und Hirngespinsten und unerfüllbaren Sehnsuchten und Gutmütigkeiten sind diese Mädchen. Künstlerische Anmut wird in ihnen frei bei den Klängen des Kake-Walk und der polnischen Mazur. Man versteht es, dass sie in heldenhafter Leichtsinnliebe eventuell in Abgründe stürzen und zerschellen, klaglos und dennoch verwundert über ihr Schicksal.
Wer will sie denn je erretten, beschützen, betreuen?!?
Wer hat Achtung und Ehrfurcht vor ihren künstlerischen Qualitäten?!?
Der Mann ist dumpf und stumpf und träge in seiner ermüdeten und ebenfalls enttäuschten Seele.
Daran gehen diese Mädchen zugrunde. An dem, was die schlechteren Mädchen am Manne [198] gesündigt haben. Er rächt sich – an den besseren unter ihnen.
Es schämt sich ausserdem heute ein jeder, begeistert zu sein, aus sich selbst für Augenblicke herauszutreten, einfach ausser sich zu sein! Jeder hat im Kampf ums Dasein irgendwo eine schäbige Würde zu bewahren, eine Stellung zu berücksichtigen! Einer Lüge seine Wahrhaftigkeit zum Opfer zu bringen!
Nur die Würde seiner menschenfreundlichen Begeisterung achtet er nicht! Er hat nicht den Mut, in diesen Mädchen ein tiefes Künstlertum zu erlauschen, zu entdecken. Es sind eben noch keine »protokollierten Firmen« à la Cleo, Otero, Cavalieri, Paquerette. Für Blumenmädel und Champagnermädelsetzt man sich noch nicht ein. Die verführt man undnützt sie aus, wirft sie dann weg wie Krebsschalen und Zitronenschalen. Feiges, duckmäuserisches Gesindel der Männer! Nur vor immens bezahlten »Sternen« habt ihr den Mut, begeistert zu sein? Weshalb? Weil ein Variété-Direktor ihnen 6000 Kronen monatlich bezahlt? Das, das treibt euch, Hohlköpfe, zu Schulden und Verbrechen?
In unbeschreiblich rührender Weise bieten Wally, Steffi, Tertschi ihre Künste gratis dem Zuschauer dar im Café, 3 Uhr morgens.
Keine Brettl-Diva könnte je so wirken. Man erlebt Menschenschicksale. Schweigende Not des Herzens und wiederum daneben die kreischende [199] Verzweiflung. Und alles ausgelöst durch Alkohol und Musik.Frei geworden in der geknechteten Seele!
In den Ruhepausen singt die süsse, sanfte Geige: »Madrigal« und »Ouvres tes yeux bleus« und »Wenn es am schönsten ist, dann muss man scheiden«.
Tertschi, du hast die idealsten zartesten Beine und Füsse von der Welt und die süsseste wienerische Anmut!
Wally, du tanzest die Leiden der Seele und ihre Qualen!
Steffi, du bist die Tanzkönigin an und für sich, in edler Bewegung jauchzend, erst dabei du selbst werdend!
Morgens zwischen 3 bis 5 Uhr spendet ihr eure edle Künstlerschaft! Im »Englischen Garten« waret ihr Angestellte, Verkäuferinnen, Sklavinnen. Da aber seid ihr freie Herrinnen, so ohne Wunsch und Zweck. Edle, süsse, geniale Tänzerinnen! Seid bedankt und gesegnet!
Er fiel ab bei ihr. Der Herr A. Obzwar er ein ganz netter Bursche war. Nichts interessierte sie nämlich an ihm. Ihr zartes Nervensystem blieb stumpf in seiner Gesellschaft. »Er regt mich nicht an,« sagte sie. Es war eben einmal so und nichts zu machen trotz aller seiner guten Eigenschaften.
An einem sehr drückenden August-Tage (die Zeitungen brachten ungeheuerliche Berichte von SonnenStich [200] in Amerika) sprach man von der Fliegen-Plage und ihrer grausamen Störung bei Kühen und Pferden; und bei Menschen besonders während des Nachmittag-Schlafes.
Und von der Unzulänglichkeit der patentierten, in allen Ländern patentierten Apparate »Fliegentod«!
Lauter Leim-Mittel, an welchen die Fliegen nicht kleben bleiben wollten.
Da sagte jemand in der Gesellschaft: »Beneidenswerter Herr A., der unfehlbare Fliegen-Jäger!«
»Wie macht er es denn?!?« sagte die Dame und erwachte aus dem Märchen-Schlummer ihres eigenen Nervensystemes. Es war nämlich der Herr, der sie durch nichts emotionieren konnte. »Wie fängt er denn die Fliegen?!?«
»Er schleicht sich mit der hohlen Hand an, er ›pürscht‹ sich an, und unfehlbar, eine blitzschnelle Bewegung, hat er sie und futsch – – –.«
»Besuchen Sie mich morgen nachmittags, Herr A.,« sagte die Dame herablassend. »Auf die Fliegen-Pürsch!«
Er nahm an, wie zu einer anderen Jagd-Einladung. Z.B. im Vorfrühling zur Hahnen-Balz im Gebirge, oder zum Hasen-Triebe oder auf Rehe.
Er fing ihr, unfehlbar, alle Fliegen weg, mit ungeheurer Präzision. Sie war ganz begeistert.
Er hätte nun sagen können: »Den Dank, Dame, begehre ich nicht« und hätte sie zur selbigen Stunde verlassen können – – –.
[201] Aber es war ja gar kein so gefährliches Abenteuer – – –.
Infolgedessen sagte er nicht die Schluss-Pointe von Schiller!
Und zur »selbigen Stunde« verliess er sie auch nicht.
Sondern etwas später.
»Ich habe gar nicht gewusst, dass Sie so geschickt sein können – – –« sagte sie sanft zu dem Fliegen-Fänger.
Um 12 mittags haben wir immer das Geschäft gesperrt. Da ist sie gekommen, unseren Herrn Chef abzuholen. Wunderbar war sie. Wie eine Kaiserin.
Um 7 abends haben wir zugesperrt. Da ist sie gekommen, unseren Herrn Chef abzuholen. Wunderbar war sie. Wie eine Kaiserin.
Dann ist sie aber plötzlich nicht mehr gekommen.
Und dann hat unser Herr Chef den Oberleutnant im Duell erschossen.
Dann ist auch unser Herr Chef nicht mehr regelmässig ins Geschäft gekommen.
Dann ist er ganz ausgeblieben.
Aber eines Tages ist er wiedergekommen und hat zu uns gesprochen:
»Ich danke euch für eure seltene Pflicht-Treue.« Und unseren Gehalt hat er uns freiwillig erhöht. Wir waren sehr befriedigt. Aber die Frau, die wie [202] eine Kaiserin aussah, haben wir nie mehr zu Gesicht bekommen – – –.
Also Arterien-Verkalkung höchsten Grades – – –.
Die junge Frau wird leben, leben, die zu mir gesagt hat: »Ich glaube nicht, dass mein Erscheinen jemanden je so glücklich gemacht hat wie Sie! Mein Mann ist auf Sie nicht eifersüchtig. Natürlich. Dennoch hat mein Erscheinen nie jemanden so glücklich gemacht wie Sie. Ich danke Ihnen – – –.«
Die Berg-Wiesen in R. werden duften und leuchten, besonders nach Regen am Abend. Niemals ist jemand so begeistert vor ihnen gestanden wie ich. Sie sprachen direkt zu mir: »Wir haben niemanden je so glücklich gemacht wie dich – – –.«
Enkelin, süsse, bescheidene, allzuzarte, verlegene, in dich gekehrte, immer spürtest du es: »Mein Grosspapa versteht mich besser als alle – – –.«
Ich möchte dich anflehen aus dem Grabe: »Warte, warte auf einen, der dich so, so verstünde wie dein verstorbener Grossvater! Aber du wirst ihn nicht erwarten können – – –.«
Amen – – –. Arterien-Verkalkung höchsten Grades – – –. Lebet wohl!
»Ich hab den Peter so gern, wenn er nicht da ist. Da hab ich ihn lieber wie alle anderen. Aber wie er da ist, mag ich ihn nicht mehr. Er ist so beschwerlich für uns, wie wenn ein Fisch in der Luft atmen müsste!«
Ich weiss nicht, was das ist.
Man kennt sich nicht aus in ihm.
Hat er uns gern, hat er uns nicht gern?!
In seinen Briefen, da ist er wirklich der einzige Peter, wie er leibt und lebt! Seine geschriebenen Worte glaubt man ihm aufs Wort, aber nicht seine gesprochenen – – –.
Er ist aber auch nur als Geschriebener der Peter! Da ist er so, dass man gerührt ist, wenn man an ihn denkt! Aber wenn er kommt, ist alles aus.
Er verlangt zum Beispiel in einem Briefe ein lila Strumpfband, das ich lange Zeit getragen habe.
Wenn man diese begeisterten Worte liest, möchte man sofort das Strumpfband ausliefern, in Freude und Glück.
Aber wenn er persönlich kommt, sagt man ihm sogleich: »Nein, ich gebe das Strumpfband nicht her. Wie komme ich dazu?! Und übrigens, was hast du davon?! Es ist ein Unsinn. Und überhaupt, es passt mir nicht – – –.«
»Bitte sehr,« sagt er, »ich dachte, du könntest es entbehren. Ich hätte dir ein wunderschönes neues Paar gegeben – – –.«
[204] »Ich brauche keine neuen. Ich behalte lieber meine alten – – –. Mach mich nicht nervös – – –«
Kaum ist er draussen, möchte man ihn zurückrufen, ihm das Strumpfband mit tausend Freuden schenken.
Aber man ruft ihn nie zurück, schenkt ihm nie das Strumpfband. Sondern man fühlt: »Er wird traurige Stunden haben meinethalben – – –. Der arme süsse Peter – – –.«