Uber die Worte:
Ich armer Mensch/ wer will mich erlösen von dem Leibe dieses Todes

Wer macht mich armen Kloß der Erde
Vom Leibe dieses Todes frey?
Wenn kömmt die göldne Zeit herbey/
Daß ich erlöst und ruhig werde/
Daß Sünde/ Noth und Kümmernisse
Sich legen unter meine Füsse?
Wie matt ist meine krancke Seele/
Der Sünden-Aussatz greifft sie an/
Daß sie sich nicht erholen kan;
Ihr dräut die finstre Schlangen-Höle/
Die ewig heissen Schweiß erwecket/
Und dennoch nicht das Gifft ablecket.
Nichts wird an ihr gesund erfunden/
Voll Schmertzen ist der sieche Geist/
Der Thorheits-Wunden Eiter beist/
Die nicht gehefftet noch verbunden/
Von Füssen an biß zu der Scheitel
Ist sie bekränckt/ verderbt und eitel.
Will sie sich manchmal gleich gewinnen/
Aus Delilens verdammter Schoß
[92]
Mit Simsons-Kräfften machen loß/
Bald wird sie ihrer Schwachheit innen/
Giebt wieder nach und fällt zurücke
In neue Sünd- und Kummer-Stricke.
Das Wollen hat sie offt zu leben/
Wie Gottes Wort und Ordnung heist/
Wenn sie sich aber drauff befleist/
Will ihr Vermögen widerstreben/
Die ungewissen Tritte wancken/
Es bleibt am meisten bey Gedancken.
Wie kan nun des Gesetzes Dräuen/
Der eignen Thaten böser Grund/
Der allzu ungewisse Bund
Der Sinnen/ die sich selbst zerstreuen/
Nicht steten Kummer/ Streit und Schrecken
In meiner armen Seel erwecken?
Der Knecht des Todes und der Sünden/
Der Leib/ in dem die Seele wohnt/
Wird eben so wie sie belohnt/
Und hat mit Wehthat zu empfinden/
Wie Wollust schöne Früchte weiset/
Und doch nur Sodoms-Aepffel speiset.
Das Haubt/ das öffters hat gesonnen
Auff Ehre/ Lust und Gutt der Welt/
Verspürt/ wie sein Bedacht verfällt/
Die Kräffte nach und nach zerronnen/
Wie Dunst und Schwindel im Gehirne
Mit Schweiß und Schmertz erfüllt die Stirne.
Die Augen schienen als Carfunckel/
Izt mindert sich ihr Glantz und Schein/
Sie werden trüb und fallen ein/
Ihr Licht wird unvermercklich dunckel/
Den blaß- und abgezehrten Wangen
Ist Fleisch und Farbe meist entgangen.
[93]
Am Gaumen klebt die dürre Zunge/
Die man nach Labung lechzen schaut/
Vor Hitze reist der Lippen Haut/
Ein stilles Feuer dörrt die Lunge/
Der Magen will sich kaum bequemen/
Die weichen Speisen anzunehmen.
Es züchtigen mich meine Nieren/
Die trockne Leber zeigt sich schwach/
Der bange Miltz wird reg' und wach/
Bald läst sich sonst ein Zufall spüren/
Es sincken die entmarckten Glieder
Im besten Gehn entkräfftet nieder.
Ruht gleich der Geist/ schläfft das Gewissen/
Doch ist das Hertze nicht vergnügt/
Es wird Gemütt und Sinn bekriegt
Von Sorge/ Kummer und Verdrüssen/
So müssen wir mit stetem Quälen
Die kurtzen Lebens-Tage zählen.
Wer macht mich armen Kloß der Erde
Vom Leibe dieses Todes frey?
Wenn kömmt die göldne Zeit herbey/
Daß ich erlöst und ruhig werde?
Daß Sünde/ Noth und Kümmernisse
Sich legen unter meine Füsse.
O Jesu/ Trost und Heyl der Erde/
Befrey die Seele von der Schuld/
Dem siechen Leibe gieb Geduld/
Biß ich erlöst und ruhig werde/
Biß Sünde/ Noth und Kümmernisse
Gehn völlig unter meine Füsse.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Abschatz, Hans Aßmann von. Gedichte. Gedichte. Himmelschlüssel oder Geistliche Gedichte. Uber die Worte: Ich armer Mensch. Uber die Worte: Ich armer Mensch. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-D65F-8