Trost-Schreiben an Herrn Friderich Ortlob/weit-berühmten Doctorem Medicinæ und Breßlauischen Physicum

Mein Freund/ des Herren Hand hat ihn wohl harte troffen/
Indem die liebsten Zwey von seiner Seite ziehn.
Wo äusserlicher Schein hieß langes Leben hoffen/
Das riß der frühe Tod/ eh mans gedacht/ dahin.
Was treue Brüder-Lieb und Einigkeit verbunden/
(Ein schön und seltnes Gutt) wird unvermutt getrennt.
Was aber reiss' ich auff die kaum verharschten Wunden/
Wenn noch ein neuer Leyd in heisser Wehmutt brennt?
Der Seelen halbes Theil von Gottes Hand gerühret/
Weist schon ein Ebenbild der blassen Leichen aus.
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Es wird durch treuen Fleiß was Besserung gespüret/
Darüber stärcket sich mit ihr das gantze Hauß.
Verwandt-Bekandter hofft ein völliges Genesen/
Und bildet ihm annoch ein langes Wohlseyn ein;
Er aber/ der versteht wie die Gefahr gewesen/
Kan nimmer ohne Leyd und stille Sorgen seyn.
Sein eigner Leib empfindt/ wie er von andern jage
Durch Kunst und Gottes Gunst/ was seinem Hause stellt/
Wie er den Samen deß/ gleich andern/ bey sich trage/
Worwider doch kein Kraut zu finden in der Welt.
Der vor-erwehnte Fall muß solchen Schmertz vermehren/
Biß Gottes Hand numehr noch einmahl wiederkümmt/
Und wir mitleidig die betrübte Zeitung hören/
Daß sie das liebste Pfand aus seinen Armen nimmt.
Den Epheu kan man nicht aus seiner Mauer bringen/
Daß nicht in selbiger die tieffe Narbe bleibt:
Wie wolte Thränen-Blutt nicht aus dem Hertzen springen/
Von dem der Keil der Noth das Angewachßne treibt!
Die wahre Gottesfurcht/ der Geist voll Andachts-Flamme/
Die treue Häußligkeit muß nun vermisset seyn;
Der Freund/ des Armen Mund beklagt die Wohlthats-Amme/
Der Spiegel der Gedult verlieret seinen Schein.
Der treu-erkandte Sinn/ der immer gleiche Wille/
Sezt numehr von ihm ab/ will izt nicht/ was er will.
Des Tages Einsamkeit/ der Nacht betrübte Stille
Steckt seinem Leyd kein Maaß/ und seiner Angst kein Ziel.
Wir sind nicht Felsen-Art/ daß wir nicht fühlen solten/
Wenn unser Hertze wird von solchem Weh beklemmt:
Und wenn wir/ als erstarrt/ die Schmertzen bergen wolten/
So würden sie doch nur auff eine Zeit gehemmt.
Jedennoch müssen wir in Thränen nicht zerrinnen/
Die Zähren müssen uns nicht selber zehren auff:
Wir künnen doch dadurch vom Tode nichts gewinnen/
Verkürtzen uns nur selbst den kurtzen Lebens-Lauff.
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Wer aber nun ergänzt die Wunden in dem Hertzen?
Die/ aller Urtheil nach/ vor tödtlich sind erkandt.
Welch Julep kühlet ab die heiß-entbrannten Schmertzen?
Welch Mittel/ welcher Arzt/ wird nützlich angewandt?
Kein Heydnisch Wundkraut heilt dergleichen süchtge Wunden/
Kein Pflaster vom Parnaß/ kein Anstrich von Athen/
Hier hat kein Podalir vergnügte Mittel funden/
Man heisset uns umsonst zur harten Stoa gehn.
Die Wehmutt ist ein Glaß/ das falsche Farben zeiget/
Ein thränend Auge sieht den heitern Himmel nicht/
Der Monde der Vernunfft/ der in die Höhe steiget/
Ist doch zu schwach/ daß er die dicken Wolcken bricht;
Es muß ein ander Glantz vom hohen Himmel scheinen/
Der solchen Nebeldunst mit Krafft zertheilen kan:
Die irdsche Sonne macht ein blödes Auge weinen;
Die Ungeschaffne frischt zu wahrer Großmutt an.
Nun/ mein geehrter Freund/ er folge deren Leiten/
Die ihn aus einer Nacht des tieffen Traurens zieht/
Die ihm hat Zeit vergönnt sich Christlich zu bereiten
Zu dem/ was er itzund vor seinen Augen sieht.
Wer uns geschlagen hat/ kan auch am besten heilen.
Die Hand/ die uns verlezt/ thu auch den ersten Bund.
Erfahrung und Natur heist uns nach diesem eilen/
Was uns durch seine Gifft und zorngen Biß verwundt.
Zwar hier ist keine Gifft/ hier ist kein Zorn zu finden:
Es thuts des Herren Hand/ die alles wohl gemacht/
Des Herren Hand/ gewohnt zum Schlagen und verbinden/
Des Herren Hand/ der nie zu unserm Schaden wacht.
Schwer ist es/ unsern Schmertz bald erstlich zu bestillen/
Die Eigen-Liebe denckt offt mehr auff sich/ als Gott/
Sieht ihren Kummer an durch falsch-geschliffne Brillen/
Verdoppelt ihren Harm/ vergrössert ihre Noth.
Wir suchen nur/ was wir an unsrer Seite missen/
Und klagen/ daß uns Freud/ und Hülff/ und Trost entgeht/
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Erwegen aber nicht/ daß wir diß Liebe wissen/
Wohin auch unser Wunsch und brünstig Seufftzen steht:
Bedencken nicht/ wie es dem Tode kan entrinnen/
Wie es verlassen hat das Siech-Hauß dieser Welt/
Und wollen ihm gar bald die Freude nicht vergünnen/
Die ihm des Herren Hand in seiner Schos bestellt.
Wir sehen nicht/ wie Gott auff seine liebsten Kinder
Das Siegel iederzeit des heißen Creutzes drückt/
Wenn er die wilde Schaar der Gotts-vergessnen Sünder/
Bey blühendem Gelück in ewge Straffe schickt.
Wir wissen nicht/ was die vor Unglück offt entkommen/
Die ein noch früher Tod aus unsern Augen reist;
Und anders/ was ich mir zu melden vorgenommen/
Wenn nicht die Schwachheit noch beschwerte Leib und Geist.
Doch wird sein Christenthum/ mit welchem kluges Wissen/
Vernünfftges Urtheil und Verstand gesellet gehn/
Sein stets gemäßigt Sinn/ und männliches Entschlüssen/
So diß und mehr betracht/ dem Höchsten stille stehn.
Der selge Geist ruht nun in seines Herren Händen/
Der Kranckheits-müde Leib schläfft in dem Grabe wohl!
Man wird der Tugend Ruhm zur späten Nachwelt senden:
Kein ORT ist/ welcher nicht ihr LOB vermelden soll.

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TextGrid Repository (2011). Abschatz, Hans Aßmann von. Gedichte. Gedichte. Leichen- und Ehren-Gedichte. Leichen-Gedichte. Trost-Schreiben an Herrn Friderich Ortlob. Trost-Schreiben an Herrn Friderich Ortlob. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-D53A-6