Die zwölff und vier Nächte

Von vielen wird die heilge Zeit
Der Wunder-vollen Christus-Nacht
Mit Aberglauben/ Uppigkeit
Und schnödem Fürwitz zugebracht:
Seel Ewig/ laß dich nicht dergleichen Thorheit sahen:
Wir wollen uns im Geist zu Jesus Krippe nahen!
Zwölff Nächte hat die Welt erwehlt/
Die ihr Propheten sollen seyn/
Doch wie man noch die rechten zählt
Stimmt nicht die Meynung überein:
Ich will durch andre Nächt/ ich will von andern Sternen/
Was zu gewarten sey für dich/ o Seele/ lernen!
Ich seh auff keinen Peters-Stab/
Auff Mond und Himmels-Angel nicht/
Den besten Führer giebt mir ab
Des Jacobs-Sternes helles Licht:
[37]
Was in Sabäer Land den Weisen ist erschienen/
Kan mir nach Bethlehem zum sichern Leitstern dienen.
Offt bringt die Nacht gewünschte Ruh
Auff heisser Tage müde Last.
Offt bringt man sie mit Schrecken zu/
Und findet weder Ruh noch Rast.
Vier Theile zählt das Jahr: Ich will mein Angedencken
In Andacht auch auff vier ungleiche Nächte lencken.
Eh noch die erste Nacht entstand
In unbegränzter Ewigkeit/
War keine Finsternis bekandt/
Kein Schatten oder trübe Zeit:
Gott selber war das Licht/ drum hieß ers auch auff Erden/
Als noch der rohe Bau verdunckelt/ lichte werden.
Er sezte Tag und Nacht zwar aus/
Doch hatt auch die ihr eigen Licht/
Des Edens lichtes Sommer-Hauß
War schön und herrlich zugericht:
Der edle Mensch war selbst von aussen und von innen
(Als Gottes Ebenbild) voll Licht an Geist und Sinnen.
Wie zeitlich aber ward die Nacht/
Durch Lust von List und Neyd erweckt/
Auff ihn und seinen Stamm gebracht/
Die Welt mit Finsternis bedeckt.
In solcher Dunckelheit war allen Adams Erben/
Von Gottes Licht entfernt/ gedrohet zu verderben.
Die erste Sünden-Nacht war diß/
Darinn wir ewig solten seyn/
Doch gab Gott dieser Finsternis
Auch wieder einen Gnaden-Schein:
Er ließ uns einen Glantz von Weibes-Saamen blicken/
Den er zu seiner Zeit auff Erden wolte schicken.
Nach ausgesezter Jahre Lauff
Kam die erseuffzte Nacht herbey/
[38]
Es gieng der Stern aus Jacob auff/
Daß er der Heyden Führer sey:
Ein ungewohntes Licht vom Himmel fuhr hernieder/
Den Heyland sagten an die süssen Enge-Lieder.
Der zweygestammte Wunder-Held
Begrüßte diesen Erden-Kloß;
Der Völcker Trost/ das Licht der Welt
Lag in Marien reiner Schoß.
Stellt trübe Zähren ein/ und hemmt das düstre Weinen/
Hier sieht man in der Nacht die hellste Sonne scheinen.
Der Stall ist zwar gering und klein/
Es schimmert hier ein schwaches Licht/
Was kan der Sonne finster seyn/
Die durch die dicksten Wolcken bricht?
Mein Jesus/ wilt du nicht in meinem Hertzen liegen/
Wenn bange Finsterniß und Schrecken mich bekriegen?
Ich bringe dir nur grobes Heu/
Und ungerechter Wercke Stroh/
Bin aber doch in Reu und Treu
Dich bey mir zu bewirthen froh.
Ach kehre bey mir ein und laß mich dein genüssen/
So kan die Weyhnachts-Nacht mir Noth und Nacht versüssen.
Nun kömmt die grosse Nacht heran/
Das Lamm voll heiliger Geduld
Betritt die rauhe Leydens-Bahn/
Und giebt sich hin für unsre Schuld:
Es ringt mit Gottes Zorn/ und kämpfft mit Tod und Hölle/
Damit es jenen dämpff/ und die zu Bodem fälle.
Eh unser Heyland geht in Streit/
Hat er uns noch zu guter lezt
Ein herrlich Nacht-Mahl zubereit/
Zur Kost sich selber auffgesezt:
Ach Seele/ nimmst du die/ und woltest den nicht lieben/
Der dir biß in die Nacht des Todes treu geblieben.
[39]
Was sag ich: treu biß in den Tod/
Auch treu/ nachdem er wieder lebt/
Der deine Sünden/ deine Noth/
Büßt an sich selbst/ mit sich begräbt.
Der so viel Hohn und Spott in dieser Nacht erlitten/
Damit er dir das Reich der Ehren hat erstritten.
Pech/ Kohlen/ Tinte/ gleichen nicht
An Schwärtze dieser Trauer Nacht/
Die dunckler Leuchten blindes Licht
Mehr grausam noch und schrecklich macht:
Der Juden grimmer Zorn speyt Lästerung und Flammen/
Die Schlagen über dich/ mein Heyl und Licht zusammen.
Und dieses ist die trübe Nacht/
Die uns den Himmel wieder klärt/
Die deines Leydens Anfang macht/
Das uns die Seligkeit gewehrt:
Wir hätten ohne die in steten Finsternissen
Und glimmend blauer Glutt der Hölle sitzen müssen.
Die Deck ist nunmehr auffgehüllt/
Die uns und unsern Gott getrennt/
Die strenge Rach-Glutt ist gestillt
Die biß in tieffsten Abgrund brennt.
Mein schwaches Glaubens-Licht kan sich nunmehr erquicken.
An Gottes Vater-Aug' und hellen Sonnen-Blicken.
Izt ist noch eine Nacht für mir/
Dafür dem blöden Auge graut/
So offt es seine Grabes-Thür
Ihm mehr als halb-geöffnet schaut:
Es muß hier aller Glantz der Eitelkeit verblinden/
Und was man gerne sah auff Erden/ bleibt dahinden.
Ein enger Sarg ist mein Gemach/
Da läst mich alle Welt allein/
Und meine Wercke folgen nach/
Ach daß sie möchten besser seyn!
Die Farben erster Nacht seh ich an ihnen kleben/
Doch gläub ich/ Christus Blutt wird bessre Farbe geben.
[40]
Das süsse Nacht-Kind hat für mich
In dieser Nacht die Welt begrüßt/
Mein Heyland hat ja nicht für sich/
Er hat für meine Schuld gebüßt.
Er ist für mich geschlacht/ er ist für mich begraben/
Was soll ich denn für Furcht ihm nachzufolgen haben.
Geb ich der Erde gutte Nacht/
So reiß ich auff den Himmel zu!
Die Seele wird zu Gott gebracht/
Der Leib indeß zu stiller Ruh:
Drum finstre Todes-Nacht/ du solst mich nimmer schrecken/
Der/ der sich selbst erweckt/ wird mich zur Freude wecken.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Abschatz, Hans Aßmann von. Gedichte. Gedichte. Himmelschlüssel oder Geistliche Gedichte. Die zwölff und vier Nächte. Die zwölff und vier Nächte. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-D301-5