Wie sehr freu ich mich, mein Theuerster, zu erfahren daß Sie nicht unterlassen, die einmal gegründete und gebilligte Farbenlehre durch Ihre Vorträge annehmlich zu machen. Genau besehen, gestehen wir uns selbst [49]nicht recht welche verwilderte Aufgabe wir zu lösen unternommen haben. Nichts ist schwerer als daß der Mensch, dem man das Eine Fruchtbare überliefert, es bey sich auch fruchtbar werden lasse. Die Forderung wird immer größer, je länger man sich in diesen Geschäften ernst und treu, leidenschaftlich und doch umsichtig fortwirkend bemüht.1
Wie gern spräch ich weiter, doch verliert man sich, will man so wichtigen Betrachtungen nachgehen, gar zu schnell in's Abstruse, deshalb die Hoffnung mir höchst willkommen ist, Sie im Laufe dieser Monate wiederzusehen. Einer Quittung über die erhaltenen Gelder widme ich das folgende Blatt.
treu theilnehmend
Dreyzehn Thaler 5 Silbergroschen als Honorar für die beyden zum vorjährigen September-Heft der Berliner Jahrbücher gelieferten Recensionen2 richtig erhalten zu haben bescheinige hiermit.
Die Franzosen haben das schöne Wort aborder une question, denn gerade dieses anlanden, diese seemännische Klugheit zu wissen wo eine schroffe Insel zugänglich ist, halt ich für das Höchste. Täglich üb ich mich bey meinen Fahrten, zu meinem Heil in diese Einsicht aufzuklären und zu reinigen.
Hier wäre ein Kapitel zu bearbeiten das man sonst das Heuristische nannte welches aber eine ganz andere Gestalt gewinnen möchte
Mein Vortrag wendet sich schon ins Abstruse, ich will aber doch nur soviel sagen, daß man gerade in unserm Fach immer oben auf den Gipfeln tanzt und jedem einzelnen Zweig des ungeheuren Lebensbaumes eine besondere Wurzel zueignen möchte.
Ich habe vorausgesagt daß die Petersburger Akademie keine Antwort auf ihre Frage vom [Lücke] erhalten würde, und so ist es geworden, auch werden sie und ihre Genossen sich hüten so bald wieder zu fragen.
Um aber einen Punct zu berühren der Sie näher zu interessiren scheint, so ist die Frage wie man an die entoptischen Farben am leidlichsten anlanden könnte und das ist: von der ganz rein katoptrischen Seite. Hievon will ich jetzt nicht weiter sprechen; ich schicke Ihnen aber zunächst ein Damenbret wodurch für den Wissenden alles ausgesprochen ist, wenn er sich dabey noch der Chladnischen Figuren erinnern und bedienen mag.
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- Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek
- Zitationsvorschlag für dieses Objekt
- TextGrid Repository (2022). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 21. August 1831. Goethe an von Henning. Z_1831-08-21_c.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.T11991/0000-001C-2144-0