✍Die vom Herrn Rabe aus Neapel
eingesendeten Copien nach antiken
Gemälden aus dem Herkulanischen
Museum, Eilf weibliche einzelne
Figuren und noch zwey dergleichen
zu einer Gruppe vereint; ferner
vier Centauren, jeder mit noch
einer andern Figur zusammen
gruppirt; alle auf schwarzem Grundwie
schwebend1 mit Öhlfarben ge-
malt, auf schwarzem Grund als
ob sie schwebten.
Ich finde diese Copien mehr
und weniger ausführlich, zum Theil
skitzenhaft behandelt, wie den[n] auch
die Originale mit großer Leichtig-
keit und Meisterschaft verfertigt
sind; in so ferne erscheinen sie
freylich ausführlicher als die
vorliegenden Nachbildungen, allein
es ist nicht zu übersehen daß Hr:
Rabe sich in seiner Arbeit nach Zeit
und Gelegenheit fügen mußte.
Am sorgfältigsten und mit der
meisten Aufmerksamkeit behandelt
ist die ganz in ein weites, blaß-
grünes Gewand gekleidete Figur,
die mir auch immer2 im Original
immer als3 eine der vorzüglichsten
geschienen. Nächst dieser befriedigt
am meisten die in Grün und
Gelb gekleidete, mit Opferschale
und Krügelchen, ferner die welche
einen Zepter in der Linken, in
der Rechten einen Zweig mit
Früchten trägt[.]
Für Kundige der Kunst und des
Alterthums sind alle diese Figuren4
gewiß alle diese Figuren sehr
schätzbar und auf mannigfaltige5
[38v]Künstler können sich auf mannigfaltige
Weise aus ihnen unterrichten, wen[n]
gleich überhaupt die Behandlung
ausführlicher, die Farben der Ge-
wänder von größerer Rein6 heller
und zum Theil reiner, die carnt7
Carnation blühender zu wünschen
wäre. auch die herrlichen Maßen
von Licht und Schatten scheinen
nicht allemahl deutlich genug aus-
einander gesetzt.
In den Centauren Gruppen ist
gar manches gut gerathen, Sie8
wenn sie etwas blaß in die Augen
fallen, so ist zu bedenken daß auch
die Farben der Originale matt ge-
worden sind. Die Köpfe des Weib-
lichen Centauren, welcher
welche9 den Knab10
Knaben vor sich hält und des Männlichen,
dem die Bacchantin auf dem Rücken
kniet und ihn antreibt, verdienenLob11 sind allerdings lobenswerth.
Dem beabsichtigten Zweck wärees wohl
angemeßen gewesenwenndürfte es wohl
angemeßen gewesen seyn
wenn12 gerade an diesen Gruppen die
herrliche Beleuchtung mit mehrerer
Sorgfalt von Herrn Rabe studirt
worden wäre.
- Rechtsinhaber*in
- Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek
- Zitationsvorschlag für dieses Objekt
- TextGrid Repository (2022). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 12. Mai 1821. J. H. Meyer, Informelles Gutachten für C. L. F. Schultz (Konzept). Z_1821-05-12_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.T11991/0000-001C-1519-F