Den Privat-Docenten Dr. Müller
(betr)betreffend.
Der Privat-Docent Dr Müller
hat sich mit dem, in originali anlie-
genden, BeförderungsGesuch
an mich gewandt. Ich habe das
Gutachten der medizinischen
Facultät hierauf eingehohlt, und
beehre mich, Euer Excellenz solches
mit seiner Eingabe vorzulegen.
Die Facultät ist durch einen
Passus in der Vorstellung des
Dr Müller, daß er zur Ver-
vollständigung ihres Unterrichts
beytrage, etwas verstimmt
worden; indeß hat sie doch nicht
umhin können, sich empfehlend
für denselben zu erklären.
Und wirklich ist der Dr Müller
einer der vorzüglichsten jungen
Männer, welche die hiesige Uni-
versität gebildet hat. Seine beyden,
schon durch ihren Gegenstand, [ihre]
[79v]Form und ihren Umfang wich-
tigen, Schriften haben Aufmerk-
samkeit in der wissenschaftlichen
Welt erregt, und seine Vorle-
sungen sind fleissig und mit
immer steigendem Beyfall be-
sucht worden. Er hat das Glück,
Euer Excellenz persönlich bekannt
zu seyn, und ich glaube mich auch
darum schon auf folgende we-
nige Bemerkungen beschränken zu dürfen.
Der Dr Müller hat hier nunmehr
anderthalb Jahr als Privat-Docent
gewirkt, und es fehlt ihm somit
noch ein halbes Jahr zu dem Minimum,
das ich im Allgemeinen für jeden
Privat-Docenten mir festgesetzt
habe, ehe ich bey Hochdenselben
Anträge zu seiner Beförderung
mache.
Ich glaube aber bei diesem jungen
Manne von dieser Regel abgehen
zu dürfen, da sein wissenschaft-
licher Werth durch seine Schriften,
sein Werth als Lehrer durch den
[80r]Erfolg seiner Vorträge, und
sein Werth als Mensch und Bür-
ger durch mehr als sieben Jahre,
die ich ihn fast unaufhörlich im
Auge gehabt, als bereits fi-
xirt angesehen werden darf.
Ich muß indeß auch hinzusetzen,
das der p Müller sein gan-
zes älterliches Vermögen für
seine Bildung aufgeopfert
hat; daß dieß auf meinen
eigenen Rath geschehen ist,
und daß der Dr Müller
ohne die bisherige, ihm als Pri-
vat-Docenten bewilligte, Un-
terstützung nicht hier würde
bestehen können.
Ich glaube mich daher hinläng-
lich gerechtfertigt, wen ich bey
Euer Excellenz den ehrerbietigsten
Antrag mache, den Dr Müller
zum Professor extraordinarius
in der medicinischen Facultät
zu ernennen, und ihm vom 1ten
April (a. c.)anni currentis an eine Besoldung
von jährlich 200 (Thlr.)Thalern zu bewilligen.
[80v]Da diese Summe gerade
durch die Ausscheidung
des Zeichenlehrers Tischbein
disponibel geworden ist, so
nehme ich um so weniger
Anstand, dieselbe hiefür
vorzuschlagen, da die Wie-
derbesetzung der Tischbein-
schen Stelle mir nicht nur
nicht dringend, ja in so fern
selbst unnöthig erscheint,
als für den, hiefür zu
bewilligenden, Gehalt doch
nicht leicht ein Mann zu fin-
den ist, der einer höheren Lehr-
Anstalt, wie eine Universität
ist, wohl anstände.
Regierungsbevollmächtigte.
des Königlichen Wirklichen
Geheimen Staats- und Ministers
der Geistlichen- Unterrichts-
und Medizinal-Angelegenheiten
Herrn Freiherrn von Altenstein
Excellenz
in
Berlin.
- Rechtsinhaber*in
- Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek
- Zitationsvorschlag für dieses Objekt
- TextGrid Repository (2022). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 4. April 1826. Rehfues an Altenstein (Ausfertigung). Z_1826-04-04_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.T11991/0000-001C-1DDF-8