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Hochwohlgeborner Herr

Als das Hohe Ministerium die Gnade
hatte, unterm 8. April (d. J.)dieses Jahres mich zum
ausserordentlichen Professor in der medici-
nischen Facultät hierselbst zu ernennen,
hat es, bei der Schwierigkeit, mir aus dem
Universitätsfond eine angemessene Besol-
dung zu verleihen, durch eine ausserordent-
liche Remuneration von 200 Thalern meiner
gedrängten oeconomischen Lage abhelfen
wollen, und zugleich die huldreiche Absicht
ausgesprochen, auch sofort, bis eine ange-
messene Besoldung für mich ausgemittelt
seyn würde, auf ähnliche Weise das Drücken-
de meiner Lage zu erleichtern. Wie sehr
ich Grund hatte, in dieser hülfreichen Auf-
munterung des Hohen Ministerii dankbar
auszuruhen und auf die mir eröffnete
[91v]Berücksichtigung in ergebener Gesinnung zu
vertrauen, so hatte ich doch,
was gerade für mich das
Schlimmste ist, wieder nur
die Aussicht, zunächst auch nur
für die Gegenwart meine Existenz gesichert
zu sehen, welche doch durch eben jene
Berufung ausschließlich zum Dienste des
Staates verpflichtet worden. Ich hatte dieß
um so mehr zu bedauern, indem ich die
Ehre hatte, von Euer Hochwohlgeboren selbst
persönlich zu erfahren, daß es Denselben
in Ihrem Berichte in Angelegenheit meiner
Beförderung möglich gewesen, zu meiner
Besoldung den Fond nachzuweisen.

Unter den Verhältnissen, in denen ich
seit vielen Jahren unter immerwährenden
Sorgen Alles, was entfernt oder nah von
mir aufgeboten werden konnte, einer
schwierigen Laufbahn aufgeopfert, unter
Umständen, die schon längst auch nicht das
Geringste, auf das ich sicher rechnen könnte,
übrig gelassen und mir allein mich über-
antworten, ist es für mich höchst beängsti-
gend und sorgenvoll, mein Leben, das
ausschließlich seinem Berufe gewidmet
seyn soll, immer nur der augenblicklichen
Hülfe anvertraut zu sehen, wo das ältere
Bedürfniß der Vergangenheit sogar erst durch
die augenblickliche Hülfe der Gegenwart
gestillt wird und wo die immer neu sich
häufenden auch der späteren Hülfe erst
gewärtigen Bedürfnisse es durchaus unmöglich
[92r]machen, sich nach bessten Kräften zu seinem
Auskommen einzurichten

Es bleibt daher auch jetzt bei der huldreichen
Aufmunterung und gnädigst versicherten
Berücksichtigung des Hohen Ministerii meine
in so vielen Lagen des Lebens sorgenvoll
wiederhohlter Wunsch, durch eine fixe Be-
soldung in meinen Fortschritten befestigt
zu werden.

Wie sehr ich unter meinen seit vielen
Jahren immer mit der Gegenwart
kämpfenden Verhältnissen zu diesem Wunsch
Grund habe, können Euer Hochwohlgeboren
gewiß am besten selbst beurtheilen.
Euer Hochwohlgeboren kennen das Einzel
ne dieser drückenden Lage, as nicht
würdig und geeignet seyn kann, dem
Hohen Ministerio vorgetragen zu werden.
Ich konnte bisher nicht daran denken, ihre
Nachwirkungen aus älterer Zeit zu tilgen
die seit dem Jahre 1819 immer stärker
auf mir lasten.

Unter diesen Umständen erlaube ich
mir, Euer Hochwohlgeboren an Ihre
für mich so hoffnungsvolle letzte Ver-
wendung zu erinnern, in welcher Sie,
wie ich die Ehre hatte, von Ihnen selbst
zu meinem damaligen grossen Troste
zu vernehmen, einen Fond zu meiner
Besoldung haben nachweisen können, und
ersuche Euer Hochwohlgeboren in gehor-
samer Ergebenheit, abermals in dieser
Beziehung Ihre wirksame und einfluß-
reiche Fürsprache bei dem Hohen Ministerio
[92v] gütigst für mich zu verwenden, daß
es Hochdenselben gefallen möge:

meine nunmehrige Stellung und
Verpflichtung für den Dienst des
Staates durch eine fixirte Besoldung
gnädigst ausstatten zu wollen.

In dieser Hoffnung verharre
In tiefster Hochachtung
und Ehrerbietung
Euer Hochwohlgeboren
ergebenster Diener
Prof. Dr. Joh. Müller
Bonn am 2. September 1826.
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Rechtsinhaber*in
Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2022). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 2. September 1826. Johannes Müller an Rehfues. Z_1826-09-02_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.T11991/0000-001C-1E60-5