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(G. Fr.)Geliebter Freund!

Am 8. d. M. schrieb ich an Dich einen Brief, worin ich von dem Todesfalle der Mutter der Borchard mit einigen {empfindsammen} Bemerkungen nach meiner damaligen Stimmung redete. Dann meldete ich den Stand meiner Sachen in Berlin und Breslau, der sich beträchtlich gewendet hat, da ich nämlich im Oktoberbriefe {gleichsamm} offiziell gedacht werde, wenn Carus die Stelle nicht annähme soll ich nach dem Märzbriefe der Suchende, dort der Erwartete, hier der Hoffende seyn. Es haben sich nämlich seit Carus Absagung beträchtliche Competenten gemeldet, davon auch ihre Protektoren nicht fehlen werden und zwar Innländer und Docenten, oder was sonst gegen einen Ausländer, der wohl aus fremder u. eigener Noth nicht selten Docent seyn musste, aber doch in jenem Sinne nie Docent war, so dass ich mir den Götterkrieg wohl denken kann, der dort geführt wird und {dem} der arme sterbliche Achilles oder Hektor wird entgelten müssen. Ich soll nun sehen, dass ich durch etwaige Connexionen von Breslau aus selbst in Vorschlag gebracht werde, das wäre, meint wahrscheinlich Neptun, ein tüchtiger coup de Dieu, denn ohne Zweifel sind schon ein oder mehrere von dort aus vorgeschlagen. Ich meine jedoch, der Sterbliche soll auch Seines thun, und nicht alles von der Gnade Gottes erwarten. Ich habe schon meine Fühlhörner nach Breslau hinübergestreckt um nur vorläufig anzutasten, wie es dort steht, mit dem Bericht würde ich schon nachrücken. Auch will ich sehen, ob sich etwas von Dresden aus thun lässt. Uibermorgen schicke ich nach Berlin einen artigen Steckbrief im Amtswege von meiner Person, worin auch meiner leidlichen Nothdocentenschaft Erwähnung geschieht. Die Sache hängt nur noch vom Ministerium und dem Könige ab. Diese Beiden aber rechne ich noch nicht unter meine Bekannten. Die Borchard, der ich aus erlaubter Schwachheit nichts verschweigen kann, hat so viel Zutrauen zu Deiner Politik und Deinen Verhältnissen, dass ich obwohl ich mir es selbst nicht erklären konnte, mit wahrem Köhlerglauben [D]ich um Rath bitten musste. Der Rath bleibt aus, sollte denn das Gebeth nicht angekommen seyn? [...]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2022). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 19. März 1822. Purkinje an Nilsen (Auszug). Z_1822-03-19_l.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.T11991/0000-001C-1717-F